Der Brief an die Hebräer
Kapitel 9
Wäre die Vollkommenheit durch das levitische Priestertum gekommen, dann wäre kein anderes Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks nötig gewesen; wäre der erste Bund gehalten worden, dann brauchte kein zweiter, kein neuer Bund zu kommen; so hatte Paulus gesagt. Gab es ein Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks, dann verfiel das levitische, und kam ein neuer Bund, dann ist der erste veraltet und dem Verschwinden nahe. Das war klar und deutlich; doch jetzt verdient gezeigt zu werden, aus was für Gründen die alte Haushaltung nicht bleiben konnte. Dies ist es, was nun der Schreiber des Briefes in diesem neunten Kapitel ausführt. Er zeigt, dass unter dem ersten Bund niemand Zugang in die Gegenwart Gottes hatte, da Gott hinter dem Vorhang verborgen war; dass von einem gereinigten Gewissen keine Rede war, weil das Blut von Stieren und Böcken die Sünden nicht wegnehmen konnte; und dass keine vollkommene Erlösung geschaffen war.
Bevor er aber dazu übergeht, verweilt Paulus in ehrfürchtiger Schilderung bei der Stiftshütte und ihrer Einrichtung. Wohl sagt er, dass er über diese Dinge jetzt nicht im einzelnen zu reden wünschte; aber es ist doch merkwürdig, dass er dies alles hier anführt. Es ist, als ob er die Schönheit und Herrlichkeit der Stiftshütte, als von Gott selber gegeben und eingerichtet, seinen Lesern vor Augen führen wollte, um ihnen dann hernach einen um so tiefern Eindruck über die Schönheit und Herrlichkeit der himmlischen Dinge zu vermitteln, von denen diese Einrichtungen die Sinnbilder waren. Und zugleich will er seine Leser davon durchdringen, dass, wie schön diese Stiftshütte war und welch herrliche Dinge darin auch gefunden wurden, sie nun keine Bedeutung mehr hatte, nachdem die Wirklichkeit von diesem allem in Christus gekommen war, und dass, wer dabei stehen blieb und daran festhielt, kein von Gott gewolltes und gegebenes Heiligtum mehr hatte, sondern ein weltliches Heiligtum. Denn wenn Gott das von Ihm gegebene Heiligtum als veraltet erklärt hat und dem Verschwinden preisgibt, unterscheidet es sich in nichts mehr von den Heiligtümern, die Menschen erstellt haben. In derselben Weise redet Paulus, unter anderm im Brief an die Kolosser, über das Gesetz – die Elemente (Grundsätze) der Welt – das, von Gott gegeben, aber von Christus aus der Mitte weggenommen ist.
Bemerkenswert ist, dass hier, obschon im vorhergehenden Kapitel an den Tempel gedacht wird, der bald verschwinden würde, Paulus nicht vom Tempel, sondern von der Stiftshütte spricht. Der Grund ist, dass der Tempel Salomos uns an die tausendjährige Herrlichkeit erinnert, während die Stiftshütte uns an den Zug Israels durch die Wüste denken lässt. Und die Stellung der Christen ist der von Israel in der Wüste gleich. Gottes Volk ist noch nicht in das Land der Verheißung eingegangen, sondern wandelt noch als Pilgrim und Fremdling auf der Erde; und der Brief an die Hebräer betrachtet, wie wir schon mehrere Male bemerkten, das Volk Gottes ausschließlich als Pilgrime durch diese Welt und Wüste nach dem himmlischen Kanaan. Obschon die Stiftshütte schon lange verschwunden war und Paulus sogar Dinge nennt, die zum Tempel gehören, spricht er doch vorsätzlich über die Stiftshütte, weil sonst das Ziel, das der Heilige Geist in diesem Brief vor Augen hat, verloren ginge, da wir als Christen nicht gleich sind dem Israel im Land, sondern dem Israel in der Wüste.
Nach der Beschreibung der Schönheit und Vortrefflichkeit der Stiftshütte und dessen, was sie enthielt (Verse 1–5), legt Paulus zuerst dar, dass, solange die vordere Hütte bestand, der Weg zum Heiligtum noch nicht offen war. Niemand durfte ins Allerheiligste hineingehen. In die vordere Hütte, nämlich ins Heilige, gingen die Priester zu jeder Zeit, um den Dienst zu vollbringen (Vers 6); aber das Allerheiligste durfte niemand betreten. Nur der Hohepriester musste einmal im Jahr, am großen Versöhnungstag, ins Allerheiligste gehen, aber nicht um Gott zu verehren, sondern um mit dem Blut von Tieren, die er für sich selber und für die Irrungen des Volkes opferte, Sühnung zu tun. Das Volk durfte nicht weiter gehen als in den Vorhof; die Priester durften nur das Heilige betreten, und der Hohepriester nicht mehr als einmal im Jahr das Allerheiligste (Vers 7). Kein Mensch auf Erden hatte also Zugang zu Gott. Solange nicht die Sünde zunichte gemacht und die Sünden gesühnt waren, konnte niemand vor Gott bestehen. Sogar der Hohepriester musste, sollte er nicht sterben, mit Wolken von Weihrauch die Bundeslade, wo Gott zwischen den Cherubinen Seinen Thron hatte, bedecken. „Wodurch“, so sagt Paulus, „der Heilige Geist anzeigt, dass der Weg zum Heiligtum noch nicht offenbart ist, solange die vordere Hütte noch Bestand hat“ (Vers 8).
Aber jetzt ist der Weg zum Heiligtum geöffnet, der Vorhang zerrissen, der Himmel offen. „Christus aber, gekommen als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht (d. h. nicht von dieser Schöpfung ist), auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit Seinem eigenen Blut, ist ein für allemal in das Heiligtum eingegangen, als Er eine ewige Erlösung erfunden hatte“ (Verse 11–12). Jedes Hindernis ist weggenommen und jeder Gläubige in die Gegenwart Gottes zugelassen. Er hat Zugang zu Ihm in dem Licht, in dem Er selber ist. Vollkommene Erlösung! Denn wie könnten wir in Gottes heilige Gegenwart treten, wenn nicht alles, was uns von Ihm trennte, vollkommen weggenommen wäre? Obschon uns hier nicht, wie im Brief an die Epheser, gelehrt wird, dass wir mitversetzt sind in Christus in die himmlischen Örter und unsere Vereinigung mit Christus im vorliegenden Brief nicht behandelt wird, so wird doch die herrliche Tatsache festgestellt, dass wir Zugang haben zu Gott im Heiligtum und mit Freimütigkeit in Gottes heilige Wohnung eingehen können, wo nichts hineinkommen kann, was mit Ihm in Widerspruch wäre.
Doch noch mehr. Wir haben nicht nur Zugang zum himmlischen Heiligtum, sondern wir sind auch, kraft des vollbrachten Werkes des Christus, in eine Stellung gebracht, die uns befähigt, mit Freude von diesem unserm Vorrecht Gebrauch zu machen. Christus hat uns nach dem Gewissen vollkommen gemacht, so dass wir ohne jede Furcht, ohne irgend etwas, das uns hemmt oder beschwert, in das Heiligtum hineingehen können. Bedenken wir wohl, dass ein vollkommenes Gewissen etwas ganz anderes ist als ein unschuldiges Gewissen, das, glücklich in seiner Unschuld, das Böse nicht kennt, aber ebenso wenig weiß, was Gott ist in Seiner Heiligkeit. Ein vollkommenes Gewissen kennt Gott; es ist gereinigt; es hat die Erkenntnis von Gut und Böse in Übereinstimmung mit Gottes Licht und weiß, dass es nach der Heiligkeit Gottes selber von allen Sünden gereinigt ist. Das Blut von Böcken und Kälbern konnte die, die den Dienst verrichteten, hinsichtlich des Gewissens nicht vollkommen machen; ebenso wenig waren dazu alle die Zeremonien und Vorschriften des Gesetzes und die verschiedenen Waschungen imstande; diese konnten nur das Fleisch reinigen, so dass man äußerlich sich Gott nahen konnte. Eine wirkliche Reinigung von der Sünde, wodurch die Seele in Gottes Gegenwart im Licht sein kann, mit einem Gewissen, das nicht verklagt, da die Sünde zunichte gemacht ist, konnte durch diese Opfer und Waschungen nicht erwirkt werden (Verse 9–10). Doch, Dank sei Gottes Gnade! Christus hat das Werk vollbracht. Er ist, nachdem Er für uns in das himmlische und ewige Heiligtum eingegangen, dort der Zeuge für die Wegnahme der Sünde, so dass das Gewissen von Sünde befreit ist, da wir wissen, dass Er, der unsere Sünden getragen hat, in Gottes Gegenwart weilt, nachdem Er eine vollkommene Sühnung für die Sünde zustande gebracht hatte. Deshalb haben wir nicht nur Reinigung von unsern Sünden, sondern Reinigung unseres Gewissens, so dass wir in völliger Freiheit und Freude des Herzens vor Ihm erscheinen können, der uns so unaussprechlich liebt.
Doch nicht nur das, Christus, der ein für allemal in den Himmel eingegangen ist, bleibt dort für immer; Er ist in das himmlische Heiligtum eingegangen kraft einer ewigen Erlösung, kraft Seines Blutes, das für immer seinen Wert und seine Wirksamkeit behält. Das Werk ist völlig getan und verliert seine ewige Gültigkeit nie. Wenn die Sünde hinweggetan ist, wenn Gott verherrlicht und Seine Gerechtigkeit befriedigt ist, so kann sich der Wert dieses Werkes und seine Kraft nie verändern. Die Erlösung ist keine zeitliche oder vorübergehende, sondern eine ewige.
Drei Folgen des vollbrachten Werkes des Christus werden uns hier vorgestellt: ein freier Zugang in die Gegenwart Gottes, ein gereinigtes Gewissen und eine ewige Erlösung.
Außerdem werden noch drei andere wichtige Punkte in diesen Versen behandelt. Erstens: Christus ist Hoherpriester der zukünftigen Güter. Wenn der Heilige Geist hier von den „zukünftigen Gütern“ spricht (Vers 11), dann ist der Ausgangspunkt Israel unter dem Gesetz vor dem Kommen des Christus. Diese zukünftigen Güter werden Israel geschenkt, wenn der Messias in Seinem Königreich kommen wird. Hätten wir diese Güter schon, nun das Christentum gekommen ist, dann könnte nicht mehr die Rede sein von zukünftigen Gütern, sondern dann müssten wir sagen: wir besitzen sie. Unser gegenwärtiges Verhältnis zu Christus ist jedoch ein himmlisches; Er ist Hoherpriester in einer besseren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht ist, d. h. nicht zu dieser Schöpfung gehört; Er ist im Himmel, und wir haben dort unsern Platz.
Wichtiger und von weiter reichenden Folgen ist der zweite Punkt. Christus hat sich selbst durch den ewigen Geist ohne Flecken Gott geopfert. „Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh, auf die Unreinen gesprengt, zur Reinigkeit des Fleisches heiligt, wieviel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen“ (Verse 13–14). Welch eine herrliche Offenbarung in Bezug auf das kostbare Opfer des Christus. Er hat sich selbst freiwillig Gott geopfert. Gewiss, Gott hat Ihn in diese Welt gesandt, um für uns am Kreuz erhöht zu werden. Gott hat Ihn zur Sünde gemacht und unsere Sünden auf Ihn kommen lassen. Gott hat Ihn gestraft, verurteilt und verlassen, in den Staub des Todes gelegt und zerschmettert. Gott hat Seinen einzigen, vielgeliebten Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns in den Tod gegeben. Da Christus am Kreuz unsern Platz des verantwortlichen Sünders einnahm, musste die Strafe und das Gericht Gottes über Ihn kommen; Er musste sterben. Sobald Er zur Sünde gemacht war, musste der Heilige Gott nach Seiner Gerechtigkeit Ihn verurteilen. Hierin hat Gott Seine unaussprechliche Liebe gegen Sünder offenbart. Doch von dieser Seite wird das Opfer des Christus hier nicht betrachtet. Er wird uns hier nicht als Sünd- und Schuldopfer, sondern als Brandopfer vorgestellt. Das Brandopfer war ein freiwilliges Opfer. So opferte Er sich selbst. Gott hat Ihn gesandt; aber Er ist auch im eigenen Entschluss Seines Herzens, in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters, auf diese Erde gekommen. Gott hat Ihn gestraft, verurteilt, sterben lassen; aber Er gab sich mit Seinem eigenen, freien Willen dazu hin. Er hat sich selbst durch den ewigen Geist ohne Flecken Gott geopfert.
Von Seiner Geburt an von der Sünde völlig geschieden, hat unser Herr nicht nur durch die Kraft des Heiligen Geistes keine Sünde gekannt oder getan, so dass Er in allem heilig und tadellos war; sondern Er hat sich auch vollkommen hingegeben, um den Willen Seines Vaters zu tun. Er war gehorsam bis zum Tode, ja, bis zum Tod am Kreuz. Weil es der Vater wollte und keine andere Möglichkeit bestand, um uns zu retten, trank Er den Kelch des Zornes Gottes und gab sich hin, um zur Sünde gemacht zu werden und für uns ein Fluch zu sein. Ohne Vorbehalt, ohne sich dem Schrecklichsten, was es für Ihn gab – von Gott verlassen zu werden und zu sterben – zu entziehen, gab Er sich hin. Jede Regung Seines Willens war ganz rein; in allen Seinen Gedanken, wie auch in Seinen Taten war Er ohne Tadel. Der Vater konnte Ihn aus- und inwendig durchforschen; Er fand in Ihm alles in völliger Übereinstimmung mit Seiner Heiligkeit und Liebe, mit Seiner Gerechtigkeit und Gnade. All Sein Tun und Seine Beweggründe waren göttlich vollkommen. Er gab sich selber hin, um zur Sünde gemacht zu werden und unsere Sünden zu tragen. Gewiss, Er wurde von Gott zur Sünde gemacht; aber Er gab auch sich selber freiwillig dazu hin. Es war eine Tat Seines freien Willens. „Nicht Mein Wille, sondern Dein Wille geschehe“, so sprach Er in Gethsemane; und Er nahm den Becher des Zornes Gottes aus der Hand Seines Vaters an, ließ sich wie ein Lamm zur Schlachtbank führen, übergab sich der Strafe und dem Gericht über unsere Sünde und opferte sich Gott. Darum war Sein Opfer ein lieblicher Wohlgeruch vor Gott.
Wie wundervoll ist das Kreuz! Seine Tiefe zu ergründen und seine Herrlichkeit zu fassen ist für uns ganz und gar unmöglich. Was dort zwischen unserm teuren Heiland und Gott geschah, geht weit über unsere Erkenntnis hinaus. In den Stunden der Dunkelheit und in Seinem Sterben war Er ein Sünd- und Schuldopfer, das für die Sünder dargebracht und außerhalb des Lagers geschlachtet werden musste. Aber zugleich war Er in denselben Stunden und in demselben Sterben ein Brandopfer, das als ein lieblicher Wohlgeruch zum Throne Gottes emporstieg. Von Gott verlassen, weil für uns zur Sünde gemacht, war Er zu gleicher Zeit das Wohlgefallen Gottes, weil Er sich selber durch den ewigen Geist Gott ohne Flecken opferte.
Durch dieses Opfer ist Gott vollkommen verherrlicht. Es war ein vollkommenes Opfer, makellos, Gott wohlgefällig. Darum wird das Gewissen desjenigen, der durch dieses Opfer sich Gott naht, gereinigt von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen. Wo das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh, auf die Unreinen gesprengt, nicht mehr bewirken konnte als zu heiligen zur Reinheit des Fleisches, hat das Blut des Christus, der sich selber durch den ewigen Geist ohne Flecken Gott geopfert hat, unser Gewissen gereinigt, weil die toten Werke ausgetilgt und vor Gott weggetan sind.
Merkwürdig ist die Erinnerung an die Vorbilder des Alten Bundes, von denen hier zwei erwähnt werden: der große Versöhnungstag, an dem Böcke und Stiere geopfert wurden, und die rote Kuh, deren Asche zur täglichen Reinigung diente, um mit Gott Gemeinschaft haben zu können. Einmal im Jahr wurde das Blut des Schlachtopfers in das Heiligtum getragen und der Leib außerhalb des Lagers verbrannt. Das geschah Jahr für Jahr. Die Sühnung war nicht vollbracht, das Gewissen nicht gereinigt. Die Sünden waren nicht weggetan. Aber durch das Blut des Christus ist eine ewige Erlösung und eine vollkommene Sühnung von Sünden zustande gebracht, so dass alle, die an Ihn glauben, mit einem gereinigten Gewissen innerhalb des Vorhangs in Gottes Gegenwart treten können. Die rote Kuh aber diente dazu, die Unreinen zu besprengen, nicht mit Blut, sondern mit Wasser, das mit der Asche dieser Kuh vermengt war. In 4. Mose, wo uns Israels Reise durch die Wüste erzählt wird, finden wir in Kapitel 19 das Gesetz betreffs der roten Kuh. Eine rote Kuh, jung, ohne Fehler, die noch kein Joch getragen hatte, musste außerhalb des Lagers geschlachtet und von ihrem Blut siebenmal gegen die Vorderseite des Zeltes der Zusammenkunft gesprengt werden, so dass ihr Blut stets in der Gegenwart Gottes war. Nachdem die junge Kuh verbrannt war, musste die Asche gesammelt und für das Reinigungswasser aufbewahrt werden, und jeder, der unrein geworden war durch das Berühren eines Toten usw., musste mit diesem Wasser der Reinigung besprengt werden. Schönes und treffendes Vorbild von unserer praktischen Reinigung! Christus ist einmal für die Sünde gestorben, und Sein Blut hat einen ewigen Wert in der Gegenwart Gottes. Alle, die an Ihn glauben, sind durch Sein Blut für immer gereinigt und versöhnt und stehen in Gemeinschaft mit Gott. Wenn sie jedoch gesündigt haben, bringt der Heilige Geist die ernste Wahrheit vor das Gewissen, dass die Sünde, die begangen wurde, Christus ans Kreuz gebracht hat und Ihm dieses schreckliche Leiden und Sterben unter dem Gericht Gottes verursachte. Das führt zu wahrer Beugung und Schuldbekenntnis und lässt uns erkennen, dass durch Sein Opfer alles hinsichtlich der Sünde in Ordnung gebracht ist.
Der dritte Punkt, der in diesen Versen behandelt wird, betrifft unsere Stellung, die uns fähig macht, dem lebendigen Gott zu dienen. Völlig gereinigt in unserm Gewissen von allem, was der Mensch in seiner sündigen Natur hervorbringt –, und was darum von Gott nicht angenommen werden kann, wie erfreulich es auch in den Augen der Menschen sein mag. Sind wir in Gottes Licht gebracht, vermögen wir dem lebendigen Gott zu dienen. Das konnte im Judentum nicht geschehen. Es gab dort wohl Verordnungen und Satzungen, durch die das Verhältnis zu Gott äußerlich erhalten wurde, aber von einem vollkommenen Gewissen und von einem Dienst für Gott durch die Liebe nach Seinem Willen war unter dem Gesetz keine Rede. Dies ist das herrliche und glückliche Vorrecht des Christen. Durch Christus hat er ein vollkommenes Gewissen, übereinstimmend mit Gottes eigener Natur. Er dient Gott in der Freiheit der Liebe. Das Blut des Christus reinigt uns von aller Sünde. Christus hat die Reinigung von unsern Sünden durch die Hingabe Seiner selbst zustande gebracht, und Er hat Gott damit verherrlicht, so dass wir in Christus die Gerechtigkeit Gottes geworden sind und dadurch imstande, gemäß dieser Natur Gott zu dienen und Ihn zu verherrlichen.
Wenn wir zusammenfassen, was uns in diesen Versen gelehrt wird, dann finden wir, dass Christus selbst als Hoherpriester der zukünftigen Güter in das himmlische Heiligtum eingegangen ist, um allen, die sich Ihm anvertrauen, den Besitz dieser Güter zu sichern. Wir haben jetzt den Zugang zu Gott im Licht, kraft der Gegenwart des Christus zur Rechten Gottes; haben für immer ein gereinigtes Gewissen, so dass wir mit allem Freimut in Gottes Gegenwart erscheinen können; und dem lebendigen Gott in der wahren Freiheit der Liebe dienen können.
„Und darum ist Er Mittler eines Neuen Bundes“ so fährt Paulus fort – „damit, da der Tod stattgefunden hat zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen die Verheißung des ewigen Erbes empfingen“ (Vers 15).
Wir werden jetzt nicht auf die Lehre über die Bündnisse zurückkommen, da wir darüber im vorhergehenden Kapitel ausführlich gesprochen haben. Aber beachten wir wohl, wie der inspirierte Schreiber auch hier jede direkte Anwendung des Neuen Bundes vermeidet. Christus ist der Mittler eines Neuen Bundes, damit die Berufenen die Verheißung des ewigen Erbes empfingen. Dadurch ist sowohl für Israel und Juda Raum gelassen, mit denen einmal dieser Neue Bund buchstäblich aufgerichtet werden wird, als auch für uns, die der geistlichen Segnungen und Vorrechte dieses Bundes teilhaftig werden sollen und sind.
Die Hauptsache, um die es hier geht, ist, dass der Neue Bund, dessen Mittler Christus ist, sich auf Sein Blut gründet. Der Tod des Mittlers war notwendig. Ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung. Solange die Übertretungen, die unter dem ersten Bund geschehen waren, nicht vergeben und gesühnt waren, konnte vom Aufrichten eines Neuen Bundes keine Rede sein. Doch durch den Tod des Christus erfolgte die Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund. Beachten wir, dass hier von Übertretungen gesprochen wird und nicht von Sünden. Vor dem Gesetz war die Sünde in der Welt, aber durch das Gesetz ist die Sünde zur Übertretung von Gottes Gebot geworden. Von Adam bis Moses waren die Menschen wohl Sünder, aber keine Übertreter (siehe Römer 5,14); doch als das Gesetz kam, wurden die Menschen, die Sünder und darum verloren waren, Übertreter von Gottes Gebot, wodurch die Sünde größer wurde und der Zustand des Menschen um so mehr zutage trat.
Die Notwendigkeit des Sterbens des Christus wird von Paulus an einem Beispiel gezeigt. Die Berufenen, hatte er gesagt, empfangen die Verheißung des ewigen Erbes. Nun, fährt er fort, wenn es sich um ein Erbe handelt, dann muss es auch so gehen, wie es mit allen Erbschaften geht. „Wo ein Testament ist, da muss notwendig der Tod dessen eintreten, der das Testament gemacht hat. Denn ein Testament ist gültig, wenn der Tod eingetreten ist, weil es niemals Kraft hat, solange der lebt, der das Testament gemacht hat“ (Vers 16–17). Ebenso notwendig wie ein Testator gestorben sein muss, um das von ihm errichtete Testament in Kraft treten zu lassen, musste Christus sterben, damit die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen konnten. Der Tod ist der Lohn der Sünde. Durch die Sünde ist das Gericht des Todes gekommen; darum musste Christus, wollte Er uns von diesem Gericht befreien und uns die Verheißung des ewigen Erbes schenken, an unserer Statt sterben. Gottes Gerechtigkeit erforderte das. Christus ist gestorben. Durch Sein Sterben hat Er die Sühnung unserer Sünden vollbracht, übereinstimmend mit Gottes Gerechtigkeit. Er hat nun einen von der Sünde ganz und gar getrennten Platz eingenommen, so dass alle, die an Ihn glauben, von der Sünde erlöst, vom Tod befreit und des ewigen Erbes teilhaftig werden können.
Es ist noch wichtig zu beachten, dass es in der Ursprache für Bund und Testament nur ein Wort gibt, das in unserer Übersetzung überall mit „Bund“ wiedergegeben ist, und nur in den Versen 16 und 17 ist es mit „Testament“ Übersetzt. Das griechische Wort hat beide Bedeutungen. Im ersten Fall wird darunter eine Verbindung zwischen zwei Parteien auf Grund von Bedingungen verstanden, die von beiden Parteien gestellt und angenommen worden sind. Im zweiten Fall bedeutet es eine Verfügung durch den, der das Recht hat, etwas zu testieren.
Der Neue Bund, dessen Mittler Christus ist, ist also auf Sein Blut gegründet. Die Notwendigkeit nun, eine Bundschließung auf das Blut des Schlachtopfers zu gründen, ergibt sich klar unter dem ersten Bund. In den Vorbildern des mosaischen Gottesdienstes hat Gott dies deutlich dargestellt. „Daher ist auch der erste Bund nicht ohne Blut eingeweiht worden. Denn als jedes Gebot nach dem Gesetz von Moses zu dem ganzen Volk geredet war, nahm er das Blut der Kälber und Böcke mit Wasser und Purpurwolle und Ysop und besprengte sowohl das Buch selbst, als auch das ganze Volk und sprach: „Dies ist das Blut des Bundes, den Gott für euch geboten hat.“ Und auch die Hütte und alle Gefäße des Dienstes besprengte er gleicherweise mit dem Blut, und fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem Gesetz, und ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung“ (Verse 18–22).
In diesen Versen werden uns drei Anwendungen des Blutes vor Augen gestellt: 1. Der Bund ist gegründet auf das Blut; 2. Die Reinigung von Sünden geschieht durch das Blut; 3. Die Schuld ist weggenommen durch die Vergebung, die auf Grund des vergossenen Blutes erlangt ist.
Diese drei Dinge sind notwendig, um in Beziehungen zu Gott treten zu können.
1. Gottes Wege zu unserm Heil und unserm Segen müssen notwendig in Beziehung stehen zu Seiner Gerechtigkeit, denn Gott, der Herr, kann keinen neuen und ewigen Bund mit Seinem Volk schließen, wenn die Übertretungen unter dem ersten Bund nicht getilgt sind, und das kann auf keine andere Weise geschehen als durch das Blut des Christus.
2. Die Reinigung von den Sünden, durch die wir befleckt waren und durch die sogar alle Dinge, die an sich mit Sünde nichts zu tun hatten, angesteckt waren, findet statt durch das Opfer des Christus. Paulus sagt: mit Blut werden fast alle Dinge gereinigt nach dem Gesetz; denn es gibt auch eine Reinigung durch Wasser. Die Reinigung mit Wasser ist ein Bild der sittlichen und praktischen Reinigung unserer Seelen, die durch die Anwendung des Wortes Gottes auf Gewissen und Herz geschieht –, des göttlichen Wortes, welches das Böse verurteilt und das Gute uns offenbart. Aber diese Reinigung durch Wasser ist ebenso sehr eine Folge des Todes des Christus wie die Reinigung durch das Blut. Aus der Seite des heiligen Schlachtopfers, das wirklich gestorben war, kam Blut und Wasser. Der Apostel Johannes, der uns das Leben in seinem Ursprung und in seinen Folgen darstellt, weist sowohl in seinem Evangelium als auch in seinem ersten Brief mit besonderem Nachdruck auf diese wichtige Tatsache hin. Ohne den Tod des Christus war weder Tilgung der Schuld noch Reinigung des Herzens möglich und konnte also niemandem das Leben geschenkt werden, noch das Leben sich offenbaren.
3. Vergebung von Sünden ist nicht möglich ohne Blutvergießen. Beachten wir, dass es nicht heißt ohne Anwendung von Blut, sondern ausdrücklich: ohne Vergießen von Blut. Und unter Blutvergießung versteht die Schrift Sterben. Das Blut, das vom Haupt unseres teuren Heilandes geflossen ist, als Ihm die Dornenkrone aufgedrückt, oder als Er durch Geißelhiebe gepeinigt wurde, konnte unsere Sünden nicht wegnehmen. Es musste ein Leben an Stelle unseres Lebens dargebracht werden. Wie in der letzten Nacht Israels in Ägypten das Blut eines geschlachteten Lammes, an die Türpfosten gestrichen, Israel vor dem Gericht bewahrte, so können unsere Sünden nur vergeben und das Gericht Gottes nur von unserm Haupt weggenommen werden durch den Tod des Christus, dessen Blut als von einem Lamm, das geschlachtet ist, von allen Sünden reinigt. Die Worte Jesajas: „und durch Seine Striemen ist uns Heilung geworden“, werden wir, wenn wir diese Wahrheit richtig erfassen, nicht mehr auf die Geißelung anwenden, sondern auf die Schläge, die am Kreuz dem schuldlosen Opferlamm an unserer Statt durch Gott versetzt worden sind. Beim aufmerksamen Lesen jener Stelle wird man sehen, dass nichts anderes gemeint sein kann. Die Worte: „durch Seine Striemen ist uns Heilung geworden“ folgen auf die Worte. „Um unserer Übertretungen willen war Er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserm Frieden lag auf Ihm.“ Auf die Geißelung bezogen, hätten diese Worte vorausgehen müssen. Allem Zweifel wird ein Ende gemacht durch die Anwendung dieser Worte in 1. Pet 2,24, wo wir lesen: „Welcher selbst unsere Sünden an Seinem Leib auf dem Holz getragen hat, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben, durch dessen Striemen ihr heil geworden seid.“
Diese Wahrheiten haben zwei Folgen. Es war ein besseres Schlachtopfer, ein vortrefflicheres Opfer nötig als die Schlachtopfer, die unter der alten Haushaltung dargebracht wurden, denn es ging nicht um die Reinigung der Sinnbilder von Dingen, die in den Himmeln sind, sondern um die Reinigung der himmlischen Dinge selber. Christus ist eingegangen in Gottes Gegenwart, um dort für uns zu erscheinen (Verse 23–24). Der Teufel und seine Engel sind noch in den himmlischen Örtern, und darum müssen diese Dinge gereinigt werden. Durch das Blut Seines Kreuzes werden sowohl die Dinge, die auf Erden, als auch die Dinge, die in den Himmeln sind, versöhnt (siehe Kolosser 1); und wenn einmal der Teufel und seine Engel aus dem Himmel auf die Erde geworfen werden, dann bezeugen die Heiligen im Himmel: „Der Verkläger unserer Brüder, der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagte, ist hinabgeworfen. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut“ (Off 12).
Aber zweitens: „Christus musste sich nicht oftmals opfern, wie der Hohepriester alljährlich in das Heiligtum hineingeht mit fremdem Blut, sonst hätte Er oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt an“ (Verse 25–26). Am großen Versöhnungstag wurden die Sünden des Volkes auf den weggejagten Bock gelegt. Das ist Stellvertretung. Christus hat alle unsere Sünden an Seinem Leib auf dem Holz getragen. Er hat die Strafe erlitten, die wir verdient hätten. Gottes Zorn wurde über Ihn ausgegossen. In der Angst Seiner Seele rief Er aus: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“ Das war schrecklicher als die Trennung von Leib und Seele im Tod. Aber der Tod war der Lohn der Sünde; und darum war der Tod des Christus nicht ein Hingang aus dem Leib in die Herrlichkeit des Paradieses, sondern das Gericht Gottes über die Sünde. Das kann nicht ein zweites Mal geschehen, und braucht es auch nicht, denn Er hat einmal gelitten und ist einmal gestorben für die Sünde. „Dieser aber, nachdem Er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes.“ Durch Sein Opfer ist eine ewige und vollkommene Sühnung zustande gebracht. Von einer Wiederholung dieses Opfers kann keine Rede sein. Wäre es so, dann hätte Er oftmals leiden müssen seit Grundlegung der Welt. Nun aber, da Er durch das Opfer Seiner selbst die Sünde zunichte gemacht hat, übereinstimmend mit der Herrlichkeit Gottes, braucht Er nie mehr zu leiden und nie mehr zu sterben. Für immer ist Er in das himmlische Heiligtum eingegangen, wo Er in Ewigkeit zur Rechten Gottes als unser großer Hoherpriester sitzt.
„Jetzt aber ist Er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch Sein Opfer“ (Vers 26). Diese Erklärung mag uns sonderbar erscheinen, da die Weltgeschichte nach dem Kommen des Christus wie vorher weiter gegangen ist. Doch bedenken wir wohl, dass es nicht der Zeitrechnung gemäß gemeint ist, sondern dass die verschiedenen Haushaltungen Gottes, in denen Er den Menschen auf allerlei Weise auf die Probe gestellt hat, durch die Offenbarung des Christus zu einem Ende gekommen sind. In den verflossenen Jahrhunderten hat der Mensch Zeit gehabt zu zeigen, was er ist. Alle Proben Gottes haben dazu gedient, ans Licht zu bringen, dass der Mensch völlig verdorben und unverbesserlich ist nach Natur und Willen. Ohne Gesetz, unter dem Gesetz, durch die Verheißungen, durch das Kommen und die Gegenwart des Sohnes Gottes auf Erden hat sich mehr und mehr gezeigt, dass der Mensch ein Feind Gottes ist. Alles, was Gott getan hat, um den Menschen zu bewegen, seine Feindschaft aufzugeben, hat nur dazu gedient, die Feindschaft noch mehr offenbar werden zu lassen, da der Mensch die Bemühungen Gottes, ihn zu sich zu bringen, abgewiesen hat. „Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen“, sagte Gott; doch, als sie den Sohn sahen, sagten sie: „Lasst uns Ihn töten.“ „Wir wollen nicht, dass dieser über uns König sei, kreuzige, kreuzige Ihn!“ so riefen sie in ihrer Blindheit und Feindschaft. Darum sagt der Herr vom Feigenbaum, der die jüdische Nation darstellt, in welcher Gott den Menschen in die günstigsten Umstände versetzt hat: „Nimmermehr komme von dir Frucht in Ewigkeit.“ Der Mensch hat sich als schuldig, verloren, feindselig, hoffnungslos verdorben erwiesen. Aber die Geschichte des alten Menschen ist durch Christus in Seinem Tod am Kreuz abgeschlossen.
Doch was der Mensch zum Bösen erdachte, hat Gott zum Guten gewendet. Die ewigen Ratschlüsse Gottes werden in der Verwerfung des Christus erfüllt. „Diesen, übergeben nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geheftet und umgebracht.“ Christus, der von den Menschen verworfen wurde, war gekommen, um die Sünde zunichte zu machen durch das Opfer Seiner selbst. Die Ergebnisse dieses Werkes und der Macht Gottes sind wohl noch nicht offenbar geworden; sie werden offenbart, wenn die Sünde aus dem Himmel und von der Erde verschwinden wird und alle Dinge versöhnt sein werden. Für den Glauben aber ist alles schon geschehen. Christus hat durch Sein Opfer die Sünde zunichte gemacht; unser gereinigtes Gewissen gibt davon Zeugnis, und der Glaube sagt: „Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt!“
Das Resultat dieser Abschaffung der Sünde durch das Opfer Christi für den Gläubigen, für die, welche die Wiederkunft des Herrn erwarten, wird in den zwei letzten Versen unseres Kapitels auf wunderschöne Weise angekündigt. „Und ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, also wird auch der Christus, nachdem Er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die Ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Seligkeit“ (Verse 27–28). Das Los aller Menschen, als Kinder Adams, die Sünder sind, ist der Tod und das Gericht. Aber für uns, die Gläubigen, ist die Sünde zunichte gemacht, und unsere Sünden sind vergeben. Das erste Mal, als Christus für uns erschien, kam Er, um zur Sünde gemacht zu werden und unsere Sünden zu tragen. Am Kreuz war Er mit diesen Sünden beladen, und da Er das Gericht erduldet hat, sind die Sünden für alle, die Ihn erwarten, gänzlich hinweggetan. Wenn Christus zum zweiten Male erscheinen wird, dann hat Er hinsichtlich derer, die glauben, nichts mehr mit der Sünde zu tun, denn Er hat bei Seinem Kommen die Sünde zunichte gemacht. Das zweite Mal wird Er kommen, um die Seinigen von allen Folgen der Sünde zu erlösen. Er wird nicht zum Gericht erscheinen, sondern zu ihrer vollkommenen Errettung. Die Sünde ist so vollkommen zunichte gemacht, die Sünden der Gläubigen sind so ganz gesühnt und vergeben, dass der Herr bei Seiner Wiederkunft nichts mehr mit der Sünde zu tun hat. Er wird „ohne Sünde“ erscheinen. Das will hier nicht nur heißen, dass Er ohne Sünde in Seiner eigenen Person sein wird, denn das war Er immer, auch als Er hienieden wandelte, wie von Ihm bezeugt wird: „Er hat keine Sünde gekannt oder getan“; sondern es sagt uns, dass, nachdem Er am Kreuz zur Sünde gemacht war, dort unsere Sünden an Seinem Leib trug und demzufolge an unserer Statt von Gott gerichtet worden ist und dadurch Gottes Gerechtigkeit befriedigt und einen völligen Sieg errungen hat, Er das zweite Mal erscheinen wird, ohne etwas mit der Sünde zu tun zu haben hinsichtlich derer, die Ihn erwarten.
Unaussprechliche Gnade! Wunderbare Stellung, die uns von Gott angewiesen ist! Wir erwarten keineswegs den Tag des Gerichts, so gewiss es auch ist, dass dieser kommen wird; sondern wir erwarten zu unserer Seligkeit Ihn, der einmal geopfert wurde, um unsere Sünden wegzunehmen. Von Gericht ist für uns keine Rede mehr, da Christus an unserer Statt das Gericht erduldet hat. Durch Christus sind wir jetzt schon in Gottes Gegenwart. Weil Er durch Sein Opfer die Sünde zunichte gemacht und unsere Sünden getragen hat, können wir mit aller Freimütigkeit vor Gottes Angesicht erscheinen; und wir werden gleich bei der Wiederkunft des Herrn alle herrlichen Folgen Seines vollbrachten Werkes erfahren und genießen.
Auf zwei wichtige Punkte in diesen Versen müssen wir noch unsere Aufmerksamkeit richten.
Erstens auf die Worte: „Einmal geopfert, um vieler Sünden zu tragen.“ Paulus sagt nicht: geopfert, um die Sünden, sondern, um vieler Sünden zu tragen. Es handelt sich um die Sünden der Gläubigen. So sagt auch Petrus. „Welcher selbst unsere Sünden an Seinem Leib auf das Holz getragen hat.“ Nirgends in der ganzen Schrift heißt es, dass Christus für die Sünden im allgemeinen gelitten habe. Hätte Christus die Sünden aller Menschen getragen, dann würden alle Menschen errettet. Aber diese Verse lehren das Gegenteil: „Es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht.“ Über alle, die Christus verwerfen, kommt einmal das Gericht.
Zweitens müssen wir unser Augenmerk auf die Worte richten: „die Ihn erwarten.“ Das ist das Kennzeichen der wahren Christen. Sie erwarten ihren Herrn und Heiland aus dem Himmel zu ihrer völligen Errettung. Nicht zur Errettung ihrer Seele, sondern zur Erlösung ihres Leibes. Christus kehrte nicht in den Himmel zurück, bevor die Sünde von Gottes Angesicht hinweggetan und unsere Seele gerettet war. Im Himmel tut Er nichts, um die Sünde zu vernichten. Und wenn Er wiederkommt, wird Er sich nicht mehr mit der Frage der Sünde befassen, weil sie abgeschafft ist. Er kommt dann, um uns von allen Folgen der Sünde zu befreien und uns einen Leib ohne Sünde zu geben, ähnlich dem Leib Seiner Herrlichkeit. Dazu erwarten wir Ihn. Von der Welt, von dieser Erde erwarten wir nichts; hier sind wir nur Fremdlinge auf der Durchreise. Unsere Zukunft liegt im Himmel, wohin uns Christus vorangegangen ist.