Die letzten Dinge

Die Frau und der Drache

Die letzten Dinge

Die Frau, mit der Sonne bekleidet

„Und ein großes Zeichen erschien in dem Himmel: Eine Frau, bekleidet mit der Sonne, und der Mond war unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupt war eine Krone von zwölf Sternen. Und sie ist schwanger und schreit in Geburtswehen und in Schmerzen zu gebären“ (12,1.2).

Bis zum Ende des 18. Kapitels haben wir nun keine chronologische Folge der Ereignisse der Gerichtszeit mehr, sondern in sich selbst abgerundete Bilder bestimmter Vorkommnisse. Diese sind zumeist zeitlich nicht bestimmt, gehen in ihren Anfängen oft weit zurück, und nur deren Reife und Ende gehören der Gerichtszeit an. Die geschilderten Züge sind vor allem grundsätzliche Charaktere der Hauptfiguren in ihrem Widerstand und ihrer Auflehnung gegen Gott und seine Regierung. Die Kapitel 12,13 und 17 zeichnen die Vollentwicklung des Bösen in den Hauptpersonen der diabolischen Trinität: Satan, das „Tier“ und der falsche Prophet. In Kapitel 12 sehen wir das Haupt, Satan selbst, im Kampf mit dem Gesalbten Gottes. Kapitel 13 zeigt uns die beiden Hauptwerkzeuge, den politischen Antichristen (das „Tier“) und den religiösen Antichristen (den falschen Propheten). Kapitel 17 zeichnet schlussendlich die abtrünnige Christenheit und das Gericht, das sie trifft.

Kapitel 12 fasst den gesamten Kampf Satans gegen Gott um das Menschengeschlecht, bzw. um die Person des Gesalbten Gottes, Jesus Christus, von Anfang an, bis zur Endzeit, zusammen. Es ist wichtig, dies zu beachten, wenn man das in diesem Kapitel gezeichnete Bild richtig erfassen will. Dazu wird hier auch Israel als Bundesvolk Gottes, sozusagen als sein Vertreter in jener Zeit, als Gegenstand dieses Kampfes zwischen Gott und Satan, eingeführt.

Die eigenartige „Frau, bekleidet mit der Sonne1, wird von verschiedenen Auslegern als ein Abbild der Kirche betrachtet, was wohl daher rührt, dass die ältere Theologie das Volk Israel für alle Zukunft aus dem Plan Gottes ausgeschaltet betrachtet und daher alle Verheißungen des Alten Testamentes und der Evangelien auf die Kirche, die neutestamentliche Gemeinde des Herrn, übertragen hat, was Juden und Judenchristen mit Recht als „geistlichen Diebstahl“ bezeichnen. Unzählige Bibelstellen aber reden davon, dass der Herr Israel nicht völlig verstoßen, sondern es wiederherstellen und erneuern wird. Gott wird ihm das verheißene „Land der Väter“ wieder schenken und zwar zu ewigem, von Segen und Frieden überschattetem Besitz. Dazu ist der Inhalt der alttestamentlichen Verheißungen von den himmlischen Segnungen völlig verschieden, ja vielfach sogar entgegengesetzt, dass man sie für die Ekklesia, die Versammlung Gottes, gar nicht anwenden kann. Außerdem wird ja die Kirche schon, von Kapitel 4 an, im Himmel als Beisitzerin des Gerichtsthrones gesehen. Sie steht somit in der Folge völlig außerhalb des Endzeitgeschehens.

Nein, diese „Frau“ ist nie und nimmer die Kirche des Herrn Jesus Christus. Schon die unmittelbare Erwähnung derselben nach der Erscheinung der Bundeslade des Tempels (Off 11,19) bedingt, dass diese „Frau“ nur Israel sein kann. Die Bundeslade ist das Zeugnis davon, dass Gott seines Bundes mit Israel, bzw. mit Abraham gedenkt, darum sieht der Seher nun das alte Bundesvolk in der Herrlichkeit der göttlichen Gedanken. Israel wird hier direkt dem Widersacher, Satan, gegenübergestellt und gesehen. Auch andere Bibelstellen erzählen davon; z. B. im Fall Bileams beeilt sich Gott, dem Feind gegenüber seine Auserwählten in der Herrlichkeit und Schönheit zu zeigen, wie Er sie sieht. Kein Feind kann und darf sein Volk antasten. Wer es dennoch tut, muss wissen, dass der Herr alles, was man seinem Volk zufügt, als Ihm selbst zugefügt, betrachtet. Diese wichtige, ernste Wahrheit sollte auch uns viel mehr gegenwärtig sein, als es leider der Fall ist.

Wir sehen also diese seltsame „Frau“ als solche, die „den Mond unter ihren Füßen hat und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen“. Damit kennzeichnet der Heilige Geist Gottes Bundesvolk als mit Ehre und Herrlichkeit bekleidet. Christus regiert als Messias und König in seiner vollkommenen Gerechtigkeit und ungeschmälerten Allmacht in der Mitte des Volkes. Die erste Regierungszeit Salomos ist ein Abbild davon.

Der Mond unter ihren Füßen“ bedeutet, dass die göttliche Herrlichkeit des Gesalbten, der in seiner Mitte thronen wird, sich auf diesem Volk abschatten wird.

Die „Krone von zwölf Sternen“ besagt, dass dieses Bundesvolk das volle Licht der Offenbarung Gottes besitzen wird, und dass dieses Licht gesehen werden wird. Die Sterne in ihrer Vollzahl (zwölf) sind vielleicht ein Hinweis darauf, dass das ganze zwölfstämmige Volk gesammelt und gesegnet sein wird. Gott, der Herr, sieht ja sein Volk nie anders als in der Vollzahl der Stämme, wie wir dies auch in Jakobus 1,1 und an anderen Stellen sehen.

Ferner wird in Vers 2 Israel als eine Frau gesehen, die schwanger, in Geburtswehen und in Schmerzen ist. Aus Israel ist der Erlöser gekommen. Wie kann man hier noch einen Augenblick daran denken, dass wir es in diesen Versen mit der Ekklesia zu tun hätten? Das Volk Israel ist dazu bestimmt, dass aus ihm der Erlöser und Erfüller aller Ratschlüsse Gottes kommen soll und muss, denn „das Heil ist aus den Juden“. Christus, der Sieger über alle Widerstände des Bösen sein wird, ist der verheißene Same, der, der schon im Paradies als der „Same der Frau“, der Besieger der Schlange angekündigt ist. In den weiteren Verheißungen erstrahlt die Herrlichkeit des Kommenden immer deutlicher, aber als Er kam, nahm Ihn Israel nicht auf. Sie störten sich an seiner Niedrigkeit und verwarfen Ihn und hefteten den Heiligen und Herrlichen ans Kreuz. Seitdem ist die Erwartung des Verheißenen – Er wird als König in Herrlichkeit wiederkommen – mit Leiden verbunden. In den letzten Tagen vor seinem Kommen als Messias werden diese Drangsale für die, die an Ihn glauben, von außerordentlicher Schwere sein, so dass sie an verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift geradezu mit Geburtswehen verglichen werden.

Der feuerrote Drache und das Kind

„Und es erschien ein anderes Zeichen in dem Himmel: Und siehe, ein großer, feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner hatte und auf seinen Köpfen sieben Diademe; und sein Schwanz zieht den dritten Teil der Sterne des Himmels mit sich fort; und er warf sie auf die Erde. Und der Drache stand vor der Frau, die im Begriff war zu gebären, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind verschlänge. Und sie gebar einen Sohn, ein männliches Kind, der alle Nationen weiden soll mit eiserner Rute; und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und zu seinem Thron.

Und die Frau floh in die Wüste, wo sie eine von Gott bereitete Stätte hat, damit man sie dort ernähre 1260 Tage“ (12,3–6).

Das männliche Kind ist der rechtmäßige Erbe der Welt, der Herrscher, der „die Nationen weiden wird mit eiserner Rute“, wie uns das in Psalm 2 bereits angedeutet ist, und ausdrücklich auf Gottes Sohn, also Jesus Christus, angewendet ist. Er wird dann nicht mehr in Niedrigkeit, sondern in königlicher Herrlichkeit, von der ganzen Welt gesehen, erscheinen, um sie zu richten. Auch wird Er sich mit Israel „vermählen“ (Jer 3,14), darum wird uns dieses Volk bildlich in der Gestalt einer „Frau“ gezeigt.

Weiter sieht Johannes einen „großen, feuerroten Drachen, der sieben Köpfe mit Diademen“ hat. Auch dieses Zeichen wird, wie vorhin die „Sonnenfrau“, ein „Zeichen in dem Himmel“ genannt, weil dieses Bild an Bedeutung weit über das Erdengeschehen hinausreicht und eben nur „vom Himmel aus“ gesehen werden kann. Auch dieses Zeichen ist nicht lediglich irgendein Ereignis, sondern ein wichtiger Faktor in den Ratschlüssen Gottes.

Wer ist dieser furchtbare Drache? Vers 9 nennt seinen wirklichen Namen: Satan. Es handelt sich hier um den Kampf zwischen Gott und dem Teufel; es ist also eine göttliche Angelegenheit. Wir wissen aus anderen Stellen, dass Satan heute noch Zugang in Gottes Gegenwart hat(vgl. Hiob 1 und 2; Sach 3; Eph 6), um uns dort zu verklagen. Darum ist Christus als unser Fürsprecher und Sachwalter jetzt zur Rechten Gottes erhoben, um uns zu vertreten, bis der „Verkläger der Brüder“, wie wir bei der weiteren Betrachtung unseres Kapitels sehen werden, aus dem Himmel geworfen sein wird; damit wird seiner Tätigkeit ein Ende gesetzt werden.

Dieser Verkläger und Widersacher, der ursprünglich mit ausgesuchter Herrlichkeit ausgestattet war; ein Glanzstern der Schöpfung Gottes (Hes 28,12–19), wird hier, infolge seines Falles, als ein unheimliches Schreckensbild gesehen: ein „feuerroter Drache“. Der Drache ist das furchtbarste Tier in der Vorstellung des Menschen, und seine Feuerfarbe schließt die ganze höllische Gewalt Satans in sich. Er ist der „brüllende Löwe“ (1. Pet 5,8) und die „schleichende Schlange“, sich gleichzeitig verstellend in einen „Engel des Lichts“ (2. Kor 11,3.14).

Sieben Köpfe mit sieben Diademen“ bezeugen die ganze furchtbare Macht des Teufels, die er als der „Fürst der Finsternis“ und „Gott dieser Welt“ in Verbindung mit himmlischen, irdischen und unterirdischen Geistesmächten ausübt. „Gott dieser Welt“ wird Satan erst nach dem Kreuzestod des Herrn genannt, wohl um einerseits die Gläubigen zu warnen, andererseits aber auch die ihm gelegten Schranken zu zeigen. Die „sieben Köpfe“ deuten die Klugheit Satans an. „Groß Macht und viel List, sein grausam Rüstung ist“. Sie übersteigt ein für das Geschöpf vorstellbares Maß.

Die „zehn Hörner“, Symbole von Kraft und Macht, reden von den menschlichen Werkzeugen, die Satan fortwährend erweckt und zum Verderben der Menschen verwendet. Denken wir nur an die zehn Könige, die ihre Gewalt dem „Tier“ geben. „Diademe“ zeigen seine angemaßte Königswürde und Herrschermacht an; die drei Bilder zusammen – Köpfe, Diademe und Hörner -seine besondere Wirksamkeit in der Endzeit, in der ihm, wenn auch nur kurz, die Vollentfaltung seiner Bosheit gestattet ist.

Dass „sein Schwanz den dritten Teil der Sterne des Himmels mit sich fortzieht und auf die Erde wirft“, zeigt uns Satans Fall. Auch wird damit seine ganze Tätigkeit bis heute zusammengefasst, die die Menschen hinter sich herzieht, und zwar nicht nur für Augenblicke, sondern in seinen Resultaten lange nachwirkend, indem er sogar vermag, einen großen Teil der „Sterne des Himmels“, d. h. der Engelwelt mitzureißen. Wir lesen von Engeln, die ihren ersten Zustand nicht bewahrt haben (1. Mo 6,1–4; 2. Pet 2,4; Jud 6), so dass sie zu Engeln Satans, d. h. Dämonen wurden (Mt 25,41), die mit dem Drachen auf die Erde geworfen werden. Heute noch üben sie ihre böse, verführerische Gewalt in der Luft aus, um die Menschen gegen Gott und seinen Christus aufzuhetzen (Eph 2,2; 6,13).

Satan hat die Menschen durch die Sünde alle in seiner Gewalt, soweit diese nicht durch den Glauben an das Erlösungswerk von Jesus Christus errettet und befreit worden sind. Darum finden wir hier die Diademe auf den Köpfen – nicht wie bei dem ersten „Tier“ auf den Hörnern – das will sagen, dass der Drache, also der Teufel, in seinem Willen und Denken der Ursprung aller Bosheit und Auflehnung ist.

Der Drache will das neugeborene Kind verschlingen (V. 4b). Zu aller Zeit dachte Satan daran, die Wege und Ratschlüsse Gottes zu durchkreuzen. Denken wir an die Söhne Jakobs, die ihren Bruder Joseph beseitigten (1. Mo 37), dann an die Unterdrückung des Pharao, der Israel ausrotten wollte (2. Mo 1.2), ferner an die Vernichtung des Königshauses Davids durch die Ahabstochter Athalja (2. Kön 11), ferner an die beschlossene Vertilgung Israels durch Haman (Esther) usw. Das goldene Kalb, das Murren in 4. Mose 21, Davids große Sünde, sind Musterbeispiele der Bemühungen Satans, das Volk unter den Zorn des Herrn zu bringen und Gott zur Vernichtung seines Volkes zu reizen. Als Jesus erschienen war, richtete sich die ganze Wut Satans auf seine Person. Beispiele sind Herodes (Mt 2), die Obersten und die Schriftgelehrten, später das ganze Volk und schließlich das Kreuz. Satan versuchte sogar Jesus selbst, um Ihn vom Weg des Gehorsams und der Abhängigkeit abzubringen. Das konnte ihm allerdings nicht gelingen. Alle seine Anschläge wurden vereitelt, ja, Gott triumphierte immer wieder über Satans Anstrengungen und ließ sie zu, damit sie zur Erfüllung seiner Ratschlüsse und zur Offenbarung seiner Gnade und Weisheit dienen sollten. Dies dürfen wir auch heute immer wieder erfahren.

Ihr Kind wurde entrückt zu Gott.“ Merkwürdigerweise wird hier weder der Tod, noch die Auferstehung des Herrn berührt, sondern lediglich seine Rückkehr zum Vater im Himmel und sein Sitzen zur Rechten Gottes erwähnt; hier kommt eben nur der Triumph des Herrn als Herr der Herrlichkeit in Frage. Darin ist aber auch die Entrückung der Ekklesia, der Brautgemeinde, eingeschlossen, deren Geschichte auf der Erde mit der Entrückung beendet ist und die ja schon von Kapitel 4 an im Himmel gesehen wird.

In Vers 6 überspringt der Seher die ganze christliche Ära und versetzt uns direkt in die Gerichtszeit des Endes, in die auch die Ereignisse der letzten Verse unseres Kapitels fallen, natürlich ohne jede zeitliche Bestimmung. Denn dieses Kapitel hat es allein mit Israel als Bundesvolk Gottes zu tun; wir werden hierauf zurückkommen.

Satan, auf die Erde geworfen

„Und es entstand ein Kampf in dem Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel“ (12,7).

Heute noch hat Satan einen Bereich, von dem aus er mit seinen Engeln als „Fürst der Gewalt der Luft“ in den himmlischen Örtern regiert (Eph 2,2; 6,11–13). Von da aus hat er Zugang zu Gott, um die Kinder Gottes zu verklagen, wovon wir Beispiele in Hiob 1,6; 2,1 und in Sacharja 3 haben. Dies meint natürlich nicht die unmittelbare Gegenwart Gottes, da vor derselben ja nichts Unheiliges bestehen kann, sonst aber sind dem Widersacher diesbezüglich heute noch keine Schranken gesetzt. Wenn aber einmal Christus mit der Brautgemeinde und dem Heiligen Geist im Vaterhaus eingezogen sein wird, dann wird Satan keinen Platz in den himmlischen Örtern mehr haben. Der Herr sah diesen blitzartigen Sturz voraus (Lk 10,18). In Wirklichkeit aber vollzieht sich dieser in drei Phasen: in unserem Kapitel in Beschränkung auf die Erde für kurze Zeit, dann in Kapitel 20 gebunden im Abgrund und ferner nach dem 1000-jährigen Reich endgültig im Feuersee.

Aber die erste Phase, Satans Sturz auf die Erde, kann nach 2. Thessalonicher 2,6–7 nicht stattfinden, solange die Brautgemeinde noch auf der Erde ist, da der Heilige Geist um ihretwillen den Beginn der Gerichte noch zurückhält. Mit dem Hinabstürzen Satans auf die Erde wird das „Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ sein volles Ausmaß erreichen, wovon aber, wie Philadelphia in Offenbarung 3,10 verheißen ist, die Brautgemeinde verschont bleiben wird. Vers 12 unseres Kapitels deutet an, wie die Wut und Bosheit Satans dann, über alles Maß hinaus, losbrechen wird. Wir können schon heute etwas von dem „nichtigen Hirten“ in Sacharja und dem in 2. Thessalonicher 2,10–11 Geschilderten erkennen, das bereits zur Tagesordnung geworden ist. Daraus kann man in etwa sehen, wie bedeutungsvoll die Verheißung in Offenbarung 3,10 in Wirklichkeit sein wird.

Dieser Sturz Satans und seiner Engel beginnt mit einem schweren Kampf zwischen ihm und den Engeln Gottes, der uns zeigt, wie groß die Macht des Teufels ist, aber andererseits auch, dass die Macht Gottes überragend größer ist. Dies ist in sehr bezeichnender Weise im Namen des Führers der himmlischen Heerscharen ausgedrückt: Michael bedeutet „Wer ist wie Gott?“. Dieser ist der Höchste aller Engel, der Einzige, der im Wort Gottes mit dem Titel „Erzengel“ bezeichnet wird (Jud 9). In Daniel 10,13. 21; 12,1 wird er als der bezeichnet, dem die schützende Aufsicht über Israel, als Bundesvolk Gottes, übergeben ist. Nach der Stelle in Judas 9 ist er ein Untergebener, ein Geschöpf Gottes, der nicht wagt, den Teufel zu schelten, während wir den Herrn Jesus öfter den Teufel zurechtweisen hören. Michael ist demnach trotz seines Namens nicht eine symbolische Figur vom Herrn, sondern ein Beauftragter Gottes. Jedenfalls bedeutet der Name Michael, dessen Geheimnis nicht völlig gelüftet ist, eine überwiegende Macht über den Teufel und ein niederschmetternder Vorwurf gegen diesen, der sich einst über Gott erheben wollte und dem Menschen eingeredet hat, er werde Gott gleich sein. Jetzt setzt er sich sogar selbst an Gottes Stelle und erhält darum die Antwort Gottes, indem Er ihn aus seiner bisherigen Höhe auf die Erde stürzt. Bei dieser Gelegenheit wird nun in seinen vier Namen sein ganzes Wesen enthüllt:

„Und er gewann nicht die Oberhand, auch wurde ihre Stätte nicht mehr in dem Himmel gefunden. Und es wurde geworfen der große Drache, die alte Schlange, welcher Teufel und Satan genannt wird, der den ganzen Erdkreis verführt, geworfen wurde er auf die Erde, und seine Engel wurden mit ihm hinabgeworfen“ (12,8.9).

Der Drache versinnbildlicht die höllische Bosheit; er ist das schrecklichste Wesen in der Vorstellung der Menschen.

Die alte Schlange ist das typische Bild der listigen, giftigen Verführerin.

Der Teufel heißt griechisch Diabolos, d. h. Verleumder und Verkläger.

Satan ist der große Widersacher Gottes.

Alle diese vier Charakterzüge sind aus dem Luzifer, dem einstigen Lichtfürsten und Lichtbringer hervorgegangen, dadurch, dass er sich anmaßte, Gott und größer als Gott sein zu wollen. Sobald Satan und seine Heere auf die Erde geworfen sind, ist der Himmel nun endlich von diesen Bosheiten und gottfeindlichen Mächten befreit und gereinigt. Wir können begreifen, dass im Himmel ein gewaltiger Jubel ausbricht:

„Und ich hörte eine laute Stimme in dem Himmel sagen: Nun ist das Heil und die Macht und das Reich unseres Gottes und die Gewalt seines Christus gekommen; denn hinabgeworfen ist der Verkläger unserer Brüder, der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagte“ (12,10).

Endlich ist der schwarze, dunkle Schatten, der noch über den himmlischen Örtern lagerte und dieselben verunreinigte, weggetan. Die „laute Stimme“, die gehört wird, ist die Harmonie aller Stimmen der bereits verherrlichten Heiligen droben, denn niemand sonst könnte die noch auf der Erde weilenden Gläubigen „unsere Brüder“ nennen. Und wer könnte sich an dieser Tatsache mehr freuen als die, die die Zielscheibe des großen Verklägers waren? Wir verstehen, dass sie ihre große Freude zeigen und den ganzen Himmel und dessen Bewohner auch dazu auffordern. Ist doch nun, nachdem Satan aus dem Himmel geworfen wurde, ein großer Schritt getan, dem herrlichen Ziel näher zu kommen!

„Und sie haben ihn überwunden um des Blutes des Lammes und um des Wortes ihres Zeugnisses willen, und sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tod! Darum seid fröhlich, ihr Himmel und die ihr in ihnen wohnt! Wehe der Erde und dem Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen und hat große Wut, da er weiß, dass er wenig Zeit hat“ (12,11.12).

Durch des Lammes Blut haben ihre Brüder auf der Erde den Feind besiegt, den Widersacher überwunden, indem ja durch das am Kreuz von Golgatha für sie geflossene Blut alle Schuld getilgt und die Anklagen des Feindes null und nichtig gemacht sind. Sie haben ihr göttliches Zeugnis trotz allen Anschlägen Satans aufrechterhalten, auch wenn es durch Martyrium und Tod ging. Allerdings muss diese Stimme zugleich ein Wehe über die Erde ausrufen. Demzufolge wird Satans Macht auf diese Erde beschränkt, und das ist der Grund, seine ganze ohnmächtige Wut über seine Niederlage und Machtbeschränkung in völlig ungezügeltem Maß über sie und ihre Bewohner loszulassen, und dies umso mehr, als ihm nur wenig Zeit gelassen ist. Es bestätigt sich an ihm selbst, dass Machtgelingen zu Machtgier führt, diese zu Machtrausch, dieser wiederum zu Machtmissbrauch und damit automatisch zum Untergang. Dieser Sturz Satans aus seiner bisherigen Höhe erfolgt ohne Zweifel kurz vor den letzten dreieinhalb Jahren, die dadurch ihren überaus schrecklichen Charakter erhalten werden.

Der Drache und die Sonnenfrau

„Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau, die das männliche Kind geboren hatte. Und der Frau wurden die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in die Wüste fliege, an ihre Stätte, wo sie ernährt wird eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit, fern vom Angesicht der Schlange. Und die Schlange warf aus ihrem Mund Wasser, wie einen Strom, hinter der Frau her, um sie mit dem Strom fortzureißen. Und die Erde half der Frau, und die Erde tat ihren Mund auf und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Mund warf. Und der Drache wurde zornig über die Frau und ging hin, Krieg zu führen mit den Übrigen ihrer Nachkommenschaft, die die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu haben.

Und ich stand auf dem Sand des Meeres“ (12,13–18).

Da der Teufel trotz aller Anstrengungen das Werk des Christus nicht verhindern konnte, hat er dennoch nicht aufgehört, wo immer er Gelegenheit hat, das Zeugnis Jesu zu vernichten oder unwirksam zu machen. Er tut das heute nicht weniger als früher und wird nicht aufhören, solange er dazu irgendwie noch eine Möglichkeit hat. Nun aus der Höhe hinabgeworfen, schüttet er seinen Zorn darüber erst recht über den jüdischen gläubigen Überrest jener Zeit aus; hat er doch stets einen besonderen Hass gegen dieses Volk gehegt und gepflegt, ohne jedoch verhindern zu können, dass aus diesem Volk sein Besieger hervorgegangen ist. Vor allem aber wütet er gegen diesen Überrest, weil dieser das Zeugnis von Jesus, dem Sohn Gottes, fortsetzt. Er will mit allen Mitteln seiner Gewalt und Bosheit diesem verhassten Zeugnis ein Ende setzen, bevor ihn sein Urteil erreicht, dessen er sich wohl bewusst ist.

Es ist von großer Bedeutung, dass der Heilige Geist in diesen Kapiteln (Off 12,17; 19,10) vom „Zeugnis Jesu“ redet, obwohl es sich ja hier ausschließlich um das Zeugnis Israels handelt. Gott, der Herr, will sich damit ausdrücklich zu diesem Zeugnis, als dem seinen, bekennen, in dieser so dunklen Zeit, wohl der dunkelsten der Weltgeschichte. Das Zeugnis Israels ist in dieser Zeit wirklich auch das „Zeugnis Jesu“, denn Israel, wiedergeboren und erneuert, findet in der Person Jesu seine Vollständigkeit und Fülle, die sich natürlich dann im 1000-jährigen Reich in Vollkommenheit zeigen wird.

Gott entzieht aber trotz aller Anläufe des Drachens sein gläubiges Volk dessen Fängen. Er bringt es an einen Zufluchtsort in der Wüste, wo es fern der List und Bosheit Satans, in Gemeinschaft mit seinem Herrn und König, gesichert bleiben kann. Er verleiht der fliehenden „Frau“ die „Flügel des großen Adlers“, damit sie rasch in seine Zufluchtsstätte gelangt. Es sind nicht einfach die Flügel eines Adlers, sondern des großen Adlers, diejenigen, von denen an mehreren Stellen des Alten Testaments die Rede ist (2. Mo 19; 5. Mo 33; Ps 91). Der „große Adler“ ist niemand anders als der Herr selbst, intervenierend mit seiner Wundermacht für sein Volk. Er ist ihm die Feuersäule bei Nacht und die Wolkensäule bei Tag, so wie Er sein Volk einst durch die Wüste führte. „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die Ihn fürchten, und Er befreit sie“ (Ps 34,7).

Von dieser Flucht redet auch der Herr Jesus in Matthäus 24,15–21, wo Er die Wichtigkeit großer Eile ebenfalls andeutet. An welche Gegend müssen wir nun wohl bezüglich der „Wüste“ denken? Jesaja 16,3–4 redet von Moab; Jesaja 21,13–17 spricht von Arabien, und beide Länder werden aufgefordert, den Flüchtlingen des Herrn Schutz und Versorgung angedeihen zu lassen. Es ist bezeichnend, dass gerade die östlichen und südlichen Nachbarländer Israels zumeist große Fels- und Sandwüsten aufweisen, die bis heute zum größten Teil unerforscht und unzugänglich sind. Diese können somit sehr wohl die Stätte sein, an der der Herr sein Volk vor allen Nachstellungen verbergen und untertauchen lassen kann und will. Dort erhält Gott sie auch, wie Er es seinerzeit bei Elia getan hat (1. Kön 19,1–8). Gott sagt zweimal ausdrücklich, dass Er während der antichristlichen Schreckenszeit sein Volk dort wunderbar erhalten wird (V. 6.14). Diese zweifache Betonung ist als eine besondere Bürgschaft und Verstärkung der Wahrheit der göttlichen Zusage zu bewerten.

In Vers 6 wird im Blick auf die Fürsorge Gottes die große Zahl der Tage, 1260, genannt, als Zeugnis dafür, dass Er alle Tage, so viele es auch sind, alles Nötige darreichen wird, und die Seinen keinen Mangel haben werden. In Vers 14 hingegen ist die kürzere Zeitandeutung gemacht: „Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit“, d. h. dreieinhalb Jahre, im Blick auf die Verfolgungen des Drachen eine kurze Zeit, da der Herr selbst dafür sorgt, dass sie nicht länger währen kann.

Doch der Drache gibt sich nicht so schnell geschlagen. Trotz der Verhinderung seiner Anschläge rüstet er nur zu neuem Kampf um die „Sonnenfrau“, also den Überrest Israels, zu verfolgen und wenn möglich zu vernichten. Unsinniges Bemühen! Wohl kann er über die Mächte gottferner Menschen verfügen, aber Gott selbst schreitet ein, um diese Heeresmacht entscheidend zu schlagen und zu vernichten. Die Erde „tut ihren Mund auf“; das kann ein wirkliches Naturereignis sein, ein unerwartetes Öffnen der Erde, wie bei der Rotte Korahs, eine neue auftauchende Weltmacht – dem Herrn steht alles zur Verfügung und Er schafft Neues, das noch nie da gewesen ist (Jes 43,19).

Wie dem auch sei, der Drache kann nichts ausrichten, weshalb er sich nun wutschnaubend gegen die einzelnen Zeugen Gottes wendet, die sich nicht von Jerusalem, der Stadt der Verheißung, trennen wollten. Durch den Geist der Weissagung geleitet (vgl. Off 19,10), verkündigen sie die Wiederkunft des Herrn in Herrlichkeit und Macht. Wegen des Wortes ihres Zeugnisses ziehen sie den ganzen Hass des Teufels auf sich. Zu diesen Mutigen gehören ohne Zweifel auch die beiden Zeugen, von denen in Kapitel 11 die Rede ist.

Fußnoten

  • 1 Das Wort, das in manchen sonst so vorzüglichen Bibelübersetzungen mit „Weib“ wiedergegeben ist, lautet im griechischen Urtext immer yvvii = Gyné und das heißt auf Deutsch „Frau“, egal, ob ledig oder verheiratet, ob jung oder alt. Wir möchten deshalb auch Frau übersetzen, wo „Gyné“ steht, weil uns für die Herrlichkeit, mit der Israel, besonders in unserem Kapitel von Gott gesehen wird, das Wort „Frau“ passender und würdiger ist, als der profane und im Volksmund missbrauchte und herabwürdigende Ausdruck „Weib“.
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