Der Prophet Micha
Kapitel 2: Der moralische Zustand Israels und die zukünftige Wiederherstellung des Volkes
In Kapitel 1 wurde das Gericht über das Volk durch Assyrien, das Werkzeug in der Hand Gottes, im Voraus angekündigt (Jes 10,5). Jetzt offenbart Micha auf eindeutige und mutige Weise die tieferen Gründe für dieses göttliche Gericht. Es waren die sozialen Verbrechen, das Ablehnen des Wortes des HERRN und die Wahl der falschen Propheten. Erinnern wir uns, dass jedes Mal, wenn die Rechte Gottes mit Füßen getreten werden, auch die menschlichen Rechte mit Füßen getreten werden.
1. Das erste Wehe: V. 1–5
Micha verkündet in seiner Weissagung zweimal ein Wehe, das erste über das Volk (V. 1.2), das zweite über sich selbst (Mich 7,1). Es sei auf die Analogie zu den zwei Propheten Jesaja und Amos hingewiesen 1.
Das Volk ersinnt in der Dunkelheit Absichten der Gewalt, der Bedrückung und der Habgier, indem es sich ohne Zurückhaltung dem Bösen hingibt. Der HERR warnt es auf eindeutige Weise vor dem Gericht, das sie erleiden würden. Die ernste Folge der Tatsache, dass das Volk Böses gegen Gott vorhat (V. 1), ist, dass Gott ein Unglück (eine schmerzhafte Züchtigung) gegen das Volk ersinnen muss (V. 3), welches sich gegen ihn verhärtet hat und bisher unversehrt geblieben ist (Hiob 9,4). Gott hat immer das letzte Wort. Der Hochmut des Volkes wird gebrochen werden durch das Mittel seiner Versklavung unter das Joch der Nationen. In Wirklichkeit ist dies eine böse Zeit, während der der Gerechte schweigen soll (Amos 5,13).
Um die Not des Volkes noch näher zu schildern, wird seine Situation sogar in Form eines Spruches verkündet (V. 4.5). Die Häuser und die Felder, welche die Gewaltigen in Israel von ihren Brüdern geraubt haben, werden jetzt solchen übergeben, die sich von dem HERRN abgewandt haben, also den Feindes des Volkes. Es herrscht eine derartige Verwirrung, dass keine Autorität mehr existiert, um die Besitzverteilung des Landes zu kontrollieren, wie es einst Josua mit Weisheit getan hatte. Dieses Wort Michas an das Volk (V. 5) weist auch prophetisch darauf hin, dass keiner der Abgefallenen ein Erbteil im 1000jährigen Reich haben wird (Hes 33,25). Nur die Treuen, die Sanftmütigen, werden das Land erben (Mt 5,5).
2. „Weissagt nicht!“, weissagen sie: V. 6–11
Intrigen, lüsternde Begierde, Unterdrückung und Hochmut gehen einher mit der Weigerung, auf das Wort des HERRN zu hören. So wollten falsche Propheten unter dem Volk (Mich 3,5) die treuen Propheten wie Micha, Amos und Jesaja zum Schweigen bringen. Aber wenn das prophetische Wort in Israel nicht verkündet wird, wird das Böse sich noch weiter zuspitzen („so wird die Schmach nicht weichen“, V. 6). Wie ist es doch wünschenswert, dass der Weissagende in der christlichen Versammlung das Wort Gottes zu Gehör bringt, und nicht Menschenwort, um die Seelen mit der göttlichen Wahrheit in Berührung zu bringen und ihnen „zur Erbauung und Ermahnung und Tröstung“ zu reden (1. Thes 2,13; 1. Pet 4,11; 1. Kor 14,3)!
Der HERR ergreift nun das Wort, um diese falschen, schuldigen Propheten zu überführen. Das Volk konnte Gott nicht dafür anklagen, dass es ihm an Geduld gemangelt hatte (V. 7) oder dass er nicht durch seinen Geist in ihrer Mitte gewirkt hatte. Welch eine rührende Erklärung Gottes, die auch uns heute gilt: „Sind meine Worte nicht gütig gegen den, der aufrichtig wandelt?“ (V. 7)! Inmitten der großen Zahl Ungläubiger spricht Gott noch zu denen, die hören wollen. In Israel erhob sich der Großteil des Volkes wie ein Feind gegen Gott, ohne dabei auf die Schwachen, die Witwen und ihre Kinder Rücksicht zu nehmen.
Durch die Stimme seines treuen Propheten befiehlt der HERR deshalb all denen, die bereit sind sein Wort aufzunehmen, sich zu erheben und sich von all dieser Ungerechtigkeit abzusondern: „Macht euch auf und zieht hin! Denn dieses Land ist der Ruheort nicht, um der Verunreinigung willen, die Verderben bringt, und zwar gewaltiges Verderben“ (V. 10). Wie kann das Volk Gottes auch in einem solchen Zustand der Verunreinigung Ruhe finden? Der Befehl, der den Treuen in Israel gegeben wird, wird auch gegenüber den Christen wiederholt: „Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab“ (Jes 52,11; 2. Kor 6,17; 2. Tim 2,19).
Die, welche mit diesem Zustand der Verunreinigung verbunden bleiben, indem sie das Wort des Zeugnisses ablehnen, fallen unter das Gericht der Verhärtung (V. 11). Sie sind unter dem Einfluss eines Geistes des Irrtums 2 und der Trunkenheit. Die, welche sich von der Wahrheit abwenden, werden unvermeidbar von Fabeln angezogen. Dies wird das furchtbare Los der abgefallenen Christenheit sein: sie wird durch eine Kraft des Irrwahns gefangen sein, während alle geistigen Quellen in der Welt verunreinigt sein werden (2. Thes 2,11.12; Off 8,10.11).
3. Die zukünftige Segnung des Volkes Israel: V. 12.13
Dieser vollständige Wechsel in den Worten Michas könnte überraschen. Er zeigt uns, dass der HERR trotz des scheinbar aussichtslosen Zustands seines Volkes nie seinen festgesetzten Ratschluss der Segnung aufgibt. Dieser Teil der Weissagung Michas endet mit der Darstellung der Sammlung Israels unter dem Stab seines Hirten, welcher Christus selbst ist. Jesaja, ein Zeitgenosse Michas, spricht von einem kleinen Überrest im Gegensatz zu der untreuen Nation in ihrer Gesamtheit (Jes 1,9). Micha dehnt die göttliche Segnung auf ganz Jakob und auf eine „Menge der Menschen“ aus (V. 12), um die Weite der Gedanken der Gnade Gottes zu unterstreichen. Die Herde Israels (der Überrest des Volkes) wird um Christus, den Messias und Hirten, den Stein Israels (1. Mo 49,25), versammelt werden. Er ist der Durchbrecher, also derjenige, der alle Hindernisse umgestoßen hat, die dieser Sammlung im Wege standen. Wenn er als der oberste Hirte anerkannt sein wird, wird er die Tür sein, durch die der treue Überrest das abgefallene Volk verlässt und in die Segnung des 1000jährigen Reiches eingeht. Dieser König und Hirte ist der HERR selbst (V. 13).
Der Herr geht von dieser Prophezeiung Michas in Bezug auf das Volk Israel aus, um seine Gedanken hinsichtlich seiner Schafe zu offenbaren, die er aus dem jüdischen Volk und den Nationen herausholt. Er ist selbst ihre Tür, ebenso wie er ihr guter Hirte ist. Er ist in den Riss getreten, als er durch seinen Tod und seine Auferstehung die Macht Satans zerstört hat. Sein erlöstes Volk geht durch diese Tür der Errettung, um das ewige Leben, ein Leben im Überfluss, zu besitzen und um Freiheit und Speise zu genießen (Joh 10,7.9–11).
Fußnoten