Eintracht oder Zwietracht
Eine Herausforderung für das Volk Gottes
Einleitung
Oft ist die Zeit der Richter mit der Zeit der Christenheit nach dem Abschied der Apostel – sozusagen der Ältesten – verglichen worden. Tatsächlich ist auch die Zeit der Christen, wie uns das Gleichnis des Sämanns in Matthäus 13,24 ff. und auch die Sendschreiben in Offenbarung 2 u. 3 deutlich machen, durch Niedergang charakterisiert. Aus diesem Grund geben uns die einzelnen Ereignisse im Buch der Richter auch wichtige praktische Belehrungen für die heutige Zeit.
Zugleich gibt es für uns etwas, was in der Zeit der Richter nur in beschränkter Form existierte: das Wort Gottes. Josua hatte dem Volk ein Vermächtnis hinterlassen, so auch unser Herr Jesus Christus. Er hat uns jedoch das Wort Gottes geschenkt, das uns die ganze offenbarte Wahrheit darlegt und göttlich inspiriert ist.
Ein Anhang im Buch der Richter: Kapitel 17–21
Das gilt auch für die letzten drei Kapitel des Buches der Richter, die zusammen mit den vorausgehenden Kapiteln 17 und 18 einen Anhang darstellen, in dem die in Israel existierende geistliche Verderbtheit auf der einen Seite – Götzendienst und Gewalttätigkeit (Kapitel 17 u. 18) – sowie die moralische Verderbtheit und die mit ihr verbundene Gewalttätigkeit auf der anderen Seite (Kapitel 19–21) dargelegt wird. Diese fünf Kapitel geben uns die Ursache für den Verfall an, den wir im Buch der Richter vom ersten Kapitel an feststellen. In den beiden erstgenannten Kapiteln werden uns die Wurzeln für alles Böse gezeigt, das Abwenden von dem einzigen und wahren Gott. Aus dieser Trennung kommen dann schlimme moralische und lehrmäßige Früchte hervor, denen wir in den letzten drei Kapiteln begegnen.
Es ist nützlich zu erkennen, dass es Ursachen für einen Niedergang im Volk Gottes gibt. Diese werden in diesen fünf Kapiteln in bildhafter Weise bloßgelegt.
Unsere Herzen sind zu allem fähig
Sind nicht genau diese Wurzeln und Früchte kennzeichnend für unsere heutige Zeit, die jetzige Christenheit? Gott wünscht, dass wir uns von solch moralischem Abweichen und den Personen, die diese Kennzeichen tragen, zu Ihm hin absondern; denn Er ist heilig, so auch wir (1. Pet 1,16)! Wir empfinden, dass diese Kapitel deshalb eine so lebendige Sprache für uns heute besitzen, weil sie unsere eigenen Herzen herausfordern. Alles das ist nicht nur in den Herzen von Ungläubigen möglich, sondern auch in unseren eigenen.
Gerade wenn man das Leben eines der treuesten Männer Gottes betrachtet – David – sieht man, wozu wir fähig sind. Das demütigt uns sehr, führt zu großer Vorsicht in der Beurteilung eines solchen Abschnitts und anderer Personen, und legt das ganze Gewicht auf die moralischen Belehrungen dieser Kapitel. Gerade dadurch, dass die zugrunde liegenden Begebenheiten in einer seltenen Ausführlichkeit geschildert werden, verstärkt sich diese Wirkung. Hier werden schlimme Dinge nicht einfach oberflächlich behandelt, sondern bis zu ihren Wurzeln zurückverfolgt.
Verfall beginnt schon am Anfang
Die Begebenheiten von Richter 17–21 spielten sich in der Anfangszeit des Buches ab, was an der Erwähnung von Jonathan, dem Enkel Moses (18,30), und von Pinehas (20,28), dem Enkel Aarons, zu erkennen ist. Schon da wich das Volk offenbar in seinem Verhalten von den Geboten Gottes ab. Wie viel mehr ist das Befinden des Volkes Gottes – mehr unter dem Blickwinkel seiner Verantwortung gesehen – dann am Ende einer solchen Epoche, wie wir sie auch jetzt in der Christenheit erleben, mit moralischem Verfall und auch Abfall verbunden. Aber da wir sehr leicht die wahren Ursachen für unseren schlechten Zustand übersehen, fügt Gott hier an das Ende des Buches der Richter diese fünf Kapitel an.
Wie schon angedeutet umfasst die Belehrung dieser Kapitel das ganze Spektrum dessen, was ein Mensch und leider auch ein Gläubiger in seinen Sünden vollbringen kann: Verdorbenheit und Gewalttat (1. Mo 6,11), seit jeher die beiden Grundelemente der Sünde, wobei Verdorbenheit Götzendienst und Sittenlosigkeit ist. Während sich die ersten beiden Kapitel (17 u. 18) vorwiegend auf das Verhältnis des Menschen zu Gott beziehen (also sozusagen die erste Gesetzestafel vom Sinai), betreffen die letzten drei Kapitel vor allem das Verhältnis der Menschen untereinander (also die zweite Gesetzestafel). Darüber hinaus gibt es viele Parallelen zwischen den beiden Geschichten – es sei nur auf die Rolle der Leviten von Bethlehem-Juda (Kapitel 19–21) und des Gebirges Ephraim (Kapitel 17 u. 18) hingewiesen.