Einführung in das Studium der Prophetie
Zweiter Teil: Die Entrückung der Gläubigen
Einleitung
Im ersten Teil dieses Buches haben wir gesehen, dass die Geschichte der Kirche auf der Erde mit dem Kommen des Herrn zur Entrückung der Seinen abschliesst. Dieses Ereignis möchten wir nun im Lichte des Wortes Gottes betrachten.
Versammelt mit Seinen Jüngern im Obersaal, gibt ihnen der Herr Jesus in der Nacht, in welcher Er überliefert wurde, eine Verheissung, die wohl geeignet war, ihre im Gedanken an Seinen baldigen Abschied betrübten Herzen zu trösten. «Euer Herz werde nicht bestürzt», sagt Er ihnen, «ihr glaubet an Gott, glaubet auch an mich. In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seiet» (Joh 14,1–3)
Es war übrigens nicht das erste Mal, dass der Herr mit den Jüngern über Seine Wiederkunft redete. Schon damals, als sich die Volksmengen zu Tausenden um ihn drängten, hatte Er sich im besonderen an die Zwölfe gewandt, um sie zu ermahnen, Ihn als Wachende zu erwarten: «Es seien eure Lenden umgürtet und die Lampen brennend; und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, wann irgend er aufbrechen mag von der Hochzeit, auf dass, wenn er kommt und anklopft, sie ihm alsbald aufmachen. Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen» (Lk 12,35–37).
Somit hat der Herr Seine Wiederkunft deutlich angekündigt, und Er ruft uns auch auf, ihn zu erwarten. Gleichwie die Nadel eines Kompasses sich immer wieder nach Norden ausrichtet, wird sich der Christ normalerweise immer wieder danach ausstrecken, den Herrn von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Wohl braucht es wenig, um die Nadel abzulenken; sobald aber die Ursache der Störung wegfällt, nimmt sie wieder ihre normale Stellung ein. So verhält es sich auch mit dem Gläubigen: Wiewohl manchmal fremde Dinge leider eine Anziehungskraft auf die Nadel unseres geistlichen Kompasses ausüben und sie von ihrer Normalstellung abbringen, so bleibt ihre Zielrichtung doch jener «Pol», den die Wiederkunft des Herrn für alle, die ihn lieben und erwarten, darstellen sollte.
Wie wir im Folgenden in ausführlicher Weise feststellen werden, müssen bei der Wiederkunft des Herrn zwei Ereignisse unterschieden werden
a) die Entrückung der Gläubigen
b) das Kommen des Herrn in Herrlichkeit.
Beim ersten Ereignis kommt der Herr, um die Seinen heimzuholen, ohne auf die Erde herabzukommen. Wir gehen Ihm entgegen, in die Luft, und die Welt wird Ihn dabei nicht sehen. Das zweite Ereignis, auch Erscheinung des Herrn genannt, wird einige Zeit nach dem ersten stattfinden. Alsdann kommt der Herr nicht mehr für uns, sondern mit uns. Dann sieht ihn die ganze Welt; Er wird die Erde richten, Sein Volk Israel befreien und Seine tausendjährige Herrschaft aufrichten.
In den nachfolgenden Kapiteln werden wir nur die Entrückung der Gläubigen betrachten. Wir werden vorerst die Verheissung der Wiederkehr des Herrn, an wen diese Verheissung gerichtet ist und wann und wie sie sich erfüllen wird, näher untersuchen. Dann werden wir uns dem feierlichen Gegenstand des Offenbarwerdens der Erlösten vor dem Richterstuhl des Christus zuwenden und dann mit dem Bericht über die Hochzeit des Lammes abschliessen.
KAPITEL 1 – Die Verheissung der Wiederkunft des Herrn
1. Wir haben gesehen, dass das Wort Gottes hauptsächlich zwei Bilder gebraucht, um die enge und unauflösbare Verbindung auszudrücken, die zwischen Christo und der Versammlung besteht:
a) ein Leib, wovon Christus das Haupt ist, b) die Braut und der Bräutigam.
Diese beiden Bilder heben die Tatsache hervor, dass unser Platz als Erlöste des Christus dort ist, wo Er selber weilt, das heisst, im Himmel. Er ist in einem Leibe, gleichförmig dem unsrigen, herabgekommen und hat unseren Platz im Gericht Gottes über die Sünde eingenommen (vgl. Jes 53,4–5). Er hat uns durch Sein Blut erkauft (1. Kor 6,20; 1. Pet 1,18–20); darum wünscht Er uns bei sich zu haben, in Seiner Herrlichkeit. Diesen Wunsch Seines Herzens hat Er, wie wir gesehen haben, Seinen Jüngern mitgeteilt, indem Er ihnen die Verheissung gab, dass Er wiederkommen und sie zu Sich nehmen werde (Joh 14,2–3). Er wiederholt dies in Seinem Gebet in Johannes 17,24 «Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf dass sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt.»
Dieses Gebet betrifft nicht nur die jünger, die es hörten, sondern alle Erlösten, wie der Herr selbst bezeugt: «Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben» (V. 2o). Dieser Wunsch des Herrn, die Seinen in der Herrlichkeit zu haben, gilt also auch für uns. Kann es etwas Grösseres geben als dies? Der Herr will, dass wir bei Ihm seien und Seine Herrlichkeit teilen! Das war der letzte Wunsch, den Er ausgesprochen hat, bevor Er die Seinigen verliess, und wir können gewiss sein, dass Gott ihn erfüllen wird. Wenn wir durch den Glauben in inniger Gemeinschaft mit Ihm bleiben, werden wir uns schon hienieden über diese herrliche Aussicht freuen, gleichwie der Apostel Paulus an die Epheser geschrieben hat: «Gott hat uns mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu» (Eph 2,6). Bald werden wir indessen nicht nur in Ihm, sondern bei Ihm sein. Welch eine herrliche Hoffnung!
2. Damit sich die Verheissung erfüllen kann, musste Er hingehen, um «uns eine Stätte zu bereiten». Nicht dass der Platz als solcher bereitet zu werden brauchte, aber der Herr musste uns durch Seinen Sühnungstod am Kreuze, Seine Auferstehung und Seine Himmelfahrt den Weg zum Himmel öffnen. In der Tat, der natürliche Mensch vermochte keineswegs in den Himmel einzudringen. Aber Christus ist nach Seiner Auferstehung dort eingegangen, und zwar in Seinem menschlichen Leibe, also nicht nur im Geiste, wie Er es gewesen war, bevor Er auf diese Erde kam. In diesem Seinem Leibe des Menschen sitzt Er jetzt zur Rechten des Vaters, und dank dieser Tatsache ist der Zugang zum Himmel nun offen für alle, die an ihn glauben. Auf diese Weise hat Er für uns eine Stätte im Hause Seines Vaters bereitet.
Die Jünger haben Ihn damals als Mensch in den Himmel auffahren sehen, und als Mensch thront Er nun zur Rechten des Vaters. Johannes sieht Ihn in Seiner Menschheit erscheinen (Off 1,13; 19,11). Hätte der Herr damals, wenn Er nur ein Geist gewesen wäre, sagen können: «Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit»? (1, 18). Könnte Er, wenn Er nicht jetzt noch Mensch wäre, die Wundmale tragen, die ihm auf der Erde zugefügt wurden? (Off 1,7; Sach 12,10). Gewiss nicht!
So wie Ihn die jünger in Seinem menschlichen Leibe haben auffahren sehen in den Himmel, so wird Er wiederkommen, wie die beiden Engel bezeugten, indem sie Seine Verheissung bestätigten: «Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird also kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den Himmel» (Apg 1,11). Freilich wird Er mit himmlischer Herrlichkeit bekleidet sein, wenn Er wiederkommen wird. Glückselige Gewissheit: Jesus wird als Derselbe wiederkommen, der Er hienieden gewesen ist, um uns zu Sich zu nehmen in das Haus Seines Vaters!
3. Wir finden diese grosse und herrliche Verheissung in zahlreichen Stellen der Schrift. Es lohnt sich, einige davon, die unser Herz erfreuen werden, anzuführen
«Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner grossen Barmherzigkeit uns wieder gezeugt hat zu einer lebendigen Hoffnung …, zu einem unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil, welches in den Himmeln aufbewahrt ist für euch, die ihr durch Gottes Macht durch Glauben bewahrt werdet zur Errettung, die bereit ist, in der letzten Zeit offenbart zu werden; worin ihr frohlocket, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, betrübt seid durch mancherlei Versuchungen; auf dass die Bewährung eures Glaubens, viel köstlicher als die des Goldes … erfunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi; welchen ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebet; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn jetzt nicht sehet, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlocket, indem ihr das Ende eures Glaubens, die Errettung der Seelen, davontraget; ... hoffet völlig auf die Gnade, die euch gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi» (1. Pet 1,3–9 und 13)
«Denen Gott kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses sei unter den Nationen, welches ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit» (Kol 1,27).
«Nach dem Glauben ... und nach der Erkenntnis der Wahrheit ... in der Hoffnung des ewigen Lebens, welches Gott, der nicht lügen kann, verheissen hat vor ewigen Zeiten» (Tit 1,1–2).
«Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen, und unterweist uns. .., auf dass wir besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf, indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus» (Tit 2,11–13).
«Er errettete uns ... nach seiner Barmherzigkeit ..., auf dass wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben würden nach der Hoffnung des ewigen Lebens» (Tit 3,5–7).
«Unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leibe der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen» (Phil 3,20–21).
«Er selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, der uns geliebt und uns ewigen Trost und gute Hoffung gegeben hat durch die Gnade» (2. Thes 2,16).
Wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung» (Eph 4,4).
Dies ist das Teil der Erlösten. Seien wir daher wachsam, dass ese herrliche Hoffnung nicht herabgemindert und schliesslich noch zerstört werde durch die Anziehungskraft, die die irdischen Dinge auf uns ausüben. Das Wort ermahnt uns nicht umsonst, im Glauben zu verharren, gegründet und fest zu bleiben und uns nicht ablenken zu lassen von der Hoffnung des Evangeliums (Kol 1,23). Wir finden ähnliche Warnungen im Hebräerbrief: «Wir sind sein Haus, wenn wir anders die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten» (Heb 3,6). «Wir wünschen aber sehr, dass ein jeder von euch denselben Fleiss beweise zur vollen Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende, auf dass ihr nicht träge werdet, sondern Nachahmer derer, welche durch Glauben und Ausharren die Verheissungen ererben» (6,11–12).
Alles, was der Christ besitzt, gründet sich auf diese Hoffnung; er hat kein anderes Teil in dieser Welt. Und doch, welch ein Reichtum! Denn diese Hoffnung ist Christus selbst, nach den Worten, die Paulus an Timotheus schrieb (1. Tim 1,1). Auch wird Gott selbst der «Gott der Hoffnung» genannt: «Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr überreich seiet in der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes» (Röm 15,13). Überreich sein in der Hoffnung bedeutet, so von der Gewissheit der nahen Wiederkunft Christi erfüllt zu sein, dass unser tägliches Leben ein lebendiger und leuchtender Ausdruck davon wird. Dass doch der Wunsch, den der Apostel an seine Geliebten in Rom richtete, sich bei einem jeden von uns völlig verwirklichte, zur Verherrlichung des Namens Jesu!
KAPITEL 2 – Wann wird der Herr wiederkommen?
1. Diese Frage ist wohl berechtigt: Wenn man die Rückkehr eines seiner Lieben erwartet, möchte man gerne im voraus den Zeitpunkt seiner Ankunft kennen. Die jünger des Herrn stellten Ihm zweimal eine solche Frage: das erste Mal vor Seinem Tode, das zweite Mal nach Seiner Auferstehung. Als Er auf dem Ölberg sass, traten Seine Jünger zu Ihm besonders und fragten Ihn: «Sage uns, wann wird dieses sein, und was ist das Zeichen deiner Ankunft und der Vollendung des Zeitalters?» (Mt 24,3). Das zweite Mal fragten Ihn die Apostel über dasselbe, nachdem Er ihnen angekündigt hatte, dass sie mit Heiligem Geiste getauft würden nach nunmehr nicht vielen Tagen: «Herr, stellst du in dieser Zeit dem Israel das Reich wieder her?» (Apg 1,6).
Seither haben viele Erlöste inmitten mancherlei Prüfungen ausgerufen:
Hoffnung unsrer Herzen,
Sei uns nicht mehr fern,
Heller Morgenstern!
Ach, erscheine unsern Blicken,
Lass uns bald entgegenrücken,
Dir, o Gottes Lamm, unserm Bräutigam!
Hoffnung unsrer Herzen, Ende aller Schmerzen!
Auf die Fragen der jünger antwortete der Herr: «Von jenem Tage aber und jener Stunde weiss niemand, auch nicht die Engel der Himmel, sondern mein Vater allein» (Mt 24,36) und: «Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater in seine eigene Gewalt gesetzt hat» (Apg 1,7).
So ist uns also nicht nur kein Zeitpunkt offenbart worden, aus den Erklärungen des Herrn geht sogar hervor, dass wir in keiner Weise darnach trachten sollten, eine Zeit zu bestimmen, weder für die Entrückung der Gläubigen noch für das Kommen des Herrn in Herrlichkeit. Als nach der Himmelfahrt des Herrn die beiden Engel den Jüngern erschienen, sagten sie ihnen, dass Er so kommen werde, wie sie Ihn haben hingehen sehen in den Himmel, aber sie sagten nichts über den Zeitpunkt Seiner Wiederkehr.
2. Das Wort Gottes lässt uns indessen nicht ohne Antwort auf diese so wichtige Frage. Der Herr bezeugt der Versammlung in Philadelphia: «Ich komme bald» (Off 3,11). Diese Verheissung wird im letzten Kapitel der Bibel dreimal wiederholt, ja, diese Verheissung bildet sogar den Abschluss der Heiligen Schriften. Bald? Es sind doch schon neunzehn Jahrhunderte vergangen, seitdem diese Worte ausgesprochen worden sind! Was sollen wir dazu sagen? Gewiss, dies mag uns, die wir so schnell des Wartens überdrüssig werden und die Zeit nach dem Maßstab unseres so kurzen Lebens messen, seltsam erscheinen. Aber das Wort Gottes sagt uns: «Dies eine aber sei euch nicht verborgen, Geliebte, dass ein Tag bei dem Herrn ist wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie ein Tag. Der Herr verzieht nicht die Verheissung, wie es etliche für einen Verzug achten, sondern er ist langmütig gegen euch, da er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Busse kommen» (2. Pet 3,8–9). Von Seiner Seite ist Sein Warten nur Gnade und Langmut den Sündern gegenüber. Von unserer Seite bedarf es der Wachsamkeit und des Ausharrens in der Erwartung Seiner Wiederkunft.
Gerade weil der Herr weiss, wie leicht wir in diesem Punkt nachlässig werden, verschweigt Er den Tag Seines Kommens. Wenn Er den Jüngern vorausgesagt hätte, dass vor diesem Ereignis mindestens neunzehn Jahrhunderte vergehen würden, so wäre die Kirche noch viel schneller eingeschlafen, als es der Fall war. In der Tat, wie hätte diese Erwartung lebendig bleiben und einen heiligenden Einfluss auf die Erlösten ausüben können, wenn sie gewusst hätten, von einem Geschlecht zum anderen, dass Er nicht zu ihren Lebzeiten kommen würde? Er wünscht aber, dass wir allezeit bereit seien. Wären wir dies, wenn wir wüssten, dass Er noch nicht kommt? Ist es nicht eine bekannte Tatsache, dass wir nur in einem Zustande dauernder Erwartung bleiben können, wenn wir des nahen Bevorstehens der Ankunft der erwarteten Person gewiss sind? Es ist so, wie jemand geschrieben hat: «Wir haben eine solche Neigung zur Trägheit und zur Lässigkeit, dass wir immer in der Übung gehalten werden müssen.»
Leider ist es so, und trotz der Ermahnung des Wortes, «wie Knechte zu sein, die auf ihren Herrn warten», verloren die Christen diese herrliche Hoffnung sehr rasch aus ihren Augen und schliefen ein, kurz nach dem Weggang der Apostel. in der Tat, die Schriften der Diener des Herrn, die ihnen unmittelbar nachfolgten, zeigen, wie die Blicke der Erlösten sich von der Person des Christus selbst abwandten und wie sie anfingen, sich an Menschen zu klammern, indem sie gleichzeitig die Wahrheit über das Kommen des Herrn vergassen. So öffnete sich im Schosse der Kirche Tür und Tor für alle möglichen Irrtümer.
3. Darum, lieber Leser, ist es so wichtig, dass wir den Herrn in Wirklichkeit und in lebendiger Weise erwarten. Es gibt keinen besseren Schutz gegen den Einfluss des Bösen und gegen geistlichen Schlaf als die fortwährende und bestimmte Erwartung Seiner Wiederkehr, bestärkt durch das Bewusstsein, dass wir dann in Seine heilige und herrliche Gegenwart eingeführt werden. «Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist» (1. Joh 3,3).
Alle Berechnungen der Menschen zur Feststellung des Zeitpunktes des Kommens des Herrn sind völlig nutzlos und falsch, weil das Wort Gottes keinerlei Angaben enthält, auf die sich solche Berechnungen stützen könnten. Die biblischen Hinweise auf den Zeitabschnitt oder die Dauer gewisser prophetischer Tatsachen beziehen sich ausschliesslich auf Israel und nicht auf die Kirche. Die Berechnungen, die man darauf gründen kann, ermöglichen – übrigens nicht ohne Schwierigkeit – die chronologische Reihenfolge der Ereignisse bis zur Geburt Christi annähernd zu bestimmen. Von diesem Zeitpunkt an fehlen die Zeitangaben, und erst in Verbindung mit den Zeiten des Endes, während welchen Israel wieder berufen ist, für Gott ein Zeugnis zu sein, werden uns Zahlen gegeben.
Dagegen bildet, wie wir bereits gesehen haben, die Haushaltung der Gnade, also die Zeitperiode der Kirche auf dieser Erde, eine Einschaltung, deren Dauer im Worte Gottes nicht enthüllt ist. In diesem Zeitabschnitt ist ein Ereignis vorherrschend: die Wiederkunft Christi, und dieses Ereignis oder besser gesagt diese Person ist es, die wir jeden Tag zu erwarten haben, ohne uns in unnütze Berechnungen zu verlieren. Seien wir jeden Tag bereit, im Bewusstsein, dass, wenn Er nicht heute kommt, der nächste Tag für uns ein neues Heute ist.
Diese Haltung der Wachsamkeit und der Unterwürfigkeit ist in der gegenwärtigen Zeit der Gnade für den Erlösten von grösster Wichtigkeit. Petrus bezeugt, wie wir gesehen haben, dass der Herr langmütig ist, da Er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Busse kommen (2. Pet 3,9). Seine souveräne Gnade ist langmütig und rettet alle, die das Heil annehmen, das ihnen umsonst angeboten wird. Möchten wir deren Dauer begrenzen und im Voraus einen genauen Endpunkt der Ausübung dieser Gnade festsetzen, wenn der Herr selber Langmut ausübt, damit alle zur Busse kommen? Der Gläubige, der durch das Wort und den Heiligen Geist erleuchtet ist, wird sich daher hüten, in diesen bedauerlichen Fehler zu fallen und in keiner Weise zu erkennen suchen, was der Herr ihm nicht offenbart hat, noch für die heilbringende Gnade Gottes eine Grenze festlegen wollen.
4. Eine Stelle im Römerbrief bestätigt, dass der Herr nicht zurückkommen kann, bevor der Letzte der Auserwählten gerettet ist. «... Dass Verstockung Israel zum Teil widerfahren ist, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird» (das heisst, gerettet sein wird – Röm 11,25). Solange diese Vollzahl nicht erreicht ist, kann die Zeit der Gnade noch nicht ihren Abschluss finden, und daher erzeigt der Herr noch Langmut. Aber sobald der letzte Auserwählte gerettet ist, wird Er Seine Wiederkunft keinen einzigen Augenblick hinauszögern.
Indessen ist uns diese Vollzahl nicht bekannt. Gott allein hat sie festgesetzt (vgl. Mk 13,32). Und selbst wenn wir sie kennten, könnten wir sie nicht berechnen, denn wir sind nicht imstande, die Zahl der im Verlaufe der vergangenen Jahrhunderte erretteten Seelen noch die der heute lebenden zu bestimmen. Vielleicht zählten wir solche dazu, die das Leben Gottes noch nicht besitzen, trotz eines äusseren Scheins von Frömmigkeit, wie die törichten Jungfrauen, die wohl Lampen besassen, aber kein Öl in ihren Gefässen hatten. Anderseits liessen wir in unserer Statistik Erlöste, die der Herr als Sein Eigentum kennt, beiseite, weil wir nicht in ihren Herzen lesen können. Denken wir zum Beispiel nur an den gläubigen Überrest von Thyatira, denen der Herr bezeugt: «Ich werfe keine andere Last auf euch; doch was ihr habt, haltet fest, bis ich komme» (Off 2,24–25).
Und doch wissen wir mit Bestimmtheit, dass die Zeit der Gnade zum Ende neigt. In der Tat, seit einigen Jahren sind wir Zuschauer von Ereignissen, die bestimmte Vorboten des baldigen Kommens unseres geliebten Herrn und Heilandes sind. Gewiss, wir müssen es unterstreichen, das Wort Gottes kündet uns kein Zeichen an, das sich vor jenem glückseligen Tag erfüllen muss. Doch sind die Geschehnisse, auf die wir hinweisen, so offensichtlich mit den prophetischen Ereignissen verknüpft, die sich nach der Entrückung der Heiligen vollziehen werden, dass wir sie nicht übersehen können. Es handelt sich vor allem um die Rückkehr der Juden nach Palästina, die Entwicklung des Geistes des Antichrists in der Welt und um die Bemühungen, die den Zusammenschluss der Staaten zum Ziele haben und so den Staatenbund der Endzeit vorbereiten. Aber nochmals sei es gesagt: Diese Tatsachen, so ernst sie sind, erlauben uns nicht, den Zeitpunkt der Wiederkunft Christi festzusetzen.
Es soll uns also genügen, zu wissen, dass Gott selbst dieses Datum mit Genauigkeit bestimmt hat und dass, wenn uns die Wartezeit auch lange dünken mag, die Frist tatsächlich sehr kurz ist. Daher redet das Wort mehrere Male vom nahen Bevorstehen des Kommens Christi und es ermahnt uns, Ihn jeden Augenblick zu erwarten. «Der Herr ist nahe. Seid um nichts besorgt» (Phil 4,5.6). «Denn noch über ein gar kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen» (Heb 10,37). «Habt auch ihr Geduld, befestiget eure Herzen, denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen» (Jak 5, 8). «Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge» (1. Pet 4,7). «Kindlein, es ist die letzte Stunde» (1. Joh 2,18). «Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe!» (Off 1,3). «Siehe, ich komme bald ... Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches; die Zeit ist nahe ... . Der diese Dinge bezeugt, spricht: ja, ich komme bald» (Off 22,7.10.20).
Sind wir geneigt, in Aufrichtigkeit auszurufen: «Amen; komm, Herr Jesus!»? Erwarten wir wirklich diesen Tag und beschleunigen wir dessen Ankunft durch unsere Hingebung im Dienste des Herrn? (2.Petr, 3,12). Möge die Aussicht, Ihn bald zu sehen, uns in den Prüfungen trösten und unseren Glauben und unseren Eifer für Ihn anspornen, damit wir, wenn Er kommt, bereit seien, Ihn zu empfangen!
KAPITEL 3 – Wie kommt der Herr wieder zurück?
1. Zwei Stellen im Worte Gottes geben uns eine genaue und aufschlussreiche Antwort auf diese Frage. Wir wollen sie im ganzen Wortlaut anführen und danach die verschiedenen Punkte näher untersuchen.
Die erste Stelle finden wir in 1. Kor 15,51–53: «Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen ... »
Die zweite Stelle in 1. Thessalonicher 4,15–18 vervollständigt die erste. «Denn dieses sagen wir euch im Worte des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes hernieder kommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten.»
Beachten wir zuerst, dass der Herr nicht bis auf die Erde herabkommen wird und dass die Erlösten zu ihm entrückt werden, während Er noch in der Luft ist. Diese Begegnung des Herrn mit den Seinen ist eine Szene in der intimsten Sphäre Seiner Zuneigungen. Kein Fremder darf da auch nur einen Blick hineintun.
Das ist auch der Grund, warum der Herr selbst herabkommen wird, um die Seinen zu holen. Auch Er wünscht so sehnlich, sich mit Seiner Braut zu vereinigen, dass Er nicht jemand anderem die Aufgabe anvertrauen will, sie zu Ihm zu bringen. Diese Worte «denn der Herr selbst» sind der Ausdruck der ganzen Tiefe Seiner Liebe denen gegenüber, die Er durch Sein Blut erkauft hat. Gewiss, die Engel sind fortwährend damit beschäftigt, den Heiligen zu dienen, sie vor den finsteren Mächten der Bosheit zu bewahren und sie vor den Gefahren, die sie bedrohen, zu schützen. Wenn es sich aber darum handelt, die Seinigen um Sich zu sammeln, wird der Herr nicht den Dienst der Engel in Anspruch nehmen: Er selber wird dieses glorreiche Ereignis durchführen und so Seine Pläne der göttlichen Gnade zur unaussprechlichen Freude Seines Herzens zum Abschluss bringen. Vergessen wir nicht, dass Er diesen Tag, an welchem Er die Frucht der Mühsal Seiner Seele einsammeln wird, seit Jahrhunderten erwartet. Das Frohlocken des Bräutigams wird also nicht geringer sein als das der Braut.
2. Ein Signal wird gegeben werden: der Herr kommt
- mit gebietendem Zuruf,
- mit der Stimme eines Erzengels,
- mit der Posaune Gottes.
Diese drei Bilder, die die Stimme des Herrn beschreiben, wie sie bei diesem grossartigen Ereignis erschallt, heben die himmlische Herrlichkeit und die göttliche Macht hervor, mit denen der Herr vor den Augen der Seinen erscheinen wird. Diese Stimme wird genügen, um die Toten in Christo aufzuerwecken, um die lebenden Gläubigen zu verwandeln und sie alle in Wolken zu entrücken.
Der «gebietende Zuruf» drückt die Autorität und die Allmacht der Stimme des Sohnes Gottes aus, des Herrn und Schöpfers aller Dinge. Die gleiche Stimme hatte einst das All aus dem Nichts hervorgebracht: «Denn er sprach, und es war; er gebot, und es stand da» (Ps 33,9). Diese Stimme hatte auch Lazarus dem Grabe entrissen: «Lazarus, komm heraus!» (Joh 11,43–44). Und «dieser gebietende Zuruf» wird es wiederum sein' der die erste Schöpfung eines Tages in das Nichts zurückfallen lässt und sie durch die neuen Himmel und die neue Erde ersetzen wird.
Solcherart ist die gewaltige Stimme, die Christus bei Seinem Kommen ertönen lassen wird für alle, die Ihm angehören. Sie alle werden augenblicklich auf diesen Ruf antworten, sogar die Erlösten, die in den Gräbern sind. Wie von einem mächtigen Magnet angezogen, werden alle Heiligen, die Toten und die Lebenden, unwiderstehlich von dieser Erde dem Herrn entgegen entrückt werden in die Luft.
«Die Stimme eines Erzengels» unterstreicht nur die übermenschliche Macht der Stimme des Herrn. Das soll nicht heissen, dass ein Erzengel ihn begleiten wird. 1
Die «Posaune Gottes» ist ein Bild, das die Tatsache ausdrückt, dass das Signal überall ertönen wird, selbst in den Gräbern, und dass es von allen, denen es gilt, gehört werden wird. Diese Posaune hat nichts zu tun mit den Posaunen, die in der Offenbarung erwähnt werden und die verschiedene Gerichte ankündigen (Kap. 8–11). Im Gegenteil, sie kündet die Befreiung und die Glückseligkeit der Erlösten an, die Herrlichkeit des Himmels, die sie mit Christo teilen werden. Die «letzte Posaune», die in 1. Korinther erwähnt wird, ist ein den militärischen Gebräuchen der Römer entnommenes Bild. Es gab drei aufeinander folgende Signale, welche die Ordnung des Abmarsches ankündigten: Das erste bedeutete, dass die Soldaten das Lager abzubrechen hatten; das zweite, dass sie sich in Marschordnung aufstellen mussten; und das dritte Signal bedeutete: «vorwärts, marsch!» Alle drei Signale wurden durch Posaunenstösse weitergegeben. Die zwei ersten erinnern uns daran, dass während der vergangenen Jahrhunderte mächtige Appelle an die Christenheit gerichtet wurden. Das erste Signal ertönte, als das Evangelium verkündet wurde und die Menschen aufforderte, das Lager der Sünde zu verlassen und sich zu bekehren. Der zweite Posaunenstoss war die Ankündigung der baldigen Wiederkunft des Herrn; er liess sich vor beinahe anderthalb Jahrhunderten vernehmen und ist im Schosse der Christenheit mit immer grösserer Deutlichkeit zu hören. Es fehlt jetzt nur noch das letzte Signal: die Stimme des Herrn selbst, die die Seinigen aufruft, Ihm entgegen zu gehen.
3. Untersuchen wir jetzt, was auf der Erde geschehen wird, wenn sich diese Stimme vernehmen lässt.
Es wird uns gesagt, dass die Toten in Christo zuerst auferstehen werden. Das gilt sowohl für die Heiligen des Alten Testamentes wie auch für die der Versammlung. In der Tat, «die Erlösung, die in Christo Jesu ist» erstreckt sich auf diese beiden Kategorien von Gläubigen (Röm 3,25–26). Der Herr selber hat bezeugt: «Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts» (Joh 5,28–29). Die Erstgenannten werden an der ersten Auferstehung teilhaben, die beim Kommen des Herrn stattfinden wird; die zweiten werden nach der Herrschaft des Tausendjährigen Reiches aus den Gräbern hervorkommen zum Gericht. Zu den ersten wird gesagt: «Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung! über diese hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit ihm herrschen tausend Jahre» (Off 20,6).
Die Thessalonicher erwarteten den Herrn in lebendigem Glauben; dies war sogar das Hauptmerkmal ihres Zeugnisses (1. Thes 1,9). Deshalb wurden sie unruhig, als sie feststellten, dass einige unter ihnen vor der Wiederkunft des Christus abberufen wurden, denn sie meinten, dieses Ereignis erfülle sich schon zu ihren Lebzeiten. Nicht dass sie durch den Hinschied dieser Geschwister in ihrer Erwartung erschüttert worden wären, aber sie befürchteten, dass die Entschlafenen nun nicht an der Entrückung der Versammlung teilnehmen würden. Um diese Befürchtungen zu zerstreuen, gab ihnen der Apostel weitere Offenbarungen über die Wiederkunft des Herrn, indem er besonderen Nachdruck auf das Teil legte, das die entschlafenen Heiligen daran haben würden. Es ist daher der Mühe wert, dass auch wir uns bei diesem so wichtigen Gegenstand etwas aufhalten.
Die Wiedergeburt, bewirkt durch den Heiligen Geist, erneuert «den Geist der Gesinnung» (Eph 4,23) – das heisst unsere Seele und unseren Geist –, nicht aber unseren Leib, der nur in Hoffnung errettet worden ist (Röm 8,24). Gewiss, die Wiedergeburt übt einen heiligenden und gesegneten Einfluss auf unser physisches Leben aus, denn der Heilige Geist, der in uns ist, macht uns fähig, der Sünde zu widerstehen und in Bezug auf die Dinge des gegenwärtigen Lebens eine ganz neue Einstellung zu bekommen, in Übereinstimmung mit den Gedanken des Herrn. Trotzdem ist unser Leib noch nicht erneuert, sonst wäre er dem Leibe des Christus gleichförmig geworden, so wie er nach Seiner Auferstehung war. Dieses Zelt, in welchem wir beschwert seufzen (2. Kor 5,2–4), gehört der gefallenen Schöpfung an (Ps 51,5) und steht daher unter dem Verdammungsurteil, das über die Sünde ausgesprochen wurde: er ist dem Tode unterworfen (Röm 6,23). Darum bleiben wir während unseres ganzen Lebens den Leiden, der Krankheit, dem Tode ausgesetzt; wir sind an die Naturgesetze und an die Existenznotwendigkeiten gebunden, gleichwie die Unbekehrten. Auch uns Kindern Gottes gelten also die Worte in 1. Korinther 15, So: «Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben», und «was du säst, wird nicht lebendig» (V.36). Unser irdisches Haus muss zerstört werden; daher sehnen wir uns, mit unserer Behausung, die aus dem Himmel ist, überkleidet zu werden, welche ein Bau von Gott ist, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, ein ewiges, in den Himmeln (2. Kor 5,1–5).
Das Wort Gottes belehrt uns somit deutlich, dass unser gegenwärtiger Leib verschwinden muss, bevor wir die Unverweslichkeit und die Herrlichkeit anziehen. Der Tod ist aber für das Kind Gottes etwas ganz anderes als für den Ungläubigen. Nicht ohne Grund bezeugt der Apostel Paulus: «Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein, denn es ist weit besser» (Phil 1,23). Wenn ein Gläubiger stirbt, ist sein Leib nur «entschlafen», und seine Seele geht ins Paradies ein (Lk 23,43), an jenen gesegneten Ort, wo er Den betrachten darf, dem er geglaubt hat. Wohlverstanden, das Entschlafen bezieht sich nur auf den Leib des verstorbenen Christen und nicht auf dessen Seele, die keineswegs schläft. Im Gegenteil, sie befindet sich in einem wachen Zustand der Glückseligkeit, der es ihr ermöglicht, unaussprechliche Dinge wahrzunehmen, die der Mensch nicht sagen darf, wie dies beim Apostel Paulus der Fall war, als er bis in den dritten Himmel entrückt wurde (2. Kor 12,2–4). Nach dem Tode wird also die Seele des Erlösten eine Gemeinschaft mit dem Herrn verwirklichen, die unendlich höher und gesegneter ist als während seines Lebens hienieden. Sie geniesst dann eine unvermischte Glückseligkeit und einen vollkommenen Frieden. Darum erklärt das Wort Gottes, das Sterben sei ein Gewinn und bei Christo zu sein sei weit besser. Es ist ein friedlicher Eingang in die himmlische Ruhe, welcher beim Kommen des Herrn dann noch die Herrlichkeit hinzugefügt wird. Viele hatten in ihrer letzten Stunde das Vorrecht, einen Blick in jene Glückseligkeit zu werfen, die ihr Teil sein würde. Dies war im besonderen der Fall bei Stephanus (Apg 7,56).
Der Tod ist für den Gläubigen demnach nur ein vorübergehender zustand, auf den die Auferstehung aus den Toten folgen wird (Phil 3,11). Dies ist es, was der Apostel den Thessalonichern erklärt. Gott, der Vater, hat Jesum Christum aus den Toten auferweckt; gleicherweise werden auch alle, welche durch Sein Blut erkauft worden sind und somit zu Seinem Leibe gehören, aus den Toten auferweckt werden. Die gewaltige Stimme des Herrn wird sie aus den Gräbern hervorbringen und sie werden zu ihm entrückt werden, zusammen mit den verwandelten Lebenden. Welch eine glorreiche Szene wird sich dann abspielen!
Alle Seelen der entschlafenen Gläubigen werden einen neuen, herrlichen und ewigen Leib, passend für den Himmel, empfangen. Die Form dieses Herrlichkeitsleibes wird in entsprechender Beziehung stehen zu der des Leibes, den jeder Gläubige während seines Lebens hienieden getragen hat. Wir werden uns gegenseitig erkennen in den Banden des Geistes, und wir werden so auch fähig sein, selbst die zu erkennen, die wir früher nicht gekannt haben. (Es ist möglich, dass die Märtyrer die Narben der um des Namens Christi willen erlittenen Wundmale tragen werden, so wie im verherrlichten Leib des Herrn in Händen und Füssen die Nägelmahle und in Seiner Seite der Lanzenstich erkennbar sein werden.) Dieser Leib wird jedoch kein Element mehr vom alten sterblichen und verweslichen Leibe aufweisen; er wird frei sein von der Sünde, von der Krankheit, von den Schwachheiten und Unvollkommenheiten die unseren gegenwärtigen Leib kennzeichnen. Er ist dann nicht mehr aus «Blut und Fleisch» und bedarf daher auch nicht mehr der Nahrung und der Getränke, sondern wird dem Leibe des Herrn nach Seiner Auferstehung gleichförmig sein: er hat dann «Fleisch und Bein» (Lk 24,39), das heisst, er wird ohne Blut sein, aber physisch wahrgenommen werden können. Das Blut ist ja, wie uns das Verbot des Essens des Blutes in 3. Mose 17,10 zeigt, die Stütze des irdischen, materiellen und vergänglichen Lebens, das fortwährend durch Nahrungszufuhr unterhalten und erneuert werden muss und dem Gesetz des Todes und des Verderbnisses unterworfen ist.
Mit unserem neuen Leibe wird es nicht mehr so sein: Das Leben, das diesen Leib belebt, wird nicht mehr materieller Natur sein, (das heisst, wird nicht mehr den Naturgesetzen, die die Materie beherrschen, unterworfen sein), sondern ist geistiger Natur. Darum nennt ihn das Wort «ein geistiger Leib» (1. Kor 15,44). Dieser Ausdruck mag unserem begrenzten Verstande widersprüchlich erscheinen: In der Tat, ein Leib ist nach unserer Auffassung etwas Materielles, während ein Geist unkörperlich ist. Und doch wird es so sein, nachdem Gott es uns in Seinem Worte sagt. Wir werden also nicht mehr den gegenwärtigen Gesetzen der Materie, des Raumes und der Zeit unterworfen sein. 2 Das wird die totale Befreiung von der Knechtschaft des Verderbnisses und der vollständige Genuss der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes sein (Röm 8,21).
Dieser neue Leib wird nicht nur den Toten in Christo bei der Auferstehung gegeben werden, sondern auch den Gläubigen, die beim Kommen des Herrn noch auf dieser Erde leben. Es wird also zwischen diesen beiden Gruppen der Erlösten keinen Unterschied geben. Die ersten empfangen ihren neuen Leib durch die Auferstehung, die zweiten durch die Verwandlung ihres irdischen Leibes. « Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen» (1. Kor 15,51–53). «Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leibe der Herrlichkeit» (Phil 3,20–21).
So werden die Gläubigen, die in jenem Augenblick auf der Erde leben, «verwandelt» oder «umgestaltet» werden. Sie werden somit einen gleichen Leib empfangen wie die Auferstandenen. Paulus selbst macht sich mit jenen eins, denn er erwartete den Herrn. Möchte es auch bei einem jeden Erlösten so sein!
4. Eindrucksvolle Tatsache: Dieses alles wird sich in einem Augenblicke, in einem Nu vollziehen. Obwohl die Entrückung der Heiligen von den Ungläubigen 3 nicht gesehen wird, werden sie nichtsdestoweniger bestürzt sein, wenn sie das Verschwinden der Gläubigen feststellen müssen. Sie werden sich dann der Warnungen erinnern, die diese im Blick auf das Kommen des Herrn an sie gerichtet haben, aber dann wird es zu spät sein.
«Zu spät»: Möchten diese schrecklichen Worte nicht eines Tages in den Ohren eines unserer Leser widerhallen! Schon hienieden richtete der Herr einen ernsten Appell an Seine Zuhörer und sagte: «Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist. Viele werden an jenem Tage zu mir sagen. Herr, Herr! haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben, und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan? Und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt; weichet von mir, ihr Übeltäter!» (Mt 7,21–23). Es genügt nicht, von christlichen Eltern auferzogen worden zu sein, in der Gegenwart des Herrn «gegessen und getrunken» zu haben (Lk 13,26), Seine Belehrungen gehört zu haben und Ihn mit den Lippen zu bekennen, ohne dass das Herz dabei ist. Im Gegenteil, alles das erhöht nur die Verantwortlichkeit; denn, wem viel gegeben ist, viel wird von ihm verlangt werden. Seien wir wachsam, dass unsere Lampen Öl haben und helle leuchten bis zur Stunde, wo der Bräutigam erscheinen wird, und wir dereinst nicht vor geschlossener Türe stehen müssen!
Welch ein Schrecken wird das Herz derer erfüllen, die draussen bleiben müssen! Dies um so mehr, da man annehmen muss, dass die Entrückung der Gläubigen eine allgemeine Störung der Lebensumstände, ja sogar schwere Unglücksfälle hervorrufen wird. Wie die Menschen einst Henoch und Elias nach deren Verschwinden suchten, ist es wahrscheinlich, dass sie die Gläubigen überall suchen und nicht finden werden.
Diese werden dann ja für immer bei dem Herrn sein (1. Thessalonicher 4,17), der sie in Seine Herrlichkeit beim Vater einführen wird. «Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat», wird Er in überfliessender Freude Seines Herzens ausrufen (Heb 2,13). Sie werden Ihm gleich sein und werden Ihn sehen, wie Er ist (1. Joh 3,2). Zu diesem Zweck werden sie nicht nur mit einem unsterblichen Leibe, sondern auch mit himmlischer Herrlichkeit bekleidet sein; alles, was heute sterblich ist, wird dann von dem Leben verschlungen sein (2. Kor 5,1–4). Der Herr hat in Seinem letzten Gebet bezeugt: «Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf dass sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast» (Joh 17,24). Dazu müssen wir vorerst Ihm gleich gemacht werden, sowohl hinsichtlich Seiner äusseren Erscheinung wie auch in Bezug auf die Natur Seiner Menschheit 4, sonst könnten wir den Herrn nicht sehen (Jes 6,5). Dies ist eine Tatsache von unendlicher Erhabenheit, angesichts welcher der Apostel Johannes erklärt: «Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden» (1. Joh 3,2). Aber die Gewissheit, dass wir Ihn sehen werden, schliesst die andere Gewissheit mit ein, dass wir während der ganzen Ewigkeit die Herrlichkeit des Vaterhauses geniessen werden. Darum können wir mit dem Apostel ausrufen: «Sehet, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat!»
Welch unsagbare Freude: wir werden für immer bei dem Herrn sein, im Hause des Vaters!
Ja, wir ziehen Dir entgegen;
Nur bei Jesu, Dir, ist volle Ruh.
Stets erquickt durch Himmelssegen,
Wallen wir der Heimat fröhlich zu.
Und den guten Kampf in Deinem Namen
Kämpfend, rufen wir mit Sehnsucht: «Komm!»
«Ja, ich komme bald!» so sagst Du. «Amen!» -
O welch starker Trost! – Herr Jesu, komm!
KAPITEL 4 – Ich werde dich bewahren vor der Stunde der Versuchung
1. Immer wieder wird die Frage aufgeworfen: Wird die Versammlung oder Kirche vor den in der Offenbarung beschriebenen Gerichten entrückt werden oder muss sie noch durch die grosse Drangsalgehen?
Um auf diese Frage zu antworten, wollen wir einige Stellen der Heiligen Schrift betrachten, die uns deutlich zeigen, dass die Entrückung der Gläubigen dem Herrn entgegen unbedingt und ohne jeden Zweifel vor der Zeit der grossen Drangsal erfolgen wird. Das Kommen des Herrn bildet ja gerade das Vorspiel der Ereignisse, die sich während der Endzeit vollziehen und die der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches vorangehen werden.
Die Entrückung der Versammlung – Kundgebung der Liebe Christi – wird vor den in der Offenbarung beschriebenen Gerichten vollendet sein. In der Tat, der Herr wird Seine geliebte Braut vorher in Sicherheit bringen, gemäss der Verheissung, die Er an die Versammlung in Philadelphia richtet: «Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, so werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, welche auf der Erde wohnen» (Off 3,10). Gemäss dem Urtext muss es heissen: «so werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung», und nicht «durch die Stunde der Versuchung hindurch». Wir haben in einem früheren Kapitel gesehen, dass Philadelphia das Bild der treuen Versammlung der letzten Tage ist. Ihr wird also diese kostbare Verheissung gegeben. Gewiss, alle Erlösten des Herrn werden entrückt werden, welchem kirchlichen Kreise sie auch angehören mögen.
2. Der Apostel Paulus schreibt in ähnlichem Sinne an die Thessalonicher, die wegen der Drangsale, die sie von einer feindlichen Welt erdulden mussten, zu Unrecht glaubten, dass der Tag des Herrn, (das heisst der Tag der Gerichte), schon gekommen sei. Er kündet ihnen an, dass der Herr ihnen an jenem Tage im Gegenteil Ruhe verschaffen werde (2. Thes 1,7–10).
Ferner lesen wir im zweiten Kapitel des gleichen Briefes: «Und jetzt wisset ihr, was zurückhält, dass er zu seiner Zeit offenbart werde. Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist, und dann wird der Gesetzlose offenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes» (V. 6–8). Aus dieser Stelle geht deutlich hervor, dass der Antichrist, die Hauptperson in der Zeit der grossen Drangsal, nicht offenbart werden kann, bevor die Heiligen entrückt worden sind. Zwei Hindernisse müssen beseitigt werden, bevor er erscheinen kann. «Was zurückhält» ist das erste, «der, welcher zurückhält», das zweite. «Was zurückhält» ist die Tatsache, dass die Versammlung noch hienieden ist und gleich einer Düne den steigenden Strom des Bösen zurückhält, bis zu dem Tage, an dem der Herr sie zu Sich nehmen wird. Die Kraft, die sie dazu benötigt, kommt vom Heiligen Geiste, der in ihr wohnt. «Der, welcher zurückhält», bezeichnet im Besonderen den Heiligen Geist, der, nachdem Er infolge der Entrückung der Versammlung Seine Behausung verloren hat, dem Strom des Bösen nicht mehr Widerstand leisten wird. 5 Vorher kann der Antichrist nicht offenbart werden. Kostbarer Trost für die Geliebten des Herrn!
Nach der Entrückung der Versammlung wird Gott Seine Beziehungen mit Israel wieder anknüpfen und es dazu berufen, in dieser Welt wieder als Sein Volk Zeugnis abzulegen. Zu diesem Zwecke hat Gott eine Periode von mindestens sieben Jahren anberaumt. Von den siebzig Wochen, die nach Daniel 9,24–27 bis zur Aufrichtung der Herrschaft des Messias vorübergehen sollen, sind bis zum Kommen des Herrn erst 69 Wochen vergangen, wogegen die letzte, die siebzigste Woche, mit den prophetischen Ereignissen, die sie kennzeichnen und die im 27. Verse beschrieben werden, immer noch ausstehend ist. Diese letzte Woche kann aber erst nach der Entrückung der Versammlung beginnen und dies aus verschiedenen Gründen:
a) Wir lesen in Römer 11,25: «Dass Verstockung Israel zum Teil widerfahren ist, bis dass die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird.» Erst darnach wird Israel (oder genauer ausgedrückt dessen gläubiger Überrest) gerettet werden (Röm 11,26). Dies beweist, dass die Zeit Israels erst nach der Entrückung der Versammlung beginnen kann. Der Apostel Paulus nennt die Wiederherstellung Israels ein «Geheimnis»; es handelt sich hier um einen wunderbaren Plan der Gnade Gottes, der in der Christenheit während langer Zeit unbekannt war.
b) Während der letzten Woche Daniels wird das Evangelium Reiches gepredigt werden (Mt 24,14; Off 11) und nicht das Evangelium der Gnade, wie es heute verkündigt wird. Offenbarung 11 zeigt uns deutlich den grundlegenden Unterschied, der zwischen diesen beiden Evangelien besteht. Während der Zweck des Evangeliums der Gnade der ist, Sünder dahin zu bringen, das Heil anzunehmen und aus ihnen Glieder des Leibes Christi zu machen, wird das Evangelium des Reiches verkündigt werden, um für das irdische Reich des Christus Seelen zu gewinnen. Auch die Mittel, deren sich die Prediger dieser Evangelien bedienen, sind völlig verschieden. Die das Evangelium der Gnade verkündigen, sollen vom Geiste, der ihre Botschaft kennzeichnet, erfüllt sein, das heisst von der unbegrenzten Gnade Gottes, die den Menschen ihre Übertretungen nicht zurechnet, sondern allen denen, die an Jesum glauben, umsonst vergibt. «Segnet, die euch verfolgen, – segnet, und fluchet nicht» (Röm 12,14). «Wenn nun deinen Feind hungert, so speise ihn; wenn ihn dürstet, so tränke ihn» (V. 20). «Und vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern im Gegenteil segnet, weil ihr dazu berufen worden seid, dass ihr Segen ererbet» (1. Pet 3,9).
Dies wird nicht der Charakter der beiden Zeugen sein, die in Offenbarung 3–6 erwähnt werden. jene werden, mit Sacktuch bekleidet, tausendzweihundertsechzig Tage 6 weissagen, wobei sich das Wort erfüllen wird: «Und wenn jemand sie beschädigen will, so geht Feuer aus ihrem Munde und verzehrt ihre Feinde; und wenn jemand sie beschädigen will, so muss er also getötet werden. Diese haben Gewalt, den Himmel zu verschliessen, auf dass während der Tage ihrer Weissagung kein Regen falle, und sie haben Gewalt über die Wasser, sie in Blut zu verwandeln, und die Erde zu schlagen mit jeder Plage, so oft sie nur wollen.» Man sieht also, dies ist nicht der Dienst des Evangeliums der Gnade Gottes, welcher der Versammlung anvertraut ist.
Es ist somit offenbar, dass die Versammlung vorher weggenommen wird, sonst wäre es unmöglich, dass ein Zeugnis, wie das in Offenbarung 11, ins Leben gerufen werden könnte. Welch eine Verwirrung müsste eintreten, wenn die Versammlung in jenem Augenblick noch auf der Erde wäre und das Evangelium der Gnade weiterhin verkündigt würde – denn solange die Versammlung auf der Erde ist, wird dieses Evangelium gepredigt werden! Wenn von Seiten Gottes gleichzeitig zwei verschiedene Evangelien verkündigt würden, an welches von beiden müssten dann die Menschen glauben? Dies könnte unmöglich geschehen, und folglich ist es ausgeschlossen, dass dann, wenn das Evangelium des Reiches verkündigt wird, die Versammlung noch auf der Erde ist.
c) Der Herr sagte zum Apostel Johannes. «Schreibe nun, was du gesehen hast und was ist, und was nach diesem geschehen wird» (Off 1,19).
«Was du gesehen hast» sind die im ersten Kapitel beschriebenen Dinge betreffend das Gesicht des Johannes auf Patmos, in welchem er Christus selbst sah in Seiner richterlichen Gewalt.
«Und was ist» sind die Dinge, die wir im zweiten und dritten Kapitel finden: die Geschichte der christlichen Kirche und das Urteil, das der Sohn des Menschen über ihren Zustand ausspricht. Hier geht es um die Versammlung, wie der Herr sie sieht, in ihrer Verantwortung als Zeugnis Gottes auf der Erde, vom Pfingsttage an bis zur Entrückung der wahren Versammlung und bis zur Verurteilung der falschen Kirche (Laodicäa), die aus dem Munde Christi ausgespieen wird.
«Was nach diesem geschehen wird» sind die Gesichte, die vom vierten Kapitel bis zum Ende des Buches beschrieben werden. In den Kapiteln 4 und 5 finden wir nach dem Kommen des Herrn alle Gläubigen im Himmel versammelt, und von Kapitel 6 an beginnen die Gerichte des Endes. Die himmlische Familie ist vom vierten Kapitel an bildlich dargestellt in den vierundzwanzig Ältesten, die den Thron Gottes umgeben und in vollkommener Sicherheit im Hause des Vaters weilen, während die Gerichte über die Ungläubigen, die auf der Erde sind, sich abwickeln. Von diesem Zeitpunkt an tragen die Erlösten, die dann in der Welt sein werden, einen Charakter, der von demjenigen der Versammlung unter der Haushaltung der Gnade verschieden ist; er entspricht vielmehr dem der Juden. In der Tat, wie das zum Beispiel aus Offenbarung 6,10 hervorgeht, ihre Sprache ist die des gläubigen Überrestes Israels, wie wir sie in den Psalmen finden. Die vierundzwanzig Ältesten in weissen Kleidern, mit Kronen auf ihrem Haupte, stellen die Menge derer dar, die aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation erkauft worden sind, und die von ihrer himmlischen Wohnung aus die Erde regieren werden. In Erwartung dieses grossen Tages singen sie im Himmel ein neues Lied zur Ehre des Lammes, in dem sie sagen: «Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation, und hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen!» (Off 5,9–10). Während des ganzen Ablaufes der Gerichte, die über die Erde hereinbrechen werden, verlassen sie den Himmel nicht. Das ist ein weiterer Beweis, dass die Versammlung beim Herrn sein wird, bevor die Periode der Endgerichte beginnt.
4. Schliesslich bezeugen mehrere Stellen des Wortes Gottes ausdrücklich, dass der Herr von den Heiligen begleitet sein wird, wenn Er in Herrlichkeit erscheint, um die Gerichte an den Ungläubigen auszuführen (vgl. vor allem 1. Thes 3,13; 2. Thes 1,10; Kol 3,4; Sach 14,5; Jud 14). Das bedeutet also, dass sie vorher zu Ihm entrückt sein werden. Ferner werden sie an der Hochzeit des Lammes im Himmel teilnehmen, bevor sie mit Ihm erscheinen (Off 19,7–10). Die Versammlung wird dann bestimmt vollständig sein und sich in jenem Augenblick schon in der Herrlichkeit befinden, sonst könnte die himmlische Hochzeit nicht stattfinden. Es kann daher nicht anders sein, als dass sie vorher in den Himmel entrückt wurde, um bei ihrem himmlischen Bräutigam zu sein. Für sie ist Er kein Richter, wie Er es für die Bewohner der Erde sein wird, die den «Zorn des Lammes» zu erleiden haben (Off 6,16). Dieser «Zorn des Lammes» bezeichnet jene schrecklichen Gerichte, die über die Unversöhnten hereinbrechen werden; die Erlösten aber sind davon befreit worden. «Jesus, der uns errettet von dem kommenden Zorn.» «Denn Gott hat uns nicht zum Zorn gesetzt, sondern zur Erlangung der Seligkeit durch unseren Herrn Jesum Christum» 1. Thes 1,10; 5,9). Übrigens ist es eine auffallende Feststellung, dass keine der Episteln von den Einzelheiten der grossen Drangsal redet, was sich dadurch erklärt, dass die Versammlung nicht durch sie hindurchgehen muss.
Das will aber keineswegs bedeuten, dass die Christen nicht dazu berufen wären, vor dem Kommen des Herrn auf dieser Erde zu leiden. In der Tat, das Wort belehrt uns, «dass wir durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen» (Apg 14,22) und «dass das Gericht anfange bei dem Hause Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen!» (1. Pet 4,17). Wie viele Gläubige gab es, die im Verlaufe der Jahrhunderte und besonders in den letzten Jahren schwer zu leiden hatten, sei es, dass sie verfolgt wurden oder dass auch sie die Gerichte erleiden mussten, die über verschiedene Länder hereingebrochen sind. jedoch haben diese Prüfungen in der Zeitperiode stattgefunden, wo die Gnade noch in voller Tätigkeit ist, während die Gerichte, die die Zeit der grossen Drangsal kennzeichnen, alles in den Schatten stellen werden, was sich bis dahin ereignete. Der Herr selbst hat angekündigt: «Denn alsdann wird grosse Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist, noch je sein wird» (Mt 24,21).
Wie dürfen wir dem Herrn für Seine Zusicherung danken, dass Er uns vor der Stunde der Versuchung bewahren wird! Wir können uns also im Gedanken an Sein baldiges Kommen ohne Furcht freuen. Aber seien wir wachsam, entschieden und eifrig in Seinem Dienste, gemäss der Ermahnung, die der Apostel Petrus am Ende seiner Laufbahn an die Heiligen gerichtet hat: «Darum, Brüder, befleissiget euch umso mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln. Denn also wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi» (2. Pet 1,10–11).
KAPITEL 5 – Das Offenbarwerden der Erlösten vor dem Richterstuhl des Christus
1. Droben beim Herrn werden alle Erlösten, ohne Ausnahme, vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden. «Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nachdem er gehandelt hat, es sei gut oder böse» (2. Kor 5,10). Dieses «Offenbarwerden» wird vor der Hochzeit des Lammes stattfinden. Alles, was wir getan haben, muss vorher ins volle Licht des Richterstuhles des Christus, in der Gegenwart Gottes und Seiner Heiligen kommen. Alle unsere Sünden, alle unsere Verfehlungen, selbst die verborgensten, werden enthüllt und bis in die kleinsten Einzelheiten vor allen blossgestellt werden. Und nicht nur was wir getan haben, wird offenbar werden, sondern auch das, was wir gewesen sind. Das Bild, das dort gesehen wird, wird dann vielleicht ganz verschieden sein von der Maske, in der wir uns hienieden gezeigt haben mögen.
Indessen ist es wichtig festzuhalten, dass wir vor dem Richterstuhl nicht als Angeklagte erscheinen, die gerichtet werden, denn wer würde dann freigesprochen? Der Herr selbst sagt: «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das Leben übergegangen» (Joh 5,24). Der Gläubige hat also vor dem Richterstuhl des Christus nicht das ewige Gericht zu befürchten; er wird dort nur «offenbar» werden. Übrigens erscheint er dort in einem himmlischen und verherrlichten Leibe, gleichförmig dem Leibe Dessen, der auf dem Throne sitzt, und bekleidet mit allen Seinen Vollkommenheiten. Er wird also keineswegs das Licht fürchten, das dann in sein ganzes vergangenes Leben hineinleuchten wird. Er wird sich bewusst sein, dass er durch das kostbare Blut des Christus erkauft worden ist und daher nicht mehr ins Gericht kommen kann. Somit ist der Richterstuhl des Christus für den Gläubigen nicht ein Ort des Gerichtes, wie er es später für die Unversöhnten sein wird. Es ist vielmehr der Ort, wo die Gnade und die Liebe des Herrn Jesus in ihrem vollen Glanze offenbar werden.
Tatsächlich können wir uns hienieden von Seiner Heiligkeit nur eine schwache und unvollständige Vorstellung machen. Wir werden sie erst im Himmel völlig ergründen können, wo wir, von allen Hindernissen unseres sterblichen Leibes und von der Sünde befreit, fähig gemacht werden, unseren geliebten Herrn und Heiland zu loben, Ihm zu danken und Ihn anzubeten, so wie Er es würdig ist. Zuvor aber müssen wir vor Seinem Richterstuhl offenbar werden, damit wir im Lichte Gottes einmal deutlich erkennen, was wir in uns selbst waren und was unser Tun, unsere Worte, unsere Gedanken in Wirklichkeit gewesen sind, nach dem Urteil des Herrn, der sie gesehen hat. Dann erst werden wir uns in vollem Masse bewusst werden, was die Gnade Gottes ist. Hienieden sind unsere Augen oft durch Satan und den Geist dieses Zeitlaufs verdunkelt. Wie manchmal betrachten wir, vielleicht unbewusst, die geistlichen Dinge und uns selbst wie durch ein farbiges und entstellendes Glas, das unsere eigenen Verdienste vergrössert und unsere Schuldhaftigkeit verkleinert. Darum ist es nötig, dass wir alle im vollen Lichte offenbar werden, damit wir uns endlich unserer ganzen Nichtigkeit bewusst werden. Dann erst erfassen wir die ganze Grösse und Herrlichkeit der Gnade und der Liebe unseres Herrn. Wie überbewerten wir so oft unsere Werke, unsere Liebe, unseren Glauben und unsere Treue! Alles das wird dann an den richtigen Platz gestellt und auf der Waage des Heiligtums abgewogen werden: Das Gute wird sich als durch die Gnade hervorgebracht erweisen, und wir werden erkennen, dass es nicht unser eigenes Verdienst war; doch wird es der Herr belohnen, und das wird Seine Gnade in noch höherem Glanze erscheinen lassen. Viele Handlungen werden im Lichte des Richterstuhls ganz anders bewertet werden, als wie wir sie hienieden eingeschätzt haben. Denken wir besonders darüber nach, in welcher Weise wir die Gesinnung und Charakterzüge Christi in all unserem Tun offenbart haben.
2. Wie feierlich ernst ist doch die Aussicht, vor dem Richterstuhl Christi offenbart zu werden, und wie haben wir nötig, immer wieder daran zu denken! Das wird uns dahin führen, uns von allem zu enthalten, dessen wir uns in der Gegenwart des Herrn und Seiner Heiligen zu schämen hätten und uns in allem durch Sein Wort und Seinen Geist leiten zu lassen.
Aber, wir wiederholen es, diese Erwartung soll uns in keiner Weise in Schrecken setzen, denn unser Offenbarwerden wird in erster Linie den Herrn verherrlichen. Wir selbst werden Ihm Ehre geben, denn wir werden dann die wunderbare Gnade bewundern, die uns auf unserer Wüstenreise geleitet, geholfen, unterstützt, bewahrt und uns sicher in die Herrlichkeit zu Ihm gebracht hat. So wird, trotz unserer Verfehlungen, Christus verherrlicht werden. All unser Tun wird dort nach dem Urteil Gottes eingeschätzt, nicht um uns zu verdammen, sondern damit wir in «volle Übereinstimmung mit Gott» kommen. Nur so werden unsere Herzen wirklich frei, um ihn in vollkommener Weise zu loben und anzubeten.
Möchte doch die Aussicht, vor dem Richterstuhl offenbar zu werden, in unser aller Herzen die Furcht lebendig erhalten, den Herrn zu verunehren, und den Wunsch in uns brennend machen, Ihm hienieden treu zu dienen, indem wir uns aber auch freuen, dass Seine Gnade uns sicher in das Haus des Vaters bringen wird! «Dass ihr erfüllt sein möget mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen in jedem guten Werke fruchtbringend, und wachsend durch die Erkenntnis Gottes» (Kol 1,9–10).
KAPITEL 6 – Die Heiligen im Himmel und die Hochzeit des Lammes
1. Wir wollen jetzt betrachten, was uns das Wort Gottes offenbart bezüglich des Aufenthaltes und der Tätigkeit der Heiligen nach ihrer Einführung in das himmlische Heiligtum und bis zur Erscheinung des Christus in Herrlichkeit. Das Wort gibt uns viel Licht darüber.
Die Heiligen im Himmel werden, vom vierten Kapitel der Offenbarung an, durch vierundzwanzig Älteste dargestellt, sitzend auf Thronen, die den Thron Gottes umgeben, bekleidet mit weissen Kleidern und goldene Kronen tragend. Es sind dies symbolische Persönlichkeiten, die alle Heiligen darstellen, vom ersten Erlösten bis zur letzten Seele, die vor der Entrückung der Versammlung errettet wird. – Was ist nun ihre Tätigkeit im Himmel? Sie sind Könige (die Throne und die Kronen weisen darauf hin), und als solche sind sie dazu bestimmt, mit Christo auf der Erde zu herrschen. Anderseits sind sie auch Priester, wie ihr Singen des Liedes dies anzeigt. «Und sie singen ein neues Lied: Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation, und hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen!» (Off 5,9–10). Schon in 1. Pet 2,5 werden die Erlösten «ein heiliges Priestertum» genannt, «um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich durch Jesum Christum»; und in Vers 9: «Ihr aber seid ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum.» Diese König– und Priesterwürde, welche die Heiligen schon auf dieser Erde besitzen, wird auch das herrliche Teil der Erlösten im Himmel sein.
2. Aber warum werden sie «Älteste» genannt und warum ist ihre Zahl vierundzwanzig? Der Ausdruck Älteste hebt die Tatsache hervor, dass sie die Offenbarung der Geheimnisse Gottes kennen. Wir sehen sie sogar den Apostel Johannes über einige Punkte der Gesichte, die er sieht, belehren (5,5; 7,13). Sie interessieren sich für das Geschehen, das sich vor ihren Augen sowohl im Himmel als auch auf der Erde abwickelt und nehmen grossen Anteil an den Leiden des gläubigen Überrestes Israels, der unter der Herrschaft des Antichrists durch die grosse Drangsal geht, und unterstützen ihn in ihren Gebeten (5,8). Zudem lobsingen sie und beten an, indem sie vor dem Throne Gottes niederfallen (4,10–11; 7,11–12; 19,4). Sie haben ihre Kämpfe und ihre Prüfungen vergessen, die sie auf ihrem Gang durch diese Welt durchfechten mussten, und haben nur noch die himmlische Herrlichkeit und die ewige Glückseligkeit vor Augen. Die Herrlichkeit des Lammes erfüllt ihre Herzen, wie sie auch den ganzen Himmel erleuchten wird.
Auch ihre Zahl ist symbolisch. Einerseits erinnert sie uns an die vierundzwanzig Klassen des irdischen Priestertums, die der König David eingesetzt hat (1. Chr 24,7–19). Anderseits hebt diese Zahl hervor, dass die Heiligen in der Herrlichkeit aus zwei Gruppen bestehen (zweimal zwölf), nämlich aus den Gläubigen des Alten Testamentes, von Adam bis zu Johannes dem Täufer, und aus den Gläubigen, die die Versammlung bilden. Obwohl diese beiden Gruppen das gleiche herrliche Teil geniessen, werden sie trotzdem voneinander unterschieden.
Das geht deutlich aus dem 19. Kapitel hervor, wo, von Vers 6 an, die Ältesten nicht mehr genannt werden, sondern die Hochzeit des Lammes beschrieben wird. Wir finden dort zum ersten Mal die Erwähnung des Weibes des Lammes und anderseits der zum Hochzeitsmahle des Lammes Geladenen (vgl. Joh 3,29). Das Weib (die Braut) umfasst die Gesamtheit der Erlösten im christlichen Zeitabschnitt der Gnade, während die Geladenen alle anderen Erlösten darstellen. Sie werden glückselig genannt, weil sie als Glieder der himmlischen Familie sich des herrlichen Teiles erfreuen, das dem Weibe des Lammes zugefallen ist.
3. Wir finden schon in den Evangelien einige Stellen, die auf dieses feierliche Ereignis anspielen. So verheisst der Herr Jesus, in Lukas 22,30 Seinen Jüngern, dass sie an Seinem Tische und in Seinem Reiche essen und trinken werden. In Kapitel 12,37 sagt Er, dass Er sich umgürten, sie sich zu Tische legen lassen und hinzutreten werde, um sie zu bedienen. In Johannes 14,3 gibt Er ihnen die Zusicherung, dass Er sie eines Tages zu Sich nehmen und einführen werde in das Haus Seines Vaters; und in Johannes 17, 24 will Er, dass sie Seine Herrlichkeit schauen. Alle diese Stellen unterstreichen den Wunsch des Herrn, die Seinen an Seiner Herrlichkeit im Himmel teilhaben zu lassen und sie in den Genuss Seiner innigsten Zuneigungen zu bringen.
Das kommt in der Hochzeit des Lammes zum Ausdruck, die dem Antritt der Herrschaft des Herrn unmittelbar vorausgehen wird. «Und ich hörte, wie eine Stimme einer grosser Volksmenge und wie ein Rauschen vieler Wasser und wie ein Rollen starker Donner, welche sprachen: Halleluja! denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die Herrschaft angetreten. Lasst uns fröhlich sein und frohlocken und ihm Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und sein Weib hat sich bereitet. Und es ward ihr gegeben, dass sie sich kleide in feine Leinwand, glänzend und rein; denn die feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen. Und er spricht zu mir: Schreibe: Glückselig, die geladen sind zum Hochzeitsmahle des Lammes!» (Off 19,6–9).
Das Weib hat sich zur Hochzeit bereitet, und diese Zubereitung findet auf der Erde statt, wo sich die «Gerechtigkeiten» oder die gerechten Taten der Heiligen vollziehen. Es handelt sich hier nicht um die Gerechtigkeit des Christus, die jedem Gläubigen durch den Glauben zugerechnet wird (1. Kor 1,30; Röm 5,18), sondern um das Ergebnis des Wandels eines jeden Erlösten auf dieser Erde. Die Gesamtheit dieser «Gerechtigkeiten» bildet das Kleid von feiner Leinwand, glänzend und rein, in welchem die Braut am Tage der Hochzeit vor den Augen des Bräutigams und später vor den Augen der Welt erscheint, wenn der Herr in Herrlichkeit kommen wird. Die Kundgebung dieser «gerechten Taten», Frucht des Heiligen Geistes, der in jedem Gläubigen wirkt, hat hier einen kollektiven Charakter: Sie werden in ihrer Gesamtheit gesehen, als der Versammlung selbst und nicht mehr dem einzelnen Erlösten angehörend. Denken wir an diese Seite unseres Dienstes für den Herrn? Werden wir zum Weben dieses prächtigen Kleides beigetragen haben oder haben wir diese Sorge anderen überlassen?
Ohne Zweifel wird vor dem Richterstuhl des Christus – zeitlich also vor der Hochzeit des Lammes – offenbar, was diese Fäden, die wir gewoben haben, wert sind, das heisst die Taten, die wir auf dieser Erde ausführten, wie wir dies schon im vorhergehenden Kapitel dargelegt haben. Darum wird unsere Freude bei der Hochzeit des Lammes absolut vollkommen sein, ohne jede Wolke. Indessen gebührt es uns, nicht aus dem Auge zu verlieren, was diese «Zubereitung» praktisch bedeutet, und dass wir allen Fleiss daran setzen sollen, hienieden viele Fäden dieses Kleides von feiner weisser Leinwand zu weben. Vergessen wir dabei auch nicht, dass es nicht unsere Werke sind, die uns das Recht geben, an der Hochzeitstafel zu sitzen, sondern ausschliesslich die Gnade des Herrn. Das geht übrigens aus den besonderen Ausdrücken hervor, deren sich die Heilige Schrift bedient: «Es ward ihr gegeben, dass sie sich kleide.. .» Dieses Kleid ist also eine Gabe der reinen Gnade Gottes; der es gefällt, das anzuerkennen, was durch die Tätigkeit des Heiligen Geistes zur Ehre Christi hervorgebracht wurde.
Beachten wir noch, dass es die Hochzeit des Lammes ist, welcher Titel der Braut in Erinnerung rufen wird, dass ihr Herr für sie gelitten hat und geschlachtet worden ist. Dieser Gedanke ist wohl geeignet, in ihrem Herzen Lob, Dank und Anbetung hervorzurufen.
Die Freude wird auch den Himmel erfüllen, und die Heiligen bringen sie mit den Worten zum Ausdruck: «Lasst uns fröhlich sein und frohlocken.» In der Tat, der so lang herbeigesehnte Augenblick wird dann gekommen sein, wo sich Christus mit dieser Braut, für die Er Sein Leben dahingegeben hat, in geheimnisvoller Weise vereinigen wird. Auf die Freude Seines Herzens wird als mächtiges Echo die Freude des ganzen Himmels antworten, der in Jubel ausbrechen wird, «wie ein Rauschen vieler Wasser und wie ein Rollen starker Donner». Dieses Jubelgeschrei wird auch durch die Tatsache veranlasst, dass das Lamm sofort nach Seiner Hochzeit mit Seinem Weibe in Seiner Herrlichkeit und Seiner Macht als König der Könige und Herr der Herren erscheinen wird. Die weiteren Verse beschreiben tatsächlich eine feierliche Szene: Der Himmel öffnet sich und Christus selbst, reitend auf einem weissen Pferde, kommt hervor, um Seine Rechte vor aller Welt geltend zu machen, die Erde zu richten und Seine glorreiche Herrschaft anzutreten. «Und die Kriegsheere, die in dem Himmel sind, folgten ihm auf weissen Pferden, angetan mit weisser, feiner Leinwand» (V.14). Diese Kriegsheere sind zusammengesetzt aus den verherrlichten Heiligen und nicht aus den Engeln. Dieser feierliche Akt beschliesst die Zeitperiode zwischen der Entrückung der Versammlung und der Erscheinung Christi in Herrlichkeit.
Die Ruh auf immerdar erwartet uns am Throne;
Die Deinen dienen Dir dann voll Ergriffenheit.
Und alle werfen Dir zu Füssen jede Krone,
Sie beten, Herr, Dich an in alle Ewigkeit.
Beseligt wird die Braut in Deinen hehren Zügen,
Du Herr und Bräutigam, vollkommne Schönheit sehn.
Wie tief und weit vor ihr wird das Geheimnis liegen
Der Liebe und der Gnad, die wir dann ganz verstehn.
Fußnoten
- 1 Heben wir hervor, dass das Wort Gottes nur einen Erzengel, Michael, erwähnt (Jud 9).
- 2 Daher konnte der Herr Jesus nach Seiner Auferstehung essen, ohne danach Bedürfnis zu haben; ebenso erschien Er an verschiedenen, weit voneinander entlegenen Orten, ohne die Türen zu öffnen, oder Er wurde von einem Augenblick zum anderen unsichtbar.
- 3 Die Himmelfahrt des Herrn wurde vom ganzen Volk nicht bemerkt. So war es auch bei der Entrückung Henochs und der Himmelfahrt Elias (1. Mose 5,24; 2. Kön 2,10‑12). Der kommende Herr, der die Seinen heimholt, wird «der glänzende Morgenstern» genannt: Ein Stern zieht keine besondere Aufmerksamkeit auf sich und wird nur von denen beachtet, die den Himmel absuchen.
- 4 Es handelt sich hier nicht um die göttlichen Eigenschaften, sondern um die Heiligkeit, die die Menschheit Christi gekennzeichnet hat.
- 5 Wiewohl der Heilige Geist dann nicht mehr als Tröster und Sachwalter auf der Erde wohnt, wird Er weiter wirken, und zwar besonders in der Mitte Israels, während der Zeit der grossen Drangsal, um es zur Bekehrung zu bringen (vgl. Sach 12,10; Hes 39,29; Jes 59,20-21). Auch wird durch die Predigt des Evangeliums des Reiches eine grosse Anzahl Seelen aus den Nationen gerettet werden (Off 7,9 und 14), was ohne die Wirksamkeit des Heiligen Geistes nicht möglich wäre (1. Kor 12,3). Es ist also klar, dass der Heilige Geist sogar nach der Entrückung der Versammlung einen Dienst auf dieser Erde ausüben wird, wie Er es übrigens auch vor Pfingsten getan hat, in welcher Zeitepoche viele Seelen aus dem Geiste geboren wurden.
- 6 Dieser Zeitabschnitt entspricht der zweiten Hälfte der letzten Woche Daniels (dreieinhalb Jahre), umfasst also die grosse Drangsal.