Die letzten Dinge
Der Ausgangspunkt der kommenden Gerichte
„Nach diesem sah ich: Und siehe, eine Tür war geöffnet in dem Himmel, und die erste Stimme, die ich wie die einer Posaune mit mir hatte reden hören, sprach: Komm hier herauf, und ich werde dir zeigen, was nach diesem geschehen muss.“ (Off 4,1)
Die Geschichte der christlichen Kirche auf der Erde ist mit Kapitel 3 abgeschlossen. Von nun an wird die Ekklesia nur noch im Himmel gesehen. Das 4. Kapitel beginnt deshalb mit den Worten: „Nach diesem“, womit nun der dritte Abschnitt der Offenbarung (Off 1,19) eingeleitet wird. Was nun folgt, hat einen ganz anderen Charakter als das, was uns bisher mitgeteilt wurde. Es ist nicht mehr die Zeit der einladenden Gnade, sondern die ernste Aufforderung, Gott die Ehre zu geben. Nach der Entrückung beginnt die Zeit der Sammlung, Sichtung und Wiederannahme Israels und seine Einführung in die Herrlichkeit des verheißenen Reiches, was wir im Weiteren bestätigt finden werden.
Die Entrückung der Gemeinde wird als solche nicht direkt erwähnt, ihr intimer Charakter passt nicht in das Buch der Gerichte. Wohl finden wir in Vers 1 eine symbolische Andeutung, indem der Seher aufgefordert wird, in den Himmel hinaufzusteigen. Die „Stimme wie die einer Posaune“ ist uns aus 1. Thessalonicher 4 wohlbekannt. Dort ruft unser Herr uns gewissermaßen auch zu: „Kommt herauf!“, und die Tür, die geöffnet wird, ist die gleiche, durch die die „klugen Jungfrauen“ zur Himmelshochzeit (Mt 25,1–13) eingehen, und die die „törichten“ verschlossen finden werden.
„Sogleich war ich im Geist; und siehe, ein Thron stand in dem Himmel, und auf dem Thron saß einer“ (4,2).
Johannes wird hier in den Himmel entrückt, ähnlich dem Apostel Paulus (2. Kor 12), nur mit dem Unterschied, dass dieser die Tatsache nur beiläufig als solche erwähnt, ohne darauf einzugehen, weil die Mitteilung nur dem Zweck der Selbstverteidigung den Korinthern gegenüber diente. Johannes dagegen wird ausdrücklich aufgefordert, uns darüber zu berichten, was er gesehen hat. Es ist von großer Bedeutung, dass der Seher die kommenden Ereignisse von oben her schauen musste; denn nur so sah er sie im richtigen Licht. Es ist auch für uns von größter Wichtigkeit, zu lernen, alles was geschieht, vom göttlichen Standpunkt aus zu betrachten, zu beurteilen und danach zu trachten, die Gedanken Gottes zu erfassen. Möchten auch wir, wie Johannes, allezeit „im Geist“ sein, d. h. uns vom Heiligen Geist die Augen öffnen lassen.
Was Johannes nun zuerst sieht, ist eine Gerichtssitzung. Sie ist der Ausgangspunkt der gesamten Gerichte; darum ist ihr Mittelpunkt der „Thron Gottes“, und zwar im Charakter der richterlichen Gerechtigkeit Gottes. Wer der Richter ist, der auf dem Thron sitzt, wird uns nicht gesagt; er wird lediglich als „einer“ bezeichnet. Es ist der gleiche Richter, von dem schon Jesaja berichtet (Jes 6). Auch Jesaja vermochte den, vor dem selbst die Engel ihre Angesichter bedecken, nicht anzuschauen. Es ist Gott, der Allmächtige, der Schöpfer Himmels und der Erde, so wie Er sich schon im Alten Testament offenbarte, und nun wieder in dem gleichen Charakter vor uns erscheint.
Solange sich Gott in rettender Gnade mit dem Menschen beschäftigt, ist sein Thron ein Gnadenthron. So war auch der Deckel der Bundeslade, auf dem Gott in Israel thronte, ein Gnadenstuhl. Auch Jesaja hat, in dem eben erwähnten Gesicht, Gnade erfahren durch die glühende Kohle, die der Engel vom Altar nahm. Für uns Christen ist dieser Gnadenthron erst recht ein Gnadenstuhl, zu dem wir in aller Freimütigkeit nahen dürfen, weil wir dort unseren Sachwalter und Hohenpriester zur Rechten Gottes wissen (Heb 8,1; 10,19; 1. Joh 2,1).
„Und der da saß, war von Aussehen gleich einem Jaspisstein und einem Sardis, und ein Regenbogen war rings um den Thron, von Aussehen gleich einem Smaragd“ (4,3).
Die folgenden Verse zeigen uns deutlich, dass die Gnadenzeit endgültig vorbei ist. Gott ist unnahbar, und Johannes sieht nur die vom Thron ausstrahlende Herrlichkeit. Alle Edelsteine sind im Wort Gottes Symbole himmlischer Herrlichkeiten. Die Namen der drei hier genannten sind: Jaspis, Sardis und Smaragd. Der Jaspis ist der bekannte Diamant, der alle Farben widerspiegelt, der edelste Brillant. Er ist ein Bild der ewigen Herrlichkeit des unvergänglichen Lichtes Gottes (1. Tim 6,16), vor dem alles bloß und aufgedeckt ist. Der Sardis ist der rot funkelnde Rubin, das Bild der Gericht übenden Gerechtigkeit Gottes. Beide Edelsteine zeugen also von dem furchtbaren Ernst des Gerichtes Gottes. Wir finden diese beiden Steine auch im hohenpriesterlichen Brustschild, dort aber als Symbole der Herrlichkeiten in dem rettenden Werk der Liebe, wie sie sich im Opfer des Christus, des Sohnes Gottes, offenbaren. Jetzt aber sind die Unbußfertigen den Strahlen des alles durchdringenden, untrüglichen Lichtes und der unfehlbar treffenden Gerechtigkeit Gottes ausgesetzt.
Rings um den Thron her und zu diesem gehörend, sieht der Seher einen Regenbogen, einfarbig grün wie ein Smaragd. Der Regenbogen redet, wie wir aus 1. Mose 9 wissen, wo Gott ihn als Zeichen einsetzte, von der unwandelbaren Bundes- und Verheißungstreue Gottes. Seine Zusagen hat Gott durch alle Zeiten der Untreue der Menschen hindurch unerschüttert aufrechterhalten, und wird sie auch in der Gerichtszeit aufrechterhalten, bis sie an denen erfüllt sind, für die sie bestimmt sind. Er gedenkt seiner Gnade und Verheißungen auch jetzt noch, und zwar, um alles in Erfüllung zu bringen. Darum ist der Regenbogen einfarbig grün, ein sehr schönes Sinnbild der lebendigen Hoffnung auf die endliche Erfüllung der göttlichen Verheißungen, worin das Herz seine völlige und ungestörte Ruhe findet.
„Und rings um den Thron waren vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste, bekleidet mit weißen Kleidern, und auf ihren Häuptern goldene Kronen“ (4,4).
Der erhabene Thron steht nicht allein, sondern vierundzwanzig Throne umgeben ihn. Auf ihnen sitzen vierundzwanzig Älteste in weißen Kleidern, goldene Kronen auf ihren Häuptern, was uns sofort an die Darstellung der Heiligen in 1. Petrus 2,4–10 erinnert: das heilige und königliche Priestertum, dort freilich in ihrem jetzigen Dienst als Anbeter Gottes und als seine Zeugen vor der Welt. Hier bezeichnet der Ausdruck „Älteste“ eine gewisse offizielle Stellung; sie sind Mitwisser der Ratschlüsse Gottes und Beisitzer im göttlichen Gericht (vgl. 1. Kor 6). Die Heiligen erscheinen hier mit all den ihnen zugedachten Vorrechten und Würden, und bald wird auch das Mitherrschen mit dem Herrn Tatsache werden.
Die Zahl 24 erinnert an zwei Umstände. Einmal ist sie zweimal zwölf, d. h. die doppelte, heilige Vollzahl. Damit ist gesagt, dass diese Zahl die Vollzahl sowohl der christlichen Brautgemeinde, als auch der Heiligen des Alten Testamentes ist. Auch letztere werden bei der Ankunft unseres Herrn aus den Gräbern gerufen, mit entrückt werden, und ihren himmlischen Lohn empfangen.
Die Zahl 24 erinnert aber auch an die vierundzwanzig Priesterklassen und die vierundzwanzig Sängerklassen im Alten Bund – die Ältesten haben Harfen, sind also auch Sänger. Schon David hatte diesen Gottesdienst eingerichtet (1. Chr 24–25), als Schatten und Vorbild des himmlischen Priester- und Sängerkollegiums. In Hesekiel 8 sieht der Prophet fünfundzwanzig Männer als Vertreter des schuldigen Priestertums (24 Priester und der Hohepriester eingeschlossen). Hier aber tritt der König und Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks als Herr und Richter auf den Schauplatz. Seine Gefolgschaft sind die himmlischen Heiligen, an denen kein Makel und Tadel ist, denn sie haben durch des Lammes Blut überwunden.
„Und aus dem Thron gehen hervor Blitze und Stimmen und Donner; und sieben Feuerfackeln brannten vor dem Thron, die die sieben Geister Gottes sind“ (4,5).
Dieser Vers zeigt uns unmissverständlich, dass der Thron hier ein reiner Gerichtsthron ist. „Blitze, Stimmen und Donner“, die Schrecken, wie sie uns vom Sinai her wohlbekannt sind, nur dass sie dort noch von Wolken und Rauch begleitet waren, zum Zeugnis dafür, dass der heilige Gott den sündigen Menschen hätte verzehren müssen, wenn er nicht Gedanken des Friedens über ihn gehabt hätte. Jetzt aber lässt Gott seinem Grimm über das gottlose Geschlecht ungehemmten Lauf; der Tag der Rache ist gekommen.
Die „sieben Feuerfackeln vor dem Thron“ deuten auf die Tätigkeit des Heiligen Geistes hin; es ist nicht mehr der eine Geist der Gnade, sondern der siebenfältige Geist des Gerichts. Die Stimme Gottes verschafft sich jetzt Gehör, und die Siebenfältigkeit des Geistes zeigt die gewaltige Majestät dessen, mit dem die Menschen es jetzt zu tun haben, die heute wie Pharao in Ägypten denken: „Wer ist dieser Herr, dass ich Ihm gehorchen sollte? „ Ach, wer der Stimme der Gnade nicht Gehör schenken will, muss dann seine Stimme des Gerichts vernehmen.
„Und vor dem Thron war es wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall; und inmitten des Thrones und um den Thron her waren vier lebendige Wesen, voller Augen vorn und hinten“ (4,6).
Dieses „gläserne Meer“ hat sein Vorbild im „ehernen Meer“ des Tempels in Jerusalem, in dem sich die Priester vor Antritt des Dienstes zu waschen hatten. Hier aber finden wir kein Wasser mehr im Meer, der Inhalt desselben ist Glas. Dies bedeutet, dass es kein Abwaschen der Unreinigkeiten mehr gibt. Die Füße und Hände derer, die in der Herrlichkeit sind, können nie mehr beschmutzt werden.
„Und das erste lebendige Wesen war gleich einem Löwen, und das zweite lebendige Wesen gleich einem Kalb, und das dritte lebendige Wesen hatte das Angesicht wie das eines Menschen, und das vierte lebendige Wesen war gleich einem fliegenden Adler. Und die vier lebendigen Wesen – jedes von ihnen hatte je sechs Flügel – sind ringsum und innen voller Augen, und sie hören Tag und Nacht nicht auf zu sagen: Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott, Allmächtiger, der da war und der da ist und der da kommt!“ (Off 4,7.8)
In Vers 6–8 sieht der Seher vier lebendige Wesen. Sie sind inmitten und um den Thron her, d. h. sie sind sowohl mit dem Thron, dem Sinnbild göttlicher Herrschaft und Regierung, als auch mit der Person, die den Thron innehat, aufs innigste verbunden. Wohl sind es geheimnisvolle Wesen, aber wir können erkennen, dass es Zeugen seiner Gegenwart und Wächter seiner Heiligkeit sind. Darum rufen sie ununterbrochen ihr „Heilig, heilig, heilig!“ aus. Darin gleichen sie wieder den Seraphim in Jesaja 6, mit denen sie auch die sechs Flügel gemeinsam haben. Doch beschränkt sich die Tätigkeit der Seraphim auf dieses Ausrufen, während die der lebendigen Wesen oder Cherubim weitergeht. Sie sind die höchsten geschaffenen Wesen, höher als die Engel. Die gesamte Erwähnung der Cherubim im Wort Gottes zeigt sie als Bewahrer und Bezeuger der Heiligkeit Gottes; so in 1. Mose 3 als Hüter des Paradieses, in der Stiftshütte und im Tempel als Schirmer der Bundeslade, der Wohnung Gottes und seines Gesetzes, in Hesekiel 1 und Hesekiel 10 als Träger des Thrones Gottes. Johannes nun sieht sie als lebendigen Ausdruck des Wesens Gottes in Ausübung des Gerichts. Er sieht sie voller Augen vorn und hinten, also ringsum, aber auch inwendig, die umfassende Darstellung des allgegenwärtigen und allwissenden Gottes, vor dem sowohl Gegenwart und Vergangenheit (vorn und hinten), als auch die Zukunft und das Innerste des Herzens, bloß und aufgedeckt sind.
Dann schaut der Seher die vier lebendigen Wesen in Gestalt von drei verschiedenen Tieren und einem Menschenangesicht:
- Der Löwe: Er zeigt uns die königliche Macht und Kraft, die Autorität und Souveränität über alle Geschöpfe.
- Der Stier: Er ist ein Bild der Unerschütterlichkeit und Beständigkeit im Walten Gottes, indem Er das Böse zum Gericht heranreifen lässt.
- Der Mensch: Er redet von einsichtsvoller Planung und Gerechtigkeit im Walten Gottes, indem Er das Böse zum Gericht heranreifen lässt.
- Der Adler: Er deutet auf die Schnelligkeit und Treffsicherheit der Gerichte hin, die vom Thron ausgehen.
„Und wenn die lebendigen Wesen Herrlichkeit und Ehre und Danksagung geben werden dem, der auf dem Thron sitzt, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, dann werden die vierundzwanzig Ältesten niederfallen vor dem, der auf dem Thron sitzt, und den anbeten, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und werden ihre Kronen niederwerfen vor dem Thron und sagen: Du bist würdig, o unser Herr und unser Gott, zu empfangen die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht; denn du hast alle Dinge erschaffen, und deines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen worden“ (4,9–11).
Sobald die vierundzwanzig Ältesten die Cherubim in ihrer ewigen Funktion sehen, hält es sie nicht mehr auf ihren Thronen. Sie werfen ihre Kronen vor dem Thron des allmächtigen Gottes und Schöpfers nieder, und auf ihr Angesicht fallend, huldigen sie Ihm, indem sie Ihn anbetend preisen. Ihr Lob geht weiter als das der vier lebendigen Wesen, denn sie sind Mitwisser der Ratschlüsse Gottes und darum reden sie von den herrlichen Werken, die aus des Schöpfers Hand hervorgegangen sind. Die vierundzwanzig Ältesten preisen die Würde und Herrlichkeit dessen, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und dem der Lobgesang in einer herrlichen Weise auch in Zukunft noch zukommen wird, wissend, dass das gegenwärtige Lob nur ein Unterpfand des ewigen Lobes und der ewigen Anbetung ist. Er lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit und Ihm wird die Ehre und die Macht und der Ruhm werden, der Ihm gebührt; sind sie doch selbst Werke seiner Hände und Gegenstände seiner Ratschlüsse, Dinge, in die Engel hineinzuschauen begehren. Nur sie können in vollen Akkorden in den Jubelgesang zu Ehren Gottes, des Schöpfers, einstimmen: „Du bist würdig, o unser Herr und unser Gott!“