Die dich segnen, sind gesegnet

Der vierte Spruch

Ein Stern tritt hervor aus Jakob (4. Mose 24,15-24)

Ein Blick in die Zukunft

Der vorige Spruch Bileams hatte zu harten Worten seitens Balaks geführt, der sich enorm von seinem „Bundesgenossen“ im Stich gelassen fühlte. Er hatte zu Bileam gesagt: „Meine Feinde zu verwünschen habe ich dich gerufen, und siehe, du hast sie sogar gesegnet, nun dreimal! Und nun flieh an deinen Ort“ (4. Mo 24,10.11). Die Initiative Balaks war jämmerlich missglückt, sein Komplott gegen das Volk Gottes war ein Fehlschlag. Bileam hingegen hatte sich jedes Mal auf die Tatsache berufen, dass er den Befehl des HERRN nicht übertreten könnte: „... aber nur das, was ich dir sagen werde, sollst du tun“ (4. Mo 22,20.35.38; 23,3.12.26; 24,13).

Bileam hatte das Volk Israel nun dreimal gesegnet. Gott ließ einfach nicht zu, dass es verflucht wurde, und der Prophet konnte seinem Befehl nicht widerstehen (4. Mo 23,20). Der erste Ausspruch Gottes legte Nachdruck auf die Tatsache, dass das Volk Israel für Gott abgesondert war: Es war eine heilige Nation. Der zweite Spruch zeigte, dass es auch ein gerechtfertigtes Volk war, und der dritte, dass es geordnet und wohl zusammengefügt war.

Nach all diesen Segenssprüchen war die Geduld Balaks erschöpft, und der Augenblick des Abschieds war gekommen. Sie gingen sicher nicht als Freunde auseinander. Bileam ließ sich jedoch nicht so einfach zu seinem Wohnort wegschicken. Der Geist Gottes ruhte noch auf ihm, und er gab eine Zugabe zu den Segnungen, die er bereits ausgesprochen hatte: „Und nun siehe, ich gehe zu meinem Volk. Komm, ich will dir kundtun, was dieses Volk deinem Volk tun wird am Ende der Tage“ (4. Mo 24,14). Bileam warf einen Blick in die Zukunft Israels und Moabs, und seine Prophezeiung reicht sehr weit. Er sprach über das, was Israel Moab „am Ende der Tage“ tun würde. Das ist ein Ausdruck, der öfter im Alten Testament vorkommt, u. a. in den Segenssprüchen Jakobs. Der Charakter des Segens Jakobs war ebenfalls weitreichend und die Verheißungen bezüglich des kommenden Friedensreiches sind noch immer nicht in Erfüllung gegangen (vgl. 1. Mo 49,1).

In diesem vierten Spruch prophezeite Bileam also über die Zukunft der Israeliten und ihrer Feinde. Diese Prophezeiung war nicht geplant, sie war eine Ergänzung der vorangehenden Aussprüche Gottes. Obwohl inzwischen Tausende von Jahren verstrichen sind, lässt die endgültige Erfüllung noch immer auf sich warten. Es ist berechtigt, dass wir als Christen ein Interesse an den prophetischen Belehrungen der Schrift haben. Das bildet auch den Hintergrund der Ereignisse, die Bileam beschreibt.

Doch die prophetischen Ereignisse der letzten Tage werden nicht vor dem Kommen des Herrn für die Gemeinde stattfinden. Nichts steht seinem Kommen für seine Brautgemeinde im Weg. Wir dürfen Ihn erwarten, und Er wird uns in das Vaterhaus mit den vielen Wohnungen einführen. Im Gleichnis von den zehn Jungfrauen fällt alle Aufmerksamkeit auf den Bräutigam, nicht auf die Braut. Die Person des Herrn selbst muss für unser Herz kostbar sein. Siehe, der Bräutigam! (vgl. Mt 25,6). So dürfen wir Ihn erwarten. Wir lieben Ihn, weil Er uns zuerst geliebt hat.

Die letzten Tage, um die es in diesem Spruch geht, sind eine Zeit der Drangsal für Jakob (Jer 30,7). Das sind die Tage der großen Drangsal, die Tage, die der Erscheinung des Herrn vorausgehen (Mt 24,21; Off 7,14). Alle Menschen auf der Erde werden damit zu tun bekommen, doch Israel wird es am schwersten zu spüren bekommen. Der Prophet Daniel spricht ebenfalls darüber: „... und es wird eine Zeit der Drangsal sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, der im Buch geschrieben gefunden wird“ (Dan 12,1). Die Gottesfürchtigen werden erlöst werden, und so wird ganz Israel bei der Wiederkunft des Erlösers errettet werden, und „er wird die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden“ (Rö 11,26). Und sie werden Ihn anschauen, „den sie durchbohrt haben“ (Sach 12,10).

Die Erkenntnis des Höchsten

So wie beim dritten Spruch nennt Bileam hier einleitend zu seiner Prophezeiung wieder ausführlich seine Vorrechte als Prophet (4. Mo 24,15.16; vgl. 24,3.4). Die Verse in diesen Kapiteln sind beinahe identisch, nur wird hier noch ein besonderer Hinweis gebraucht: „... und der die Erkenntnis des Höchsten besitzt“ (24,16a). Bileam empfing Information aus erster Hand! Diese Ergänzung enthält einen Namen Gottes, dem wir in dieser Geschichte früher noch nicht begegnet sind, nämlich Gott der Höchste (Hebr. El Elion).

Dieser Name kommt öfter im Alten Testament vor, zum ersten Mal in 1. Mose 14. Gott, der Höchste, ist der Schöpfer (und Regent) des Himmels und der Erde (1. Mo 14,18.19.20.22). Auch hier gibt es einen Zusammenhang mit der Endzeit, denn Abrams Begegnung mit Melchisedek, dem König von Salem, hat eine tiefe prophetische Bedeutung. Melchisedek, der König der Gerechtigkeit und der König des Friedens, ist ein Bild von Christus als dem wahren Priester-König. Bei seiner Wiederkunft wird Er dem Überrest seines irdischen Volkes als Priester des höchsten Gottes segnend entgegengehen (vgl. Ps 110,4; Heb 7). Dann wird für Israel und die Völker, ja, für die ganze Schöpfung das Friedensreich anbrechen.

Es gibt heutzutage viele Machthaber, die so tun, als seien sie die Herren und Meister der Schöpfung. Gott, der Höchste, wird kaum noch anerkannt in der Welt, die seine Hände gemacht haben. Das wird nicht immer so bleiben! Wir haben bereits über die große Drangsal und ihre Plagen nachgedacht, die sehr viel Leid über die Erde bringen werden. Wenn diese Zeit vorbei ist, wird das Königreich des Sohnes des Menschen anbrechen. Er wird in Gerechtigkeit regieren, und das Ergebnis wird Friede sein. Christus wird die Dinge in Ordnung bringen und im Namen Gottes, des Vaters, regieren, der alles seinen Füßen unterworfen hat (Ps 8,7; 1. Kor 15,27). Der König wird sein triumphierendes Volk segnen, so wie Melchisedek das bei Abram und den Seinen tat. Der Gebrauch dieses Namens Gottes in 1. Mose 14 wirft also auch Licht auf die Bedeutung der Prophezeiung Bileams.

Jedes Auge wird Ihn sehen

Wir kommen jetzt zu einem wichtigen Vers: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn, aber nicht nahe“ (4. Mo 24,17a). Die Person, die hier unsere besondere Aufmerksamkeit verdient, wird nachfolgend näher als der „Stern aus Jakob“ und das „Zepter aus Israel“ bezeichnet. Das ist ein Hinweis auf das Kommen des Messias! Bileam hatte eigentlich keine Hoffnung. Er hatte nur für sich selbst gelebt, und als Beschwörer hatte er seine Seele dem Teufel verkauft. Aber er war sich wohl bewusst - wenn auch vage -, dass er Ihn einmal sehen würde. Und das gilt für jeden Menschen, wie der Anfang des Buches der Offenbarung zeigt: „Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird Ihn sehen“ (Off 1,7). Das ist der Herr Jesus, den jeder sehen wird. Auch die Ungläubigen werden Ihn sehen, doch sie werden Ihm als ihrem Richter begegnen.

Es gibt glücklicherweise Glaubenshelden in der Schrift, die eine bessere Hoffnung hatten als der Sohn Beors. Hiob ist dafür ein schönes Beispiel. Er wusste: „... mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er auf der Erde stehen“. Hiob wusste auch, dass er einmal auferstehen und aus seinem Fleisch Gott anschauen würde: „... den ich selbst mir anschauen und den meine Augen sehen werden, und kein anderer: Meine Nieren verschmachten in meinem Inneren“ (Hiob 19,25-27). Aus diesen Worten Hiobs spricht ein festes Vertrauen und eine frohe Hoffnung.

Im Neuen Testament ist es der Apostel Johannes, der uns als Christen an derselben Sicherheit teilhaben lässt. In seinem ersten Brief schreibt er über das Kommen des Herrn und sagt dann: „... wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1. Joh 3,2). Wie steht es mit uns? Warten wir auf Ihn, oder haben wir wie Bileam in Wirklichkeit keine „glückselige Hoffnung“?

Der Stern und das Zepter

Wir wissen nicht genau, was Bileam von seinem eigenen Spruch verstanden hat, aber es war wohl etwas ganz Außergewöhnliches, was er prophezeite: „...ein Stern tritt hervor aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel“ (4. Mo 24,17b). Der Stern und das Zepter sind Symbole für das Königtum. Der Stern ist für diejenigen, die wachen und auf den Anbruch des Tages warten. Das Zepter spricht von Autorität und Macht. Manche von uns können sich noch an die Krönung von Königin Elisabeth II. erinnern. Während der feierlichen Zeremonie hielt sie das Zepter in ihrer Rechten als Beweis ihrer königlichen Macht.

Wir finden diese beiden Symbole in verschiedenen Abschnitten in der Schrift. Manchmal liegt der Nachdruck nur auf dem Stern und wird das Wort Zepter nicht gebraucht, doch es zeigt sich, dass im Hintergrund der Gedanke an Regierungsmacht durchaus vorhanden ist. Der Stern wird im Neuen Testament zum ersten Mal im Matthäusevangelium erwähnt. Magier vom Morgenland kamen nach Jerusalem und fragten: „Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ (Mt 2,2).

Der Stern wird direkt mit dem Königtum des Messias verbunden. Diese Weisen müssen Wächter gewesen sein! Der Stern, den sie am nächtlichen Himmel gesehen haben, hatte sie in Bewegung gesetzt. Sie kamen einige Zeit nach der Geburt des Herrn, denn sie mussten eine weite Reise machen. Doch nun waren sie in Jerusalem angekommen, um den König der Juden, der geborenen worden war, anzubeten. Woher wussten diese Weisen davon? Hatten sie von den Sprüchen Bileams gehört? Kannten sie die jüdischen Schriften? Das ist nicht ganz deutlich, doch anscheinend waren sie aufrichtig und suchten nach Wahrheit, suchten göttliches Licht. Der Stern, den sie im Osten wahrgenommen hatten, führte ihre Schritte auf jeden Fall zu der Stadt des großen Königs, und er ging ihnen auch voraus an den Ort, wo das Kind war. Sie brachten Ihm Geschenke dar und huldigten Ihm.

Diese Geschichte enthält auch eine praktische Belehrung für uns. Wenn wir aufrichtig nach Licht und Weisheit von oben verlangen, wird Gott uns führen und uns den Weg weisen. Wir haben darüber hinaus die ganze Schrift zu unserer Verfügung. Lasst uns in unseren Schwierigkeiten auf Gott vertrauen. Er bleibt treu!

Die folgende Stelle, wo wir das Bild des Sterns und des Zepters finden, ist das erste Kapitel des zweiten Petrusbriefes. Petrus erinnert seine Leser dort an die Verklärung auf dem Berg, die in der Tat ein Vorgeschmack von der Ankunft des Königreiches war. Der Apostel war dabei gewesen, und er war zutiefst unter den Eindruck der königlichen Würde des Herrn gekommen. Er schrieb, dass sie „Augenzeugen seiner herrlichen Größe geworden sind“ (2. Pet 1,16). Wie königlich klingen die Worte „herrliche Größe“. Hier haben wir den Gedanken des Zepters, der Regierungsmacht. Durch diese Erfahrung konnte Petrus die Prophezeiungen des Alten Testaments über die Ankunft des Königreiches Christi in einem anderen Licht sehen. Er war nun absolut sicher, dass all die Voraussagen in Erfüllung gehen würden.

Und dann finden wir in diesem Abschnitt erneut den Stern! Die Verherrlichung auf dem Berg ist nämlich auch für uns eine deutliche Bestätigung der Wahrheit des prophetischen Wortes. Dieses scheint als eine Lampe an einem dunklen Ort, „... bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen“ (2. Pet 1,19). Der Tag, der anbricht, ist der Tag des Königreiches. Der Morgenstern, der aufgeht, ist das Kommen Christi für seine Brautgemeinde (vgl. Off 2,28; 22,16.17). Das Aufgehen des Morgensterns ist die Garantie dafür, dass der Tag des Friedensreiches bevorsteht. Das ist die Hoffnung der Christen.

Die dritte Schriftstelle, die wir in diesem Zusammenhang nennen wollen, ist im letzten Bibelbuch zu finden. Johannes schreibt am Ende der Offenbarung: „Ich, Jesus, ... Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der glänzende Morgenstern“ (Off 22,16). Im ersten Teil dieses Zitates stellt der Herr Jesus sich als der verheißene König aus dem Geschlecht Davids vor. Er hat Recht auf den Thron und auf das Zepter! Er wird in Gerechtigkeit regieren. Weiterhin sagt Er, dass Er der glänzende Morgenstern ist, und das steht in Verbindung mit unserer unmittelbaren Erwartung als Christen. Obwohl es in dieser Welt noch Nacht ist, warten wir als „Wächter“ auf sein Kommen als der Morgenstern, das jeden Augenblick stattfinden kann. Er versichert uns dreimal: „Siehe, ich komme bald“ (Off 22,7.12.20).

Die Ereignisse in der Endzeit

Neben diesem wichtigen prophetischen Gesichtspunkt müssen wir auch auf die historische (Vor-)Erfüllung der Worte Bileams hinweisen. Israel bekam bereits in den Tagen Sauls und Davids die Vorrangstellung. Moab wurde machtvoll dem „Zepter“ unterworfen, das sich aus Israel erhob. Die Moabiter wurden letztendlich tributpflichtige Untertanen Davids (1. Sam 14,47; 2. Sam 8,2).

Bileam nennt Moab hier als ersten Feind, der Israel unterworfen werden würde: „... und ein Zepter erhebt sich aus Israel und zerschlägt die Seiten Moabs und zerschmettert alle Söhne des Getümmels“ (4. Mo 24,17b). Das Wort „Seiten“ weist vielleicht auf die Grenzen des Gebietes Moabs hin. Die „Söhne des Getümmels“ ist ein synonymer Ausdruck, es geht nicht um einen anderen Volksstamm. Manche denken an die Bedeutung „hochmütig“. Der Prophet Jeremia nennt die Moabiter ebenfalls „Söhne des Getümmels“ (Jer 48,45). Dann folgt Edom, das ebenso wie andere umliegende Nationen dem Herrscher aus Jakob unterworfen wird (4. Mo 24,18.19; vgl. 2. Sam 8,13.14). Edom oder Seir (d. i. das Gebirge Edoms) würde ein erobertes Gebiet sein, ein „Besitz“ für seine Feinde, nämlich für die Israeliten. Doch Israel wird Mächtiges tun, und einer aus Jakob würde herrschen, und er würde die übrigen aus den Städten Edoms vertilgen.

In der Endzeit werden Moab und Edom erneut verschworene Feinde der Israeliten sein (vgl. Ps 83,2-9), aber dann endgültig unterliegen. Es gibt jedoch einen wichtigen Unterschied zwischen diesen beiden Völkern. Der HERR wird das Los Moabs am Ende der Tage wenden (Jer 48,47), während Edom/Esau für immer ausgerottet wird (Obad 10). Offensichtlich wird es von Israel annektiert. Die Prophezeiung Bileams, dass Edom ein erobertes Gebiet sein wird, wird dann völlig Wirklichkeit werden.

Danach hob Bileam seinen Spruch in Bezug auf die Amalekiter und die Keniter an, zwei Wüstenvölker, mit denen Israel auf der Reise ins verheißene Land zu tun bekam. Amalek war der erste Feind, der das Volk in der Wüste bedrohte (2. Mo 17,8-16). Amalek wird hier die „erste der Nationen“ genannt. Er war ein außergewöhnlicher Gegner, der Israel unerwartet angriff. Die Schrift beschreibt Amalek als den Prototyp der Feinde Israels. Doch ist seine Macht beschränkt: „... aber sein Ende ist zum Untergang“ (4. Mo 24,20). Der HERR würde die Erinnerung an Amalek unter dem Himmel ganz und gar auslöschen (2. Mo 17,14; vgl. 5. Mo 25,17-19; 1. Sam 15,2-9; 30,1-25; 2. Sam 8,12; 1. Chr 4,43). Im Bündnis der Feinde Israels in der Endzeit wird Amalek erneut eine Rolle spielen (Ps 83,8).

Von den Kenitern sagte Bileam: „Fest ist dein Wohnsitz, und auf den Felsen gesetzt dein Nest; doch der Keniter soll vertilgt werden“ (4. Mo 24,21.22a). Die Keniter waren ein kanaanäisches Volk (1. Mo 15,19). Sie wohnten im Bergland südlich des Toten Meeres und waren mit den Amalekitern und den Midianitern verwandt. Im Gegensatz zu den Amalekitern unterhielten sie allerdings gute Beziehungen mit Israel und Juda (Ri 1,16; 4,11; 1. Sam 15,6; 30,29).

Ungeachtet der Festung der Keniter 1 im Gebirge, ihrem „Nest“ auf dem Felsen, würde ihr Wohnort jedoch mit Feuer verbrannt werden. Im Hebräischen gibt es eine gewisse Klangübereinstimmung zwischen den Wörtern „Keniter“, „Nest“ und „Kain“. Es würde nicht mehr lange dauern (der Seher sieht viele Jahrhunderte in die Zukunft), dann würde Assur kommen und sie gefangen wegführen (4. Mo 24,22b), wie das übrigens auch mit den zehn Stämmen Israels und mit anderen Völkern in dieser Gegend geschehen ist.

Das Auftreten von Assur bedeutete noch nicht das Ende der Weltgeschichte, aber er war wohl ein entsprechender Vorbote. Der letzte Spruch Bileams bestätigt das: „Und er hob seinen Spruch an und sprach: Wehe! Wer wird am Leben bleiben, sobald Gott dies herbeiführt?“ (4. Mo 24,23). Diese Klage des Propheten lässt uns an die Wehen der großen Drangsal denken (Mt 24,15-28). Auch dann werden die Menschen gewarnt werden: „Wehe, wehe, wehe denen, die auf der Erde wohnen“ (Off 8,13). Das Gericht steht fest, aber glücklicherweise werden die Auserwählten entkommen (vgl. Mt 24,22). Nach dieser furchtbaren Zeit wird Christus erscheinen und sein Königreich errichten.

Mit dieser herrlichen Aussicht endet die Prophezeiung Bileams jedoch nicht. Er nennt noch einen letzten Feind, der vernichtet werden würde: „Und Schiffe werden kommen von der Küste von Kittim [d. i. Zypern] und werden Assur demütigen und Heber demütigen, und auch er kommt zum Untergang“ (4. Mo 24,24). Assur würde zwar seinen Stempel auf die Weltgeschichte drücken, aber nicht das letzte Wort haben. Assur würde seinerseits durch eine seefahrende Nation unterdrückt werden, hier näher umschrieben als Kittäer (hebr. Kittim) die bereits in der Völkerliste von 1. Mose 10 genannt werden (vgl. auch Hes 27,6).

Es ist bemerkenswert, dass im Buch Daniel ebenfalls die Rede von Schiffen aus Kittim ist: die Kittäer sind die Bewohner der Küstenländer jenseits des Mittelmeeres (erst die Mazedonier und später die Römer). Assur war der Vorläufer und der Repräsentant des König des Nordens, über den der Prophet Daniel ebenfalls spricht (Dan 11). In der Endzeit wird eine Konfrontation zwischen dieser nördlichen Macht und den Kittäern stattfinden (Dan 11,30). Es ist die Zeit der großen Drangsal und des „Gräuels der Verwüstung“, worüber Daniel uns Auskunft gibt. Das Römische Weltreich wird in der Endzeit erneut als das Reich des Tieres auf der Bühne erscheinen und ein Bündnis mit dem falschen Messias der Juden schließen. Wenn dieser vom König des Nordens bedroht wird, wird Rom ihm helfen, so dass der Feind abgeschreckt wird.

Heber kann eine allgemeine Bezeichnung für die Hebräer sein, die diesen Urenkel Sems als Vorfahren hatten (1. Mo 10,21; 11,10ff.). Das Volk Gottes ist jahrhundertelang von den Griechen und Römern unterdrückt worden, aber die Macht des letzten Weltreiches wird schließlich auch gebrochen werden. Der Stein, der das Bild der Weltreiche umstürzen wird, wird dann zu einem großen Berg werden, der die ganze Erde füllt (Dan 2). Das Königreich des Sohnes des Menschen wird in Ewigkeit nicht zugrunde gehen.

Fußnoten

  • 1 Keniter kann auch übersetzt werden mit „Kain“ (vgl. Ri 4,11). Kain war ihr Stammvater. Es geht nicht um den Kain im 1. Buch Mose.
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