Gedanken über das Buch Jona
Kapitel 4
Wird uns am Schluß des dritten Kapitels das gnadenreiche Herz Gottes gezeigt, so begegnen wir im vierten sogleich der Verkehrtheit des menschlichen Herzens. Ein zorniger, mit Gottes Wegen unzufriedener und ehrsüchtiger Knecht steht seinem Herrn gegenüber, um mit ihm zu rechten.
„Und es verdroß Jona sehr, und er wurde zornig“ (V. 1). Erschrecken wir nicht über solches Verhalten eines Knechtes Gottes? Es braucht uns nicht zu verwundern, daß Paulus den Kolossern schreibt: „Jetzt aber leget auch ihr das alles ab: Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung, schändliches Reden aus eurem Munde“ (Kol 3, 8). Es sind die Eigenschaften unseres menschlichen Herzens, und sind wir nicht wachsam, so zeigen sie sich in ihrer Häßlichkeit. Geht es unserem Wunsch und Willen entgegen, wird offenbar, wozu wir fähig sind. Wohl gibt es auch einen heiligen Zorn; aber auch dabei stehen wir in Gefahr, wenn wir geistlich anfingen, fleischlich zu enden.
Besonders ernst ist es, wenn wir mit Gottes Tun nicht zufrieden sind und uns gar erkühnen, Ihm dies zum Ausdruck zu bringen. So war es bei Jona. „Er betete zu Jehova und sprach: Ach, Jehova! war das nicht mein Wort, als ich noch in meinem Lande war? Darum kam ich zuvor, indem ich nach Tarsis entfloh; denn ich wußte, daß du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und groß an Güte, und der sich des Übels gereuen läßt“ (V. 2). Fast scheint es, als ob er Gott die Schuld an seiner Untreue unterschieben wolle, wie es einst die ersten Menschen taten. Der Mensch sucht sich immer zu rechtfertigen, und wie schwer wird es ihm, Schuld wirklich als solche anzuerkennen!
Hätte sich Jona nicht über Gottes Erbarmen freuen sollen? Was würde aus dem Menschen ohne dieses? Es liegt „nicht an dem Wollenden, noch an dem Laufenden, sondern an dem begnadigenden Gott“. Der Jude hatte ebensowenig Anspruch an Gott wie der Heide, beide wären ohne Gottes Erbarmen dem Gericht verfallen, ,,denn Gott hat alle zusammen in den Unglauben eingeschlossen, auf daß er alle begnadige“. In Jona spiegelt sich das selbstgerechte Israel wieder, ähnlich wie in dem älteren Bruder in Lukas 15, der sich nicht freuen wollte über die Vergebung, die seinem umgekehrten jüngeren Bruder zuteil wurde.
„Und nun, Jehova, nimm doch meine Seele von mir; denn es ist besser, daß ich sterbe, als daß ich lebe“ (V. 3). Seine Prophetenehre stand auf dem Spiel. Sollte er das Gericht angekündigt haben und Gott auf die Buße Ninives hin gnädig sein und es doch nicht ausführen? Das war für sein stolzes Herz nicht erträglich, lieber wollte er sterben. Er dachte weder an die Ehre Gottes, noch an das arme Ninive, er dachte nur an sich und seinen Ruf. Nichts könnte demütigender sein als ein solcher Herzenszustand.
Wie sanft sind dagegen die Worte Jehovas, um Seinem Knecht zurechtzuhelfen! Gleichsam wie ein Vater seinem gereizten, unverständigen Sohn liebevoll in die Augen schaut und ihn fragt: „Ist es recht, daß du zürnest?“, so neigt sich der Herr zu Seinem Knecht herab. - Haben wir nicht auch oft vergessen, daß alle Seine Wege recht sind und daß wir uns manchmal eine Bürde, vielleicht fürs ganze Leben, aufgeladen hätten, wenn Er nach unseren Wünschen gehandelt hätte?
So schnell sind wir nicht zufrieden. Jona sagt nichts, „er ging aus der Stadt hinaus und setzte sich gegen Osten der Stadt. Und er machte sich daselbst eine Hütte; und er saß darunter im Schatten, bis er sähe, was mit der Stadt geschehen würde“ (V. 5). Sollte Gott sich nicht doch seinen törichten Wünschen anpassen? O nein, Er hat Seinen Knecht lieb. Seine Regierungswege der Gnade liegen fest; Ninive hatte Buße getan, und Gott erbarmte sich der Stadt. Aber nun wendet Er sich Seinem Knechte zu, um ihn zu belehren und von seinem Unmut zu befreien.
„Und Jehova Gott bestellte einen Wunderbaum“ (V. 6). Er hat in Seiner Langmut und Geduld Mittel genug, um zu belehren und zum Schweigen zu bringen. Ob es der Sturm, der Fisch, der Wunderbaum, der Wurm, der schwüle Ostwind ist, „Gott bestellte“. Erkennen auch wir in allem, was Er schickt, was Er uns gibt und uns nimmt, Sein liebendes Walten, Sein Reden zu uns? Die Verse 5-8 zeigen, wieviel Mühe Gott hat, Jona sein selbstsüchtiges Herz erkennen zu lassen, das nur seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellt.
„Und Gott sprach zu Jona: Ist es recht, daß du wegen des Wunderbaumes zürnest? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis zum Tode!“ O, daß wir doch lernen wollten, wenn Gott mit uns redet! In dem Maße, in welchem wir unser eitles Herz erkennen, werden wir auch willig, Gott zu rechtfertigen in all Seinem Tun. Wie schön ist der Ausgang der Prüfung Hiobs, der bekannte: „So habe ich denn beurteilt was ich nicht verstand, Dinge, zu wunderbar für mich, die ich nicht kannte . . . Ich will dich fragen, und du belehre mich!“ (Hiob 42,3.4). Dahin kam es bei Jona nicht.
Doch läßt auch Jona Gott das letzte Wort. Die Schlußverse zeigen noch einmal das Herz Gottes den Werken Seiner Hände gegenüber. Jona erbarmte sich des Wunderbaumes, den er nicht gepflanzt und um den er sich nicht gemüht hatte; aber „Jehova ist gut gegen alle, und seine Erbarmungen sind über alle seine Werke“ (Ps 145, 9). Wenn einst „die Schöpfung freigemacht werden wird von der Knechtschaft des Verderbnisses“, wird die Erde schauen, was Gott in Seinem Erbarmen durch Seinen vielgeliebten Sohn getan hat, indem er „durch Gottes Gnade für alles den Tod schmeckte“; denn Er kam auch, um alle Dinge mit Gott zu versöhnen.
Wir dürfen annehmen, daß die Bemühungen Gottes um Jona nicht vergebens waren, denn es ist kein Geringes, ein Buch niederzuschreiben, das das Herz Gottes in Seiner Liebe und Seinem Erbarmen zeigt, und andererseits anhand der eigenen Fehler das Herz des Menschen zu beleuchten, wie es sich offenbart, wenn Gott ihn benutzen will zum Zeugnis.