Timotheus - Diener Jesu Christi
Das Leben des Timotheus
1. Kindheit und Jugendzeit
Apostelgeschichte 16,1-3; 2. Timotheus 1,5; 3,14.15.
a) Die Familie
Es wird uns in der Bibel ausdrücklich gesagt, dass die Mutter von Timotheus, Eunike, eine „gläubige jüdische Frau“ war. Derselbe „ungeheuchelte Glaube“ wohnte schon in seiner Großmutter, Lois. Es handelt sich also um zwei Frauen, die im Judentum groß geworden sind, die den gleichen Glauben an Gott wie Paulus besaßen, der Ihm „von meinen Voreltern her“ diente (2. Tim 1,3). Es handelt sich also um den Glauben eines Juden, der im Sinne des Alten Testamentes als gottesfürchtig zu bezeichnen war.
Der Vater von Timotheus dagegen war ein Grieche. Wir finden über ihn überhaupt keine weitere Bemerkung. Man kann daher annehmen, dass er im Gegensatz zur Mutter von Timotheus ungläubig gewesen ist, oder zumindest nicht den gleichen Glauben besaß. Ihr Kind ist offenbar aus diesem Grund nicht nach der jüdischen Vorschrift beschnitten worden.
Wir haben hier also eine geteilte Familie: eine gottesfürchtige Mutter, ein Vater, der zumindest gleichgültig ist. Wie Eunike dazu gekommen sein mag, einen heidnischen Mann zu heiraten - ganz im Widerspruch zu dem Gesetz, das sie offenbar gut kannte? Darüber wird uns nichts mitgeteilt. 1 Aber die Schwierigkeit war nun vorhanden, wie es auch in vielen Familien heute der Fall ist.
Eine solche Situation kann heute daher kommen, dass sich ein Teil des Ehepaares nach der Hochzeit bekehrt, während der andere dem christlichen Glauben fernbleibt. Sie kann jedoch auch aus einer Ehe entspringen, die vollständig im Gegensatz zu der Bibel steht - denken wir nur an 2. Korinther 6,14.15 -, wenn nämlich ein Gläubiger eine ungläubige Person heiratet. Eine solche Lage kann jedoch auch leider daraus entstehen, dass eine Person den Anschein erweckte, gläubig zu sein, dann jedoch in dieser Hinsicht abkühlte: Der Glaube ist nicht wirklich vorhanden oder einfach eine äußere Folge der Erziehung. Manchmal schafft auch der Feind sein Werk, indem er einen Gläubigen von dem Glaubensweg abringt, zumindest für eine Zeit.
Wie schwierig ist es, in einer solchen Konstellation die Kinder in der Zucht und Ermahnung des Herrn aufzuziehen (Eph 6,4)! Welch eine traurige Situation vieler gläubiger Mütter, denen Gott dennoch zur Hilfe kommen kann, wie Er das auch in dem Fall des Timotheus getan hat. Eunike hat sich durch ihren Ehemann nicht von einer biblischen Erziehung abbringen lassen: „Von Kind auf“ kannte Timotheus die heiligen Schriften. Sie hatte zweifellos die Ermahnung, die in 5. Mose 6,6-9 den Vätern gegeben wurde, in die Praxis umgesetzt: „Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen auf deinem Herzen sein. Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen.“ Sie hatte hinnehmen müssen, dass ihr Sohn nicht beschnitten wurde. Aber hinsichtlich der Unterweisung des Wortes Gottes hatte sie sich richtig verhalten.
Aber es war noch mehr nötig: Gott musste selbst ein Werk in dem jungen Timotheus vollbringen, und dieser musste persönlich glauben, damit er das göttliche Leben empfangen konnte.
b) Die Bekehrung
Das Werk Gottes ist im Herzen des Timotheus vollbracht worden. Das sehen wir in 2. Timotheus 3,14.15. Von seiner Kindheit an „kannte“ er die heiligen Schriften. Sie hatten die Macht, ihn zur Errettung weise zu machen. Dafür war „der Glaube, der in Christus Jesus ist“, notwendig gewesen. Danach hatte er, zweifellos aus dem Mund von Paulus selbst, alles das „gelernt“, was das Evangelium und die Wahrheiten, die damit zusammenhängen, betraf. Schließlich war Timotheus von diesen Dingen völlig „überzeugt“ worden. Lernen reicht nicht, so unabdingbar das auch ist. Eine persönliche, innere Überzeugung ist nötig; und diese kann nur auf dem Wort Gottes basieren, der Quelle selbst, dem Fundament jeder Sicherheit unter der Belehrung des Geistes Gottes.
Man kann auf diese Weise vier Etappen unterscheiden:
- Die Kenntnis der Schriften: Man erwirbt sie in der christlichen Familie, in der Sonntagsschule und in den Zusammenkünften.
- Der Glaube: Dieser bestätigt, dass Gott wahr ist. Der Glaube nimmt sein Wort in Gewissen und Herz auf, um sich an die Person des Herrn Jesus, den alleinigen Erretter, zu klammern.
- Das Wachstum in den Dingen des Herrn: Daher die Wichtigkeit des Bibelstudiums und das Besuchen der Zusammenkünfte. Man profitiert vom mündlichen Dienst, ohne den schriftlichen Dienst, der uns zur Verfügung steht, zu vernachlässigen. Für das zweite sollte ein junger Gläubiger zumindest einen bestimmten Augenblick an jedem Tag reservieren.
- Die persönliche Überzeugung: Sie ergibt sich nicht einfach aus dem, was man schon kannte oder durch den Einfluss von anderen gelernt hat. Sie wird durch die Gnade und den Geist Gottes hervorgebracht, wenn man die Wahrheiten der Schrift näher überdenkt. „Bedenke, was ich sage; denn der Herr wird dir Verständnis geben in allen Dingen“ (2. Tim 2,7).
Wann ist dieses Werk der Gnade im Herzen von Timotheus vollbracht worden?
Bei der sogenannten zweiten Missionsreise von Paulus, als er nach Derbe und Lystra kam, „war dort ein gewisser Jünger, mit Namen Timotheus“. Er war also nicht nur ein Kind Gottes, sondern auch ein Jünger, und zwar als solcher bekannt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt schon ein gutes Zeugnis der Brüder dieser Region. Somit lag seine Bekehrung bereits eine Zeit zurück.
Schon bei seiner ersten Missionsreise war Paulus an Ikonium, Derbe und Lystra vorbeigekommen (Apg 14). Eine große Menge von Juden und Griechen war dort zum Glauben gekommen. Paulus selbst und Barnabas waren grausam verfolgt worden. Paulus hatte diese Verfolgung sogar am Ende seines Lebens nicht vergessen, sondern in schmerzhafter Erinnerung behalten. So schrieb er an Timotheus: „Du aber hast genau erkannt ... meine Verfolgungen, meine Leiden: Was für Leiden mir widerfahren sind in Antiochien, in Ikonium, in Lystra; was für Verfolgungen ich ertrug, und aus allen hat der Herr mich gerettet“ (2. Tim 3,10.11).
Zeigen uns diese Verse nicht, dass Timotheus Zeuge gewesen sein muss bei diesen schrecklichen Verfolgungen? Er hatte verstanden, dass sie nicht einem Übeltäter oder einem Politiker galten, der sich gegen die römische Besatzung auflehnte, sondern dass Paulus sie um des Glaubens willen zu erleiden hatte (vgl. Phil 1,12-14). Anlässlich des ersten Besuchs von Paulus in dieser Gegend muss der Sohn von Eunike also mit dem Evangelium in Berührung gekommen sein. So hatte er schon etwas davon gesehen, was es für Konsequenzen mit sich bringt, am Evangelium öffentlich festzuhalten. Vielleicht gehörte er zu denjenigen, „die ihn [Paulus] umringten“ (Apg 14,20), nachdem er gesteinigt worden war. Kurze Zeit später kamen Paulus und Barnabas wieder nach Lystra und Ikonium und Antiochien, „und befestigten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu verharren, und dass wir durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen“ (Apg 14,22).
Zwischen diesen zwei Besuchen von Paulus in Lystra und seiner zweiten Missionsreise lagen ungefähr 4 Jahre. Vor der ersten Reise kannten Timotheus und seine Familie sicherlich noch nicht das Evangelium. Bei der zweiten Missionsreise von Paulus war Timotheus bereits ein Jünger mit einem guten Zeugnis. Die Verfolgungen, deren Zeuge Timotheus gewesen war, hatten einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht, genauso wie die Ermunterung, „im Glauben zu verharren“ (Vers 22). Angesichts von Verfolgungen auszuharren blieb das beherrschende Kennzeichen des Beispiels und der Belehrungen des Apostels an seinen geliebten Jünger.
Um treu zu bleiben, benötigt man die Kraft Gottes als Antwort auf das Gebet: „Sie beteten mit Fasten und befahlen sie dem Herrn an, an den sie geglaubt hatten“ (Apg 14,23).
c) Die Berufung zum Dienst
Aus Apostelgeschichte 16,3 können wir schließen, dass Timotheus anlässlich der zweiten Reise von Paulus in den aktiven Dienst eingetreten ist, für den er zubereitet worden war.
Er war ein „Jünger“, der sich eines „guten Zeugnisses der Brüder“ seiner örtlichen Versammlung und der ganzen Gegend (Vers 2) erfreute. Hinsichtlich seiner Gnadengabe, die Gott ihm verliehen hatte, waren „Weissagungen“ ausgesprochen worden (vgl. 1. Tim 1,18; 4,14). Timotheus hatte diese Gnadengabe. Genauer gesagt hatte er die Gabe des Hirten und Lehrers empfangen. Die Ältesten seiner Gegend hatten diese Überzeugung gewonnen und ihm ihre Gemeinschaft durch das Auflegen der Hände deutlich gemacht (1. Tim 4,14). Paulus erinnert Timotheus daran, dass auch er selbst ihm die Hände dieserhalb aufgelegt habe (2. Tim 1,6). Er war mit seinem jungen Begleiter von Herzen verbunden.
Das ist nun die Grundlage für jeden Dienst: Zunächst die neue Geburt, das heißt der Empfang des göttlichen Lebens durch den Glauben, dann die geistliche Entfaltung des Lebens durch die Hinwendung zu den Schriften. Auch das praktische Zeugnis über den Lebenswandel, das durch andere Personen gegeben wird, gehört dazu. Schließlich gehört dazu, dass die Gnadengabe Gottes durch die Gemeinschaft, die Brüder mit geistlichem Unterscheidungsvermögen hinsichtlich dieser Gabe üben können, bestätigt wird.
Gestärkt durch alle diese früheren Ereignisse „wollte Paulus“, dass Timotheus mit ihm geht! Paulus hatte zweifellos ein scharfes geistliches Unterscheidungsvermögen, wie nur wenige Menschen es besitzen. Nichtsdestoweniger ist die Ermunterung, die ältere Brüder an jüngere zu Beginn ihres Dienstes für den Herrn weitergegeben haben, häufig entscheidend gewesen für deren weiteren christlichen Weg. „Die Hände lege niemand schnell auf“, schrieb der Apostel später an Timotheus (1. Tim 5,22). Wenn aber das Leben Gottes seine Früchte trägt, das praktische Zeugnis dem entspricht, was der Gläubige empfangen hat, und der Herr deutlich macht, dass Er einen jüngeren Bruder in seinem Dienst benutzen will, hat dann nicht auch das Beispiel des Apostels seinen Platz, in Weisheit einen solchen zu ermutigen, zu unterstützen und ihm eine Hilfe zu sein?
Paulus nimmt Timotheus nun mit sich auf die weitere Reise. Es hat fast den Anschein, als handele es sich um ein Entreißen des jungen Mannes. Vielleicht gab es einiges Zögern innerhalb der Familie: Selbst eine gottesfürchtige Mutter trennt sich nicht leicht von ihrem Kind, vor allem nicht, wenn es weit weg in schwierige Umstände kommen wird. Fürchtete Timotheus selber vielleicht einen Weg, auf dem er Leiden und Widerstand, Gefahren und Versuchungen zu erleiden hätte? Was auch immer die Umstände gewesen sein mögen - die Entscheidung von Paulus führt dazu, dass Timotheus ihn begleitet.
Vor der Abreise „beschnitt ihn“ Paulus aber noch. Diese Maßnahme mag uns von Seiten des Apostels ein wenig seltsam erscheinen. In der Tat konnte er von den Juden nicht beschnitten werden, da sein Vater Grieche war (vgl. Esra 9.10; Neh 13,23-31). Unter dem Gesetz war das Kind aus einer Mischehe unrein. Im Gegensatz dazu sind die Kinder in der Zeit der Gnade „heilig“, selbst wenn nur einer der beiden Elternteile gläubig ist (1. Kor 7,14). „Heilig“ bedeutet für Gott abgesondert, Teilhaber der Vorrechte einer christlichen Umgebung und Atmosphäre (wobei das in keiner Weise eine Entschuldigung dafür ist, einen Ungläubigen zu heiraten!).
Aus Sicht der Juden wäre es also ungesetzlich gewesen, Timotheus zu beschneiden. Aus christlicher Sicht war das genau das Gegenteil des ausdrücklichen Befehls des Apostels an die Galater: „Siehe, ich, Paulus, sage euch, dass, wenn ihr beschnitten werdet, Christus euch nichts nützen wird“ (Gal 5,2). Warum beschnitt Paulus dann aber den Timotheus? Wohl nicht, um für ihn einen Verdienst zu erwerben, wie ihn die Galater darin suchten, sondern „wegen der Juden, die in jenen Orten waren“ (Apg 16,3). Es ist ein Zeichen des Entgegenkommens von Paulus, um so viele wie möglich zu „gewinnen“ (1. Kor 9,20-23). Für die Juden wurde er wie ein Jude; für die, die unter Gesetz sind, wie unter Gesetz, ohne dass er es in Wirklichkeit war.
Für Timotheus war dies eine sehr schmerzhafte und demütigende Erprobung (1. Mo 34,25), wie ein Preis, den er für seinen Dienst bezahlen musste. Von uns wird zweifellos nicht dasselbe gefordert, eines aber doch: Selbstentsagung und Verzicht auf verschiedene Dinge, die allem Anschein nach gut sind; Unverständnis der Umgebung oder lieber Freunde; geistliche Einsamkeit, je nachdem, an welchen Ort der Herr einen sendet; möglicherweise Verzicht auf eine berufliche Tätigkeit, die man gerne ausgeübt hat; Verlust des Ansehens in bestimmten Kreisen, etc. ...
Zweifellos sind die Berufungen genauso unterschiedlich wie die Entsagungen, die ihnen folgen. Viele Dienste wird man auch im Rahmen des sogenannten „normalen Lebens“ verwirklichen können. Dennoch bleibt immer wahr, dass „wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach“ (Mt 16,24). „Wer sein Leben lieb hat, wird es verlieren ... Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach; und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein“ (Joh 12,25.26). Paulus weist Timotheus nicht umsonst noch einmal in seinem Brief darauf hin: „Nimm teil an den Trübsalen“ (2. Tim 2,3).
Paulus, Silas und Timotheus reisen somit gemeinsam weiter. Der junge Mann muss nun gleichsam eine Ausbildung in diesem Dienst absolvieren, der mit vielen und langen Wanderungen verbunden sowie ermüdend und gefährlich ist. Er führt sie von Lystra nach Phrygien, Galatien, Mysien, Troas, dann nach Mazedonien, wo das Evangelium damit zum ersten Mal beginnt, Europa zu durchdringen.
2. Der Dienst
Der Dienst, der Timotheus anvertraut wurde, umschließt, wie uns die Apostelgeschichte und die Briefe ausführlich deutlich machen, zwei Aspekte:
a) Er arbeitet „mit Paulus“ zusammen, nach dem Wunsch des Apostels (Apg 16,3). Timotheus begleitet ihn so auf verschiedenen seiner Reisen. Der Apostel verbindet sich mit Timotheus auch beim Schreiben von sechs seiner Briefe.
b) Bei anderen Gelegenheiten ist der junge Mann der Abgesandte von Paulus, um - häufig zusammen mit einem weiteren Genossen - in einer Versammlung oder Gegend einen bestimmten Auftrag zu erfüllen.
a) Mit Paulus unterwegs
Gibt es für einen jungen Mann, der zum Dienst des Herrn berufen worden ist, eine bessere Vorbereitung, als einen älteren Diener zu begleiten? So kann er lernen, wie es sich geziemt, sich zu verhalten, zu handeln oder eben nicht zu handeln. So kann er die Übungen teilen, die bei jedem Dienst für den Herrn auf einen warten.
Auf diese Weise hat auch der junge Elisa viele Jahrhunderte zuvor Elia begleitet und ihm gedient (1. Kön 19,21), indem er „Wasser goss auf die Hände Elias“ (2. Kön 3,11). Am Tag der Wegnahme seines Herrn erhält er dann ein doppeltes Teil des Geistes, der auf Elia ruhte, und wird nun selbst Prophet an seiner statt. Er ist in seinem Dienst unmittelbar Gott verantwortlich und wird so zum Segen für sein Volk.
Wir lesen im Neuen Testament sehr häufig, dass Diener zu zweit oder zu mehreren ausgesandt werden. Als der Herr die zwölf Jünger in Markus 3,14 bestellt, sollen sie zunächst „bei ihm“ sein, bevor Er sie aussendet um zu predigen und zu heilen. Später gehen sie jeweils zu zweit aus, um zur Buße aufzurufen und verschiedene Wunder zu vollbringen (Mk 6,7). In Apostelgeschichte 8,14 senden die Apostel Petrus und Johannes nach Samaria. Barnabas geht zwar zunächst allein nach Antiochien (Apg 11,22), aber dann zieht er nach Tarsus, um Paulus aufzusuchen. Zusammen halten sie sich ein ganzes Jahr in Antiochien auf, um die Versammlung zu belehren.
Während seiner vielen Reisen wird Paulus fast immer von einem oder mehreren Mitstreitern begleitet. So hatte er sich ja auch Timotheus ausgesucht, indem er wollte, „dass dieser mit ihm ausgehe“ (Apg 16,3). Dieser junge Jünger würde den Apostel in verschiedene Provinzen Kleinasiens begleiten, dann nach Mazedonien, Philippi, Thessalonich, Beröa (Apg 17,14). Später trifft er Paulus in Korinth (Apg 18,5), wo er einen Dienst vergleichbar dem des Paulus vollbringt (2. Kor 1,19). Es scheint nicht so zu sein, dass sich Timotheus dem Paulus angeschlossen hatte, als dieser nach Jerusalem zurückkehrte (Apg 18,21). Während der dritten Missionsreise des Paulus jedoch treffen wir ihn in Ephesus wieder, wo Paulus mehr als zwei Jahre arbeitete (Apg 19,22). Er wird ausdrücklich als einer derjenigen genannt, „die ihm dienten“.
Nachdem Paulus aufs Neue Mazedonien und Griechenland besucht hatte, unternimmt er eine letzte Reise nach Jerusalem. Auch hier finden wir Timotheus unter seinen Begleitern (Apg 20,4). Weiter finden wir nichts über Timotheus, bis wir ihn in Rom zusammen mit dem Apostel wiederfinden, der sich mit ihm beim Schreiben seiner Briefe aus der ersten Gefangenschaft verbindet (außer dem Epheserbrief). Aus Philipper 2,19 können wir deutlich erkennen, dass Timotheus sich bei seinem geistlichen Vater aufhielt. Bei einer bestimmten Gelegenheit ist auch Timotheus gefangen genommen worden (vgl. Heb 13,23). Wir wissen nicht, ob das gleichzeitig mit der Gefangennahme von Paulus in Rom oder in einer anderen Situation gewesen ist.
Wir finden also bei Timotheus zunächst eine Periode der Ausbildung. Dann folgen, wie wir gesehen haben, verschiedene Missionsaufträge. Dazwischen finden wir Timotheus wieder bei Paulus, dem Diener, von dem er lernte, um imstande zu sein, anderen weiterzugeben, was er so gelernt hatte (2. Tim 2,1.2).
b) Der Abgesandte des Apostels
Zweifellos konnte Paulus in der Kraft der apostolischen Autorität, die ihm vom Herrn verliehen worden war, seinen Begleitern „befehlen“, diese oder jene Dienste oder Missionen auszuführen. Er hat ihnen darüber hinaus jedoch auch manche heiklen Aufgaben übertragen. Sein Beispiel ist auch für uns nicht ohne Bedeutung. Sicherlich nicht in der Weise, dass wir Diener, die unmittelbar von ihrem Herrn abhängig und Ihm verantwortlich sind, dirigieren oder abkommandieren. Aber ältere Diener dürfen auch heute, sicherlich mit der nötigen Vorsicht, die sich gehört, der Praxis des Apostels folgen, und zu einer passenden Gelegenheit einem jungen Bruder einen gewissen Dienst andeuten oder ihm ein existierendes Bedürfnis aufzeigen, damit die nötige Übung im Herzen des jungen Dieners in der Abhängigkeit vom Herrn zustande kommt. Wenn Gott dann einen solchen Auftrag dem jüngeren Diener direkt bestätigt, dann darf er den Auftrag auch annehmen, ohne dass in diese Richtung irgendein Druck auf ihn ausgeübt wird.
Wir finden in der Apostelgeschichte und in den Briefen mindestens vier Situationen, bei denen Paulus seinem jungen Begleiter einen speziellen Dienst anvertraut.
Timotheus in Thessalonich
Silas und Timotheus waren in Beröa geblieben. Sie erhielten dann den Auftrag, den Apostel in Athen aufzusuchen (Apg 17,15). Aber 1. Thessalonicher 3,2 berichtet darüber, dass Paulus, vielleicht durch einen weiteren Boten, Timotheus nach Thessalonich sandte. Die Neubekehrten dieser Stadt waren unterschiedlichen Verfolgungen ausgesetzt, sodass Paulus um ihren Glauben fürchtete. Das war eine glückliche Mission für Timotheus, zu den so lebendigen Thessalonichern zu gehen. Aber er hätte es sich selbst vielleicht nicht zugetraut, oder er hätte zögern können, an einen Ort zu gehen, an dem besonders schlimme Verfolgungen herrschten. Man sieht bei ihm jedoch keine Art von Unentschlossenheit. Und als er dann mit guten Nachrichten über den Glauben und die Liebe der Thessalonicher zusammen mit Silas den Apostel in Korinth wieder trifft (Apg 18,5), finden wir eine Szene voller Freude und Trost für Paulus und seine Begleiter. Brachte Timotheus vielleicht sogar eine Gabe der Versammlungen, die es Paulus erlaubte, seine ganze Zeit dem Wort Gottes zu widmen (vgl. 2. Kor 11,8)? Man darf das vielleicht aus der Tatsache schließen, dass der Apostel nach der Rückkehr von Silas und Timotheus nicht mehr dazu gezwungen war, Zelte zu machen, sondern völlig durch den Dienst des Wortes in Anspruch genommen werden konnte und während eines Jahres und sechs Monaten sich vollständig dem Werk des Herrn in dieser Stadt widmen konnte.
In Korinth
In Apostelgeschichte 19,22 lesen wir, dass sich Timotheus in Ephesus aufhielt. Paulus sendet ihn von dort zusammen mit Erastus nach Mazedonien. Nach 1. Korinther 4, 17 und 16, 10 muss er sich dann unter anderem auch in Korinth aufgehalten haben. Das war in der Tat eine schwierige Mission, in eine Versammlung zu kommen, die von ihren Vorrechten eingenommen war, die voll von Zwietracht, Unordnung, moralisch Bösem und Streit war - von lehrmäßigen Verfehlungen erst gar nicht zu sprechen! Man kann verstehen, dass Timotheus hier furchtsam war. Paulus muss ihn daher den Korinthern ganz besonders empfehlen: „Er arbeitet am Werk des Herrn wie auch ich“ (1. Kor 16,10). - Aus seinem zweiten Brief an die Korinther sehen wir, dass sich Paulus Timotheus zugesellt, nachdem er in Mazedonien durch Titus die gute Nachricht über die Korinther erhalten hatte (vgl. 2. Kor 7,6.13-15).
In Philippi
In Philipper 2,19-24 lesen wir von einem dritten Auftrag des Paulus an Timotheus. Dieser befand sich mit Epaphroditus in Philippi. Hierbei handelte es sich sicherlich um eine leichtere Mission als die in Korinth. Er sollte den Philippern erzählen, wie es Paulus ergangen war, und zugleich Paulus „von euren Umständen“ erzählen. Welch schönes Zeugnis kann Paulus Timotheus bei dieser Gelegenheit ausstellen: „Denn ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird“ (Phil 2,20). Sollten wir es nicht vermehrt wünschen, „von Herzen besorgt“ zu sein besonders für die Diener des Herrn, die in der Ferne oft durch schwierige Umstände gehen müssen, sei es in Bezug auf ihre Familien, ihre Gesundheit, oder aufgrund ihres Dienstes? Genaue und aktuelle Neuigkeiten ermöglichen es uns, einsichtsvoller zu beten, aber ihnen auch dieses „Von-Herzen-besorgt“-Sein nicht nur auf materielle Weise zu bezeugen, sondern auch durch ein liebevolles Interesse, durch einen Brief, oder durch ein anderes Mittel, zu dem der Herr die Gelegenheit gibt.
In Ephesus
Schließlich vertraute der Apostel nach 1. Timotheus 1,3 „seinem geliebten Kind“ einen besonderen Dienst an, dieses Mal in Ephesus, wo Timotheus „bleiben“ sollte. Paulus hoffte, ihn dort zu treffen (1. Tim 3,14).
Wir kennen nur lückenhaft die Folge der Ereignisse. Nach zwei Jahren der Gefangenschaft kam Paulus wahrscheinlich wieder frei. Zwischen 63-66 durchreiste er erneut den Nahen Osten, indem er verschiedene Versammlungen besuchte. In der zweiten Hälfte des Jahres 66, zu Beginn der Verfolgungen durch Nero, wurde er erneut gefangen genommen, wahrscheinlich in Gegenwart von Timotheus, der bei dieser Gelegenheit offenbar Tränen vergossen hat, wie Paulus in seinem zweiten Brief schreibt (vgl. 2. Tim 1,4).
Paulus musste, nachdem er nach Rom zurückgebracht worden war, somit eine zweite Gefangenschaft erdulden, die viel schwerer war als die erste. Sein Begleiter blieb offenbar in Ephesus, wie man aus 2. Timotheus 1,18 schließen kann, ohne es aber sicher behaupten zu wollen.
16 Jahre waren nun seit dem Zeitpunkt vergangen, als Paulus wollte, dass Timotheus mit ihm ginge. Jahre der Gemeinschaft, in denen der junge Mann in der Schule des Apostels lernen konnte; Jahre, die mit großer Verantwortung angefüllt waren, und wo er verschiedene Aufgaben erfüllte: relativ leichte in Thessalonich und Philippi, die durch Freude und Gemeinschaft mit den Geschwistern gekennzeichnet waren; äußerst schwierige in Korinth, wo sich Timotheus mit großer Furcht aufhielt; außerordentlich schwierige in Ephesus, in einer Versammlung, die nach und nach ihre erste Liebe verließ, und wo sich so einige Fehler und Schwierigkeiten einschlichen.
c) „Befleißige dich zu kommen“ (2. Tim 4,9-16.22)
Der Apostel ist mittlerweile ein „Greis“, und er ist einsam. Die meisten seiner Begleiter sind an verschiedene andere Orte weggegangen, um dort das Werk des Herrn auszuführen. Einer von ihnen hat ihn verlassen, „da er den jetzigen Zeitlauf lieb gewonnen hat“ (2. Tim 4,10). Bei seiner ersten Verantwortung stand ihm niemand bei. Niemand wollte riskieren, als Entlastungszeuge vor dem kaiserlichen Tribunal auszusagen. Der Schmied Alexander hat ihm viel Böses erwiesen. Als Onesiphorus von Ephesus nach Rom kam, um den Apostel zu besuchen, musste er sehr viel Mühe aufwenden, um ihn überhaupt finden zu können. Das scheint anzudeuten, dass man in der Versammlung in Rom zu dieser Zeit nicht wusste, wo sich der Apostel aufhielt; vielleicht wollte man es auch gar nicht wissen. Um den Greis vor der Kälte des Winters zu schützen, sollte ihm Timotheus vom weit entfernten Troas den Mantel mitbringen, den Paulus bei Karpus zurückgelassen hatte. Warum konnte eigentlich keiner aus der Versammlung in Rom ihn mit einem ausstatten?
Wir verstehen das tief gehende Verlangen von Paulus, noch einmal sein geliebtes Kind wiederzusehen, und die zweifache Ermahnung, sich zu beeilen, um vor dem Winter zu kommen. Wir wissen nicht, ob Timotheus seinen geistlichen Vater noch einmal wiedersehen konnte. Das Wort Gottes schweigt darüber. Es gibt uns auch keinen Bericht über den Märtyrertod des Apostels, auch nicht über den von Petrus oder Johannes. Lediglich die Steinigung des Stephanus wird uns aus ganz bestimmten Gründen sehr detailliert mitgeteilt, und auch - fast im Vorübergehen - das Ende von Jakobus. Ein einziger Tod beherrscht eben das ganze Neue Testament: der unseres Herrn Jesus. Dieser Tod allein soll in seiner ganzen Größe vor unseren Herzen stehen bleiben, als Gegenstand unserer Anbetung.
Es soll keine Verehrung für Reliquien oder bestimmte Orte geben! Der Vorhang bleibt geschlossen
- über einem Petrus, der das Haus der Maria verlässt und an einen anderen Ort geht (vgl. Apg 12,6-17);
- über einem Paulus, der einsam im Gefängnis sitzt;
- über einem Timotheus, der gerne seinen geistlichen Vater wiedersehen möchte, ohne zu wissen, ob er es tatsächlich tun kann.
Wenn Menschen die Bibel geschrieben hätten, welche herrliche Szene hätten sie dann aus dem Wiedertreffen von Timotheus mit Paulus gemacht, wie er die letzten Augenblicke mit dem greisen Apostel verbrachte und ihn über die Ostische Straße führte, wo er enthauptet wurde. Wir kennen dieses letzte Ereignis durch die Geschichte 2, aber das Wort Gottes selbst wollte den Vorhang nicht lüften, damit Christus allein vor unseren Augen bleibt.
Aber welches Zeugnis bleibt von demjenigen, der, durch den Geist Gottes getrieben, sich selbst als
- Sklaven Jesu Christi,
- Prediger und Apostel,
- Lehrer der Nationen in Glauben und Wahrheit
bezeichnet. Wenn wir Christus folgen, dann sehen wir Ihn an der Spitze laufen, als Anfänger und Vollender des Glaubens. Hinter Ihm kommen diejenigen, die uns als Vorbilder vorgestellt werden, auf die wir sehen sollen (vgl. Phil 3,17). Dazu gehören sicherlich Paulus und Timotheus. Sollten wir diejenigen vergessen, die wir gekannt haben und für deren Herzen der Herr Jesus der große Gegenstand war? „Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben, und, den Ausgang ihres [Lebens-]Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach“ (Heb 13,7).
Fußnoten