Der Brief an die Philipper
Kapitel 4
Im zweiten Kapitel hatte der Apostel Christus als aus der Herrlichkeit bis zum Kreuz herniederkommend vorgestellt, indem er die niedrige Gesinnung zeigte, die die Gläubigen kennzeichnen sollte, so dass wir wahre Zeugen für Christus in der Welt, durch die wir gehen, sein können. Im dritten Kapitel lenkte er unsere Blicke auf Christus in Herrlichkeit als Herr erhöht, unser Ziel, in welchem wir das herrliche Ende sehen, auf das wir zugehen. In diesem abschließenden Kapitel gibt uns der Apostel Ermahnungen, wie die Praxis des Tag-für-Tag-Lebens gestaltet werden sollte von denen, die Christus vor sich haben als ihr vollkommenes Vorbild und als das eine Ziel. So stellt er uns Christus als den einen vor, der uns die Kraft für alle Dinge gibt.
(Vers 1) Als erstes werden wir ermahnt, „fest im Herrn“ zu stehen. Das Böse, dem wir begegnen - sei es in dem Fleisch von innen, sei es der Teufel von außen oder die Welt um uns herum - ist zu stark für uns. Aber der Herr ist in der Lage, „sich alle Dinge zu unterwerfen“. Es wird nicht von uns verlangt oder erwartet, in unserer eigenen Kraft oder Weisheit zu überwinden, sondern „fest im Herrn“ zu stehen - in der Kraft Seiner Stärke.
(Vers 2-3) Zweitens werden wir ermahnt, „gleichgesinnt zu sein im Herrn“. Es gab unter zwei hingebungsvollen Frauen in Philippi unterschiedliche Ansichten. Der Apostel sah voraus, dass ein Umstand, dem die Gläubigen vielleicht kaum eine Bedeutung beimaßen, zu großer Trauer und Schwachheit in der Versammlung führen konnte. „Siehe, ein kleines Feuer, welch einen großen Wald zündet es an!“ (Jakobus 3,5). Der Apostel weiß jedoch, das Köstliche vom Gemeinen abzusondern (Jeremia 15,19), und übersieht daher nicht die Hingabe dieser Schwestern, die mit ihm in der Verteidigung des Evangeliums mitgekämpft hatten angesichts von Widerstand, Beleidigungen und Verfolgungen. Gerade ihre Hingabe erhöhte sicherlich seinen Kummer, da es eine Unstimmigkeit zwischen ihnen in Bezug auf die Interessen des Herrn gab. Daher bittet er nicht nur sie selbst, gleichgesinnt zu sein, sondern auch Epaphroditus inständig, ihnen darin beizustehen. In seinem Bemühen, ihnen zu helfen, sollte Epaphroditus sich daran erinnern, dass ihre Namen „im Buch des Lebens“ sind. Unter dem Volk Gottes mag es nicht „viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle“ geben, die auserwählt worden sind (1. Korinther 1,26). Können wir jedoch gering von irgend jemandem denken, dessen „Name im Buch des Lebens“ eingeschrieben ist?
(Vers 4) Drittens werden wir ermahnt, uns allezeit in dem Herrn zu freuen. Bereits im dritten Kapitel hat uns der Apostel aufgefordert, uns in dem Herrn zu freuen. Nun aber kann er nicht nur sagen „freut euch“, sondern „freut euch allezeit“. Wie schmerzhaft unsere Umstände, wie groß der Widerstand des Feindes und wie herzzerbrechend die Fehler unter dem Volk des Herrn auch immer sein mögen, im Herrn können wir uns immer freuen. Von Ihm können wir sagen, „Du aber bleibst“ und „Du bist derselbe“.
(Vers 5) Viertens gilt uns die folgende Ermahnung im Hinblick auf die Welt, durch die wir gehen und die durch Gewalt und Verderbtheit gekennzeichnet ist: „Lasst eure Milde kundwerden allen Menschen“. Zu Seiner Zeit wird der Herr mit all dem Bösen handeln, und dann all den Segen bringen; und Sein Kommen ist nahe. Daher ist es weder Aufgabe des Gläubigen, sich in Regierungsangelegenheiten der Welt einzumischen, noch seine Rechte geltend zu machen oder für sie zu kämpfen. Unser Vorrecht und unsere Verantwortung sind es, Christus darzustellen und somit die Milde kundwerden zu lassen, die den Herrn gekennzeichnet hat. Der Psalmist konnte sagen: „Deine Herablassung machte mich groß“ (Psalm 18,35). Wir erniedrigen uns in den Augen der Welt, wenn wir uns selbst durchzusetzen suchen und ihrer Regierung widerstehen. Wenn wir jedoch die Milde Christi zeigen, wird selbst die Welt kaum in der Lage sein, uns zu verurteilen, denn es stimmt, was jemand gesagt hat: „Milde ist unwiderstehlich.“
(Vers 6-7) Fünftens finden wir in Bezug auf unsere Übungen, die wir gleichsam nebenbei erdulden müssen, sowie in Bezug auf die täglichen Notwendigkeiten und unsere körperlichen Bedürfnisse in Verbindung mit unserem gegenwärtigen Leben Erleichterung von aller Angst, indem wir sie Gott mitteilen. Wenn unsere Milde allen Menschen kundwerden soll, müssen wir unsere Bitten Gott kundwerden lassen. Das Ergebnis wird vielleicht nicht sein, dass alle unsere Bitten beantwortet werden, denn das mag nicht zu unserem Nutzen und zur Verherrlichung Gottes sein. Aber unser Herz wird von der Last der Sorge befreit werden und in Frieden ruhen - „dem Frieden Gottes, der allen Verstand übersteigt“. „Um nichts besorgt“ sein heißt nicht, dass wir in Bezug auf irgend etwas sorglos sein sollten, sondern dass wir, statt stets durch die Sorgen des Tages und die Furcht vor morgen beängstigt zu sein, unsere Sorgen vor Gott ausbreiten sollen. Dann wird Er den Balsam des Friedens in unsere Herzen ausgießen. Und es ist „in Christus Jesus“, dass wir Gott nahen können, und durch Ihn kann uns Gott diesen Segen schenken.
(Vers 8) Sechstens werden unsere Gedanken, wenn wir von den Sorgen befreit werden, nicht nur im Frieden erhalten, sondern auch dazu befreit, mit all den Dingen beschäftigt zu sein, die Gott wohlgefallen. Die Welt, durch die wir gehen, ist durch Gewalt und Verderbtheit gekennzeichnet. Und wir sind dazu berufen, das Böse abzulehnen. Wir müssen aber auf der Hut sein, dass unser Verstand und unsere Gesinnung nicht dadurch verunreinigt werden, indem wir uns mit diesem Bösen beschäftigen. Es wäre gut für uns, das Böse zu hassen und zu fürchten, dagegen das Gute zu lieben und zu erwählen. Wenn unsere Gedanken durch den Geist Gottes kontrolliert werden, werden sie dann nicht mit den gesegneten Dingen beschäftigt sein, die in der Vollkommenheit Christi zu erkennen sind, und sich darin erfreuen? War Er nicht wahr, würdig, gerecht, rein, lieblich, wohllautend (d.h. hatte Er nicht einen guten Ruf), durch wahre Tugend gekennzeichnet, und der Eine, in dem alles zu Lob Anlass gab? Können wir nicht sagen, dass mit diesen Dingen beschäftigt zu sein bedeutet, dass sich unsere Gedanken in Christus erfreuen?
(Vers 9) Siebtens fährt der Apostel fort, nachdem er uns die Dinge vorgestellt hat, die wir erwägen sollen, uns in Bezug auf das zu ermahnen, was wir tun sollen. In unserem praktischen Leben sollen wir so handeln, so tun, wie auch der Apostel gehandelt hat. Er hat uns bereits mitgeteilt: „Eines aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.“ Wenn wir so wandeln, werden wir in unseren Seelen nicht nur den Frieden Gottes genießen, während wir durch diese Welt des Aufruhrs gehen, sondern wir werden den Gott des Friedens bei uns besitzen - den Frieden Gottes, der unsere Seelen in Ruhe bewahrt, und die Gegenwart Gottes, die uns in unserer Schwachheit stützt.
Wie anstrengend auch die Umstände sein mögen, durch die wir zu gehen haben, wie schrecklich auch das Böse in der Welt sein mag, die Verderbtheit der Christenheit, die Fehler unter dem Volk Gottes, wie groß auch der Widerstand des Feindes und welcher Art auch die Beleidigungen und die Schmach, die wir zu erleiden haben, sein mögen: wie gesegnet würde unser Leben trotz allem sein, wenn wir gemäß diesen Ermahnungen lebten:
- feststehen in dem Herrn
- gleichgesinnt sein in dem Herrn
- uns allezeit in dem Herrn erfreuen
- allen Menschen die Milde des Herrn kundwerden lassen
- alle unsere Sorge auf den Herrn werfen
- unsere Gedanken beschäftigen mit dem, was gut ist, wie es in Christus zum Ausdruck kommt
- in allen unseren Tätigkeiten regiert durch Christus, unserem einzigen Ziel und Gegenstand.
(Vers 10-13) In den Schlussversen dieses Briefes sehen wir in Paulus jemanden, der über den Umständen stand. Er hatte alle seine Sorgen auf Gott geworfen, und nun konnte er sich darin erfreuen, dass der Herr diesen Gläubigen die Liebe und die Gelegenheit geschenkt hatte, für ihn in seiner Bedrängnis zu sorgen, indem sie halfen, seinen Bedürfnissen zu begegnen.
Nichtsdestoweniger wird uns gestattet, in dem Apostel einen Heiligen zu sehen, der über die Umstände erhoben wurde, denn er wusste sowohl erniedrigt zu sein als Überfluss zu haben, sowohl satt zu sein als zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als Mangel zu leiden. Diese Kenntnis hatte er durch Erfahrung und göttliche Führung erworben, denn er kann sagen, „ich habe gelernt“ und „ich bin unterwiesen“. Wenn Gott uns gestattet, durch prüfende Umstände zu gehen, ist es, um uns zu unterweisen. Jemand hat gesagt: „Wenn ich satt bin, bewahrt Er mich davor, sorglos, gleichgültig und selbstzufrieden zu sein; wenn ich hungrig bin, bewahrt Er mich davor, niedergeschlagen und unzufrieden zu sein“ (J.N. Darby).
Paulus kann daher sagen, „alles vermag ich“ zu tun, aber er fügt hinzu, dass diese Kraft „in Christus“ liegt. Er sagt nicht: „Ich vermag es in mir selbst“, sondern: „in dem, der mich kräftigt“.
(Vers 14-18) Paulus war durch diese Abhängigkeit von Christus, der allen seinen Bedürfnissen begegnen konnte, über jede Beeinflussung von Menschen erhaben, um ihre Gunst und Hilfe zu erhalten. Dennoch hatten die Gläubigen aus Philippi „recht getan“ in der Hilfe, den Bedürfnissen des Apostels zu begegnen. Die Liebe, die diese Gabe adelte, würde als Frucht zu Gott aufsteigen und überströmend sein für ihre Rechnung, denn es war ein Opfer von ihrer Seite gewesen, „Gott wohlgefällig“.
(Vers 19-20) Aus seiner eigenen Erfahrung der Güte Gottes kann er mit aller Zuversicht sagen: „Mein Gott aber wird allen euren Bedarf erfüllen nach Seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus.“ Wir können von aller Sorge Erleichterung finden, wenn wir unsere Nöte Gott kundmachen durch Christus Jesus; und Gott wird unseren Bedürfnissen durch Christus Jesus überreichlich begegnen. Dann werden wir sicher mit dem Apostel sagen: „Unserem Gott und Vater aber sei die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“
(Vers 21-23) Der abschließende Gruß gibt uns ein schönes Bild der christlichen Gemeinschaft in der frühen Kirche und der Wertschätzung, die der Apostel für diese Gläubigen hatte, denn er sagt nicht nur, dass er „jeden Heiligen in Christus Jesus“ grüßte, sondern „alle Heiligen grüßen euch“. Er schließt, indem er sagt: „Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist“. Wir haben die Barmherzigkeit Gottes nötig, die unseren körperlichen Bedürfnissen begegnet, und die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, um unsren Geist zu bewahren.
Wie gesegnet wird Christus vom Anfang bis zum Ende dieses schönes Briefes vor uns gestellt. Im ersten Kapitel ist es Christus, unser Leben, der uns dazu führt, alles in Verbindung mit Ihm zu sehen (1,21). Im zweiten Kapitel ist es Christus, unser Vorbild in Erniedrigung, um uns in der gleichen Gesinnung zu vereinen (2,5). Im dritten Kapitel ist es Christus, unser Ziel in der Herrlichkeit, der uns fähig macht, jeden Widerstand zu überwinden (3,14). Im letzten Kapitel ist es Christus, unsere Kraft, um allen unseren Bedürfnissen zu begegnen (4,13).
Zudem lernen wir im Verlauf des Briefes, dass wir uns stets freuen können, wenn wir unsere Reise durch diese Welt in der Kraft des Geistes ausführen, indem wir Christus vor unseren Augen haben. Wir sollten mit dem Apostel Freude in dem Herrn erfahren (1,4; 3,1-3; 4,4,10), Zuversicht zu dem Herrn haben (1,6), den Frieden genießen, der allen Verstand übersteigt (4,7), Liebe untereinander haben (1,8; 2,1; 4,1), Hoffnung haben, die auf das Kommen des Herrn Jesus wartet (3,20), und Glauben praktizieren, der mit der Unterstützung des Herrn rechnet (4,12-13).