Der Brief an die Philipper
Kapitel 2
Am Ende des ersten Kapitels werden wir daran erinnert, dass es uns nicht allein geschenkt ist, an Christus zu glauben, sondern auch „für ihn zu leiden“. Wenn Christus dem Feind auf Seinem Weg durch diese Welt zu begegnen hatte, können wir sicher sein, dass je mehr Gläubige den Charakter Christi ausstrahlen, desto größer der Widerstand des Feindes ist. Insofern müssen wir auf den Kampf vorbereitet sein, so wie auch die Heiligen in Philippi, die durch so viele Eigenschaften Christi gekennzeichnet waren und daher vielen Feinden ins Auge sehen mußten.
- In diesem zweiten Kapitel lernen wir darüber hinaus, dass der Feind suchte, ihr Zeugnis für Christus zu verderben, nicht nur durch Feinde von außen, sondern indem er Streit innerhalb des christlichen Kreises entfachte. In den ersten zwei Versen stellt uns der Apostel diese ernste Gefahr vor.
- Darauf hin lernen wir in den Versen drei und vier, dass Einheit unter dem Volk des Herrn nur aufrecht erhalten werden kann, wenn jeder eine demütige Gesinnung besitzt.
- In den Versen fünf bis elf werden unsere Augen auf Christus als das Vorbild der Demut gelenkt, um diese demütige Gesinnung in uns zu erzeugen.
- Dann wird das gesegnete Ergebnis für diejenigen vorgestellt, die gemäß dieses Vorbildes der Niedriggesinntheit Christi leben. Sie werden Zeugen Christi, wie in den Versen 12 bis 16 beschrieben wird.
- Das Kapitel schließt dann in den Versen 17 bis 30 mit drei Beispielen von Gläubigen, deren Leben an diesem vollkommenen Vorbild ausgerichtet und somit durch eine niedrige Gesinnung gekennzeichnet waren, die sich selbst in Rücksicht auf andere vergißt.
(Vers 1–2) Der Apostel erkennt freudig an, dass er durch die Hingabe und Güte dieser Heiligen aus Philippi in allen seinen Übungen den Trost erfahren hatte, den es in Verbindung mit Christus und den Seinen gibt. Er war durch ihre Liebe getröstet worden und durch die Gemeinschaft, die durch den Geist hervorgerufen wurde, der ihre Herzen mit Christus und Seinen Interessen beschäftigte. Er hatte aufs neue das Erbarmen Christi erfahren dürfen, das sich durch die Gläubigen einem gegenüber offenbarte, der Drangsale erlitt (Kapitel 4,14). Alle diese Beweise ihrer Hingabe bewirkten große Freude in ihm. Er sah jedoch auch, dass der Feind ihr gemeinsames Zeugnis für Christus zu verderben suchte, indem er Streit in ihrer Mitte anfachte. Daher muß er sagen: „Erfüllt meine Freude, dass ihr gleichgesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes.“ Mit großer Feinfühligkeit bezieht sich der Apostel auf dieses Fehlen von Einmütigkeit, wenn er auch ganz klar dessen Schwere empfand, denn wir haben vier Anspielungen auf dieses Thema im Laufe des Briefes. Schon im 27. Vers des ersten Kapitels hatte er die Gläubigen ermahnt, festzustehen „in einem Geist, indem ihr mit einer Seele mitkämpft“. Hier ermahnt er sie nun, gleichgesinnt zu sein. Im dritten Kapitel kann er sagen: „Lasst uns so [gleich] gesinnt sein“ (3,15). Und im abschließenden Kapitel finden wir die Ermahnung an zwei Schwestern, „gleichgesinnt zu sein im Herrn“ (4,2).
(Vers 3–4) Nachdem Paulus mit zarter Rücksicht auf ihre Gefühle diese Schwachheit in der Mitte der Philipper angesprochen hat, fährt er fort, indem er aufzeigt, dass dieser nur dadurch begegnet werden kann, indem jeder einzelne von ihnen einen demütigen Geist pflegt. Daher warnt er uns davor, irgend etwas in einem Geist der Streitsucht oder des eitlen Ruhmes zu tun, den zwei großen Ursachen für das Fehlen der Einheit unter dem Volk des Herrn. Nicht dass wir gleichgültig gegenüber dem Bösen sein sollten, das unter dem Volk Gottes aufkommen kann. Aber wir werden davor gewarnt, diesem Bösen in einem unchristlichen Geist zu begegnen. Leider werden zu oft Schwierigkeiten in einer Versammlung die Gelegenheit, ungerichteten Neid, Böses und Ruhmsucht ans Licht zu bringen, was in unseren Herzen lauern kann. Das führt zu Streit, durch den wir einer dem anderen zu widerstehen und einander herabzusetzen suchen, und zu eitlem Ruhm, der sich selbst zu erhöhen sucht. Wie sehr haben wir doch nötig, unsere eigenen Herzen zu richten, wie jemand gesagt hat: „Es gibt überhaupt keinen unter uns, der sich nicht eine gewisse Wichtigkeit beimessen wollte.“
Wie nützlich ist die Ermahnung, die dann folgt, um uns aus dieser Gefahr zu erretten, „in Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst.“ Wir können diese Ermahnung nur dann verwirklichen, wenn wir von uns selbst und unseren guten Eigenschaften weg auf die der anderen sehen. Dieser Abschnitt spricht nicht von den Gnadengaben, sondern von den moralischen Eigenschaften, die alle Heiligen kennzeichnen sollten. Darüber hinaus beschäftigt sich dieser Abschnitt mit Gläubigen, die in einem richtigen moralischen Zustand leben. Wenn ein Bruder im Bösen vorangeht, werde ich nicht ermahnt, Ihn höher zu achten als mich selbst, wenn ich denn gemäß der Bibel lebe. Aber unter Heiligen, die ein richtiges, normales christliches Leben führen, ist es für jeden von uns einfach, den anderen höher zu achten als uns selbst, wenn wir nahe bei dem Herrn leben. Denn in Seiner Gegenwart werden wir, wie ordentlich auch immer unser äußeres Erscheinungsbild sein mag, das verborgene Böse unseres Fleisches entdecken und wir werden erkennen, wie vielzählig unsere Fehler sind und welch armseligen Geschöpfe wir vor Ihm und im Vergleich zu Ihm sind.
Wenn wir dagegen auf unseren Bruder schauen, können wir diese verborgenen Fehler nicht sehen, sondern vielmehr die guten Eigenschaften, die die Gnade des Christus ihm geschenkt hat. Das wird uns zweifellos demütig erhalten und uns fähig machen, „einer den anderen höher“ zu achten als sich selbst. Dadurch können wir von einem Geist der Sucht nach eitlem Ruhm befreit werden, der zu Streit führt und die Einheit der Gläubigen zerstört. Es ist also klar, dass die wahre Einheit unter dem Volk des Herrn nicht durch irgend einen Kompromiß auf Kosten der Wahrheit zustande kommt, sondern dadurch, dass jeder einzelne in einem richtigen moralischen Zustand vor dem Herrn ist. Dies kommt dann durch eine demütige Gesinnung zum Ausdruck.
(Vers 5–8) Um diese demütige Gesinnung in uns hervorzubringen, lenkt der Apostel unsere Blicke auf Christus, wie er sagt: „Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war.“ Dann gibt er ein schönes Bild der demütigen Gesinnung, die in Christus ihren Ausdruck fand, wie Er den Weg von der Herrlichkeit der Gottheit zur Schmach des Kreuzes beschritt. So wird Christus uns in all Seiner demütigen Gnade als unser vollkommenes Vorbild vorgestellt. Wenn die Herde dem Hirten folgt, werden die Augen der Schafe auf Ihm ruhen, und nur wenn ein jeder von uns auf Ihn schaut, wird auch die Einheit in der Herde erhalten bleiben. Je näher wir bei Christus sind, je näher werden wir auch einer dem anderen sein.
In Christus sehen wir die Wesenszüge des Einen, der in Vollkommenheit diese demütige Gesinnung hatte, die darin zum Ausdruck kommt, dass Er jeden Gedanken an sich selbst beiseite setzte, indem Er den Weg des Dieners beschritt und gehorsam wurde bis zum Tod. Wenn der Apostel diesen Weg beschreibt, zeigt er uns nicht nur jeden einzelnen Schritt nach unten, sondern die Gesinnung, in der Christus diesen Weg beschritt – die demütige Gesinnung. Es ist uns nicht möglich, allen Seinen Schritten zu folgen, da wir nie in der Höhe waren, aus der Er kam. Auch sind wir nicht aufgerufen, in die Tiefen zu steigen, in die Er hinabging. Aber wir werden ermahnt, Seine Gesinnung zu haben, in der Er diese Schritte ging.
- Unser Blick wird zunächst auf Christus auf dem allerhöchsten Platz gelenkt, „in Gestalt Gottes“. Da war es, dass Er es in Seinem Sinn hatte, sich selbst zu nichts zu machen. Er schaute nicht auf sich selbst. Um den Willen des Vaters auszuführen und den Segen für Sein Volk sicherzustellen, war Er bereit, den niedrigen Platz einzunehmen. So konnte Er in bezug auf Sein Kommen in diese Welt sagen: „Siehe, ich komme,... um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Hebräer 10,7).
- In dieser Gesinnung nahm der Herr Jesus die Gestalt eines Knechtes an. Als Er auf der Erde war, konnte Er zu Seinen Jüngern sagen: „Ich aber bin in eurer Mitte wie der Dienende“ (Lukas 22,17). Jemand hat gesagt: „Christus nahm nicht nur die Gestalt eines Dieners an; Er wird sie auch nie wieder aufgeben... Als der gesegnete Herr in Johannes 13 im Begriff stand, in die Herrlichkeit zu gehen, könnten wir denken, dass dies das Ende Seines Dienstes bedeutet hätte. Es ist aber nicht so. Er steht auf von dem Platz, wo Er zu Tisch lag, und wäscht ihre Füße; und das ist es, was Er heute tut. ... In Lukas 12,37 lernen wir, dass Er auch in der Herrlichkeit den Dienst fortsetzt – „Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen“... Er wird den Dienst nie wieder aufgeben. Selbstsucht liebt es, bedient zu werden, Liebe jedoch liebt zu dienen; so wird auch Christus nie den Dienst aufgeben, denn Er wird Seine Liebe nie aufgeben.“ (J.N. Darby)
- Der Herr nahm jedoch nicht nur die Gestalt eines Knechtes an, sondern Er ist „in Gleichheit der Menschen geworden“. Er hätte auch ein Diener in der Gleichheit eines Engels sein können, denn sie sind ausgesandt um zu dienen; Er aber ist ein wenig unter die Engel erniedrigt worden (Hebräer 2,9) und wurde „in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden“.
- Wenn der Herr auch „in Gleichheit der Menschen“ geworden ist, so hat Er es doch abgelehnt, diesen Umstand dafür zu benutzen, sich selbst unter den Menschen zu verherrlichen und zu erheben. Seine demütige Gesinnung führte Ihn dazu, sich selbst zu erniedrigen. Er wurde in einem Stall geboren, in eine Krippe gelegt und Er lebte unter den Geringen dieser Welt.
- Auch wenn Er sich selbst erniedrigte, um mit den Geringen zu wandeln, so hätte Er doch einen Platz als Führer in dieser Welt einnehmen können – den Platz, der Ihm rechtlich zusteht. Durch Seine demütige Gesinnung getrieben jedoch „wurde Er gehorsam“. Als Er in diese Welt kam, sprach Er: „Siehe, ich komme, um Deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Hebräer 10,7). Als Er durch diese Welt schritt, sagte Er. „Ich tue allezeit das Ihm Wohlgefällige“ (Joh 8,29). Als Er diese Welt verließ, konnte Er sagen: „Nicht mein Wille, sondern der Deine geschehe“ (Lukas 22,42).
- In dieser Gesinnung wurde Er nicht nur gehorsam, sondern gehorsam bis zum Tod.
- In dieser demütigen Gesinnung begegnete der Herr nicht nur dem Tod, sondern Er unterwarf sich dem schmachvollsten Tod, den ein Mensch sterben kann – dem „Tod am Kreuz“.
Wenn wir so diesen wunderbaren Weg betrachten, der unseren Herrn von der höchsten Herrlichkeit bis zu dem schmachvollen Kreuz immer weiter herab geführt hat, dann laßt uns nicht einfach damit zufrieden sein, das zu bewundern, was moralisch hervorstrahlt. Das ist auch dem natürlichen Menschen möglich. Wir haben Gnade nötig, damit wir nicht nur bewundern, sondern damit es einen praktischen Einfluß gibt, der in unseren Leben gemäß der Ermahnung des Apostels hervorgebracht wird: „Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war“. In dem Licht dieser demütigen Gesinnung in Jesus sollten wir unsere Herzen wohl einmal ernstlich fragen, inwieweit wir den eitlen Ruhm, der uns so zu eigen ist, gerichtet haben, und inwieweit wir mit der demütigen Gesinnung versucht haben, uns selbst zu vergessen, um anderen in Liebe zu dienen und um etwas von der demütigen Gnade Christi zu offenbaren.
(Vers 9–11) Wenn nun unsere Herzen zu Christus gezogen werden, wenn wir die demütige Gnade in Seinem Weg der steten Erniedrigung von der Herrlichkeit bis zum Kreuz sehen, sehen wir in Ihm auch das vollkommene Beispiel der Wahrheit, dass jeder, „der sich selbst erniedrigt, erhöht werden wird“ (Lukas 14,11). Er „erniedrigte sich selbst“, aber „Gott hat ihn auch hoch erhoben“. Wenn Er sich durch Seine demütige Gesinnung unter alles erniedrigt hat, dann hat Gott Ihm „einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist“, und auch einen Platz, der über alles erhaben ist. In der Schrift steht „Name“ für den Ruf einer Person und für den Ruhm, der ihr gebührt. Es hat andere berühmte Personen in der Geschichte dieser Welt und auch unter den Gläubigen gegeben, aber der Ruf und der Ruhm Christi, als Mensch, übersteigt sie alle. Auf dem Berg der Verklärung wollten die Jünger in ihrer Unwissenheit Mose und Elia auf die gleiche Stufe mit Jesus stellen. Aber diese großen Männer Gottes verblassen und verschwinden aus dem Blick, und „Jesus wurde allein gefunden“. Da hören wir auch die Stimme des Vaters sagen: „Dieser ist mein geliebter Sohn.“
Der Name Jesus drückt den Ruhm dieses demütigen Menschen aus. Er bedeutet, wie wir wissen, Heiland und Retter, und als solcher ist es ein Name, der über jeden Namen ist. Können wir nicht sagen, dass es der eine Name ist, aufgrund dessen der Herr von der Herrlichkeit zur Schmach des Kreuzes kommen mußte, um zu retten. Die Überschrift auf dem Kreuz lautete: „Dieser ist JESUS“. Menschen in ihrer Verachtung sagten: „Steige herab vom Kreuz“ (Mt 27,40). Wenn Er es getan hätte, hätte Er den Namen JESUS hinter sich gelassen. Er wäre auch dann noch der Schöpfer gewesen, der allmächtige Gott, aber niemals hätte Er dann weiterhin dieser JESUS sein können, der Heiland. Gesegnet sei Sein Name, Seine demütige Gesinnung führte Ihn dazu, gehorsam bis zum Tod am Kreuz zu sein. Als Folge davon wird sich jedes Knie vor dem Namen Jesus beugen, und jede Zunge bekennen, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.
(Vers 12–13) Nachdem unsere Blicke auf Christus in all Seiner demütigen Gnade gelenkt worden sind, werden wir ermahnt, den Worten des Apostels gehorsam zu sein. Wir sollen alle Neigungen des Fleisches richten, die uns zum Streit und zu eitlem Ruhm anreizen, und suchen, in der demütigen Gesinnung Christi, unseres großen Vorbildes, zu wandeln. Nur so können wir den Bemühungen des Feindes widerstehen, Uneinigkeit unter den Gläubigen zu säen. Als der Apostel bei den Philippern gegenwärtig war, hatte er sie vor den Angriffen des Feindes bewahrt. Nun aber, in seiner Abwesenheit, mussten sie noch viel mehr vor Feinden auf der Hut sein, die außerhalb des christlichen Kreises gegen sie tätig waren, und vor den Streitigkeiten innerhalb des Kreises. Wenn sie in der demütigen Gesinnung Christi wandelten, würden sie in der Tat ihr eigenes Heil bewirken gegen jede Anstrengung des Feindes, ihre Einheit und ihr Zeugnis für Christus zu zerstören. Aber sie sollten ihre Errettung von dem Feind mit „Furcht und Zittern“ bewirken. Wenn wir den anziehenden Charakter der Welt um uns, die Schwachheit des Fleisches in uns und die Macht des Teufels gegen uns erkennen, mögen wir wahrhaftig fürchten und zittern.
Ist aber die Furcht und das Zittern nicht ebenso mit dem, was dann folgt, verbunden? Der Apostel fügt sofort hinzu, „denn Gott ist es, der in euch wirkt“. Während wir nicht die starke Macht übersehen sollten, die gegen uns steht, sollten wir uns aber davor fürchten, die allmächtige Kraft zu unterschätzen und so gering zu achten, die für uns ist und in uns wirkt, „sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu Seinem Wohlgefallen“. Gott führt uns nicht nur dahin, Sein Wohlgefallen zu „tun“, sondern auch, es tun „zu wollen“. Das ist in der Tat Freiheit. Getrennt davon, es tun „zu wollen“, wäre das „Tun“ reine unterwürfige Gesetzlichkeit. Als natürliche Menschen wollen wir gerne unseren eigenen Willen zu unserem eigenen Wohlgefallen tun. Gottes Werk in uns führt uns jedoch dahin, gerne Sein Wohlgefallen zu tun und so die demütige Gesinnung Christi, unseres Beispiels, zu haben. Er konnte sagen: „Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust“ (Psalm 40,8).
(Vers 14–16) Wenn wir unsere Augen auf Christus gerichtet haben und insoweit wir Seine demütige Gesinnung besitzen, werden wir nicht nur von den Verlockungen dieser Welt und der Macht des Feindes errettet werden, sondern wir werden Zeugen Christi vor dieser Welt sein. Das ist zweifellos das „Wohlgefallen“ Gottes, welches vollkommen in Christus zum Ausdruck gekommen ist. Er konnte sagen, „ich tue allezeit das ihm Wohlgefällige“ (Johannes 8,29), Daher stellen uns die folgenden Ermahnungen ein liebliches Bild Christi vor.
Wir sollen „alles ohne Murren und zweifelnde Überlegungen“ tun. Der Herr seufzte in der Tat über die Leiden der Menschen, aber kein Murren kam jemals über Seine Lippen. Jemand hat zu Recht gesagt: „Gott erlaubt zu seufzen, aber nie zu murren.“ Genauso sollten wir uns vor „zweifelnden Überlegungen“ hüten, die die Wege Gottes mit uns in Frage stellen könnten. Wie schmerzhaft auch der Weg des Herrn gewesen ist, so kamen nie „zweifelnde Überlegungen“ in Bezug auf Gottes Wege in Ihm auf oder über Seine Lippen. Im Gegenteil, als Sein ganzer Dienst der Gnade nicht das Herz der Menschen erreichte und Er sogar beschuldigt wurde, Seine Werke in der Kraft des Teufels zu vollbringen, konnte Er sagen: „Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir“ (Matthäus 11,26). Wenn wir ein wenig beleidigt werden oder eine kleine Übung durchmachen müssen, wäre es gut für uns, Seinen Fußspuren in dem Geist Seiner demütigen Gesinnung zu folgen und uns ohne zweifelnde Überlegungen unter das zu stellen, was Gott zulässt. Wenn wir in einem solchen Geist handeln, werden wir „lauter“ vor Gott und „untadelig“ vor den Menschen sein. Auch das drückt etwas von der Vollkommenheit Christi aus, denn Er war „unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern“ (Hebräer 7,26). Wenn wir Seinen Schritten folgen, werden wir „unbescholtene Kinder Gottes“ sein. Der Herr konnte sagen: „Denn deinetwegen trage ich Hohn“ (Psalm 69,7). Kein Hohn jedoch konnte gegen Ihn vorgebracht werden in Bezug auf irgend einen bösen Weg. Im Gegenteil, die Menschen mussten sagen: „Er hat alles wohlgemacht“ (Markus 7,37). Auch wir sind privilegiert, um Seines Namens willen Schmach zu leiden. Lasst uns aber auf der Hut sein, damit nicht irgend etwas in unseren Wegen und Worten nicht in Übereinstimmung damit ist, dass wir Kinder Gottes sind, so dass wir einen Anlass für Schmach und Hohn geben. Durch einen richtigen Wandel, der nicht getadelt werden kann, sollten wir offenbar machen, dass wir Kinder Gottes inmitten einer Generation sind, deren verdrehte und verkehrte Wege deutlich zeigen, dass sie keine Beziehung mit Gott haben.
Mose konnte in seinen Tagen sagen, dass Gott „ein Gott der Treue und ohne Trug, gerecht und gerade“ ist. Er muss jedoch sofort hinzufügen, dass er sich selbst inmitten eines Volkes befindet, dass „sich gegen ihn verderbt hat – nicht Seiner Kinder ist ihr Schandfleck – ein verkehrtes und verdrehtes Geschlecht“ (5. Mose 32,4–5) ist es. Trotz des Lichtes des Christentums hat sich die Welt nicht verändert. Sie ist immer noch eine Welt, in der die Menschen „über boshafte Verkehrtheit frohlocken; ... deren Pfade krumm sind und die abbiegen in ihren Bahnen“ (Sprüche 2,15). In einer solchen Welt sind wir zurückgelassen worden, um zu scheinen „wie Lichter“ und „darstellend das Wort des Lebens“. So können wir den Fußspuren unseres Herrn nachfolgen, der „das Licht der Welt“ war und sagen konnte, „die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben“ (Johannes 6,63). Das Licht stellt uns mehr das vor, was eine Person ist, als was sie tut. Die Darstellung des Wortes des Lebens spricht von dem Zeugnis, das durch die Verkündigung der Wahrheit des Wortes Gottes gegeben wird. Unser Leben muss etwas von der Vollkommenheit Christi reflektieren, wenn unsere Worte den Weg des Lebens darstellen sollen.
Wenn die Gläubigen als ein Ergebnis des Dienstes des Apostels dazu geführt würden, die demütige Gesinnung Christi zu haben und somit Zeugen Christi zu sein, hätte er sich in der Tat erfreut, da er „nicht vergeblich gelaufen“ wäre noch „vergeblich gearbeitet“ hätte. Hier, in seinem eigenen Fall, scheint er zwischen „Leben“ und „Zeugnis“ zu unterscheiden. Denn spricht „gelaufen“ nicht von der Art und Weise des Lebens, und „gearbeitet“ nicht von seinem Dienst?
Sehen wir in diesen sieben Ermahnungen des Apostels nicht ein liebliches Bild eines Lebens, das gemäß dem vollkommenen Vorbild, das wir in Christus sehen dürfen, gelebt wird? Das ist ein Leben, in dem es kein Murren in Bezug auf unser Los gibt; in dem es keine zweifelnde Überlegungen darüber gibt, warum Gott diese oder jene Übung zulässt; in dem es nichts Unlauteres gibt in Bezug auf das, was wir sagen oder tun; in dem es nichts Tadelnswertes gegen andere durch unsere Worte oder Wege gibt; in dem es nichts in unseren Leben gibt, das zum Schelten Anlass gibt, weil es nicht in Übereinstimmung mit dem Charakter eines Kindes Gottes ist; in dem wir scheinen als Lichter in einer Welt der Finsternis und in dem wir das Wort des Lebens in einer Welt des Todes darstellen. Wenn wir so lebten, wären wir zum Wohlgefallen Gottes, zur Ehre Christi, zur Hilfe der Gläubigen, zum Segen der Welt, und erhielten unseren Lohn am Tag Jesu Christi. Wenn alle Heiligen dieses schöne Leben führten, indem sie ihre Augen auf Christus richteten, gäbe es keinen Streit in der Mitte der Gläubigen. Dann wären wir eine Herde, die einem Hirten folgt.
(Vers 17–18) In den verbleibenden Versen des Kapitels werden uns drei Beispiele des echten Lebens von Gläubigen vorgestellt, die in großem Ausmaß die demütige Gesinnung Christi auslebten, die sich selbst vergisst, um anderen zu dienen. Dadurch konnten sie als Lichter in der Welt leuchten und das Wort des Lebens darstellen.
Als erstes möchte uns der Geist Gottes sicherlich in dem Apostel selbst jemanden sehen lassen, der gemäß des Vorbildes Christi lebte. Der Glaube der Gläubigen aus Philippi hatte sich durch ein Opfer gezeigt, in dem sie seinen Bedürfnissen dienen wollten. Wenn aber trotz dieses Dienstes seine Gefangenschaft mit seinem Tod enden sollte, würde er sich immer noch darüber freuen, dass er für Christus leiden durfte, und daher ruft er diese Gläubigen dazu auf, sich ebenfalls zu freuen. So entfaltet er die demütige Gesinnung, die sich in der Berücksichtigung anderer selbst vergessen und Christus bis in den Tod folgen kann.
(Vers 19–24) Paulus fährt nun fort, von Timotheus zu sprechen, einer, der „gleichgesinnt“ war mit ihm als jemand, der durch eine demütige Gesinnung gekennzeichnet war, die sich selbst im Denken an den Nutzen für andere vergisst. Aber selbst in den Tagen des Apostels war leider der allgemeine Zustand in der frühen Kirche, der Anfangszeit, bereits derart tief gesunken, dass er weit entfernt von selbstverleugnender Liebe war. So muss Paulus sagen, dass „alle das Ihre suchen, nicht das, was Jesu Christi ist“. In Timotheus hatte der Apostel jemanden gefunden, der für andere besorgt war und mit ihm darin diente, das Wort des Lebens in dem Evangelium darzureichen. Weil Paulus sah, dass Timotheus durch die demütige Gesinnung Christi gekennzeichnet war, konnte er ihn für das Umsorgen der Heiligen benutzen. Er hoffte, ihn zu der Versammlung der Philipper senden zu können, sobald er wusste, dass seine Gerichtsverhandlung zu Ende gehen würde.
(Vers 25–30) Schließlich haben wir in Epaphroditus ein bemerkenswertes Beispiel der demütigen Gesinnung, die sich selbst im Sehnen nach dem Wohl der anderen vergisst. Er war nicht nur ein Bruder in Christus, sondern ein Mitarbeiter im Werk des Herrn, ein Mitstreiter im Verteidigen der Wahrheit, ein Abgesandter der Heiligen und ein Diener, um die Bedürfnisse des Apostels zu stillen. In seiner selbstlosen Liebe sehnte er sich nach den Heiligen und war sehr beschwert, dass sie überängstlich angesichts seiner Krankheit sein könnten. Er war in der Tat dem Tod nahe gewesen, aber durch die Barmherzigkeit Gottes war er verschont worden. Nun dachte Paulus nicht an sich selbst und daran, wie er einen solch geschätzten Mitarbeiter vermissen würde, sondern sendet diesen geliebten Diener zu den Philippern, zu ihrer Freude. Einen solchen können sie im Herrn mit aller Freude aufnehmen und in Ehren halten. Der Apostel fügt ein Wort an, welches auf so gesegnete Weise die Art der Ehre zeigt, die in den Augen Gottes einen solchen Wert besitzt. Epaphroditus war durch Treue in dem Werk Christi gekennzeichnet und mit einer demütigen Gesinnung darauf vorbereitet, nach dem Vorbild Christi den Tod im Dienst für andere auf sich zu nehmen.
Wir sehen, dass schon in diesen frühen Tagen alle das Ihre suchten und die Heiligen nicht länger mit dem Apostel gleichgesinnt waren, brauchen wir wohl kaum überrascht zu sein, dass in diesen letzten Tagen das Volk Gottes zerteilt und zerstreut ist. So konnte Samuel Rutherford in seiner Zeit sagen: „Es ist zu bezweifeln, dass wir wirklich vollständig ein Herz haben werden, bis wir uns eines im Himmel erfreuen werden.“ Dennoch wollen wir uns durch diese herrlichen Beispiele von Gläubigen, die durch eine demütige Gesinnung gekennzeichnet waren, ermuntern lassen und von dem Ruin um uns herum weg zu Christus, unserem Beispiel, aufschauen, indem wir suchen, mit Seiner Gesinnung zu wandeln. So werden wir in geringem Maß ein Zeugnis für Christus sein und dem Wohlgefallen Gottes entsprechend durch diese Welt gehen.