Die letzten Dinge
Die 5. und 6. Posaune
Die fünfte und sechste Posaune
Die drei letzten Posaunen sind in besonderer Weise sogenannte Wehe-Posaunen. Die von ihnen hervorgerufenen Gerichte treffen nicht äußere Lebensumstände, sondern gelten den abtrünnigen Menschen persönlich. Auch sind es Gerichte, die einen dämonischen Charakter haben und von unten her, vom Reich Satans, entfesselt werden. Wie langmütig und geduldig der Herr auch ist, es ist sein Wille, dass alle Menschen gerettet werden sollen (Hiob 33,29. 30; Röm 9,14–18; 2. Pet 3,9), so wird Gott doch, weil die Menschen ihr Herz verschließen und seine Gnade abweisen, seine Geschöpfe schließlich sich selbst überlassen. Das aber bedingt, dass sie nun endgültig in die Hände des Erzfeindes, Satan, fallen und so eine Beute der bösen Geister der Finsternis werden, die sie, nachdem sie sie verführt haben, quälen und zur Verdammnis führen.
„Und der fünfte Engel posaunte: Und ich sah einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war; und ihm wurde der Schlüssel zum Schlund des Abgrunds gegeben“ (9,1).
Wer ist dieser vom Himmel auf die Erde gefallene Stern, der sich auf der Erde gewissermaßen „häuslich eingerichtet“ hat? Ohne Frage der, der schon im Alten Testament ein „Glanzstern“, ein leuchtender, gesalbter Cherub (daher Luzifer, der Leuchtende), ein Engelfürst genannt wird (Jes 14,12; Hes 28,13–15). Es ist Satan selbst, der Gott dieser Welt, der Fürst der Finsternis (Jes 14,12–13), der das höchste geschaffene Wesen war, ja, der sich über Gott erheben und Ihm gleich sein wollte und darum auf die Erde herabgestürzt wurde und diese öde und leer machte (1. Mo 1,2). Gott aber blieb Herr auch über die zerstörte Erde. Satan kann nicht mehr tun, als was Gott ihm in seiner Vorsehung zulässt und was er letzten Endes zur Erfüllung seiner Ratschlüsse beitragen muss. Gerade dies zeigt uns das erste Wehe in besonderer Weise. Diesem „Stern“ wird nun der Schlüssel zum Abgrund gegeben. Wohlgemerkt, er hat ihn nicht im Besitz, sondern er muss ihn aus der Hand dessen, der den Schlüssel des Todes und des Hades hat, entgegennehmen.
„Und er öffnete den Schlund des Abgrunds; und Rauch stieg aus dem Schlund auf wie der Rauch eines großen Ofens, und die Sonne und die Luft wurden von dem Rauch des Schlundes verfinstert“ (9,2).
Die Öffnung des Abgrundes bewirkt, dass die Höllenheere über die gottfremden Menschen herfallen, sie zu quälen, aber keineswegs zu töten. Ihre Zeit ist auf fünf Monate befristet (V. 5). Der aus dem Abgrund steigende Höllenrauch erfüllt, verdunkelt und verpestet die Luft; sogar die Sonne ist dadurch verfinstert, das will sagen, dass alles göttliche Licht von der Erde verschwunden ist; der Geist der Lüge und Verführung hat die Oberhand gewonnen und zu den materiellen Schlägen gesellen sich die Seelen- und Geistesqualen.
„Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken hervor auf die Erde, und ihnen wurde Gewalt gegeben, wie die Skorpione der Erde Gewalt haben. Und ihnen wurde gesagt, dass sie nicht das Gras der Erde noch irgendetwas Grünes noch irgendeinen Baum beschädigen sollten, sondern die Menschen, die nicht das Siegel Gottes an ihren Stirnen haben“ (9,3.4).
Im Orient sind die Heuschrecken, die in ungeheuren Schwärmen auftreten und alles Pflanzliche abfressen, eine furchtbare Plage. Hier aber entsteigen dem Abgrund Heuschrecken, die das Pflanzliche nicht berühren, nach ausdrücklichem Befehl Gottes. Wir haben also in diesen Heuschrecken geistige Mächte zu verstehen, die in ungeheuren Scharen vernichtend, verführend, mit Gewalt und Macht über die Menschen, die sich von Gott losgesagt haben, überflutend hereinbrechen. Wie Skorpione sind sie mit giftigen Stacheln versehen, das Symbol teuflischen Giftes der Lüge und der Irrlehren. Wohl kennen wir dies schon heute, aber in furchtbarem Ausmaß wird diese satanische Geistesverwirrung und Seelenverdunkelung am Ende der Tage ein Gericht über die ungläubigen Juden sein, eine Vorschattung von dem, was der Herr Jesus ihnen in Johannes 5,43 sagte: „Wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen“, nämlich den Antichristen, dessen furchtbares, finsteres, verderbliches Heer uns hier in drastischer Weise vor Augen geführt wird. Seine Nachfolger sind Menschen, die nicht das Siegel Gottes an ihren Stirnen haben, über diese hat der Widersacher volle und unumschränkte Gewalt.
„Und ihnen wurde gegeben, dass sie sie nicht töteten, sondern dass sie fünf Monate gequält würden; und ihre Qual war wie die Qual eines Skorpions, wenn er einen Menschen sticht“ (9,5).
Die begrenzte Dauer der Gerichte bestätigt uns, dass wir es hier mit vorbereitenden Gerichten, und nicht mit dem Endgericht zu tun haben. Dennoch sind sie so furchtbar, dass wir uns fragen möchten: können sie noch schrecklicher sein? Gott bestimmt alles, Satan muss in allen Stücken das tun, was Gott bestimmt und befiehlt; keine Stunde kann er seine furchtbare Macht länger ausüben, als Gott es ihm zulässt: er ist restlos an die Schranken gebunden, die Gott ihm gesetzt hat. Wenn auch die Qual nur fünf Monate dauert, ist sie trotzdem entsetzlich. Der Schlag des Skorpions bringt unerträgliche Schmerzen, und da ist keine Salbe, die etwas Milderung bringen könnte. Der von Gott verlassene Mensch mag sich winden, toben und wüten, Satan behält ihn fünf Monate in seinen Händen und denkt nicht daran, seine Qualen zu mildern.
„Und in jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen und werden ihn nicht finden und werden zu sterben begehren, und der Tod flieht vor ihnen“ (9,6).
Die Zeitdauer der fünfmonatlichen Qual entspricht der Zeitdauer des Auftretens der bekannten orientalischen Heuschrecke. In dieser Zeit werden die Menschen den Tod suchen. Sie werden sagen: Lieber den Tod, als diese Qualen erdulden! Aber dem Gericht Gottes können sich die Menschen auch durch Selbstmord nicht entziehen – der Tod flieht vor ihnen. Lachend und höhnend freut sich der Menschenmörder über die furchtbare Qual des Skorpionstachels. Was mag dieser Stachel sein, der sich so tief in Herz und Seele bohrt? Herzenskummer, Seelenangst, Gewissensbisse, gewiss ein furchtbares „Wehe“, furchtbarer als die körperlichen Qualen. Der nur der Befriedigung seiner Lüste im Dienst Satans lebende Mensch, begegnet hier einem „Wehe“ der trostlosesten und peinlichsten Art, dem er sich nicht – auch nicht durch den Tod – entziehen kann. Ach, dass der Mensch auf die lockenden Rufe der Gnade hören möchte; heute, da noch der Tag der Gnade währt!
„Und die Gestalten der Heuschrecken waren gleich zum Kampf gerüsteten Pferden, und auf ihren Köpfen war es wie Kronen gleich Gold, und ihre Angesichter waren wie Angesichter von Menschen; und sie hatten Haare wie Frauenhaare, und ihre Zähne waren wie die von Löwen. Und sie hatten Panzer wie eiserne Panzer, und das Geräusch ihrer Flügel war wie das Geräusch von Wagen mit vielen Pferden, die in den Kampf laufen; und sie haben Schwänze gleich Skorpionen, und Stacheln, und ihre Gewalt ist in ihren Schwänzen, die Menschen fünf Monate zu beschädigen“ (9,7–10).
Welche furchtbare, infernale Revue! Die Heuschrecken erscheinen jetzt wie Kriegsrosse, Tod und Verderben ankündigend. Sie schmücken sich mit Kronen wie Gold. Näher besehen ist es keins. Auch die „Angesichter wie Menschen“ sind nur Schein. Alles ist Nachahmung, Lüge und Betrug. „Frauenhaare“ zeugen von der Abhängigkeit dieser Streiter des Dämons. Sie müssen, ob sie wollen oder nicht, ihrem Fürsten gehorchen. Sie sind dem verführerischen Ruf zur „Freiheit“ gefolgt und sehen sich nun zur tiefsten Sklaverei verurteilt. Die Freiheit, die ihnen in Christus angeboten war, haben sie verschmäht und müssen nun ewig ihre falsche Wahl büßen. „Löwenzähne“ reden von Raubgier und Unersättlichkeit, während die eisernen Panzer“ von der Gefühllosigkeit und völligen Unempfindlichkeit gegen göttliche Regungen, zeugen. Das „Geräusch ihrer Flügel“ zeugt von dem Tam-Tam, mit dem Satan alle seine Bestrebungen aufzieht und deren grauenvolle Wirklichkeit er damit zu tarnen sucht. „Die Stacheln“ sind wohl das furchtbarste in dieser dämonischen Kriegsausrüstung. Sie zeugen von bösen Grundsätzen, falschen Lehren und Irrtümern, Unglaube und Aberglaube, den dieser Heereszug aus dem Abgrund verbreitet und zurücklässt. Welche ernste Warnung für uns alle, uns jeglichem Einfluss, der nicht Gottes Wege, Gottes Ziel und Gottes Wahrheit im Schild führt, zu entziehen und zu fliehen!
„Sie haben über sich einen König, den Engel des Abgrunds; sein Name ist auf Hebräisch Abaddon, und im Griechischen hat er den Namen Apollyon.
Das eine Wehe ist vorüber; siehe, es kommen noch zwei Wehe nach diesen Dingen“ (9,11.12).
Während wir von den Heuschrecken in Sprüche 30,27 lesen: „Sie haben keinen König“, so finden wir bei den dämonischen Heuschrecken, dass sie über sich einen König haben. Ihr Heer ist satanisch, und ihr König ist satanisch. Es ist der Anführer der Hölle, des Abgrundes, ein dämonischer Cherubim, eine Mischung aus Mensch, Löwe, Pferd und Skorpion, ein Erzlügner, Theaterspieler und Menschenmörder. Die Heilige Schrift gibt ihm in beiden Bibelsprachen, Hebräisch und Griechisch, den Namen „Verderber“. Das Wort „Teufel“, aus dem lateinischen „Diabolus“ abgeleitet, hat einen ganz analogen Sinn: „Verleumder“. Mit dieser Feststellung schließt das eine „Wehe“; zwei weitere folgen.
„Und der sechste Engel posaunte: Und ich hörte eine Stimme aus den vier Hörnern des goldenen Altars, der vor Gott ist, zu dem sechsten Engel, der die Posaune hatte, sagen: Löse die vier Engel, die an dem großen Strom Euphrat gebunden sind“ (9,13.14).
Der Euphrat spielt in der göttlichen Geographie eine große Rolle. Er bildet die Nordostgrenze Israels nach den bestimmten Verheißungen Gottes (1. Mo 15,18; Jos 1,4). Ebenfalls war er die äußerste Grenze des alten Römischen Reiches und wird ohne Zweifel auch die des kommenden bilden. Wir hören bei dem Posaunenstoß des sechsten Engels „eine Stimme aus den vier Hörnern des goldenen Altars“ kommen, dem Altar, den wir schon im 8. Kapitel gesehen haben. Diese Stimme ist diejenige des Herrn Jesus Christus, der das neue Gericht anordnet. Weiter ist es ein Altar der Anbetung, ein Altar der Fürbitte der Heiligen auf der Erde, des gläubigen Überrestes aus den Juden, der somit eine zweite, noch ausdrücklichere Antwort vom Herrn erhält. Auch diese erfolgt sozusagen noch aus dem Hintergrund, da die Stunde des Hervortretens des Königs und Messias noch nicht gekommen ist.
Weiter sieht der Seher vier Engel, die am Euphrat gebunden sind. Es sind Engel aus dem Abgrund, denn himmlische Engel braucht man nicht zu binden, sie warten mit Freuden auf die Befehle des Herrn. Seit wann sie gebunden sind, sagt uns die Heilige Schrift nicht; es genügt uns, zu wissen, dass Gott festhält, was Er will und wie lange Er will; auf Jahr, Monat, Tag und Stunde hat Gott alles bereitet und vorgesehen. Ob es Gottes Gnadenwege oder Gottes Gerichte sind, nichts kann früher oder später geschehen, als der Allmächtige es bestimmt hat. Wir denken zu wenig daran, dass alles Gottes bestimmte Stunde hat, was wir von Ihm erbitten oder nach seinen Gedanken vornehmen wollen. Dies gehört auch zu dem Glauben, der unser Sieg ist.
„Und die vier Engel wurden gelöst, die sich bereit gemacht hatten auf Stunde und Tag und Monat und Jahr, damit sie den dritten Teil der Menschen töteten. Und die Zahl der Reitertruppen war zweimal zehntausend mal zehntausend; ich hörte ihre Zahl. Und so sah ich die Pferde in dem Gesicht und die, die auf ihnen saßen: Und sie hatten feurige und hyazinthene und schweflige Panzer; und die Köpfe der Pferde waren wie Löwenköpfe, und aus ihren Mäulern geht Feuer und Rauch und Schwefel hervor. Von diesen drei Plagen wurde der dritte Teil der Menschen getötet, von dem Feuer und dem Rauch und dem Schwefel, die aus ihren Mäulern hervorgehen. Denn die Gewalt der Pferde ist in ihrem Maul und in ihren Schwänzen; denn ihre Schwänze sind gleich Schlangen und haben Köpfe, und damit beschädigen sie“ (9,15–19).
Kaum sind die vier Engel losgelassen, verbreiten sie Tod und Verderben. Es ist eine ungeheure Zahl, denn wir lesen: „Die Zahl der Reitertruppen war zweimal zehntausend mal zehntausend“, also 200 Millionen. Die Beschreibung von Pferd und Reiter lässt auf ein dämonisches Heer schließen, in einem noch schlimmeren Charakter als die, die wir eben gesehen haben. Einbrüche wilder Reiterhorden aus den Wüsten Asiens in die biblischen Länder sind im Lauf der Jahrhunderte öfter erfolgt, denken wir nur an die Sarazenen und die verschiedenen türkischen Stämme usw. Aber hier handelt es sich um etwas ganz anderes. Nicht die Reiter sind hier die Handelnden, sondern die Pferde, während die Reiter mehr als Mitgeführte erscheinen. Wohl haben sowohl die Pferde als die Reiter „feurige und hyazinthene und schweflige Panzer“, also eine höllische Rüstung, dennoch sind es die Pferde, die mit den Mäulern und Schwänzen schädigen. Feuer, Rauch und Schwefel sind die Natur der Panzer; Feuer, Rauch und Schwefel lodern aus ihrem Rachen, und die Schwänze sind Schlangen mit Köpfen, die ebenfalls Schaden stiften.
Schon die Propheten Jesaja, Joel, Daniel, Sacharja usw. haben sich mit diesen ungeheuren Scharen beschäftigt, und der Geist Gottes redet von der großen Drangsal Jakobs und von dem Tag des Grimmes und Zornes Gottes gegen das abtrünnige Israel und die aufrührerischen Nationen. Der bittere Hass, den wir schon heute zwischen Arabern und Juden sehen, lässt uns den Kampf kommender Tage um den Besitz Israels ahnen. Vergessen wir auch nicht, dass Juden und Araber Brudervölker sind, beide sind Semiten, und das Heilige Land birgt die Heiligtümer dreier Religionen. Darum ist es naheliegend, dass Satan keinerlei Interesse daran hat, Christus in Jerusalem regieren zu lassen. Er mobilisiert die Höllengeister, denen ja in jener Zeitperiode für kurze Zeit Raum gelassen wird, um mit aller Macht diese Völker in giftigem, blindwütendem Hass aufeinanderzuhetzen und Herz und Gewissen hart wie Panzer zu machen. Die Köpfe der Pferde sind wie Löwenköpfe, was auf ein imperialistisches Heer schließen lässt, ihrem Maul entströmt das Gift der Hölle. Ein Drittel der Menschen kommt durch die moralische Vergiftung und Bosheit und Hinterlist der Schlange, durch dieses Wüten des Abgrundes, um.
„Und die Übrigen der Menschen, die durch diese Plagen nicht getötet wurden, taten nicht Buße von den Werken ihrer Hände, dass sie nicht anbeteten die Dämonen und die goldenen und die silbernen und die kupfernen und die steinernen und die hölzernen Götzenbilder, die weder sehen noch hören noch gehen können. Und sie taten nicht Buße von ihren Mordtaten noch von ihren Zaubereien noch von ihrer Hurerei noch von ihren Diebstählen“ (9,20.21).
Wie verhärtet ist das Herz des Menschen! Gott lässt ein Gericht nach dem anderen kommen, eine Zuchtrute löst die andere ab, alles umsonst! Der Mensch will nicht Buße tun. Ein alter Ausleger schreibt mit Recht: „Man stelle den Menschen an den Rand der Hölle, man zeige ihm die Qual derer, die vergebens nach einem Wassertropfen lechzen, um die brennende Zunge zu kühlen, er wird nicht Buße tun!“ Aber die Anbetung der Dämonen, Götzendienst, Mordtaten, Diebstähle, Unsittlichkeit, kurzum moralisches Verderben, das charakterisiert den Menschen heute, und in völliger Reife am Ende der Tage.
Abschließend wollen wir noch bemerken, dass das „erste Wehe“ uns nach Kanaan führt, wo alle die, die nicht versiegelt sind, ihr Gericht erleben, während das „zweite Wehe“ mehr das Römische Weltreich zum Gegenstand des Gerichtes hat. In allem stellen wir fest, dass Christus und seine Heiligen auf der ganzen Linie Sieger bleiben, Satan und sein dämonisches Heer wird keinerlei Erfolg bewirken, ihre Ohnmacht ist, trotz allem Wüten, offenbar.