Der Galaterbrief
Gesetzlichkeit zerstört den Segen der Verheißung
Vers 1: Der Apostel hatte gezeigt, dass die Galater durch ihre Rückkehr zum Gesetz das Werk Christi beiseite setzten und die Herrlichkeit seiner Person als Sohn Gottes herabsetzten. So zu denken und zu handeln war derart unnatürlich, dass es dem Apostel scheinen wollte, als wären die Galater bezaubert worden. Denn sie leugneten praktischerweise die Wahrheit des Kreuzes – die große zentrale Wahrheit des Evangeliums, die ihnen verkündigt worden war. Der Apostel hatte ihnen Christus als gekreuzigt vorgestellt.
Darüber hinaus setzte die Rückkehr zum Gesetz aber nicht nur Christus beiseite. Damit überging man die Gegenwart des Heiligen Geistes und belebte das Fleisch wieder. Der Teufel steht Christus gegenüber; die Welt dem Vater, und das Fleisch dem Geist. So finden wir in den folgenden Kapiteln immer wieder den Geist und das Fleisch im Widerstreit (3,3; 4,29; 5,16.17; 6,8). Um die Torheit zu zeigen, die mit dem Übergehen des Geistes und der Wiederbelebung des Fleisches durch die Rückkehr zum Gesetz verbunden ist, verweilt Paulus in dem restlichen Teil des Briefes vor allem bei den Segnungen, in die der Geist uns einführt. Zugleich zeigt der Apostel den schlimmen Charakter des Fleisches und des Bösen auf, dem uns das Fleisch aussetzt.
Paulus stellt vier Fragen an das Gewissen
Paulus beginnt dieses neue Thema, indem er das Gewissen der Gläubigen zu erreichen sucht. Dazu stellt er vier herzerforschende Fragen in Verbindung mit der Person des Heiligen Geistes.
Vers 2:
1. Zunächst fragt Paulus die Galater, auf welcher Grundlage sie die große Gabe des Geistes erhalten haben: „Habt ihr den Geist aus Gesetzeswerken empfangen oder aus der Kunde des Glaubens?“ Er stellt nicht in Frage, dass sie den Geist empfangen hatten. Aber er fragt, ob sie den Geist empfangen hatten, weil sie selbst irgendetwas getan hatten – aufgrund ihrer Werke, die gesetzliche Werke sein würden. Oder war es einfach durch Glauben an Christus, der gestorben und auferstanden war?
Die Schrift zeigt ganz deutlich, dass es der Sünder ist, der an Christus glaubt, und dass es der Gläubige ist, der mit dem Geist versiegelt wird. So kann der Apostel sagen, als er an die Gläubigen in Ephesus schrieb: „In dem auch ihr, nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils – in dem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung“ (Epheser 1,13).
Führt eigene Anstrengung zu einem christlichen Lebenswandel?
Vers 3:
2. Waren die Galater, nachdem sie ihr christliches Leben in der mächtigen Kraft des Heiligen Geistes begonnen hatten, nun dabei, zum Gesetz zurückzukehren, als ob sie in eigener Anstrengung einen richtigen Lebenswandel als Christen führen könnten? Das Gesetz wendet sich an den Menschen im Fleisch. Wenn sie nun also zum Gesetz zurückkehrten, übersahen sie nicht nur absichtlich den Heiligen Geist, sondern belebten das Fleisch wieder. Damit suchten sie eine Vollendung in und durch das Fleisch.
Vers 4:
3. Hatten sie wirklich vergeblich um der Wahrheit willen gelitten? Die Verfolgungen, die sie erleiden mussten, kamen hauptsächlich von den Juden. Diese wollten das Gesetz aufrechterhalten und hatten daher Christus gekreuzigt und dem Geist Gottes widerstanden. Wenn diese Gläubigen aus Galatien nun zum Gesetz zurückkehrten, hätten sie von den Juden keinen Streit mehr zu erwarten. Dann aber wären die Verfolgungen überhaupt unnötig gewesen, denn sie würden zweifellos damit jetzt aufhören.
Vers 5:
4. Schließlich hatte es Wunder göttlicher Macht unter ihnen gegeben. Waren diese Offenbarungen der Macht ein Ergebnis davon, dass sie das Gesetz gehalten hatten? Oder waren sie das Resultat des Glaubens an die Macht Gottes?
Aller Segen ruht auf dem Glauben des Evangeliums
Verse 6–9: Die Antwort auf solche Fragen war einfach. Der ganze Segen, den sie erhalten hatten und der sich in der krönenden Gabe des Heiligen Geistes zusammenfassen ließ; die Leiden, die sie erduldet hatten; die Offenbarung göttlicher Macht in ihrer Mitte – dies alles war das Ergebnis davon, dass sie das Evangelium von Jesus durch die Kunde des Glaubens angenommen hatten.
Ein Zeugnis, von Gott kommend und im Glauben aufgenommen, war schon immer die alleinige Grundlage, auf der Seelen zu dem Segen Gottes gekommen sind. Abraham ist ein herausragendes Beispiel für jemanden, der in alttestamentlichen Zeiten Segen aufgrund seines Glaubens erhalten hat. Zudem zeigt die Geschichte Abrahams, dass Gott in Zeiten vor der Einführung des Gesetzes und damit vollkommen getrennt vom Gesetz den Menschen auf dem Grundsatz des Glaubens segnete.
Der Fall Abrahams ist umso mehr überzeugend, als er derjenige war, der mehr als alle anderen von den Juden in höchsten Ehren gehalten wurde. Genau der, in dem sich diese Rechtsanwälte des Gesetzes als ihrem geistlichen Vater rühmten (Johannes 8,39), ist derjenige, der vollkommen unabhängig vom Gesetz auf dem Fundament des Glaubens gesegnet wurde. Abraham glaubte Gott. Daher wurde er für gerecht vor Gott gehalten.
Söhne Abrahams glauben
Daraus folgt, dass nur die, die auf der Grundlage des Glaubens gesegnet werden, wahre Söhne Abrahams sind. Das ist das Zeugnis der Schrift, das vorhersah, dass Gott die Nationen auf dem Grundsatz des Glaubens rechtfertigen würde. So kam das Wort Gottes, das Evangelium vorhersehend, zu Abraham: „In dir werden gesegnet werden alle Nationen.“ Daher werden alle, die sich auf dem Grundsatz des Glaubens befinden, mit dem gläubigen Abraham gesegnet.
Vers 10: Wir haben in der Geschichte Abrahams gesehen, dass die alttestamentlichen Schriften den Segen, der den Nationen auf dem Grundsatz des Glaubens zuteil werden sollte, deutlich vorhersahen. Nun lernen wir, dass die Schrift in gleicher Weise klar in Bezug auf das Zeugnis ist, das Gott durch Mose aussprechen ließ: „Verflucht ist jeder, der nicht bleibt in allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben ist, um es zu tun! (5. Mose 27,26; Galater 3,10).
Es ist offensichtlich, dass es niemand gibt, der in allem die Forderungen des Gesetzes erfüllt hat. Daher kann das Zeugnis Moses nur zu der Schlussfolgerung führen, dass die Rückkehr zum Gesetz, um Segen zu erhalten, nichts anderes bedeutet, als unter den Fluch des Gesetzes zu kommen. Es ist schon geschrieben worden: „Das Gesetz fordert; es verlangt vom Menschen, es zu halten. Es gibt sich nicht mit weniger als mit Gehorsam zufrieden. Aber es gibt weder eine Natur, die von sich aus wünscht, das Gesetz zu halten, noch gibt es die Kraft dafür, es zu tun.“
Abraham, Mose und die Propheten stimmen überein!
Verse 11.12: Das also ist das Zeugnis von Mose, dem Geber des Gesetzes. Was aber haben die Propheten gesagt? Ihr Zeugnis ist genauso klar, denn Habakuk äußert sich so: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Habakuk 2,4). Nun ist offensichtlich, dass das Gesetz nicht auf dem Grundsatz des Glaubens beruht, denn wir lesen in dem Gesetz: „Wer diese Dinge getan hat, wird durch sie leben“ (3. Mose 18,5).
Vers 13: Vor allem aber ist wahr, dass Christus uns von dem Fluch des Gesetzes freigekauft hat, indem er ein Fluch für uns geworden ist. Denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt! (5. Mose 21,23). Christus hat unseren Fluch getragen, damit wir Segen und die Verheißung des Geistes empfangen können – durch den Glauben an Christus.
Daher bedeutet die Rückkehr zum Gesetz, um Segen zu erlangen, das Beispiel außer acht zu lassen, das uns die Schrift durch Abraham gibt; wir würden unsere Augen vor dem Zeugnis verschließen, das durch den Geber des Gesetzes, Mose, ausgesprochen wurde; wir würden das Zeugnis vom Propheten Habakuk ignorieren; und, am schlimmsten von allem, wir würden Christus damit beleidigen.
Gesetz und Verheißung – zwei verschiedene Grundsätze
Verse 15.16: In dem restlichen Teil des Kapitels lernen wir die Verbindung zwischen Gesetz und Verheißung. Wir sehen dort auch den wahren Dienst des Gesetzes. Wir werden daran erinnert, dass Abraham und seinem Samen die Verheißung des Segens für die Nationen auf dem Grundsatz des Glaubens gemacht worden war. Der Apostel zitiert die Worte, die der HERR an Abraham gerichtet hatte, als er seinen Sohn opferte und ihn im Bild aus den Toten zurück erhielt. Paulus zeigt sehr sorgfältig, dass der Same, von dem diese Schriftstelle spricht, Christus selbst ist. Auf Ihn war Isaak, als er geopfert wurde, ein Vorbild (1. Mose 22,17.18).
Verse 17.18: Diese Verheißung wurde 430 Jahre vor der Gabe des Gesetzes gemacht. Was auch immer die Absicht des Gesetzes ist: Ganz offensichtlich kann es die bedingungslose Verheißung Gottes nicht beiseite setzen. Wenn aber die Erbschaft des Segens durch sein Gesetz wäre, würde es die Verheißung wirkungslos machen. Das jedoch ist unmöglich, denn Gott kann sein Wort nicht rückgängig machen!
Welchem Zweck dient das Gesetz?
Verse 19.20: Wenn man nun erkennt, dass der Segen durch die souveräne Gnade Gottes sichergestellt ist, durch die eine bedingungslose Verheißung ausgesprochen worden ist: Welchem Zweck diente dann das Gesetz? Es wurde eingeführt, weil der Mensch ein Sünder ist. Und das Gesetz beweist, dass er es ist, und dass Gott ein heiliger Gott ist, der über Sünden nicht einfach hinweggehen kann.
Das Gesetz beweist, dass wenn Gott den Segen in souveräner Gnade schenkt, Er dies nicht auf Kosten der Gerechtigkeit tut. So erhebt das Gesetz die Frage der Gerechtigkeit, und zwar sowohl der Gerechtigkeit des Menschen als auch der Gottes. Es verlangt Gerechtigkeit von dem Menschen. Es sagt ihm, dass sein einziger Weg in Bezug auf Gott und seine Mitmenschen ist, Gott mit seinem ganzen Herzen und seiner ganzen Seele und seinem ganzen Geist zu lieben, und den Nächsten wie sich selbst. Aber wer hat dies getan, außer unserem Herrn Jesus Christus? So zeigt uns das Gesetz deutlich, dass wir Sünder sind.
Kein Mensch besitzt Gerechtigkeit aus dem Gesetz – er ist ein Sünder
Nachdem das Gesetz bewiesen hat, dass wir keine Gerechtigkeit besitzen, fährt es fort, uns zu zeigen, dass die Seele, die sündigt, sterben muss. So verlangt die Gerechtigkeit Gottes das Gericht des Sünders. Es wurde hinzugefügt um zu beweisen, dass wir Übertreter sind. Das Gesetz wurde durch Engel angeordnet, die Gott nicht auf direkte Weise in seiner ganzen Herrlichkeit seiner Liebe und Gnade offenbarten. Wohl aber machten sie seine Majestät kund.
Zudem war das Gesetz nicht wie die Verheißung direkt von Gott abhängig, der die Verheißung selbst gegeben hatte. Nein, es wurde durch einen Mittler gegeben. Dieser aber setzt zwei Parteien voraus. Somit hängt der beabsichtige Segen von der Treue beider Parteien ab, die die Bedingungen erfüllen müssen. Mose, der Mittler, machte die Bedingungen des Gesetzes bekannt. Somit hing der Segen vom Gehorsam des Volkes ab. Und das Volk nahm diese Bedingungen sofort an, indem es sagte: „Alles, was der HERR geredet hat, wollen wir tun! (2. Mose 19,8).
Die Verheißung des Samens dagegen, Christus, hängt ausschließlich von Gott selbst ab, der Einer ist. So handelt Er in der Ausführung seiner Verheißung vollständig aus eigener Machtvollkommenheit. Wir wollen uns daran erinnern, dass es hier nicht um Christus als den Mittler geht, der sich selbst als Lösegeld für alle gab (1. Timotheus 2,5). Hier handelt es sich ausschließlich um eine Frage der Verheißung. Und in dieser Verbindung gibt es keinen Mittler.
Gerechtigkeit kann nicht durch das Gesetz kommen
Verse 21.22: Ist nun das Gesetz gegen die Verheißungen Gottes? Das sei ferne! Das Gesetz verlangte Gerechtigkeit, aber es gab kein Leben. Wenn es hätte Leben geben können, wäre es möglich gewesen, dem Gesetz zu gehorchen. Dann hätte es Gerechtigkeit durch das Gesetz geben können. Dann wäre der Segen getrennt von jeder Verheißung erhältlich gewesen. Das Gesetz aber verurteilt wegen der Sünde und zeigt, dass der Mensch den Segen nicht durch eigene Anstrengungen erlangen kann. So beweist es die Notwendigkeit der Verheißung. Das bedeutet, dass alle unter der Sünde eingeschlossen sind, damit die Verheißung durch den Glauben an Jesus Christus denen gegeben würde, die glauben.
Verse 23–26: Bevor der Glaube kam – also das Christentum – wurden die Juden während der Periode des Gesetzes getrennt gehalten von den Nationen, in Anbetracht der Rechtfertigung auf dem Grundsatz des Glaubens. In diesem Sinn hielt das Gesetz sie in einer gewissen Vormundschaft, um sie auf Christus zu erziehen. Aber als das Christentum gekommen ist, wurden sie in eine Beziehung mit Gott durch den Glauben an Christus Jesus gebracht.
Verse 27–29: Zudem hatten sie durch die Taufe Teil an dem christlichen Bekenntnis. Ob sie wahre Gläubige waren oder nicht: In der Taufe hatten sie das Fundament aufgegeben, Juden oder Heiden zu sein, Sklaven oder Freie. Dagegen hatten sie das christliche Bekenntnis angenommen. Und sie waren vereint worden als Christen. Wenn sie dann Christi waren, waren sie auch Abrahams Same und Erben in Übereinstimmung mit der Verheißung. An dieser Stelle spielt das Wort „Same“ auf 1. Mose 12,7 an. Denn dort bezieht sich der Same auf alle, die glauben.