Der Brief an die Hebräer
Kapitel 12
„Deshalb nun, da wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, lasst auch uns, indem wir jede Bürde und die leicht umstrickende Sünde ablegen, mit Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf, hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher, der Schande nicht achtend, für die vor Ihm liegende Freude das Kreuz erduldet und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes“ (Verse 1–2).
Das ist das Resultat, zu dem Paulus kommt nach der bewunderungswürdigen Beschreibung des Glaubenslebens der alttestamentlichen Glaubenshelden. Wir sind von einer großen Wolke von Zeugen umgeben. Was der Glaube vermag, wie er bis ans Ende ausharrt, obgleich die Verheißung noch nicht erlangt ist, wird uns auf beredte Weise aus dem Leben dieser Heiligen gezeigt und soll uns anspornen, mit Ausdauer den Wettlauf zu laufen, der vor uns liegt. Groß waren die Gefahren, in denen die Hebräer sich befanden. Mutlosigkeit kann zum Abfall, Ermatten im Glauben, kann zur Verleugnung des Christus führen. Die Erwähnung der Zeugen aus dem Alten Bund sollte ihnen Mut und Vertrauen einflößen. Im Hinblick auf das Ausharren dieser treuen Heiligen mussten die Hebräer sich ihrer Wankelmütigkeit wohl schämen.
Wie unendlich groß sind unsere Vorrechte! Gott hatte für uns etwas Besseres vorgesehen – eine bessere Stellung, einen bessern Ort, eine bessere Hoffnung – aber auch, wie Paulus hier sagt, einen besseren Gegenstand des Glaubens. Von den Heiligen des Alten Bundes hatte jeder etwas von den Schwierigkeiten des Glaubensweges gekostet und dieselben überwunden. Unser Herr und Heiland aber ist den ganzen Weg des Glaubens zu Ende gegangen, von der Krippe bis zum Kreuz, und sitzt jetzt zur Rechten des Thrones Gottes. Er ist allen Versuchungen preisgegeben worden, denen die menschliche Natur ausgesetzt werden kann. Er wurde von den Menschen verfolgt, durch Satan versucht, von Gott verlassen. Seine Jünger flohen, als Ihm Gefahr drohte; Sein vertrauter Freund verriet Ihn; Seine meistgeliebten Jünger vermochten nicht mit Ihm zu leiden, wie sehr Er auch ihr Mitgefühl begehrte. Die Väter, deren Namen hier in Ehren genannt werden, vertrauten auf Gott und wurden erhört; Er aber fand keine Erhörung; Er war ein Wurm und kein Mann (
Darum ist Er der Anführer und Vollender des Glaubens. Er ist den Weg des Glaubens vom Anfang bis zum Ende gegangen und thront jetzt mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt zur Rechten Gottes. Auf Ihn im Himmel blickend, sehen wir den Weg des Glaubens, das Ausharren des Glaubens und die Vollendung des Glaubens. In dieser dunklen Welt sehen wir einen leuchtenden, in der himmlischen Herrlichkeit endenden Pfad, auf dem Jesus als oberster Führer voranging und dessen Ende Er als Vollender des Glaubens erreicht hat. Wiewohl wir eine mächtige Wolke von Zeugen um uns haben, deren herrliche Glaubenstaten uns ermutigen und stärken können, so gibt es für uns doch nur einen Gegenstand des Glaubens, und das ist Jesus, sitzend zur Rechten Gottes, und wir müssen von allen anderen Dingen wegsehen, um unseren Blick ausschließlich auf Ihn zu richten und Ihm dann auf diesem Weg des Glaubens nachzufolgen.
Denn Jesus, der in die Herrlichkeit, die Ihm verheißen war, eingegangen ist, ist uns ein Vorbild in dem Leiden, durch das Er ging, um diese Herrlichkeit zu erreichen. Um der Freude willen, die vor Ihm lag: in die Herrlichkeit einzugehen als Anführer und Vollender des Glaubens, als der Vorläufer der Seinen, hat Er das Kreuz erduldet, indem Er die Schande dieses Kreuzes nicht achtete. Nun, sagt Paulus, „betrachtet Den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, dass ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet“ (Vers 3), sondern mit Ausdauer den Lauf vollendet, der vor euch liegt.
Um mit Ausdauer den Wettlauf laufen zu können, müssen wir alle Last der Sünde, die uns leicht umstrickt, ablegen. Wer zuerst am Ziel ankommen will, muss sich von allem befreien, was ihn hindern könnte. So müssen wir uns aller Lasten und Sorgen entledigen, die uns drücken, wie auch der Sünde, die uns so leicht umstrickt. Paulus spricht davon, als ob nichts leichter wäre als dies. Und in der Tat ist es leicht, wenn wir auf Jesus schauen. Sehen wir nicht auf Ihn, dann ist es unmöglich. Zwei Dinge sind es, die uns hindern: die Sorgen und die Sünde. Das menschliche Herz beschäftigt sich mit den Schwierigkeiten und dem Leiden; und je mehr man daran denkt, desto mehr fühlt man sich beschwert. Aber auch die Sünde ist ein Fallstrick; die Begierden des Fleisches streiten gegen die Seele. Sobald wir aber auf Jesus sehen, ist der neue Mensch wirksam. Wir haben einen neuen Gegenstand, der uns entlastet und von jedem anderen Gegenstand löst; es ist das neue Leben, die neue Natur, die uns in Christus geworden, das sich nun entfaltet. In Jesus finden wir, wenn wir den Blick auf Ihn gerichtet haben, die Kraft, die uns erlöst. Halten wir die Dinge dieser Welt für eine Last, was sie wirklich sind, dann ist es leicht, sie von uns zu werfen. Man gibt gerne auf, was im Weg steht und hindert.
Ist unser Blick aber auf die Umstände und das Leiden gerichtet, dann werden wir mutlos und stehen in Gefahr zu erliegen. So erging es den Hebräern, und darum sucht Paulus sie aus ihrer Mutlosigkeit zu erheben und sie mit neuer Zuversicht zu erfüllen. Zuerst, indem er sie auf das Ausharren der Glaubenshelden des Alten Bundes hinweist. Dann, indem er ihren Blick auf den neuen Gegenstand des Glaubens im Himmel richtet. Und endlich, indem er ihnen zeigt, dass die Züchtigung Gottes ein Beweis Seiner Liebe ist und uns klar macht, dass wir keine Bastarde, sondern Söhne sind.
Das Leiden, das die gläubigen Hebräer erduldeten, war ein Leiden um Christus willen. Sie wurden wegen ihres Glaubens verfolgt. Darum konnte Paulus zu ihnen sagen: „Ihr habt noch nicht, wider die Sünde ankämpfend, bis aufs Blut widerstanden“ (Vers 4); d. h. in eurem Kampf gegen die Sünde in der Welt ist es mit euch noch nicht so weit gekommen, dass ihr euer Leben habt aufopfern müssen. Dieses Leiden für Christus ist unsere Ehre und unsere Freude. (siehe
Von diesem Gesichtspunkt aus wird hier das Leiden von Paulus betrachtet. Treffend und erhaben ist es, was der Apostel darüber sagt. Da die Empfänger seines Briefes wegen der vielen Drangsale, die sie zu ertragen hatten, mutlos waren, tröstet er sie mit dem Hinweis, dass all das Leiden eine Züchtigung war, durch die Hand Gottes, ihres Vaters, und deshalb ein Beweis, dass sie Söhne und keine Bastarde waren. „Ihr habt die Ermahnung vergessen, die zu euch als zu Söhnen spricht: Mein Sohn, achte nicht gering des Herrn Züchtigung, noch ermatte, wenn du von Ihm gestraft wirst“ (Vers 5). Der Nachdruck liegt auf „Söhnen“. Nur Söhne werden gezüchtigt. Wenn wir das bedenken, dann werden wir die Züchtigung des Herrn nicht gering achten, noch darunter erliegen. Das könnte seinen Grund nur im Unglauben haben: Wer die Züchtigung des Herrn gering achtet, glaubt auch nicht, dass diese von einem liebenden Vater kommt, darum ist er darüber verzagt. Glauben wir, dass der Herr den züchtigt, den Er liebt, und dass Er jeden Sohn, den, Er aufnimmt, geißelt (Vers 6), dann werden wir verstehen, dass der Herr nichts umsonst tut und nie etwas sendet, was für uns nicht nützlich und notwendig wäre. Wir werden dann unter der Züchtigung nicht seufzen und uns auch nicht so benehmen, als ob die Züchtigung nichts zu bedeuten hätte. Sowohl vor Leichtfertigkeit als auch vor Schwermut werden wir dann bewahrt.
Die Züchtigung ist also ein Beweis, dass wir Söhne sind und dass der Herr uns liebt. Denn „ihr erduldet das Leiden als Züchtigung sagt Paulus, und nicht als Zorn von seiten Gottes. Leiden sind kein Gericht Gottes, keine Strafe, sondern die Zucht eines liebenden Vaters. „Gott handelt mit euch als mit Söhnen; denn wer ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?“ (Vers 7). Fremden Kindern habe ich nichts zu sagen, ich kümmere mich nicht um sie; meine Kinder aber erziehe ich, halte sie unter Zucht und strafe sie, wenn es nötig ist. In Seiner voraussehenden Führung beschäftigt sich Gott mit allen Menschen, aber nur Seine Kinder unterstehen Seiner Zucht. Darum würde das Fehlen göttlicher Zucht ein Beweis sein, dass wir nicht Kinder Gottes, sondern Bastarde wären (Vers 8). Weit entfernt davon, uns durch die Züchtigung entmutigen zu lassen, soll sie uns zur Freude und zum Trost gereichen, weil wir durch sie erfahren, mit welcher Liebe der Herr uns liebt.
Überdies hat die Züchtigung eine gesegnete Absicht und sie zeitigt herrliche Früchte. „Wir hatten auch die Väter nach dem Fleisch zu Züchtigern und scheuten sie, sollten wir dann nicht viel mehr dem Vater der Geister unterwürfig sein und leben?“ (Vers 9). Sicherlich; denn unsere Väter nach dem Fleisch züchtigten uns für wenige Tage nach ihrem Gutdünken, oft vielleicht willkürlich; Er aber, unser Gott und Vater in Christus, züchtigt uns zu unserm Nutzen, damit wir Seiner Heiligkeit teilhaftig werden (Vers 10). Unser Vater, der uns liebt, wünscht nichts sehnlicher als das. Er ist der heilige Vater und Er will Seine Kinder zu Teilhabern Seiner Heiligkeit machen. Durch die Züchtigung lernen wir uns selbst erkennen, wie wir das bei Hiob sehen; sie bewahrt uns vor Abweichung, wie es mit dem Pfahl im Fleisch bei Paulus der Fall war. Züchtigung übt auch das Gewissen, wie es aus der Geschichte von David hervorgeht. Das Böse wird dadurch gerichtet und geheilt, und wir reinigen uns, gleichwie Er rein ist.
Wer das verstanden hat und sich nach Gottes Heiligkeit sehnt (und welcher wahre Christ wünscht das nicht?), wird sich über die Züchtigung freuen, nicht, weil die Züchtigung in sich selbst eine Ursache zur Freude wäre, sondern wegen ihrer gesegneten Absicht und Auswirkung. Denn „alle Züchtigung scheint für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; hernach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind“ (Vers 11). Die Züchtigung kann nie anders als schmerzlich und eine Ursache zur Traurigkeit sein, denn wozu würde sie sonst dienen? –, und wie könnte sie anders ihr Ziel erreichen? Werden wir aber durch sie geübt, dann bringt sie eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit hervor, und dieses Bewusstsein lässt uns in der Drangsal frohlocken und uns in der Trübsal rühmen. Auf Grund dieser erhabenen Betrachtung über die Züchtigung ermahnt Paulus die Hebräer, die erschlafften Hände und die gelähmten Knie wieder aufzurichten und gerade Bahn für ihre Füße zu machen, damit nicht das Lahme vom Weg abgewandt und also noch schwächer, sondern vielmehr geheilt werde (Verse 12–13).
„Jagt dem Frieden nach mit allen und der Heiligkeit, ohne welche niemand den Herrn schauen wird“ (Vers 14). Unterwerft euch darum der Züchtigung des Herrn, die zu eurem Nutzen und zu eurer Heiligung geschieht, und lasst euch nicht von der Gnade Gottes ablenken, der euch zu Seinen Söhnen gemacht hat und euch als Söhne erzieht; lasst nicht irgendeine Wurzel der Bitterkeit über die Wege des Herrn in der Züchtigung in eurer Seele aufsprossen und euch beunruhigen, wodurch ihr nicht allein selber von der Gnade Gottes abirren, sondern auch andere mitreißen würdet; und macht es nicht wie Esau, der wegen eines augenblicklichen Genusses sein Erstgeburtsrecht verkaufte (Verse 15 bis 16).
Dieser Hinweis auf Esau ist wohl merkwürdig und vor allem für einen Juden treffend und scharf. Wenn ihr von Gottes Gnade abfallen würdet, dann kommt ihr, so warnt Paulus, in die Stellung des Mannes, der vor eurem Volk so verachtet und gehaßt wird. Es kommt nicht darauf an, was man an Stelle von Christus erwählt; indem man Ihn verlässt, kommt man in den Zustand des ungöttlichen Esau. Esau steht vor uns als der Typus derer, die rufen werden: „Herr, Herr, tu uns auf!“ Doch ihre Tränen werden wie die von Esau ohne Wirkung bleiben. Esau kam zu spät. Wiewohl er mit heißen Tränen den Segen seines Vaters suchte, wurde er verworfen (Vers 17). Und ebenso werden jene, die Gottes Gnade verachten und Christus verwerfen, keinen Raum für die Reue finden; die Tür wird geschlossen, und sie sind von jedem Segen ausgeschlossen und abgeschnitten.
In den folgenden Versen finden wir eine bewunderungswürdige Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade, der alten und der neuen Haushaltung, der Schrecken des Berges Sinai und der Segnungen des Berges Zion. Es ist eine ganz eigenartige Bibelstelle. Lies sie mit Aufmerksamkeit nach, lieber Leser, und genieße ihre Schönheit und Herrlichkeit (Verse 18–24).
Sinai und Zion – die zwei bedeutungsvollen Berge, werden hier einander gegenübergestellt. Die Schrecken des Gesetzes und die lieblichen Segnungen der Gnade stehen vor uns. Als Gott, der Herr, in Seiner Gerechtigkeit auf den Sinai herabstieg, um Seinem Volk Sein Gesetz zu geben, da umgaben die Zeichen des Gerichts diesen Berg; nicht nur bebte und zitterte das ganze Volk und begab sich auf die Flucht, indem es bat, dass das Wort nicht mehr an sie gerichtet würde, sondern sogar Moses, der Mittler des Alten Bundes, sagte: „Ich bin voll Furcht und Zittern“ –, so furchtbar war die Erscheinung. Wie könnte es anders sein? Wo Gott in Seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit an den gefallenen Menschen Seine gerechten Forderungen stellt, da muss Furcht und Schrecken das Herz erfüllen, denn es ist niemand, der Gutes tut, und alle sind deshalb unter dem Fluch und dem Gericht.
Die Wirkung des Offenbarwerdens der Gerechtigkeit Gottes auf den Sünder kann keine andere sein. Aber als Israel alle Gebote Gottes übertreten hatte und die Bundeslade von ihrem Platz gewichen war; als das Volk gesündigt hatte und gefallen war und dem Gericht hätte übergeben werden müssen, da trat Gott, der Herr, in Gnaden auf, erwählte David aus dem Stamm Juda, und David besiegte die Jebusiter, nahm die Burg Zion ein und gründete auf dem Berg Zion den Tempel. Auf dem Platz, wo der Engel des Verderbens stand, um Jerusalem zu schlagen, wurde von David dem Herrn ein Altar gebaut, und auf diesem Platz erhob sich später das Haus des Herrn, in welchem Er in den Tagen Salomos in Herrlichkeit erschien. Als der Mensch in seiner Verantwortlichkeit vollkommen gescheitert war, kam Gott, der Herr, um in Gnaden ein neues Band zwischen sich und Seinem Volk zu knüpfen. Darum sagt Paulus hier zu den Gläubigen: „Ihr seid nicht gekommen zu dem Berg, der betastet werden konnte… sondern ihr seid gekommen zum Berge Zion“ (Verse 18–22).
Doch wir sind nicht nur vom Gesetz zur Gnade gekommen und stehen jetzt in der Gnade, sondern wir sind auch von der Erde in den Himmel gekommen und haben im Himmel einen besondern Platz. Wir sind gekommen … „zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem“ (Vers 22). Zion war die Stadt des großen Königs, wo die Herrlichkeit Gottes erschien, aber es war nicht die Stadt des lebendigen Gottes. Die Stadt des lebendigen Gottes ist das himmlische Jerusalem, die himmlische Hauptstadt sozusagen im Königreich des lebendigen Gottes, die Stadt, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer der Herr selbst ist. Von der Erde gehen wir also in den Himmel – vom irdischen Zion in das himmlische Jerusalem. Gott verherrlicht sich auf eine Weise, an welche selbst Engel nie gedacht haben.
Aber im Himmel angekommen, befinden wir uns inmitten der „Myriaden von Engeln, der allgemeinen Versammlung“; und dort, auf jenem bewunderungswürdigen Schauplatz, wird unser Auge von einem ganz besonders herrlichen Gegenstand gefesselt, abgesondert und erhaben über den Engeln: der „Versammlung der Erstgeborenen, die in den Himmeln angeschrieben sind (Vers 23).
Diese Erstgeborenen sind nicht im Himmel geboren, sie sind dort nicht einheimisch wie die heiligen Engel, die durch Gott vor dem Fall bewahrt wurden; sondern sie sind die Gegenstände von Gottes ewigem Ratschluss, vor Grundlegung der Welt auserwählt, um heilig und untadelig vor Gottes Angesicht in der Liebe zu sein. Sie sind die verherrlichten Erben und Erstgeborenen Gottes, nach Seinem ewigen Ratschluss in den Himmeln angeschrieben. Sie sind nicht die Gegenstände der Verheißungen, obwohl sie diese –, da die Verheißungen ihnen auf Erden vorenthalten wurden –, im Himmel genießen werden; sondern sie gehören durch die Gnade dem Himmel an. Sie haben kein anderes Teil, kein anderes Vaterland, kein anderes Bürgerrecht als den Himmel. Gott selbst hat dort ihre Namen angeschrieben. Diese Stellung der Erstgeborenen ist die erhabenste, die es gibt. Die Versammlung bekleidet bis in Ewigkeit, nach Gottes ewigem Ratschluss, die höchste Stelle.
Dies führt uns von selber „zu Gott, dem Richter aller“. Das ist unser herrliches und heiliges Vorrecht. Gott, der Richter der ganzen Erde, ist unser Gott, in dessen heiliger Gegenwart wir uns vollkommen glücklich fühlen. Im Buch der Offenbarung umringen die vierundzwanzig Ältesten, die Vertreter der himmlischen Priesterschar, in vollkommener Ruhe den Thron des Allmächtigen, dessen Gerichte die Erde erbeben lassen, und vor dessen Richterstuhl alle, Lebende und Tote, erscheinen.
Hierauf kommen wir zu einer andern Schar von Glückseligen: „zu den Geistern der vollendeten Gerechten“. Das sind die Heiligen des Alten Bundes, die durch den gerechten Richter vor der Offenbarung der Ekklesia als die Seinen anerkannt waren; die ihren Lauf vollendet und im Kampf den Sieg behalten hatten und jetzt die Herrlichkeit erwarten. Aber nicht sie allein werden gesegnet werden; auch die Heiligen auf Erden werden den Segen empfangen. Gott wird mit Seinem Volk Israel einen neuen Bund errichten, nicht nach dem Bund, den Er mit ihren Vätern gemacht hat, denn in diesem Bund waren sie nicht geblieben; sondern Gottes Gesetz würde in ihr Herz geschrieben und ihre Sünden, unter dem ersten Bund getan, würden ihnen vergeben werden. Darum sind wir gekommen „zu Jesus, dem Mittler eines Neuen Bundes“, der alles vollbracht hatte, um diesen Neuen Bund zustandebringen zu können. Beachten wir wohl, dass es nicht heißt, dass wir gekommen sind zu einem Neuen Bund, sondern zu Jesus, welcher der Mittler dieses Neuen Bundes geworden ist. Und endlich sind wir gekommen „zu dem Blut der Besprengung, das besser redet als Abel“. Das Blut des Christus ist auf der Erde vergossen worden, wie das Blut Abels durch Kain. Aber anstatt nach Vergeltung zu schreien, wodurch Kain zu einem Verfluchten und einem Flüchtling auf Erden wurde – treffendes Vorbild der Juden, die des Mordes des Sohnes Gottes schuldig sind – redet die Gnade und ruft das vergossene Blut des Christus nach Frieden und Vergebung für die, welche Ihn zu Tode brachten. In dieser bewunderungswürdigen Reihe von Segnungen kommt das Blut des Christus zuletzt, weil es die Grundlage jedes Segens ist, sowohl des Segens der Versammlung als auch des Segens der alttestamentlichen Heiligen und der Gläubigen aus Israel und den Nationen, welche die Neue Erde bewohnen werden.
Wo nun solch reiche Segnungen den Gläubigen zuteil geworden sind, mögen sie wohl zusehen, dass sie Den nicht abweisen, der zu ihnen redet. Denn wenn jene dem Gericht nicht entgingen, die Den ablehnten, der auf Erden die göttlichen Aussprüche tat, wieviel weniger wir, wenn wir uns von Dem abwenden, der von den Himmeln her redet (Vers 25). In der alten Haushaltung redete der Herr auf Erden, jetzt redet Er vom Himmel her. Damals bewegte Seine Stimme die Erde; nun aber wird Seine Stimme „nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel bewegen“ (Vers 26). Das ist die Verheißung des Herrn. Deshalb war die Ablehnung des Christentums viel verhängnisvoller als das Übertreten der Gebote des Gesetzes. Wer sich vom Christentum abwendet, wendet sich von dem einzigen ab, das eine neue Ordnung der Dinge hervorrufen kann, von dem Königreich, das nicht verschwinden und nicht vergehen wird, sondern unbeweglich fest steht.
Denn wo alle Quellen, aus denen die Segnungen für die Menschen auf Erden fließen konnten, durch die Sünde vergiftet waren, und wo der Himmel, der Sitz von Gottes Macht, durch den Fall des Teufels verunreinigt war, da würde Gott, der Herr, alles bewegen und vergehen lassen, und es würde eine neue Schöpfung kommen, in welcher Gerechtigkeit wohnt. Das war schon Gottes Absicht, als Er die Erde in den gegenwärtigen Zustand brachte; denn „die Dinge, die erschüttert werden, sind gemacht, dass die, welche nicht erschüttert werden, bleiben“ Vers 27). Die „beweglichen Dinge“ sind deshalb nicht gemacht in der Absicht, sie immer so bleiben zu lassen, sondern mit dem Ziel, sie wieder verschwinden und an ihre Stelle „die unbeweglichen Dinge“ kommen zu lassen. Die erste Schöpfung wurde mit dem bestimmten Plan geschaffen, sie einmal durch die neue Schöpfung zu ersetzen, die unbeweglich ist und ewig bestehen wird.
Im dritten Kapitel des zweiten Briefes von Petrus wird uns mitgeteilt, auf welche Weise diese Veränderung der beweglichen Dinge stattfinden wird. Durch das Wort Gottes waren die Himmel von alters her und eine Erde, bestehend aus Wasser und im Wasser; und diese sind durch Sein Wort aufbewahrt und werden für das Feuer behalten auf den Tag des Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen. Alsdann werden die Himmel mit gewaltigem Geräusch vergehen und die Elemente im Brand aufgelöst, woraus dann ein Neuer Himmel und eine Neue Erde, wo kein Wasser mehr sein wird, hervorgehen werden. Die Elemente: Wasser, Feuer und Luft vergehen, „und das Meer war nicht mehr“, so lesen wir im Buch der Offenbarung (Kap. 21, 1).
Alle Dinge hienieden, alles was uns anzieht und das Herz betört, auch alle Vorrechte nach dem Fleisch vergehen. Wir empfangen ein unerschütterliches Königreich – ein Königreich, das sich nicht ändert, nicht vergeht, nicht wankt, nicht endigt, sondern bis in Ewigkeit besteht. Deshalb so schließt Paulus diese Reihe von Ermahnungen „ da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns Gnade haben, durch welche wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht“ (Vers 28). Nur die Gnade setzt uns in den Stand, Gott wohlgefällig zu dienen. Das Gesetz hatte es offenbar gemacht, dass niemand fähig ist, Gottes Gebote zu halten, sondern dass der Mensch unverbesserlich schlecht ist . Die Gnade in Christus Jesus jedoch, die uns vom Fluch des Gesetzes erlöst hat, befähigt uns, das zu tun, was Gott wohlgefällig ist, und Ihm mit Frömmigkeit und Furcht zu dienen. Lasst uns diese Gnade festhalten, denn sonst verlieren wir dieses unerschütterliche Königreich, das wir empfangen haben, da „auch unser Gott ein verzehrendes Feuer ist“ (Vers 29), der alle, die Seine Gnade verachten und Seine Liebe verwerfen, dem gerechten Gericht preisgeben wird.