Die letzten Dinge
Das Gericht über Babylon
„Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, und redete mit mir und sprach: Komm her, ich will dir das Urteil über die große Hure zeigen, die auf den vielen Wassern sitzt, mit der die Könige der Erde Hurerei getrieben haben; und die, die auf der Erde wohnen, sind trunken geworden von dem Wein ihrer Hurerei“ (17,1.2).
Einer der sieben Engel, offenbar der letzte, zeigt nun dem Seher Johannes die Stadt Babylon. Und wie sieht er diese Stadt, von der wir wissen, dass sie ein Abbild des christlichen Zeugnisses in den letzten Tagen ist? Als eine Frau, noch mehr, als eine Hure, noch mehr, als eine große Hure sieht er sie! O Christenheit, wohin bist du gekommen? Furchtbarer, als der Heilige Geist sie zeichnet, könnte es nicht geschehen! Gott gebraucht das Bild einer Hure, um uns die Schrecklichkeit dessen vor Augen zu malen, was es für sein Herz bedeutet, wenn sich die Kirche mit der Welt verbindet. Wie verfallen und verderbt die menschliche Gesellschaft auch sein mag, so steht sie doch vor dem Heiligen und Gerechten als dem, der rechtmäßige Ansprüche an sie hat und dem sie verantwortlich ist. Im Alten Testament war dies Israel, im Neuen Testament ist es die sich auf das Werk von Jesus Christus gründende Kirche oder Gemeinde. Aber beide Zeugnisse verfielen der Untreue, so dass Gott sich von ihnen abwenden musste. Welchen Gegensatz bildet Babylon zur himmlischen Stadt, der treuen und hocherhobenen Brautgemeinde des Herrn!
Die Frau, auf dem Tier sitzend
„Und er führte mich im Geist weg in eine Wüste; und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, voller Namen der Lästerung, das sieben Köpfe und zehn Hörner hatte. Und die Frau war bekleidet mit Purpur und Scharlach und übergoldet mit Gold und wertvollem Stein und Perlen, und sie hatte einen goldenen Becher in ihrer Hand, voll von Gräueln und den Unreinheiten ihrer Hurerei; und an ihrer Stirn hatte sie einen Namen geschrieben: Geheimnis, Babylon, die große, die Mutter der Huren und der Gräuel der Erde. Und ich sah die Frau trunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu. Und ich verwunderte mich, als ich sie sah, mit großer Verwunderung“ (17,3–6).
Wir sahen in Vers 1 die Hure „auf vielen Wassern sitzend“, was uns einwandfrei zeigt, dass die Kirche ihre Herrschaft über viele Völker und Sprachen ausübt. Das scharlachrote Tier ist niemand anders als das kaiserliche Rom, das das religiöse Rom trägt und von demselben geleitet wird. Die Zeit wird kommen, in der die katholische Kirche das schon im Mittelalter erstrebte Ziel, die Herrschaft der Welt, erreichen wird. Die Verbindung ist eine so vollständige, dass selbst die Mächtigsten sich den Anmaßungen des Vatikans beugen müssen, so wie es zur Zeit Gregors VII. war, der nur ein Lebensziel kannte: die Herrschaft der geistlichen Gewalt über die weltliche.
Zuerst muss Johannes diese Frau inmitten einer Wüste sehen, sehr zutreffend, da der Katholizismus dann erst recht ohne wahre Speise und Trank, d. h. ohne Segen von oben sein wird; kein Wunder, der Herr selbst wird abgelehnt und die Autorität des Wortes Gottes geleugnet. Das Tier, auf dem die Frau sitzt, ist voller „Namen der Lästerung“, was uns den Grad der Feindschaft gegen Gott und die herausfordernde Stellung der abtrünnigen Christenheit deutlich macht. Es sind die satanischen Opponenten gegen Gott und das Lamm, und beide, das Tier und die Frau, haben ihren Sitz in Rom, der Sieben-Hügel-Stadt. Welcher schrecklich ernste Gegensatz: Unser gnadenvoller Herr hat die Seinen bestimmt, dereinst mit Ihm selbst das Königtum der ganzen Schöpfung einzunehmen, hier aber beherrscht diese Frau das mit Blut besudelte Tier, das Weltreich von unten, den direkten Gegenpart des Herrn Jesus, das sich sogar, trotz seines Verfalls, noch mit dem Namen des Christus schmückt, um sein ganzes inneres Verderben zu tarnen.
Weiter hat das Tier sieben Köpfe und zehn Hörner. Die sieben Köpfe werden im 9. Vers mit sieben Bergen identifiziert, woraus klar hervorgeht, dass damit die Hauptstadt des Römischen Weltreiches gemeint ist, das in jener Zeit aus zehn Staaten (zehn Hörner) bestehen wird. Zehn Einzelreiche werden sich unter einem gemeinsamen Oberhaupt vereinen. Die Zahl „zehn“ deutet wiederum darauf hin, dass sie hinter der vollkommenen Zahl „zwölf“, der Stämme des Bundesvolkes Gottes, zurücksteht, und wir haben dabei weniger an die präzise Zahl „zehn“, als an deren Unvollkommenheit zu denken. Heute gehören schon mehr als zehn Staaten zum Westpakt, und neue kommen hinzu, auch wird ja das Gericht an der Hure nicht nur das Gebiet des Römischen Reiches umfassen, sondern die ganze verbleibende christuslose Christenheit, wozu ja auch die neue Welt, Amerika und Australien, gehören.
Das Geheimnis der Frau
„Und der Engel sprach zu mir: Warum verwundertest du dich? Ich will dir das Geheimnis der Frau sagen und des Tieres, das sie trägt, das die sieben Köpfe und die zehn Hörner hat. Das Tier, das du sahst, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen; und die, die auf der Erde wohnen, deren Namen nicht in dem Buch des Lebens geschrieben sind von Grundlegung der Welt an, werden sich verwundern, wenn sie das Tier sehen, dass es war und nicht ist und da sein wird“ (17,7.8).
Johannes ist über die Mitteilungen des Engels sehr verwundert. Er kann es nicht fassen- und das ist verständlich- dass aus der Kirche, der Brautgemeinde, die so lieblich, rein und anmutig aus der Hand des Herrn, gebildet durch den Heiligen Geist, hervorgegangen war, etwas so Furchtbares, einer Hure gleich, entstehen konnte. Es ist unfassbar für ihn, und das mit Recht. Wohl hatte er schon durch die Sendschreiben (Kap. 2 und 3) erfahren, dass es einen Zustand der Verdorbenheit in der Kirche geben würde; aber was er hier zu sehen bekommt, dass die Kirche mit dem satanischen Tier eins geworden ist, und anstatt eines Kelches voller Segnung, einen solchen voller Gräuel und Unreinigkeit trägt, ja, sogar vom Blut der Zeugen Jesu trunken ist, das ist für das Herz des Apostels etwas Furchtbares.
Nun erklärt der Engel dem Seher das Geheimnis, worüber dieser sehr verwundert war, in näheren Einzelheiten. Die Geschichte der Frau ist eng mit der des Tieres, das aus dem Abgrund heraufsteigt, verbunden. Wir sind dem Tier schon in Kapitel 13 begegnet, wo die Beschreibung dieselbe ist. Nur ist der Gegenstand dort das Haupt, der König und Cäsar, der letzte Kaiser aus Satans Küche, der aus dem Meer, also aus einem revolutionären Zustand, emporsteigt. Hier in Kapitel 17 aber handelt es sich nicht um das Haupt, sondern um das gesamte Reich, und die Mitteilung seiner Geschichte ist notwendig, um die Schilderung des Gerichtes über die Frau, die Hure, zu verstehen. Von diesem Tier lesen wir, dass es war, nicht ist und aus dem Abgrund heraufsteigt. Das Römische Reich, das zur Zeit des Johannes bestand und dann in der Völkerwanderung untergegangen ist, ist in seine Einzelländer zerfallen und befindet sich noch heute in diesem Zustand.
Es hat somit das in Daniel 7 angekündigte Gericht noch nicht empfangen, der Stein von oben (Dan 2) ist noch nicht gefallen, vielmehr wird das Römische Reich am Ende der Tage in seiner einstmaligen Größe und Macht wiedererstehen, und zwar als eine Einheit. Es steigt „aus dem Abgrund“, oder Versenkung empor, wobei „Abgrund“ noch eine zweite Bedeutung hat, nämlich den einer Schöpfung Satans. Da liegt es nahe, dass sich die Menschen, „die auf der Erde wohnen“, d. h. die nur mit den Dingen dieser Erde rechnen, und „Fleisch zu ihrem Arm machen“, also nichts von einer göttlichen Offenbarung wissen wollen, „sich verwundern“, weil es ihnen unfassbar erscheint. Schon heute sind die Bestrebungen zur Bildung eines vereinigten Europas groß, aber das Ziel liegt noch in weiter Ferne, weil die Interessen und die Politik der in Betracht kommenden Einzelstaaten zu sehr auseinandergehen. Die Stunde ist eben noch nicht gekommen, Gott hält zurück, weil die Seinen noch auf der Erde sind (2. Thes 2,7). Ist aber die Brautgemeinde entrückt, dann wird diese Einigung plötzlich und unvermutet in Erscheinung treten.
„Hier ist der Verstand, der Weisheit hat: Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt. Und es sind sieben Könige: Fünf von ihnen sind gefallen, der eine ist da, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kurze Zeit bleiben“ (17,9.10).
Hier haben wir die örtliche Angabe des Sitzes der Frau ganz klar und unzweideutig angegeben, und damit auch, wer mit dieser „Frau“ gemeint ist, nämlich Rom. Weiter bedeuten die Köpfe auch eine Folge von sieben Königen, oder vielmehr Regierungsformen dieses Tieres. Davon waren zur Zeit Johannes schon fünf vorbeigegangen (Könige, Konsuln, Dezemvirn [d. h. der Zehnte], Kriegstribunen und Diktatoren) und die sechste regierte eben damals: das Kaisertum. Der siebte König nun wird als noch zukünftig bezeichnet und ist es heute noch, da das Reich selbst ja noch nicht wieder erschienen ist.
Manche Ausleger vermuteten unter dem siebten König Napoleon I. Bonaparte. Uns scheint dies nicht zutreffend, und zwar aus folgenden Gründen. Das Reich selbst bestand ja nicht. Wohl dachte Napoleon an die Aufrichtung desselben; aber gerade in den ausschlaggebenden Punkten ist es ihm misslungen. Das Mittelmeer und dessen östliche und afrikanische Randgebiete hat er niemals beherrschen können, da ihm die Engländer und die Türken den Weg dazu versperrten. König und Reich gehören aber zusammen, so dass es also nicht anders sein kann, als dass der siebte König mit dem neuen Reich noch auftauchen wird.
Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir denken, dass die neue Staatenvereinigung unter der Führung des Vatikans zustande kommen und der siebte König von demselben gestützt und gelenkt werden wird. Johannes selbst sieht ja zuerst die Frau, also die Römische Kirche, das Tier beherrschen, und dass die Politik Roms seit dem Mittelalter darauf hinzielt, ist ein offenes Geheimnis. Auch heute übt das religiöse Rom einen zwar mehr geheimen, aber zunehmenden Einfluss auf die Politik aus, besonders in Amerika, wo es einen bedeutsamen Druck auf die Geisteswelt ausübt.
„Und das Tier, das war und nicht ist, er ist auch ein achter und ist von den sieben und geht ins Verderben“ (17,11).
Man beachte, dass es nicht heißt „es“, sondern „er“. Dieses Tier ist ein achter und geht ins Verderben. Da ist auch schon gleich ein achter König erwähnt, der demnach dem siebten keinen großen Zeitraum lassen wird; die Vorherrschaft Roms wird also nur von kurzer Dauer sein. Dieser achte König – „er“, der König, und „es“, das Tier, sind identisch – ist nun die eigentliche Quintessenz des Tieres selbst, der uns in Kapitel 13 bereits vorgestellte satanische Kaiser. Es wird somit keine neue Regierungsform sein, sondern wiederum die sechste, das vergötterte Kaisertum, das ja im alten Rom nicht, wie die früheren, beseitigt worden, sondern mit dem Reich untergegangen ist, und miteinander werden sie wieder auferstehen. Sehr wahrscheinlich ist auch, dass sich zu Beginn der letzten dreieinhalb Jahre der siebte König samt den zehn Hörnern gegen den unheimlichen Druck der Römischen Kirche auflehnen wird, um diesen Druck abzuschütteln und sich zum achten König, wie ihn Kapitel 13 schildert, wandeln wird, dem sich die zehn Könige unterwerfen werden und müssen.
„Und die zehn Hörner, die du sahst, sind zehn Könige, die noch kein Königreich empfangen haben, aber sie empfangen Gewalt wie Könige für eine Stunde mit dem Tier. Diese haben einen Sinn und geben ihre Macht und Gewalt dem Tier. Diese werden mit dem Lamm Krieg führen, und das Lamm wird sie überwinden; denn er ist Herr der Herren und König der Könige, und die mit ihm sind Berufene und Auserwählte und Treue“ (17,12–14).
Hier haben wir die Bestätigung, dass es sich um eine radikale Veränderung im Regierungssystem handelt. Der Kaiser wird mit allen bisherigen „Hörnern“, den heute noch bestehenden Staatsordnungen und Fürstenhäusern aufräumen und seine Genossen als Häupter an deren Stelle setzen, wohl auch nach seinem Gutdünken und eigener Willkür neue Landesgrenzen aufstellen. Es werden neue Staatsoberhäupter sein, nicht solche, die vorher zum Regieren bestimmt sind; sie erhalten ihre Macht erst mit dem Auftauchen des Kaisers, werden dieselbe aber auch nur dreieinhalb Jahre besitzen und mit dem Tier untergehen. Sie haben einen Sinn und sie geben ihre Macht und Gewalt dem Tier, was besagen will, dass sie mit dem Gewalthaber eine völlig gleiche Gesinnung haben und dessen Satelliten sein werden, Werkzeuge Satans, ihrem Führer treu ergeben.
Die Vernichtung der Hure
„Und er spricht zu mir: Die Wasser, die du sahst, wo die Hure sitzt, sind Völker und Völkerscharen und Nationen und Sprachen. Und die zehn Hörner, die du sahst, und das Tier, diese werden die Hure hassen und werden sie öde und nackt machen und werden ihr Fleisch fressen und sie mit Feuer verbrennen. Denn Gott hat in ihre Herzen gegeben, seinen Sinn zu tun und in einem Sinn zu handeln und ihr Königreich dem Tier zu geben, bis die Worte Gottes vollbracht sein werden. Und die Frau, die du sahst, ist die große Stadt, die das Königtum hat über die Könige der Erde“ (17,15–18).
Hier wird uns nun der ganze Zweck und das ganze Ziel der Wirksamkeit Satans enthüllt: der offene Krieg gegen das Lamm Gottes, den Herrn Jesus, den Christus, den gesalbten König Gottes. Welche Verblendung und welche Vermessenheit, gegen Gott, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, ankämpfen zu wollen! Aber der unbegrenzte Hass macht blind und unverständig. Der ihm Verfallene tut nur noch, was zum Verderben führt und ihm und anderen zum Schaden gereicht. Folgerichtig wenden sich Kaiser und seine Satelliten gegen alles, was den Namen des Christus trägt, und schon wegen des Machtwillens, der die Römische Kirche, die bis dahin ihren vollen Glanz bewahrt hat, kennzeichnet, werden sie ihr entgegen sein. Sie werden ihr ihre Macht und all ihren Reichtum auf satanisch raffinierte Weise entreißen und was übrig bleibt, mit Feuer verbrennen, und sie mit Stumpf und Stiel ausrotten. Ansätze zu solchem Tun finden wir schon in unseren Tagen, aber wie wir schon erwähnten, hält Gottes Hand noch zurück, bis zu dem Tag, an dem alles zu seiner Reife gekommen sein wird. Das Gericht wird ein absolutes und restloses sein. Die Menschen handeln in Auflehnung und Hass gegen Gott und seinen Christus; dennoch wird Gott es in seiner Vorsehung so lenken, damit die Könige sein längst fälliges Gericht an der falschen Kirche vollziehen müssen, damit durch jene die Worte Gottes vollbracht werden.
Ohne Zweifel wird sich hieran chronologisch der Zug des Kaisers in das Land Israel anreihen, um den Gottesdienst der Juden aufzuheben, wie er den christlichen vernichtet hat. In weiterer Folge wird sich die Aufstellung des Gräuels der Verwüstung, des kaiserlichen Götzenbildes durch den Antichristen an heiliger Stätte in Jerusalem, anreihen. Der eigentliche Kriegszug gegen Christus selbst wird am Schluss der dreieinhalb Jahre stattfinden und dem ganzen Reich und dem Wirken Satans überhaupt ein völliges Ende machen. Hierüber werden wir im 19. Kapitel Näheres hören.