Der Brief des Jakobus
3. Das christliche Leben als Beweis unseres Glaubens (Kapitel 2)
Eine wichtige Absicht dieses Briefes ist es, die Bedeutung des praktischen Lebens herauszustellen, um so den Gläubigen davor zu bewahren, den Glauben zu stark von der Praxis zu trennen. Im ersten Kapitel haben wir das praktische Leben in Gottseligkeit gesehen, das in der neuen Natur verwirklicht wird. Im zweiten Kapitel wird uns dieses praktische Leben in Gottseligkeit als Beweis echten Glaubens vorgestellt.
Das Glaubensleben sollte immer in deutlichem Gegensatz zu dem Leben der Welt stehen und ist darüber hinaus durch Werke des Glaubens gekennzeichnet. Dies sind genau die beiden Themen des zweiten Kapitels. Zunächst werden diejenigen, die sich zum Glauben an den Herrn Jesus bekennen, vor der Gleichförmigkeit mit dieser Welt gewarnt (Vers 1–13). Dann werden sie vor einem bloßen Bekenntnis des Glaubens ohne Werke, die stets eine Frucht echten Glaubens darstellen, gewarnt (14–26).
1) Die Unvereinbarkeit des Glaubenslebens mit dem Leben der Welt (V. 1–13)
(V. 1–3). Im Großen und Ganzen beurteilt diese Welt Menschen nicht nach ihrem moralischen Wert, sondern nach ihrer sozialen Stellung und ihrem äußeren Erscheinungsbild. Diejenigen jedoch, die den Glauben unseres Herrn Jesus Christus besitzen, des Herrn der Herrlichkeit, sollten sich gegenseitig nicht auf solche Weise beurteilen. Der Mensch dieser Welt wird dem hochgeborenen, reichen und hochgestellten Menschen besonderen Respekt zollen. Der Glaube bringt uns jedoch in Berührung mit dem Herrn der Herrlichkeit. In seiner Gegenwart werden alle Menschen sehr klein, welch hohe Position sie in dieser Welt auch einnehmen mögen.
(V. 4). Wir Gläubigen werden davor gewarnt, diese weltlichen Unterscheidungen unter uns zu machen, da wir dadurch böse Gedanken einführen, indem wir gemäß dem Fleisch beurteilen. Es ist das Fleisch, das den Armen geringschätzig behandelt, nur weil er arm ist, oder den Reichen verherrlicht, nur weil er reich ist.
(V. 5–7). Jakobus zeichnet nun einen deutlichen Kontrast zwischen der Art und Weise wie Gott handelt und der vieler bloßer Bekenner des Glaubens. Gott hat diejenigen auserwählt, die in dieser Welt arm sind, aber reich im Glauben. Auch wenn sie in der Welt arm sind, so sind sie doch Erben der Reichtümer des zukünftigen Königreichs, das Gott denen verheißen hat, die ihn lieben. Das große religiöse Bekennertum wird so auf den Prüfstand gestellt. Wie beurteilt es die Welt? Wie behandelt es die Gläubigen? Und vor allem, welchen Wert sieht es in dem Namen Christi? Ach, das große Bekenntnis entblößt seine ganze Leere, insofern als es dem Reichen huldigt, den Armen verachtet, den Gläubigen verfolgt und den herrlichen Namen Christi lästert.
(V. 8–9). Der Apostel schreibt solchen, die obgleich sie sich zum Christentum bekannten, doch Eiferer für das Gesetz waren (Apg 21,20). Wie stand nun ihr Bekenntnis zum Christentum im Verhältnis zu der Summe des Gesetzes – des königlichen Gesetzes – das durch Christus vorgestellt wird?
Auch die Christenheit heute stellt sich selbst unter Gesetz und kann daher auf gleiche Weise durch das Gesetz getestet werden. Das königliche Gesetz ist das der Liebe. Der Herr konnte sagen, dass „den Herrn, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand“ zu lieben, das erste und große Gebot ist. Und er fügte das zweite, ihm gleiche Gebot hinzu: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Gott und den Nächsten zu lieben bedeutet, das ganze Gesetz zu erfüllen. Es ist unmöglich, ein anderes Gesetz zu brechen, wenn diese beiden gehalten werden. Das Gesetz der Liebe ist das königliche Gesetz, das jedes andere Gesetz regiert. Dieses Gesetz zu erfüllen heißt somit, Gutes zu tun. Der Bekenner, der andere Personen ihrer Stellung nach beurteilt, liebt seinen Nächsten offensichtlich nicht wie sich selbst. Im Gegensatz dazu denkt er von dem reichen Nachbarn besser als von dem armen. Somit ist er als Gesetzesübertreter überführt.
(V. 10–11). Es wäre nutzlos, darauf hinzuweisen, dass alle anderen Gesetze doch gehalten würden, wenn nur dies eine gebrochen wurde. In einem Punkt Übertreter zu sein bedeutet, aller Gebote schuldig zu sein, genauso wie das Zerbrechen eines Gliedes aus einer Kette bedeutet, dass das gesamte, durch sie gehaltene Gewicht zu Boden fällt.
(V. 12–13). Wenn wir den Glauben unseres Herrn Jesus Christus haben, dann besitzen wir eine Natur, die sich daran erfreut, den Willen Gottes zu tun. Das ist in der Tat Freiheit. Es folgt daraus, dass unsere Worte und Taten in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Freiheit sein sollten.
Gott erfreut sich daran, Barmherzigkeit zu üben. Wenn wir den Glauben unseres Herrn Jesus Christus bekennen und keine Barmherzigkeit zeigen, dann handeln wir nicht nach den Wünschen der neuen Natur, die sich daran erfreut, Barmherzigkeit und nicht Gericht zu üben. Wenn wir es an Barmherzigkeit fehlen lassen, dann kann es sein, dass auch Gott uns in seinen Regierungswegen züchtigt.
2) Der Beweis d. Wirklichkeit d. Glaubens durch Werke d. Glaubens (V.14–26)
(V. 14). Was ein Mensch sagt, wird durch das, was er tut getestet. Ein Mensch mag vielleicht sagen, dass er glaubt. Das alleinige Bekenntnis des Glaubens wird ihm jedoch nicht helfen, es sei denn er beweist die Echtheit seines Glaubens durch Werke.
(V. 15–17). Niemand von uns würde zustimmen, dass auch nur etwas Gutes darin wäre, einem Notdürftigen zu sagen: „Gehe hin in Frieden, wärme und sättige dich!“, ohne seiner Notdurft zu begegnen. Die Worte allein, wie lieblich auch immer, sind wertlos, solange sie nicht mit Taten verbunden sind. „Also ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, an sich selbst tot.“
(V. 18). Glaubenswerke sind somit für den Menschen der Beweis des Glaubens. Glauben können wir nicht anschauen. Deshalb brauchen wir etwas Sichtbares zum Beweis des Glaubens vor Menschen. Jemand mag sagen: „Du hast Glauben, und ich habe Werke.“ Er sagt gleichsam: „Du rühmst dich deines Glaubens und legst auf Werke keinen Wert. Wenn du aber wirklich Glauben hast, so zeige ihn mir. Wie kannst du mir deinen Glauben zeigen, wenn nicht durch die Werke? Ich kann dir meinen Glauben jedenfalls durch meine Werke beweisen.“
(V. 19–20). Der Jude glaubte daran, dass Gott Einer ist. Das ist auch richtig. Aber auch die Dämonen glauben dies, und dieser Glaube macht sie zittern. Aber es bringt sie nicht in eine lebendige Beziehung zu Gott. So mag es viele geben, die in bezug auf Gott etwas Richtiges glauben, dennoch keinen „Glauben an Gott“ besitzen. Der Glaube ist ein Resultat der neuen Natur, die Gott vertraut und den Glauben durch Werke unter Beweis stellt. Daher ist der Mensch, der bekennt, Glauben zu haben und dennoch nicht die dazugehörigen Werke tut, ein eitler Mensch und sein Glaubensbekenntnis wertlos vor Gott. Dies ist der Zustand der großen Masse der Christenheit, die vielen Wahrheiten zustimmt und auch Werke tut, aber ohne den Glauben, der die Seele in eine persönliche Beziehung zu Christus bringt.
(V. 21). Der Apostel zitiert zwei Fälle aus dem Alten Testament, um erstens zu zeigen, dass der Glaube, der Gott vor Augen hat, Werke vollbringt. Zweitens macht er deutlich, dass die aus dem Glauben resultierenden Werke einen besonderen Charakter haben. Es sind Glaubenstaten und nicht einfach „gute Werke“, wie man sie in der Welt nennt.
Zunächst bezieht sich der Apostel auf Abraham, der durch Werke gerechtfertigt worden ist, als er Isaak, seinen Sohn, auf dem Altar opferte. Durch diese Tat bewies er seinen tiefen Glauben zu Gott, so dass er in einer Weise handelte, die im Gegensatz zu allem steht, was sonst in der Geschichte der Menschheit zu erleben ist.
(V. 22). Wir sehen bei Abraham somit nicht nur Werke, sondern auch den Glauben, der zu seinen Werken mitwirkte. Es ist klar, dass der Apostel die Werke, die den Glauben unter Beweis stellen, nicht einfach „gute Werke“ nennt, die eine liebenswürdige Natur hervorbringen kann, sondern Werke, die nur durch echten Glauben vollbracht werden. Sie werden Glaubenswerke genannt, und durch sie wird der Glaube vollendet. Wenn Jakobus somit auf der einen Seite Werke als Beweis des Glaubens vor Menschen betont, so besteht er auf der anderen Seite darauf, dass der Glaube die Grundlage der Werke sein muss.
(V. 23). Damit wurde auf eine praktische Art die Schrift erfüllt, die sagt, dass Abraham Gott glaubte. Auf sehr gesegnete Weise bewies er sein Vertrauen zu Gott, so dass Gott dieses anerkannte und ihm vieles anvertraute, ihn sogar „Freund Gottes“ nennt.
(V. 24). Es ist damit offensichtlich, dass ein Mensch durch Werke gerechtfertigt wird und nicht durch Glauben allein. Es ist jedoch ebenso klar, dass der Apostel hier nicht von der Rechtfertigung vor Gott durch die Sühnung der Sünden spricht, sondern von der Rechtfertigung vor den Augen der Menschen. Der Apostel Paulus spricht von der Rechtfertigung vor Gott und sagt dann: „Denn wenn Abraham aus Werken gerechtfertigt worden ist, so hat er etwas zum Rühmen, aber nicht vor Gott.“ Jakobus schreibt von der Rechtfertigung vor Menschern und sagt: „Ist nicht Abraham, unser Vater, aus Werken gerechtfertigt worden?“ Als Ergebnis wurde er Freund Gottes genannt, und das war zweifellos etwas, dessen er sich rühmen konnte.
(V. 25–26). In der Begebenheit mit Rahab sehen wir eine weitere bemerkenswerte Illustration von Glaubenswerken. Sie war eine Frau mit schlechtem Charakter und tat etwas, das Menschen als Landesverrat verurteilen würden. Doch durch ihre Tat bewies sie ihren Glauben an Gott, indem sie im Gegensatz zu allem Anschein anerkannte, dass die Israeliten in der Gunst Gottes standen, während Jericho dem Gericht verfallen würde.
Auch dieses Beispiel zeigt, dass das alleinige Bekenntnis des Glaubens nicht ausreicht. Die Wirklichkeit muss ihn durch Glaubenswerke beweisen. „Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, also ist auch der Glaube ohne die Werke tot.“
In beiden Fällen beweisen die Werke die Existenz des Glaubens an Gott, und sie tun es aufgrund ihres besonderen Charakters. Keine der beiden Glaubenstaten würde der natürliche Mensch gutheißen. Abraham war dabei, seinen Sohn zu schlachten, Rahab wandte ihre Treue Gott zu und beging, wie Menschen daraus schließen, Landesverrat. Das sind vom menschlichen Verständnis her beides überhaupt keine „guten Werke“. Das praktische Leben eines Christen sollte in der Tat durch „gute Werke“ gekennzeichnet sein, so wie der Apostel bereits ermahnt hat, die Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu besuchen (Jak 1,27). Glaubenswerke stehen jedoch in solch einem Gegensatz zu der Natur des Menschen, dass sie ohne Berücksichtigung des Glaubens von jedem normal veranlagten Menschen verurteilt würden. Daher bringt der Glaube, wenn er Gottes Willen erkennt und sich ihm unterwirft, besondere Werke hervor. Und gerade diese Werke beweisen seinen Glauben.
Im Verlauf dieses Kapitels ist somit das Bekenntnis des Glaubens auf den Prüfstand gestellt worden, indem getestet wird, wie der Christ sich gegenüber dem Armen verhält (V. 1–6); wie er Gläubige behandelt (V. 6); wie er zu dem „guten Namen“ Christi steht (V. 7); wie er sich in bezug auf das königliche Gesetz (V. 8–11) und das Gesetz der Freiheit (V. 12–13) verhält; und schließlich, wie seine Beziehung zu Werken aussieht (V.14–26).