Timotheus - Diener Jesu Christi

Die persönlichen Ermahnungen der zwei Briefe

Timotheus - Diener Jesu Christi

An dieser Stelle möchte ich nicht die gesamte Belehrung der zwei Briefe des Paulus an Timotheus behandeln. Dafür empfehlen wir die Bibelkommentare von Henri Rossier 1 und die Synopsis von John Nelson Darby. Für junge Gläubige enthalten diese beiden Briefe jedoch einen Überfluss an Ermahnungen, die der Apostel ganz persönlich an sein Kind im Glauben gerichtet hat, und in Bezug auf welche es gut ist, dass auch wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten. Dabei wollen wir das Wort selbst mit seiner ganzen Kraft unser Gewissen und unser Herz erreichen lassen.

1. Den Glauben bewahren

In vielen Teilen des Neuen Testamentes und ganz besonders in den Briefen an Timotheus hat der „Glaube“ eine zweifache Bedeutung.

Da ist zunächst einmal die Tatsache, dass geglaubt wird. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Klammern des ganzen Menschen“ an die göttliche Offenbarung: „Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort“ (Röm 10,17). Dazu bedarf es zweifellos des Verständnisses; aber es bedarf auch des Herzens, der Empfindungen. Und auch der Wille ist hier nötig: „Wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst“ (Off 22,17). In Verbindung mit dem Lebenswandel des Gläubigen ist „der Glaube eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung [der innere Beweis] von Dingen, die man nicht sieht“ (Heb 11,1).

Aber „der Glaube“ stellt auch das dar, was geglaubt wird: die ganze Offenbarung Gottes, sowohl im Alten wie im Neuen Testament, deren Mittelpunkt Christus ist. Es handelt sich dabei um die Gesamtheit der Belehrungen, die sich auf Ihn selbst beziehen. Henri Rossier2 hat diese einmal „die Gesamtheit der gesegneten Wahrheiten, die dem Treuen anvertraut sind“, genannt.

Wenn der Apostel nun in 1. Timotheus 1,5 von dem „ungeheuchelten Glauben“ spricht, dann geht es beim Glauben um die Tatsache, dass geglaubt wird. Wenn es dagegen in 1. Timotheus 4,6 heißt: „auferzogen durch die Worte des Glaubens und der guten Lehre“, dann umfasst das die Gesamtheit der Offenbarung, die Gott uns gegeben hat.

Aber beide Bedeutungen sind innerlich eng miteinander verbunden. Man kann nicht immer genau unterscheiden, ob sich ein Vers auf den Akt des Glaubens oder auf den Gegenstand des Glaubens bezieht. Denn was ist in Wirklichkeit das, was der Glaube aufnimmt, wenn nicht die göttliche Offenbarung? Die Belehrungen des Wortes Gottes können mit großer Genauigkeit unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden, aber ohne den Glauben, der sie als von Gott kommend annimmt, gewinnt man aus ihnen höchstens eine christliche Philosophie. Man kann also niemals „den Glauben bewahren“ (1. Tim 1,19), ohne dass diese beiden Aspekte zusammen vorhanden sind.

a) Das Aufgeben des Glaubens

Die beiden Briefe enthalten zu diesem Thema verschiedene Ausdrücke, die sich jeweils auf ganz bestimmte Dinge beziehen und auch ihre jeweiligen Gründe haben.

1. Vom Glauben abirren (1. Tim 1,6)

In 1. Timotheus 1,6 sind einige „vom Glauben abgeirrt“, um sich leerem Geschwätz zuzuwenden, wobei sie sich als Lehrer des Gesetzes ausgeben. Das ist die Vermischung von Judentum und Christentum, die dazu führt, dass man sich von der Einfalt gegen den Christus abwendet.

2. Schiffbruch im Glauben erleiden (1. Tim 1,19)

In 1. Timotheus 1,19 haben einige, „was den Glauben betrifft, Schiffbruch erlitten“, weil sie ein gutes Gewissen von sich gestoßen haben. Der lebendige Glauben ist mit dem Verhalten und dem Lebenswandel eng verbunden. Die drei Dinge, die der Apostel hier unterstreicht, ein „reines Herz, ein gutes Gewissen, ein ungeheuchelter Glaube“ (1. Tim 1,5), sind untrennbar miteinander verknüpft. Wenn sich die ungerichteten Fehler anhäufen, stumpft das Gewissen ab. Das Schiff, das sich schon ein gutes Stück auf dem Meer des Lebens befindet, kann so Schiffbruch erleiden. Die Ursache des Unglücks liegt hier nicht in den Motiven und Überlegungen, sondern in den Trieben, Empfindungen und Fehlern, die die Gemeinschaft mit Gott behindern und letztlich zerstören.

3. Vom Glauben abfallen (1. Tim 4,1)

In 1. Timotheus 4,1 heißt es, dass „einige von dem Glauben abfallen werden“. Das ist die direkte Folge satanischen Einflusses – betrügerischer Geister, Lehren von Dämonen – die zu Verordnungen, Riten, Enthaltungen führen, die ein respektables Erscheinungsbild zur Folge haben, das jedoch nichts mit dem ungeheuchelten Glauben an den Herrn Jesus zu tun hat. In unseren Tagen wird das Gewissen abgestumpft durch den Einfluss der östlichen Religionen, den Spiritismus oder das degenerierte Christentum, das in mehr oder weniger starke asketische Verordnungen und Enthaltung von Dingen führt, weg vom wahren christlichen Glauben.

4. Den Glauben verleugnen (1. Tim 5,8)

1. Timotheus 5,8 stellt uns einen in seinem Kontext unerwarteten Ausdruck vor: „den Glauben verleugnen“. Welchen Grund gibt es dafür? Man hat sich nicht um seine Familie und insbesondere seine Eltern gekümmert. Damit wird der christliche Glaube in Frage gestellt, da der Glaube dazu aufruft, zunächst in Bezug auf das eigene Haus Gottseligkeit zu üben. Wir tun dies, indem wir unseren Eltern die Fürsorge erweisen, die wir selber von ihnen genossen haben. Welch einen Gegensatz stellt das zu den so unheilvollen Ideen der heutigen Zeit dar, in der es heißt, dass die Kinder, die nicht verlangt hätten, geboren zu werden, überhaupt keine Verpflichtung in Bezug auf ihre Eltern besäßen. Diese Gedanken sind in vollständigem Widerspruch zu dem Wort dessen, der in seiner Gnade gläubigen Eltern gerne Kinder anvertraut, damit sie diese für den Herrn Jesus aufziehen (nicht von selbst „wachsen lassen“!) und sie auf den Weg des Glaubens führen.

Die Kinder ihrerseits sind zur Dankbarkeit gegen ihre Eltern aufgerufen, ganz besonders, wenn Witwenstand, Krankheiten und das Alter diese abhängig von der Pflege gemacht haben. „Ehre deinen Vater und deine Mutter, ... damit es dir wohl ergehe“, lesen wir in Epheser 6,2.3. Es ist vollkommen nach den Gedanken Gottes, dass der Mann mit der Hochzeit „den Vater und die Mutter verlässt und seiner Frau anhangt“ (Eph 5,31). Damit bildet sich eine neue Familie, für die der Ehemann in erster Linie die Verantwortung trägt, sie zu nähren und zu pflegen. Dies aber verhindert in keiner Weise die Zuneigung und die Dankbarkeit gegenüber denjenigen, die uns während unserer Jugendzeit aufgezogen und genährt haben.

5. Vom Glauben abirren (1. Tim 6,10.21)

In 1. Timotheus 6,10 sind einige „von dem Glauben abgeirrt“. Die Geldliebe, der leidenschaftliche Wille, materielle Güter zu erwerben, und der Einfluss des Wohlstands, der unsere Zeit und Umgebung kennzeichnet, können zu jeder Art des Bösen und der Schmerzen führen. Das sind die Dornen im Gleichnis vom Sämann, „und die Sorgen der Welt und der Betrug des Reichtums und die Begierden nach den übrigen Dingen kommen hinein und ersticken das Wort, und es bringt keine Frucht“ (Mk 4,19). Es geht nicht darum, dass wir faul oder nachlässig sein sollten in unserer Arbeit. Vor allem in dem Buch der Sprüche wird der Fleiß empfohlen.

Gott kann zulassen, dass es als Ergebnis einen mehr oder weniger großen materiellen Überfluss gibt. Von daher folgt die Ermahnung in unserem Kapitel (Verse 17–19), „nicht … auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss“, vor allem aber „Gutes zu tun, reich zu sein an guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, indem sie sich selbst eine gute Grundlage für die Zukunft sammeln, damit sie das wirkliche Leben ergreifen.“ Die ganze Macht und Gnade Gottes sind nötig, um uns in diesem Bereich zu leiten (Mk 10,23–27).

In 1. Timotheus 6,21 lesen wir, dass einige „vom Glauben abgeirrt“ sind, indem sie sich zu der „fälschlich sogenannten Kenntnis“ bekennen. Was muss man unter diesem Ausdruck verstehen? Offenbar das, was Kolosser 2,18 mit dem Satz ausdrückt: „indem er auf Dinge eingeht, die er nicht gesehen hat“. Das wurde später die „Gnosis“, die schon im Keim in den unnützen Spekulationen über die Engel, ihre Entstehung und das Jenseits enthalten war, kurz über alles, was Gott nicht für gut befunden hat, uns zu offenbaren. Lasst uns daraus für uns die Lehre ziehen, in die Gedanken Gottes einzugehen, so wie sie uns in seinem Wort mitgeteilt sind, und zwar in seinem ganzen Wort. Aber lasst uns nicht unter dem Vorwand, die Erkenntnis zu mehren, den Vorhang von Dingen zu lüften suchen, die Er nicht für gut befunden hat, uns zu offenbaren oder näher zu erklären.

Lasst uns im Vorbeigehen kurz bemerken, dass unser Vers nicht wissenschaftliche Erkenntnisse oder Untersuchungen im Blick hat. Die göttliche Offenbarung auf der einen Seite und die menschliche Intelligenz auf der anderen Seite, so wie Gott sie dem Menschen in Bezug auf die Entdeckung von Naturphänomenen gegeben hat, sind zwei parallele Bereiche, die sich nicht gegeneinander ausspielen lassen oder im Widerspruch zueinander stehen. Wenn unsere derzeitigen Kenntnisse über das Geschaffene ein gutes Stück über diejenigen unserer Vorfahren hinausgehen, dann sind sie zweifellos noch außerordentlich schwach in Bezug auf alles, was ist und was die Wissenschaft Stück für Stück enthüllt, um es für die unterschiedlichsten Ziele zu benutzen – leider bei Weitem nicht immer zum Guten! An uns aber ist es, darüber zu wachen, nicht in Bezug auf die Bibel Dinge zu behaupten, die sie nicht sagt. Sie ist weder ein Geschichtsbuch noch ein wissenschaftliches Werk, sondern die Offenbarung Gottes, die sich um Christus selbst rankt.

6. Den Glauben zerstören (2. Tim 2,18)

In 2. Timotheus 2,18 finden wir dann einen Zustand, der besonders schwerwiegend ist. Diejenigen, die selber von der Wahrheit abgeirrt sind, „zerstören den Glauben einiger“. Sie beginnen mit ungöttlichen, leeren Geschwätzen, stellen verschiedene Wahrheiten in Zweifel. In diesem Fall stiften sie Verwirrung durch die Vermischung der Auferstehung der Seele und der des Leibes. Dann aber geht ihre Lehre noch viel weiter und sie frisst um sich „wie ein Krebsgeschwür“. Man nimmt Stück für Stück neuartige Ideen in sich auf; man stellt Fragezeichen hinter empfangene Wahrheiten ... und plötzlich, infolge des inneren Untergrabens, stürzt das Gebäude des Glaubens zusammen: der Glaube wird zerstört. Was kann man in einem solchen Fall tun? Der Apostel ist hier sehr kategorisch: „vermeiden, ... abstehen, ... sich reinigen, ... fliehen, ... die törichten und ungereimten Streitfragen aber weise ab, ... ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten“.

7. Unbewährt hinsichtlich des Glaubens (2. Tim 3,8)

2. Timotheus 3,8 schließlich stellt uns einen Ausdruck vor, der die schweren Zeiten der letzten Tage kennzeichnet: „unbewährt hinsichtlich des Glaubens“. Die ganze Lehre, der ganze Einfluss, die ganze christliche Wirklichkeit sind aufgegeben worden. Es mag eine Form der Gottseligkeit übrig geblieben sein, aber ohne Kraft. Man sucht sein eigenes Vergnügen auf Kosten anderer. Man möchte das Leben in der Gegenwart genießen. Die natürliche Liebe verschwindet und die Eltern zählen nur noch wenig. Man sucht die Befriedigung der Begierden, und wenn die gewöhnlichen, verderbten Quellen nicht mehr ausreichen, fügt man künstliche hinzu. Alles das, was christlich ist, wird vollständig über Bord geworfen: „Ihr Unverstand wird allen offenbar werden.“

b) Wie kann man „den Glauben bewahren“?

Der Apostel wendet sich an Timotheus als an sein „echtes Kind im Glauben“ (1. Tim 1,2). Er war also von Neuem geboren. Er hatte diesen „ungeheuchelten Glauben“ in sich, den der Apostel auf Anhieb festgestellt hatte (2. Tim 1,5) und der die Grundlage für alles weitere ist.

Ein junger Mensch, der durch den Glauben ein Kind Gottes geworden ist, hat nötig, von den Worten des Glaubens und der guten Lehre genährt zu werden (1. Tim 4,16). Man kann kein „guter Diener Christi Jesu“ sein, wenn man sich nicht von seiner Jugend an und während des ganzen Lebens an diese unverzichtbare Nahrung gewöhnt hat. Der Apostel sagt daher auch: „Bedenke dies sorgfältig; lebe darin, damit deine Fortschritte allen offenbar seien“ (Vers 15). Im zweiten Brief fügt er hinzu: „Bedenke, was ich sage; denn der Herr wird dir Verständnis geben in allen Dingen“ (2,7). Es bedarf der Anstrengung, einer anhaltenden Energie, um die inspirierten Briefe des Apostels zu „bedenken“, oder wie es in den Sprüchen heißt, „Weisheit zu erwerben“. Aber diese Anstrengung wäre vergebens, wenn der Herr nicht das nötige Verständnis schenkte. Salomo sagt das in diesen Worten: „Der Herr schenkt Weisheit.“

Auf der einen Seite heißt es also zu „kaufen“, auf der anderen Seite aber auch zu „empfangen“. Das eine geht nicht ohne das andere. Der Herr gibt. Aber das ist überhaupt kein Grund, nicht zu erwerben. Wenn man jedoch nicht auf Ihn schaut – Ihn erwirbt – kommt es nur zu nutzloser Erkenntnis.

Es ist unsere Aufgabe zu erwerben, zugleich aber auch in dem zu bleiben, was wir gelernt haben und wovon wir völlig überzeugt sind (2. Tim 3,14). Es geht darum, dieses nicht wieder loszulassen, sondern zu vertiefen, indem wir uns daran erinnern, dass „alle Schrift von Gott eingegeben und nützlich ist zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit“ (2. Tim 3,16). Unsere Vorfahren werden nach und nach zu dem Herrn gerufen: Wenn Er nicht kommt, dann wird eine neue Generation die Verantwortung haben, die empfangenen Schätze an andere weiterzugeben. Wie soll sie das tun können, wenn sie nicht selbst genährt worden ist und in den Dingen geblieben ist, die die Schrift ihr offenbart hat?

Schließlich ermahnt Paulus seinen Freund Timotheus, dem Glauben nachzustreben (1. Tim 6,11). Petrus unterstreicht das, indem er die Gläubigen ermahnt, ihrem Glauben die Tugend zuzufügen, und in der Tugend die Erkenntnis etc. (2. Pet 1,5). Dieses Nachstreben beinhaltet Energie, Ausdauer und den tiefen Wunsch, festzuhalten. „Ergreife das ewige Leben“, sagt der Apostel. „Lass Dir nicht wegnehmen, was du empfangen hast; dass doch in dir Wachstum zu finden ist in der Gnade und der Erkenntnis unseres Herrn und Erretters, Jesus Christus!“

c) Bewahren

1. Timotheus 1,19 hat den Akzent auf das Bewahren des Glaubens gelegt. In Kapitel 6,13.14 sagt der Apostel: „Ich gebiete dir vor Gott, ... dass du das Gebot unbefleckt, unsträflich bewahrst bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus.“ Mit der ganzen Würde apostolischer Autorität gibt Paulus ein Gebot. Die göttliche Offenbarung, die uns anvertraut ist, stellt in dieser Hinsicht ein „Gebot“ dar. Es ist vor allem wichtig, das Gebot unbefleckt zu erhalten, selbst wenn man nicht alles versteht, erkennt oder erklären kann. Wenn uns (persönlich) die Schrift nicht in allem ganz klar ist, dann lasst uns nicht ihrerhalb einen Zweifel hegen, sondern darauf warten, dass Gott uns seine Gedanken erkennen und verstehen lässt. Zweifellos bringt uns das Wort Freude und Trost (Röm 15,4), aber es ist auch mit aller Autorität des Herrn bekleidet und fordert unseren Gehorsam.

Im zweiten Brief unterstreicht der Apostel die Wichtigkeit, „das schöne anvertraute Gut durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt“, zu bewahren (2. Tim 1,14). Er hatte Timotheus gerade empfohlen, das Bild gesunder Worte festzuhalten, die er von Paulus gehört hatte. Dieses „Bild“ hat für uns die inspirierte Gestalt der Briefe des Apostels angenommen, der das Wort Gottes vollendet hat (vgl. Kol 1,25). Die apostolische Autorität soll den nachfolgenden Generationen mit Fürsorge und in Treue weitergegeben werden. Wenn die Belehrenden vom Herrn heimgerufen worden sind, sollen die einst Jüngeren ihren Platz einnehmen und die dann Jungen, die nach ihnen kommen, belehren (vgl. 2. Tim 2,2). Ein gutes Gedächtnis und selbst Intelligenz reichen dafür nicht aus. Der Heilige Geist allein, der in uns wohnt, kann uns helfen, dieses schöne Gut in einer lebendigen und wirksamen Weise weiterzugeben.

Der Apostel schließt seinen ersten Brief mit der nachdrücklichen Ermahnung: „O Timotheus, bewahre das anvertraute Gut!“ (6,20). Auch nach den vielen Jahrhunderten richtet sich die gleiche Stimme in dem Bewusstsein an uns, dass das, was uns anvertraut wurde, die Gesamtheit der göttlichen Offenbarungen ist. Als der Apostel seinen Abschied nahen sieht, kann er sagen: „Ich habe den Glauben bewahrt“ (2. Tim 4,7). Welch ein Zeugnis, wenn man bis zum Ende eines Lebens als Apostel oder auch als „einfacher Gläubiger“ nicht müde geworden ist, sich nicht vom Glaubensweg hat abbringen oder fortreißen lassen, wenn man keinen Schiffbruch erlitten hat, nicht die geistliche Wirklichkeit aufgegeben hat, sondern ganz einfach in der Gemeinschaft mit dem Herrn den „Glauben bewahrt“ hat!

Timotheus würde alleine übrig bleiben, ohne die Stütze, die ihn während 16 Jahren auf dem Weg des Glaubens begleitet hatte, auf dem ihm viele Leiden und Gründe zur Entmutigung begegnet waren. Was würde nun auf ihn zukommen? Was wäre seine Hilfsquelle in dem Trubel der Gedanken, den die Umstände und der Feind in seinem Geist aufkommen lassen könnten?

Derjenige,

  • der sich dem Apostel auf dem Weg nach Damaskus offenbart und ihn durch die Vision in dem Tempel zu den Nationen gesandt hatte,
  • der sich während seiner Gefangenschaft in Jerusalem nahe bei ihm aufgehalten hatte, um ihn zu ermuntern, guten Mut zu haben,
  • dieser treue Herr, der so nah war und ihn bei seiner letzten Verantwortung gestärkt hatte und von jedem bösen Werk retten würde,
  • dieser gleiche Freund, den er schon lange kannte,
  • „der Herr Jesus Christus, sei mit deinem Geist“ (2. Tim 4,22). Das ist sein höchster Wunsch, sind die letzten Worte eines Mannes, für den das Leben Christus gewesen war.

2. Der Lebenswandel

Der Lebenswandel eines Christen hängt nicht von äußeren Vorschriften ab, die es zu beobachten gilt, sondern von einem inneren Leben, das sich dadurch äußert, dass es für Gott gelebt wird. Das ist die Belehrung von Römer 12,2: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes.“ Der Apostel sagt hier nicht: Seid nicht gleichförmig dieser Welt, und geht nicht in den Zirkus oder zu diesem heidnischen Fest, zieht nicht dieses unpassende Kleidungsstück an. Nein, er sagt vielmehr, „werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes“. Der Sinn ist das innere Sein des Menschen, die Quelle der Gedanken. Seine Umwandlung wird durch die Erneuerung, die durch die neue Geburt ausgelöst wird, unter der Wirksamkeit des Geistes Gottes erzielt. In einer Hinsicht geschieht dies ein für allemal; aber es geschieht ebenso „Tag für Tag“ (2. Kor 4,16) – und zeigt sich auch äußerlich, in Worten und im Lebenswandel, die Gott gemäß sind.

a) Die Gottseligkeit

„Übe dich aber zur Gottseligkeit“ (1. Tim 4,7), sagt der Apostel zu Timotheus. Bevor er auf die Lehre achten sollte, sollte er auf sich selbst achthaben (Vers 16).

Die Gottseligkeit äußert sich in den Beziehungen zu Gott, die durch Gottesfurcht und Vertrauen gekennzeichnet sind. Die Furcht bewahrt davor, Ihm zu missfallen; mehr noch, sie führt dazu, dass man sucht, Ihm zu gefallen, „indem ihr prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist“ (Eph 5,10). Das Vertrauen stützt sich auf einen Gott voller Gnade und Fürsorge für die Seinen, der auch die Macht hat, uns zu bewahren, ohne dass wir straucheln.

Die Gottseligkeit verlangt eine ständige Übung. Zwar ist die körperliche Ertüchtigung an ihrem Platz nicht unnütz; im Vergleich zur Gottesfurcht ist sie jedoch nur zu wenigem nützlich. Diese dagegen besitzt die Verheißung des Lebens, und zwar des jetzigen und des zukünftigen (vgl. 1. Tim 4,8). Das bedeutet, dass wir eine kostbare Gemeinschaft mit dem Herrn an jedem Tag unseres Lebens im Rahmen eines treuen Lebenswandels genießen, indem wir nahe bei Ihm bleiben. Und diese glückselige Gemeinschaft werden wir auch in Ewigkeit genießen, wenn wir bei Ihm sein werden, der seinen Verheißungen, die Er uns während unseres Erdenlebens gegeben hat, treu geblieben sein wird.

Führt die Gottseligkeit zu einer steifen und traurigen Lebenshaltung? Ganz im Gegenteil! „Die Gottseligkeit mit Genügsamkeit aber ist ein großer Gewinn“ (1. Tim 6,6). Um zufrieden zu sein, muss man genug haben. Der Apostel glaubt, dass man dies bereits hat, wenn „wir Nahrung und Bedeckung haben“ (1. Tim 6,8). Mit wie vielen Wohltaten überschüttet uns Gott darüber hinaus! Dass wir doch die Weisheit haben, alle diese Dinge aus seiner Hand mit Danksagung und Genügsamkeit entgegenzunehmen, ohne immer andere oder noch bessere Dinge zu wünschen – besser aus unserer eigenen Sicht! Die Gottseligkeit mit Genügsamkeit führt nicht dazu, immer mehr zu beanspruchen oder sich gegen den Geber aufzulehnen, sondern das Empfangene wertzuschätzen. Die Freude und der Friede, die der Herr uns ins Herz gibt, spiegeln sich in einem Leben der Gottseligkeit wieder, ohne dadurch die Ernsthaftigkeit aufzuheben, die dem Lebenswandel mit Christus angemessen ist.

Dieses Leben der Gottseligkeit können wir leicht verlieren. So sagt der Apostel auch, dass wir der Gottseligkeit nachstreben sollen (vgl. 1. Tim 6,11). In 2. Petrus 1,5.6 fügt sie sich einer Liste von Dingen an, für welche aller Fleiß angewandt werden muss: Glaube, Tugend, Erkenntnis, Enthaltsamkeit, Ausharren. Und zu ihr muss dann auch noch die Bruderliebe hinzugefügt werden. In der Tat isoliert uns die Gottseligkeit – wohl von der Welt – aber nicht von den Brüdern im Herrn. Sie führt uns im Gegenteil zu denjenigen, die Ihn lieben und zu seiner Ehre leben wollen.

b) Fliehe – Strebe nach!

In 1. Timotheus 6,11 haben wir die Ermahnung: „Fliehe diese Dinge!“ Welche? In dem Zusammenhang der Verse sind es die Streitfragen und Wortgezänke, die leeren Geschwätze, die Gefahr, aus der Gottseligkeit eine Quelle des Gewinns zu machen, und vor allem die Geldliebe, die eine Wurzel alles Bösen ist.

Aber es folgt auch eine damit in Beziehung stehende Aufforderung: „Strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes“:

  • die praktische Gerechtigkeit in unserem Verhalten anderen gegenüber;
  • die Gottseligkeit in unserer Beziehung zu Gott;
  • der Glaube und die Liebe, im Gegensatz zum zügellosen Streben nach materiellen Dingen;
  • das Ausharren und die Sanftmut des Geistes, wodurch leere Geschwätze, Wortstreitigkeiten und bösartige Unterstellungen vermieden werden.

Ein Stück weiter besteht der Apostel noch einmal darauf, dass Timotheus die „ungöttlichen, leeren Geschwätze und Widersprüche der fälschlich sogenannten Kenntnis“ fliehe. Diese Aufforderung wiederholt er noch einmal im zweiten Brief (2,16). Es handelt sich um eine Ermahnung, die Timotheus festhalten sollte, um nicht mit denen zu streiten, die falsche Lehren bringen, die von dem Wort Gottes abweichen:

  • „Zeugen Jehovas“, die die Gottheit Christi leugnen;
  • „Mormonen“, die ihr Buch der Bibel hinzufügen;
  • „Christliche Wissenschaft“, die nur den Namen als christliches Element hat, und
  • unzählbare andere Philosophien heidnischen Ursprungs, die auf so rasante Weise in unsere Länder eindringen.

Wir sollten, statt mit solchen Menschen zu sprechen, die Gelegenheiten suchen und wahrnehmen, wo wir wirklich eine Hilfe sein können, indem wir anderen Menschen Christus bringen, was zur Auferbauung dient. Das Kind Gottes wird dazu aufgerufen, die intellektuellen Streitgespräche, die „ungöttlichen und leeren Geschwätze“ und die „Streitfragen“ sorgfältig zu vermeiden.

In 2. Timotheus 2,22 kommt der Apostel auf den Gedanken des „Fliehens“ und „Nachstrebens“ zurück. Er spricht davon, „die jugendlichen Begierden“ zu fliehen und „nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden“ zu streben, indem er an dieser Stelle hinzufügt, es zu tun „mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen.“ Diese jugendlichen Begierden finden wir in 1. Johannes 2,15.16: die Lust der Augen, die Lust des Fleisches, der Hochmut des Lebens und die Liebe zur Welt. Die Begierde der Augen sucht das, was gut aussieht, die Eitelkeit äußerer Pracht in allen denkbaren Bereichen. Durch die Begierde des Fleisches wird die wunderbare Fähigkeit, die Gott dem Menschen gegeben hat, willentlich sein Leben fortzupflanzen, für eine verderbliche Befriedigung aus dem geziemenden Zusammenhang gerissen. Der Hochmut des Lebens treibt einen Menschen dazu, sich unablässig zu erheben, sowohl in geistlicher Sphäre als auch in materieller Hinsicht. Die Liebe zur Welt ist unvereinbar mit der Liebe des Vaters.

In einem anderen Sinn, den wir im Zusammenhang der Verse in 2. Timotheus 2 wohl sehen müssen, sind die jugendlichen Begierden alles das, was die Jugend in besonderer Weise charakterisiert: die Liebe zum Streitgespräch, die Sucht nach Neuem, das unüberlegte und ungezügelte Temperament, das aus der Ungeduld hervorkommt, sich behaupten zu wollen (vgl. 2. Tim 2,16.17.23).

Das Streben nach Gerechtigkeit steht hier im Gegensatz zur Ungerechtigkeit in Vers 19, d. h. zu dem, was in den Augen Gottes nicht gerecht ist und somit im Gegensatz zu seinem offenbarten Willen steht. Der Glaube, die Liebe und der Frieden sind davon die Folge, damit wir zusammen „mit denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen“, unser Leben führen können. Der Christ, der sich vom Bösen zurückzieht, ist nicht dazu aufgerufen, alleine den Weg zu gehen. In dem Bewusstsein, durch den Heiligen Geist mit den vom Herrn Erkauften verbunden zu sein, wird er die Freude haben, ein Zusammenkommen um Ihn, der als Herr anerkannt wird, zu kennen bzw. kennenzulernen. Und dort wird er zusammen mit denen, die Ihn aus reinem Herzen anrufen, alle Anstrengung unternehmen, um sich demütig seinem Wort zu unterwerfen.

Es gibt noch zwei weitere Ermahnungen, die auf einem solchen Weg im Gedächtnis zu halten sind: „Beharre“ (1. Tim 4,16) – es ist so leicht, auf dem Weg zu ermüden, nachdem man gut begonnen hat – und „sei nüchtern“ (2. Tim 4,5): Nüchternheit und Besonnenheit, was sich nicht nur auf das Essen oder Trinken bezieht, sondern auch auf Selbstdisziplin in allen denkbaren Bereichen, um ausgewogen zu sein, wozu der Christ in Abhängigkeit vom Herrn aufgerufen ist.

c) Ein Vorbild sein

Timotheus ist von Paulus aufgerufen worden, in der großen Versammlung in Ephesus zu lehren und zu ermahnen (1. Tim 6,3), viele Dinge an ihren richtigen Platz zu stellen. Vor allem aber sollte er „ein Vorbild der Gläubigen in Wort, in [Lebens-]Wandel, in Liebe, in Glauben, in Reinheit“ (1. Tim 4,12) sein. Der Apostel selbst hatte in 2. Korinther 6,6.7 in dieser Hinsicht ein Beispiel hinterlassen, sich „in allem als Gottes Diener“ erweisend, „in Reinheit, in Erkenntnis, in Langmut, in Güte, im Heiligen Geist, in ungeheuchelter Liebe, im Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes; durch die Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken“. Timotheus wird zuerst dazu ermahnt, ein Vorbild im Wort zu sein. Unüberlegte und leichtsinnige Äußerungen, übereilte oder deplatzierte Worte können so leicht den Dienst eines Dieners Gottes beflecken. Wachsamkeit im Lebenswandel, verbunden mit Liebe, Glauben und Reinheit, gibt dem Diener eine moralische Autorität, ohne welche die beste Belehrung ihren Wert verliert.

Und dennoch war Timotheus jung: „Niemand verachte deine Jugend“ (1. Tim 4,12). Er war jung in Bezug auf das so wichtige Amt, das ihm anvertraut war. Paulus war während seiner zweiten Missionsreise ungefähr im Jahr 49/50 in Lystra vorbeigekommen. Seinen ersten Brief schrieb er wohl um 63/64. Wenn Timotheus zwischen 20 und 25 Jahre alt war, als er berufen wurde, dann war er weniger als 40 Jahre alt, als er den Brief des Apostels empfing. Von daher die Wichtigkeit eines Verhaltens, das Timotheus bei denen empfahl, die er belehren sollte: „Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre“ (1. Tim 4,16). J. N. Darby3 hat dazu einmal vermerkt: „Es war nötig, dass er durch seinen Lebenswandel das Gewicht erwarb, das ihm seine Lebensjahre noch nicht gaben.“

Christus ist unser vollkommenes Vorbild (vgl. 1. Pet 2,21; Joh 13,15). Aber diejenigen, die Ihm nachfolgen – ein Paulus in Philipper 3,17, und diejenigen, „die so leben, wie ihr uns zum Vorbild habt“ –, üben einen nicht zu leugnenden Einfluss für ihren Herrn auf die Umgebung aus. Die Ältesten in 1. Petrus 5,3 sind nicht dazu aufgerufen, zu herrschen, sondern Vorbilder der Herde zu sein.

Mit welcher Dankbarkeit dürfen wir uns solcher Führer erinnern, die uns zur Hilfe waren – von Anfang an und während unseres ganzen christlichen Lebenswandels. Ihr Beispiel und ihr moralischer Einfluss, ihre Frömmigkeit, ihre Freude im Herrn, hatten für uns ein mindestens so großes Gewicht wie die Ermahnungen, die sie uns mitgeben sollten.

d) Die Hilfsquellen

Wenn Timotheus auch genügend Gegenstände der Entmutigung umgaben, so zeigt der Apostel ihm doch in seinem zweiten Brief in ganz besonderer Weise drei Hilfsquellen auf, die immer noch aktuell sind.

„Befleißige dich, dich selbst Gott als bewährt darzustellen“ (2. Tim 2,15). Im Bewusstsein seines relativ jungen Alters hätte Timotheus ganz besonders eine Stütze in der Zustimmung der Brüder suchen können. Es ist zweifellos gut, wenn der Herr es so führt, die Ratschläge der in dem Weg des Glaubens erfahreneren Brüder zu Herzen zu nehmen. Aber vor allen Dingen ist derjenige, der Christus dienen möchte, dazu aufgerufen, „sich selbst Gott als bewährt darzustellen“. Dies verlangt vielleicht eine lange Erfahrung im Gebet und Nachsinnen in der Gegenwart des Herrn. Auf der anderen Seite gilt in Bezug auf den Dienst, wie auch J. N. Darby einmal sagte: „Seit dem Augenblick, an dem uns Gott seinen Willen offenbart hat, dürfen wir keinem anderen Einfluss, der plötzlich aufkommt, erlauben, den Willen Gottes wieder in Frage zu stellen, selbst wenn dieser Einfluss die Form des Wortes Gottes anzunehmen scheint. Wenn wir in unserem moralischen Zustand näher beim Herrn wären, dann spürten wir, dass der einzig rechte und wahre Weg derjenige ist, die Richtung zu verfolgen, die Er uns am Anfang gezeigt hat.“

„Sei stark in der Gnade“ (2. Tim 2,1). Gott handelt mit uns als der Gott aller Gnade.4 Diese Gnade ist in Christus Jesus. Wenn man seine Gemeinschaft sucht und „wächst in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus“ (2. Pet 3,18), wird man gestärkt.

Schließlich: „Halte im Gedächtnis Jesus Christus, auferweckt aus den Toten“ (2. Tim 2,8). Zweifellos erinnern wir uns mit Dankbarkeit und Anbetung eines für uns gestorbenen Erretters. Wir sollen ständig sein Fleisch essen und sein Blut trinken (Joh 6,56). Besser noch ist aber – welch großartiges Vorrecht! – heute einen lebendigen Christus anzuschauen, der unser Hoherpriester bei Gott „nach der Kraft eines unauflöslichen Lebens“ ist (Heb 7,16). So „vermag er diejenigen auch völlig [bis zur Vollendung] zu erretten, die durch ihn Gott nahen, indem er allezeit lebt, um sich für sie zu verwenden“ (Heb 7,25). Seine Auferstehung war das göttliche Siegel, das auf sein Werk gesetzt wurde. Durch sie ist Er erwiesen worden „als Sohn Gottes in Kraft“ (Röm 1,4).

Hebe Deine Augen auf zum Auferstandenen,
blicke hin zu seinem herrlich' Angesicht!
Dann siehst Du die Dinge dieser Welt
nur in seinem Licht.
Dann gehört die Erde nur zu dem Vergangenen
und Du hast dann eine völlig andre Sicht!
Hast Du schon in dieser Zeit gewählt
dieses Angesicht?

3. Der Dienst

Das Thema des Dienstes nimmt einen großen Platz ein in den zwei Briefen an Timotheus. Es mag verfrüht erscheinen, diesen Gegenstand jungen Gläubigen vorzustellen. Und dennoch wissen wir, dass wenn der Herr noch nicht kommt, Er nach und nach diejenigen zu sich nimmt, die diese Aufgabe zur Zeit wahrnehmen: Dann sind die jüngeren Brüder dazu aufgerufen, diesen Dienst nach und nach und in dem Maß, wie Gott sie darin führt, auf die eine oder andere Weise auszuführen.

Die Ermahnungen, die Paulus in dieser Hinsicht an Timotheus richtet, sind durch und durch von der Situation geprägt, in der sich der Apostel und die Versammlung damals befanden. Die Zeit des Abschieds von Paulus war gekommen; der Niedergang machte sich in den Versammlungen breit. Was blieb noch? Vor allem anderen die heiligen Schriften! Der Diener predigt das Wort, indem er in diesem gegründet ist. „Er stützt sich auf die Schrift, die für alle Autorität ist und das legitimiert, was er sagt. Sie verleiht somit seinen Worten die Autorität Gottes über das Gewissen derjenigen, die er ermahnt und belehrt“ (J. N. Darby).

a) Die Belehrung

Diese wird in erster Linie gegenüber Gläubigen ausgeübt. Das Evangelium richtet sich an Ungläubige, die lehrmäßige Belehrung des Wortes kann jedoch nur von denen verstanden werden, die den Heiligen Geist besitzen. „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird; der geistliche aber beurteilt alles“ (1. Kor 2,14.15). Es bedarf somit der Tätigkeit des Geistes sowohl für das Lehren als auch für das Empfangen dessen, was vorgestellt wird.

Timotheus sollte „Acht haben auf die Lehre“ (1. Tim 4,16). Der Apostel lädt ihn ein, diese Dinge den Brüdern „vorzustellen“ (Vers 6), zu „gebieten“ und zu „lehren“ (Vers 11). Drei Handlungen charakterisierten ganz besonders seinen Dienst: das Lesen, die Ermahnung, das Belehren.

Das öffentliche Lesen hatte in dieser Zeit eine ganz wichtige Bedeutung, da es damals viele gab, die nicht lesen konnten. Das einfache Lesen eines geeigneten Abschnittes des Wortes Gottes in einer Versammlung mit lauter Stimme kann ein großer Segen sein und das geistliche Niveau einer Gebetszusammenkunft oder des Zusammenkommens, um Brot zu brechen, anheben.

Die Ermahnung ist vorzugsweise die Aufgabe des „Propheten“, der „zur Ermahnung und Tröstung“ (1. Kor 14,3) redet. Es ist das normale Vorstellen des Wortes, um aufzuerbauen, zu nähren, zu ermutigen, und geschieht im Bewusstsein, dass dadurch die gegenwärtigen Bedürfnisse gestillt werden.

Aber auch die lehrmäßige Belehrung hat ihren Platz. Sie gibt die Grundlage und die Ausrichtung vor. Die Kehatiter im Alten Testament hatten die Aufgabe, die heiligen Geräte des Zeltes der Zusammenkunft zu tragen (vgl. 4. Mo 4,15): Das ist der Dienst, der in erster Linie die Person Christi vorstellt. Die Merariter hatten die Aufsicht über die Bretter, die Riegel, die Säulen und ihre Füße (vgl. 4. Mo 4,31), das heißt über den Aufbau und die Struktur des Hauses Gottes. Das ist genau die lehrmäßige Belehrung, die verhindert, dass man „von jedem Wind der Lehre hin und her geworfen und umhergetrieben“ wird (Eph 4,14). Den Gersonitern waren die Decken des Heiligtums anvertraut, der Vorhang des Eingangs, die Umhänge des Vorhofs und der Vorhang vom Eingang des Tores und ihre Seile: alle Textilteile (vgl. 4. Mo 4,25.26). Das zeigt uns im Vorbild vor allem die Stellung und die Vorrechte der Gläubigen in Christus, also den Dienst sowohl lehrmäßiger wie auch auferbauender Art.

Für jede Art des Dienstes, und ganz besonders für den Dienst des Wortes, ist eine „Gnadengabe“ absolut notwendig (und nicht die Ausnahme! Vgl. 1. Pet 4,10, wo von „jedem“ gesprochen wird). Timotheus besaß eine solche Gabe (vgl. 1. Tim 4,14). Diese Gnadengaben werden in 1. Korinther 12,4 durch den Geist verliehen, in Epheser 4,11 durch den Herrn und in Römer 12,3–8 durch Gott selbst. Lasst uns neben vielen anderen Dingen in dieser zuletzt zitierten Passage die Vielfalt der Gaben beachten:

  • Dienst,
  • Lehre,
  • Ermahnung,
  • Geben,
  • Vorstehen und
  • Üben von Barmherzigkeit.

Das Ausüben der Gnadengabe ist immer, auch beim „Gebieten“ (1. Tim 4,11), mit „Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ (1. Tim 1,5) verbunden.

Timotheus gehörte nicht zu denjenigen, zu denen die Offenbarung Gottes direkt und unmittelbar gekommen war, zu den Männern – Apostel oder auch andere Gläubige –, derer sich Gott bedient hat, damit sie sein Wort aufschreiben (vgl. 1. Kor 2). Er wurde dazu aufgerufen, in dem zu bleiben, „was du gelernt hast“, und das sollte er anderen anvertrauen. Die Wahrheiten, die er aus dem Mund des Apostels hören durfte, sind für uns in den Briefen des Paulus aufgezeichnet worden. Jeder Dienst, der heute ausgeübt wird, kann nur auf die Schrift selbst gegründet sein. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit“ (2. Tim 3,16). Sie nimmt einen wichtigen Platz ein in dem ganzen zweiten Brief an Timotheus:

  • „Halte fest das Bild gesunder Worte, die du von mir gehört hast, in Glauben und Liebe, die in Christus Jesus sind“ (1,13);
  • „Was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Leuten an“ (2,2);
  • „Dies bringe in Erinnerung, ... das Wort der Wahrheit“ recht teilend (2,14.15);
  • „Predige das Wort, ... ermahne mit aller Langmut und Lehre“ (4,2).

Nur auf diese Art und Weise konnte Timotheus seinen Dienst vollständig5 vollführen (4,5). Wir finden dafür ein schönes Beispiel in Kaleb, der dem Herrn während aller Jahre der Wüstenreise vollständig folgte und auch während der Einnahme des Landes ausharrte. Er steht im Gegensatz zu Archippus, der in Kolosser 4,17 daran erinnert werden musste: „Sieh auf den Dienst, den du im Herrn empfangen hast, dass du ihn erfüllst.“

Ein anderer unabdingbarer Aspekt der Belehrung ist, nicht zu streiten und die törichten Streitfragen sowie die Wortzänkereien zu vermeiden. Dazu gehört auch, Fabeln und gesetzliche Verordnungen abzulehnen: „Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern gegen alle milde sein, lehrfähig, duldsam, der in Sanftmut die Widersacher zurechtweist, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit“ (2. Tim 2,24.25). Streitigkeiten vermeiden und die Wahrheit vorstellen: Das war es, worüber die Diener zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewacht haben, ganz besonders in ihren Schriften, in denen sie Streitfragen häufig beiseitegelassen haben, um sich auf die wahre Lehre zu konzentrieren und die Wahrheit vorzustellen und die Seele zu erbauen. John G. Bellett, einer der ersten, die zusammen mit J. N. Darby Anfang des 19. Jahrhunderts das Brot nach den Gedanken des Herrn brachen, wurde seinerzeit mit verschiedenen Lehren konfrontiert, die die Person unseres Herrn Jesus angriffen. Er ließ sich nicht auf fruchtlose Debatten ein, sondern schrieb die zwei Büchlein, die nunmehr über Generationen hinweg unzählbare Herzen erwärmt haben: „Die moralische Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus als Mensch“ und „Der Sohn Gottes“.6

b) Der Hirtendienst

Wie wir aus Hesekiel 34 lernen, besteht die Herde des Herrn nicht nur aus wohlgenährten und starken Schafen, die sehr schnell die Belehrungen des Wortes verstehen. Viele unter ihnen sind krank, verletzt oder verirrt. Der Hirte ist nun aufgerufen, das Beispiel des großen Hirten nachzuahmen: „Das Verlorene will ich suchen und das Versprengte zurückführen, und das Verwundete will ich verbinden, und das Kranke will ich stärken“ (Hes 34,16).

Ein Bruder mag nicht die Gabe des Lehrers besitzen, ja nicht einmal das Wort Gottes öffentlich zur Auferbauung oder Tröstung verkünden; aber er hat vielleicht die Gabe des Hirten, die so wichtig in den Zusammenkünften der Gläubigen ist. So wird die Herde des Herrn nicht mit Härte und Strenge geführt, sondern den Bedürfnissen der Schwachen wird Genüge getan. Das natürliche Temperament ist entweder dasjenige eines Jägers oder eines Hirten. Der Jäger findet seine Befriedigung auf Kosten des Opfers, der Hirte gibt sich selber für die Herde auf. Aber, Gott sei Dank, können sein Geist und sein Leben aus einem Jäger einen Hirten machen.

Timotheus besaß nicht nur eine Lehrgabe, er war auch zu dem Dienst des Hirten berufen worden: „Überführe, weise ernstlich zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre“ (2. Tim 4,2). Er hatte es mit ganz unterschiedlichen Klassen von Personen zu tun (vgl. 1. Tim 5,1.2): Die älteren Männer sollte er als Väter ermahnen, die jüngeren als Brüder, die älteren Frauen als Mütter, die jüngeren als Schwestern. Er hatte besondere Sorge zu tragen für die Witwen in den verschiedenen Schwierigkeiten, die durch ihre Situation aufkamen. In Bezug auf Älteste sollte er auf der einen Seite wirkliche Wertschätzung zeigen, auf der anderen Seite jedoch auch standfest und unparteiisch sein. Bei denjenigen, die begehrten, im Dienst für den Herrn benutzt zu werden, sollte er nicht vorschnell handeln. Schließlich sollte er die besondere Stellung von Sklaven berücksichtigen, damit sie ein gutes Zeugnis für den Namen des Herrn abgaben.

So wurde also von ihm verlangt, auf ganz unterschiedliche Weise zu handeln:

  • ernstlich zurechtzuweisen, aber nicht in rücksichtsloser Weise,
  • zu ermahnen,
  • zu ehren,
  • keine Anklage außer bei zwei oder drei Zeugen anzunehmen,
  • niemanden zu bevorzugen.
  • Und er sollte zugleich überzeugen und gebieten.

Und wer ist dazu tüchtig? „Als aus Gott, vor Gott, reden wir in Christus ... Nicht, dass wir von uns selbst aus tüchtig sind, ... unsere Tüchtigkeit ist von Gott“ (2. Kor 2,16; 3,5).

c) Entmutigung und Leiden

Entmutigung

Timotheus war von Natur aus schüchtern. Auch seine Gesundheit war offensichtlich nicht sehr stark, wie wir aus seinem „häufigen Unwohlsein“ (1. Tim 5,23) schließen können. Der äußere Widerstand trat deutlich hervor und die Verfolgungen wurden schmerzhaft. Auch der innere Niedergang unter den Gläubigen zeigte sich, Unordnung offenbarte sich. Und vor allem war die Zeit des Abschieds des Apostels gekommen. Es gab genug, weshalb man entmutigt sein konnte.

Schon im ersten Brief hatte der Apostel gesagt: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir“ (4,14). Dem entspricht auch die Ermahnung von 1. Petrus 4,10: „Je nachdem jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dient einander damit als gute Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes.“ Jeder ist dazu eingeladen, die Gabe, die er durch die vielseitige Gnade Gottes empfangen durfte, zum Wohl anderer zu benutzen, anstatt sie zu „vernachlässigen“. Welche Segnungen gäbe es in den Versammlungen, wenn jeder, Bruder oder Schwester, sich zu Herzen nähme, der Gabe nachzukommen, die ihm oder ihr von Gott anvertraut worden ist!

In dem zweiten Brief scheint Timotheus noch mehr entmutigt zu sein, denn der Apostel muss ihn ermahnen, „die Gnadengabe Gottes anzufachen, die in dir ist“ (1,6). Es bestand die Gefahr, dass das Feuer ausging, die Flamme war kleiner geworden. Sie konnte wieder angefacht werden, nicht dadurch, dass er sich selbst einen Ruck gab, sondern nur durch die Tätigkeit des Geistes Gottes, dieses Geistes „der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (1,7). Aus diesem Grund durfte sich Timotheus nicht des Zeugnisses des Herrn schämen, sondern musste Trübsal mit dem Evangelium leiden.

Leiden

Paulus verheimlicht vor Timotheus nicht die Leiden, die dieser ja auch gut kannte, und die ein Diener des Herrn erleiden muss.

Dazu gehört zunächst die Schmach (vgl. 1. Tim 4,10); aber auch die Scham, in Bezug auf welche Timotheus ermahnt wird, sich nicht des Zeugnisses des Herrn zu schämen. Der Apostel selbst sagt: „Ich schäme mich nicht, denn ich weiß, wem ich geglaubt habe“ (2. Tim 1,12). Jedenfalls hatte Paulus diese Verachtung und Entbehrung tief empfunden, die ein Diener Gottes zu erdulden hat, wie er es den Korinthern schreibt: „Bis zur jetzigen Stunde leiden wir sowohl Hunger als auch Durst und sind nackt und werden mit Fäusten geschlagen und haben keine bestimmte Wohnung und mühen uns ab, mit unseren eigenen Händen arbeitend. Geschmäht, segnen wir; verfolgt, dulden wir; gelästert, bitten wir; wie der Kehricht der Welt sind wir geworden, ein Abschaum aller bis jetzt“ (1. Kor 4,11–13).

So versteht man die Ermahnung besser, die er mehrere Male seinem geliebten Kind mit auf den Weg gibt, an den Trübsalen des Evangeliums teilzunehmen (vgl. 2. Tim 1,8; 2,3; 4,5). Paulus verheimlicht nicht – und Timotheus wusste das schon gut –, dass man in dem Dienst für den Herrn mit Widerstand, Unverständnis, Entbehrungen rechnen muss. Aber das alles war kein Grund zur Entmutigung. Im Gegenteil, der Apostel vergleicht einen Diener mit einem Soldaten, einem Kämpfer und einem Ackerbauer (vgl. 2. Tim 2,4–6).

  • Derjenige, der in den Krieg zieht, sollte sich nicht in die Beschäftigungen des Lebens verwickeln.
  • Derjenige, der in der Rennbahn kämpft, ist dazu aufgerufen, sich an die Regeln des Wettkampfes zu halten.
  • Der Ackerbauer muss zuerst arbeiten, um die Früchte zu genießen.

Das sind Beispiele von Energie, Selbstdisziplin und geduldiger Arbeit. Man kann eben auch rennen und kämpfen, ohne den Preis zu empfangen (vgl. 1. Kor 9,24–27). Ohne eine persönliche Selbstdisziplin könnte man „verwerflich“ (d.h. disqualifiziert) werden, und das umso mehr, wenn man dazu aufgerufen war, anderen zu predigen.

Der Apostel unterstreicht diesen Kampf, indem er ihn den Kampf des Glaubens nennt, an dem auch Timotheus aufgerufen war teilzunehmen (vgl. 1. Tim 1,18; 6,12). Der Feind ist mächtig, aber „der, der in euch ist, ist größer als der, der in der Welt ist“ (1. Joh 4,4). Paulus konnte so am Ende seines Wettlaufes mit Dankbarkeit sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft“ (2. Tim 4,7).

Der Apostel hatte selbst ein Beispiel für das Ausharren in den verschiedenen Leiden gegeben. Welche Verfolgungen musste er doch bereits zu Beginn seines Reisedienstes auf sich nehmen (vgl. 2. Tim 3,11.12). Und im Laufe seines Lebens bis zum Ende hatten die Leiden ihn begleitet, wie er den Korinthern bezeugt und auch im 2. Timotheusbrief vermerkt: „Ich leide Trübsal bis zu Fesseln wie ein Übeltäter“ (2,9). Und die Hinrichtung als Märtyrer wartete noch auf ihn.

Aber die äußeren Leiden waren nicht die einzigen, die er erdulden musste. Dazu kam noch, dass ihn unter anderem seine Genossen, seine Brüder verlassen hatten, „alle, die in Asien sind“ (2. Tim 1,15). Auch die Bosheit von Alexander (2. Tim 4,14), ohne von der Einsamkeit des greisen Apostels zu sprechen, lastete schwer auf seinem Geist.

So verstehen wir die letzte Ermahnung an Timotheus: „Leide Trübsal“ (2. Tim 4,5). Es handelte sich dabei nicht einfach um eine vorübergehende schwierige Situation, sondern um ein Ausharren ohne Unterbrechung während einer langen Erprobungszeit (vgl. z.B. Phil 2,22).

Schon der Psalm 126 hatte die „Tränen“ unterstrichen, die jedes Sähen begleiten: „Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten. Er geht hin unter Weinen und trägt den Samen zur Aussaat; er kommt heim mit Jubel und trägt seine Garben“ (Ps 126,5.6). Hier hat uns der Herr Jesus selbst das vollkommene Beispiel gegeben. Wie viele Tränen finden wir auf seinem Weg, wie viel Widerstand, wie viel Unverständnis, als Er den Samen zur Aussaat trug. So darf es auch nicht verwundern, dass diejenigen, die Ihm beim Säen nachfolgen, dies ebenfalls unter Tränen tun müssen. Innerer und äußerer Widerstand, Enttäuschungen und manchmal auch Einsamkeit sind da zu erleben. Aber auf die Tränen folgt die Ernte mit Jubel. Diesen Jubel dürfen die treuen Diener mit dem Herrn Jesus selbst teilen, der wiederkommen wird, aber es wird in Bezug auf Ihn allein hinzugefügt, „und trägt seine Garben“: Das kann von keinem Erlösten gesagt werden; die Garben gehören Ihm, und Ihm allein.

d) Die Krone

Die Leiden mussten Christi Teil sein, die Herrlichkeiten folgten. „Wenn wir ausharren [mitleiden], so werden wir auch mitherrschen“ (2. Tim 2,12). Paulus hatte schon den Römern gesagt: „Wenn wir ... mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden“ (Röm 8,17). Das sind die Leiden im Dienst für den Herrn, aber auch diejenigen, die wir in den verschiedenen Umständen unseres Lebens erleben. Von diesen konnte der Apostel sagen: „Denn das schnell vorübergehende Leichte unserer Trübsal bewirkt uns ein über jedes Maß hinausgehendes, ewiges Gewicht von Herrlichkeit“ (2. Kor 4,17).

Die Herrlichkeit ist die Folge der Leiden. Damit wird uns die Belohnung des treuen Dieners vorgestellt, in unseren Briefen in Form der Krone: „Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, die der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag“ (2. Tim 4,8). Das ist die Krone der Gerechtigkeit, die dem Diener, der im Kampf des Glaubens hingebungsvoll gekämpft hat, geschenkt wird.

Die Krone des Lebens gibt es für den Märtyrer, der „getreu bis zum Tod“ ist (Off 2,10). Die Krone der Herrlichkeit gibt es für die Ältesten, denen es am Herzen liegt, die Herde Gottes freiwillig und mit Demut zu hüten (vgl. 1. Pet 5,2–4).

Diese Krone kann man verlieren, wenn man nicht nach den Regeln gekämpft hat (vgl. 2. Tim 2,5; 1. Kor 9,27). „Halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme!“ (Off 3,11).

Erinnern wir uns, dass für dieses Festhalten die persönliche Disziplin, von der wir in 1. Korinther 9,27 lesen, unabdingbar ist.

4. Die Wertschätzung von Paulus für Timotheus

Wir finden verstreut in den verschiedenen Briefen des Apostels immer wieder Aussagen, die die Wertschätzung und Zuneigung von Paulus für Timotheus ausdrücken.

Zunächst als Mitarbeiter im Werk des Herrn. In 1. Thessalonicher 3,2 heißt es: „Unseren Bruder und Mitarbeiter Gottes in dem Evangelium des Christus“. Diesen Ausdruck finden wir in Römer 16,21 und in 1. Korinther 16,10 wieder. Dort heißt es: „Er arbeitet am Werk des Herrn wie auch ich.“ Welches Vorrecht war es doch, Mitarbeiter und Begleiter von Paulus zu sein! Barnabas, Johannes Markus und Silas waren dies für eine Zeit gewesen, niemand jedoch so lange wie Timotheus.

Wir verstehen die Wertschätzung für ihn auch gut, die Paulus an die Korinther weitergibt: „Timotheus …, der mein geliebtes und treues Kind ist im Herrn; der wird euch an meine Wege erinnern, die in Christus sind, wie ich überall in jeder Versammlung lehre“ (1. Kor 4,17). Trotz seiner Schüchternheit konnte Paulus auf Timotheus zählen, wenn es darum ging, mit ganzer Präzision die Korinther an die Belehrungen zu erinnern, die er ihnen gegeben hatte. Dieser Auftrag in Korinth war, wie wir schon gesehen haben, schwierig und heikel. Er benötigte wegen der herrschenden Unordnung, der Parteiungen und der Ablehnung des Dienstes von Paulus ein großes Taktgefühl.

Später konnte der Apostel über den jungen Mann an die Philipper schreiben:

  • „Ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird; ... Ihr kennt aber seine Bewährung, dass er, wie ein Kind dem Vater, mit mir gedient hat an dem Evangelium“ (Phil 2,20.22).
  • „Die Sorge um alle Versammlungen“ drang täglich auf Paulus ein (2. Kor 11,28). Timotheus teilte dieses tiefe Interesse. Als er der Bewährung ausgesetzt wurde, hatte er mit Paulus am Evangelium gedient, wie ein Kind seinem Vater dient.
  • So konnte der Apostel von ihm und von Epaphroditus auch sagen: „Haltet solche in Ehren“ (Phil 2,29).

Wenn Timotheus in verschiedenen Briefen von Paulus als Mitverfasser angegeben wird, dann heißt er einfach „der Bruder“ (2. Kor 1,1; Kol 1,1; Phlm 1,1). Das ist die Demut eines jüngeren Dieners, der den Platz einnimmt, der ihm gebührt.

  • In unseren beiden Briefen zeigt der Apostel seine ganze Zuneigung gegenüber seinem „echten Kind im Glauben“ (vgl. 1. Tim 1,2; 1,18; 2. Tim 1,2; 2,1).
  • Er ist „ein guter Diener Christi Jesu, auferzogen durch die Worte des Glaubens“ (1. Tim 4,6),
  • „ein guter Streiter Christi Jesu“ (2. Tim 2,3) und
  • ein „Mensch Gottes“ (1. Tim 6,11), der als Gesandter Gottes und für Gott handelt.

Paulus konnte ihm auch sagen: „Du aber hast genau erkannt meine Lehre“, wie er ihn auch ermahnt, davon völlig überzeugt zu sein und seinen Dienst zu vollführen (2. Tim 3,10.14; 4,5). Das „Du aber“ wird viermal wiederholt (1. Tim 6,11; 2. Tim 3,10.14; 4,5) und unterstreicht die Treue von Timotheus im Gegensatz zu allem, was ihn umgab, eine Treue, auf die der Apostel bis zum Schluss setzte.

Paulus fügt hinzu: „Die Zeit meines Abscheidens ist gekommen“ (2. Tim 4,6). Er sagt gleichsam: „Du wirst alleine übrig bleiben – ohne mich. Du weißt, was Dich erwartet. Aber derjenige, der mit mir während meines ganzen Glaubenslaufes gewesen ist, der Herr Jesus Christus, wird, mit deinem Geist' sein“ (2. Tim 4,22).

Fußnoten

  • 1 Dieser Kommentar ist nur in französischer Sprache erhältlich (siehe auch: www.bibliquest.org). Wir verweisen daher auf die im deutschen erhältlichen Betrachtungen von A. Remmers und F.B. Hole. Darüber hinaus findet der interessierte Leser weitere Auslegungen auf dieser Homepage, auf www.audioteaching.de zudem Vorträge zu diesen Briefen. [Anmerkung der Übersetzer]
  • 2 Henri Rossier war ein Arzt in der französischen Schweiz, der viel als Lehrer und Hirte im 19. Jahrhundert gewirkt hat. Er hat die sogenannte „Synopsis“ von J. N. Darby in französischer Sprache herausgegeben, eine Betrachtung über die ganze Bibel, und auch an der französischen Darby-Übersetzung der Bibel mitgewirkt. [Anmerkung der Übersetzer]
  • 3 J. N. Darby ist ein Bruder, der im 19. Jahrhundert gelebt hat und mit anderen die biblische Wahrheit in Bezug auf die Versammlung (Gemeinde, Kirche) des lebendigen Gottes verstanden, gelehrt und praktiziert hat. Er war – menschlich gesprochen – maßgeblich an einer geistlichen Erweckung beteiligt, aus der wir heute noch Nutzen ziehen dürfen. [Anmerkung der Übersetzer]
  • 4 Es gibt im Englischen eine sehr nützliche Broschüre von J. N. Darby, deren Titel folgendermaßen übersetzt werden kann: „Die wahre Gnade Gottes, in der wir stehen.“
  • 5 Diese Erweiterung finden wir in der französischen Bibelübersetzung, aus der Bruder Georges André zitiert. [Anmerkung der Übersetzer]
  • 6 Beide Bücher sind in deutscher Sprache erhältlich. [Anmerkung der Übersetzer]
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