Was von Anfang war
Eine Auslegung der Johannesbriefe
1.Johannes 5,13-21
Es fällt dem Leser auf, wie der Geist Gottes wiederholt darauf dringt, dass die Gläubigen nicht nur das ewige Leben besitzen, sondern auch über diesen Besitz Gewissheit haben sollen. Es könnte sein, dass jemand, wie es ja auch vor dem Kommen Christi auf die Erde der Fall war, das ewige Leben hat, ohne es zu wissen. Es gibt erwiesenermaßen auch heute nicht wenige Gläubige, bei denen sich deutliche Wirkungen und Ergebnisse dieses Lebens zeigen, obwohl sie keine Kenntnis von seinem Besitz haben. Die Seele des Gläubigen, dem dieses große Vorrecht unbekannt ist, erleidet aber durch mangelnde Erkenntnis verderblicher Einflüsse einen großen Verlust an der Freude in Gott; auch ist die praktische Folge eine Herabsetzung des Maßstabes für seinen Wandel. Wie kann ein solcher Christ, ohne die freudige Gewissheit des ewigen Lebens zu haben, Angst und Unruhe vermeiden, wenn er gleichsam von seinem Gewissen aufgefordert wird, sich zu prüfen, ob er bei allem Versagen auf seinem Lebensweg wirklich ein Christ ist?
Auch wird der Versucher ständig bemüht sein, ihn zu dem zu verleiten, was dem Herrn Unehre zufügt, um dann Misstrauen gegen die Gnade Gottes in sein Herz zu säen.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum der Geist Gottes immer wieder mit Nachdruck darauf hinweist, dass wir nicht nur die Kenntnis sondern, wie es hier heißt, die bewusste Kenntnis (oida statt ginöskö) über den Besitz des ewigen Lebens haben sollen. Es hat nämlich in und seit den Tagen der Apostel immer Gegner der Wahrheit gegeben, die es bestritten, dass man die Gewissheit des ewigen Lebens haben könne, und die damit dieses Leben als etwas sehr Unbestimmtes hinstellten. Es ist die typische Einstellung des Unglaubens durch alle Jahrhunderte hindurch, diese Gewissheit zu verdunkeln, oft unter dem scheinheiligen Vorwand unserer Unwissenheit, Unwürdigkeit und unserer Neigung zum Irrtum, und diese Eigenschaften sind ja bei uns leider vorhanden. Hier geht es aber gar nicht um diese Frage, sondern darum, ob Christus Seine Gabe des ewigen Lebens dem Gläubigen jetzt bereits vollständig und in aller Klarheit offenbart hat oder nicht. Es ist eine völlig falsche Auffassung, dass dieses Vorrecht nur gewissen bevorzugten und besonders geistlichen Gliedern der Familie Gottes vorbehalten sei. Das Neue Testament zeigt uns dieses Teil als den bewussten Besitz aller, die an den Sohn Gottes glauben. Nichts kann gewisser sein, als dass Gott jedes Kind Seiner Familie liebt. Sein Wort spricht daher in bestimmtester Weise davon, dass jeder Gläubige dieses Vorrecht innerlich festhalten und genießen und dass er es praktisch verwirklichen soll in der persönlichen Gemeinschaft, in der Anbetung und im Wandel, auch wenn er noch keine großen geistlichen Fortschritte gemacht hat. Ebenso klar zeigt uns das Wort, dass das natürliche Leben, das Leben im Fleische, das für Gott stets hassenswürdig war, von dem Christen durch die Wirksamkeit Christi und Seines Geistes in zunehmendem Maße verabscheut werden muss. Er muss das sündige Leben verleugnen und ablegen und im Glauben gemäß seiner neuen Natur wandeln, deren einzig vollkommenes Vorbild Christus ist. Diese neue Natur wird hier sowie im Johannesevangelium als das „ewige Leben“ bezeichnet. Es ist das Leben Christi, das durch Gnade nun auch „unser Leben“ geworden ist.
Die Aufgabe des Apostels Johannes bestand nicht so sehr darin, das Erlösungswerk Christi vorzustellen (obwohl er es auch erwähnt im Zusammenhang mit der himmlischen Herrlichkeit und Gottes großen zukünftigen Ratschlüssen für das ganze Universum), er offenbart mehr die persönliche Würde und Gnade des Herrn, dessen Herrlichkeit sowohl dem Leben, das Er mitteilt, wie auch Seinem Werk den rechten Wert verleiht. Gott kann gerechterweise und entsprechend allem, was Er in Seinem Sohne sieht, Seine Freude an den Ratschlüssen haben, deren Erfüllung noch zukünftig ist. Jedes Verweilen bei unserer eigenen Würdigkeit oder Unwürdigkeit ist daher völlig unberechtigt. Es ist nicht mehr eine Frage des ersten, gefallenen Menschen, sondern ausschließlich des zweiten, Christus, unseres Herrn. Er Selbst und das, was Er erworben hat, ist uns von Gott gegeben und stellt unsere Grundlage dar. Welchen Anspruch erheben doch Seine Person und Sein Werk vor Gott, der Ihn allein vollkommen wertzuschätzen vermag; und für wen stellt Christus diese Ansprüche? gewiss nicht für Sich selbst, denn Er war als Sohn eins mit dem Vater und von Ewigkeit her der Gegenstand Seiner Liebe. Er kam herab, um Sich selber hinzugeben und damit für Gottes Ehre einzutreten und die vollkommene Liebe Gottes zur Darstellung zu bringen. Das war die göttliche Antwort auf die Lüge Satans, der sich selbst gegen Gott empört hatte und nun danach trachtete, auch den Menschen unter den Zorn Gottes zu bringen, was ihm offensichtlich gelungen ist. Aber Gottes Ratschlüsse können niemals zunichte gemacht werden. Er wird sie mit völliger Gewissheit auf der Grundlage der Erlösung vollenden. Denn der Erlösungsplan wurde keineswegs von Gott nachträglich eingeführt, wie auch alle anderen göttlichen Ratschlüsse nicht gefasst wurden, weil irgendeine Seiner Absichten versagt hätte. Kundgetan wurden Seine Ratschlüsse uns, den Gläubigen, erst nach dem völligen Versagen des Menschen hier auf Erden. Doch ebenso wie Gottes Liebe bestanden auch Seine Ratschlüsse bereits vor aller Schöpfung, wie der Apostel Paulus uns in Epheser 1,3–14; Kolosser 1,26; 2. Timotheus 1,9 und Titus 1,2 bezeugt.
Johannes wurde es in besonderer Weise gegeben, tiefe Einsicht in die Natur Gottes zu gewinnen. Dementsprechend beschäftigt er sich auch so viel mit der ewigen Person des Herrn sowie mit Ihm, als im Fleische gekommen, um die Herzen der Gläubigen zu befestigen und sie über die traurige Tatsache zu erheben, dass die Kirche äußerlich zu völliger Unterordnung und zum Ruin abgesunken ist. Damit weist er auch auf das nahende Gericht Gottes hin, das an Seinem Hause beginnt. Das stets größer werdende Verderben innerhalb der Christenheit bietet uns jedoch keinerlei Grund dafür, unser Vertrauen auf Christus im Geringsten erschüttern oder schwinden zu lassen. Auf welche Weise wird das Herz des Gläubigen durch den Geist Gottes gestärkt? Indem Er uns hinweist auf das ewige Leben, das bei dem Vater war, ehe die Schöpfung entstand und ehe Gott in der Person des Herrn Jesus als wahrer Mensch hernieder kam und uns das ewige Leben als einen ebenso bewussten Besitz mitteilte, wie wir es am Tage der Herrlichkeit besitzen werden. Es ist selbstverständlich bereits heute unser Teil in Ihm durch den Glauben. Es wäre eine merkwürdige Lehre, die behaupten würde, dass ein gegenwärtiges Teil nicht ebenso gut durch den Glauben jetzt unser ist, wie das Zukünftige, das wir erwarten (1. Kor 3,22). Das gilt in erhöhtem Maße für das Leben in Christus.
Worte können nicht klarer sein als das, was der Herr in Johannes 5,24 und der Apostel in Vers 12 unseres Kapitels sagen. Es könnte sein, dass wir eine Kenntnis haben von etwas, was wir zu empfangen begehren, ohne innerlich ganz davon überzeugt zu sein, weil wir es noch nicht praktisch besitzen. Kein „Pelagianer“ ist je so weit gegangen, zu leugnen, dass der Gläubige schon jetzt ewiges Leben besitzen könne, obwohl er versuchen könnte, dieses ewige Leben wegzudiskutieren. Es blieb aber dem modernen Wiedererstehen einiger gnostischer Irrlehren vorbehalten, die Wahrheit über das ewige Leben gänzlich umzustürzen; dieser Brief gibt aber jedenfalls nicht den geringsten Anhaltspunkt dazu. Keine orthodoxe Glaubensrichtung hat sich diesem schrecklichen Irrtum je angeschlossen.
Die schlimmsten Irrtümer schießen heute üppiger auf denn je, und der Unglaube scheint kein Schamgefühl mehr zu besitzen. Es gibt heute kaum eine Vereinigung bekennender Christen, die den Ruf einer kirchlichen Körperschaft genießt, in der nicht Zweifel an der Heiligen Schrift mehr oder weniger am Werke sind. Ich selber kann mich noch an die Zeiten erinnern, als derartig verderbliches Übel in kirchlichen Kreisen noch unbekannt und nur bei denen zu finden war, die „außerhalb“ standen. Auch hatte der Unglaube seine Opposition gegen Gottes Autorität in den Schriften damals noch nicht mit dem „wissenschaftlichen“ Schleier der „literarischen und historischen Forschung“ getarnt. Man verwarf offen Gottes Wort, weigerte sich, Glaubensartikel zu unterzeichnen, die Seine Autorität bestätigten und verzichtete lieber als Folge auf entsprechende Ämter und Vergünstigungen. Die heutige Generation sagt sich dagegen von der allgemeinen Ehrbarkeit los, sichert sich aber trotzdem irdische Ehren und Vorteile. Wo wird das alles enden? In dem Abfall und dem Menschen der Sünde; die Anhänger der weltlichen Religion dagegen werden in Satans „ Geheimnis, Babylon, der großen, der Mutter der Huren und der Gräuel der Erde“ aufgehen.
Wir wollen nun die abschließenden Bemerkungen des Apostels betrachten. „Dies habe ich euch geschrieben“ (oder: „schrieb ich euch“, der in den Briefen übliche Aorist), „auf dass ihr wisset, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes“ (V. 13). Die Gnade konnte in uns nur Sünde und Tod finden; sie gibt uns das Beste, was Gott zu geben hatte, und zwar durch den Glauben an Seinen Sohn, den Herrn Jesus. Was wäre geeigneter und notwendiger für uns als das ewige Leben, die göttliche Natur, die Gott und Seinen Sohn und alles Gute und Heilige liebt. Sie hasst die Sünde und liebt die Gerechtigkeit in Übereinstimmung mit dem vollkommenen Gesetz der Freiheit; sie ist Gott gehorsam, nicht zwangsweise wie bei den Juden, sondern aus Kindesliebe wie bei unserem Herrn. Wie unheilvoll sind alle Lehrsysteme, welche die alten Überzeugungen zugunsten von neuartigen und zügellosen Ideen verlassen. Man behauptet nicht nur, dass man keine Gewissheit über den Besitz des ewigen Lebens haben könne, sondern versteigt sich zu der Behauptung, dass niemand das ewige Leben jetzt schon besitzen könne. Das ewige Leben ist die unentbehrliche Grundlage dafür, dass wir in den „guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat“, wandeln können, von denen der Apostel Paulus in Epheser 2,10 spricht. Der Apostel Johannes teilt uns an dieser Stelle – wie übrigens vom Anfang seines Briefes an – alles mit, was uns in Christus befestigen und jeden Verführer abwehren kann, so dass niemand hier einen Vorwand für Zweifel oder Unglauben findet. Zuerst hatte er die überragende Vortrefflichkeit und Fülle des Lebens in Christus gezeigt als den Gegenstand des Glaubens und der Liebe unserer Seele. Hier, im letzten Kapitel, legt er das Gewicht darauf, dass der Gläubige dieses Leben besitzt und sich dessen völlig bewusst ist. So steht alles an seinem rechten Platz; es ist der Würde des Sohnes und der Freude des Vaters angemessen und erhöht den Segen, der dem Gläubigen zuteil wird. Dieses Leben ist das erste Gnadengeschenk an die Seele, die Grundlage für die Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem Sohne; es ist das, worauf der Heilige Geist als der Sachwalter in jedem Augenblick unseres Wandels hienieden einwirkt. Wie gewaltig ist dann der Verlust, wie unermesslich der Irrtum aller, die dieses Gift eingesogen haben und unter irgendwelchen Vorwänden leichtfertig an der Wahrheit vorübergehen oder gar ihr Verhalten heuchlerisch zu rechtfertigen versuchen!
Wir kommen noch zu einem weiteren wichtigen Punkt. Es handelt sich um die Zuversicht oder Freimütigkeit des Herzens, die wir für unseren Zugang zu Gott als Seine Kinder brauchen. Ohne das Bewusstsein, ewiges Leben zu besitzen und in das Verhältnis von Kindern zum Vater versetzt zu sein, könnte diese Freimütigkeit unmöglich vorhanden sein. Sowohl das ewige Leben wie das Kindesverhältnis sind Vorrechte, an denen wir uns jetzt schon erfreuen dürfen. Kein Wunder, dass diejenigen, die an keines dieser beiden glauben, unsere Freimütigkeit als eine unerhörte Anmaßung bezeichnen. Wie können sie wohl die Aussagen unseres Kapitels und viele andere Stellen, die das gleiche bezeugen, ernsthaft lesen, ohne zu erkennen, dass Gott dieses Zutrauen von Seinen Kindern erwartet? Er hat diese Worte niederschreiben lassen, um Seine Kinder zu ermuntern und um sie im Selbstgericht erkennen zu lassen, wo sie dieses Zutrauen durch irgendwelche Hindernisse beeinträchtigen ließen. Es ist ja gerade der belebende Faktor im Gebet des Christen; jede unserer Bitten sollte von dieser Gewissheit durchdrungen sein. Das soll nicht heißen, dass man aufhören soll zu beten, wenn diese vertrauensvolle Freimütigkeit nicht vorhanden ist. Wir sollten nicht das Gleichnis vergessen, das der Herr in Lukas 18,1–8 Seinen Jüngern sagte, „dass sie allezeit beten und nicht ermatten sollten“. Sind die Bitten nicht von diesem Grundsatz geprägt, dann fehlt ihnen der eigentliche Charakter des Gebets eines Gotteskindes. In einem solchen Fall sollte man ernstlich danach trachten, den toten Ballast loszuwerden und sich heilige Kühnheit im Gebet schenken zu lassen. Wir besitzen das ewige Leben und die Erlösung und sind in die innigsten Beziehungen zu Gott gebracht. Doch befinden wir uns inmitten einer Welt des Unglaubens, die keinen Anteil an diesen Vorrechten hat, sich aber in Selbstbetrug in ihrer religiösen Stellung korporativ, wenn nicht individuell sicher fühlt. Diese Tatsache erzeugt aber für uns und unsere Brüder fortwährend eine Unzahl von Gefahren, Schwierigkeiten und Nöten. Das Hilfsmittel in diesen Umständen ist das Gebet, zu welchem Gott uns ermuntert, auch wenn es nicht stets ein Gebet des Glaubens, sondern ein Rufen aus großer Bestürzung heraus sein mag. Wäre unser Auge wirklich einfältig, so würden wir mit mehr Freimütigkeit im Heiligen Geiste beten. Dennoch sollten wir uns stets selbst dazu ermuntern, zu Gott als zu unserem Vater zu rufen, der uns bereits geliebt hat, als nichts Liebenswertes an uns war, und uns jetzt als Seine Kinder im Schmuck des „besten Kleides“ liebt, denn solche sind wir jetzt als Christen in dieser Welt. Wäre es uns überlassen worden, unter den stärksten Beweisen Seiner Liebe zu uns auszuwählen, hätten wir dann wohl irgendetwas erbitten können, was sich mit dem vergleichen ließe, was Er uns in Christus durch Sein unverbrüchliches Wort zugesagt hat?
Lasst uns daher, indem wir in der Liebe verharren, in Gott bleiben; dann bleibt Er in uns (Kap. 4,13). Dann werden durch Seine Gnade alle großen und kleineren Hindernisse beseitigt, und wir empfangen Freimütigkeit durch die unwandelbare Liebe in dieser Welt, die stets dem Wechsel unterworfen ist. Gott hat Wohlgefallen daran, wenn wir kühn mit Seiner Fürsorge rechnen in allen unseren Übungen, Bedürfnissen, Besorgnissen durch Krankheit, in schmerzlichen Umständen, ja, in allem, worin wir Tag für Tag auf die Probe gestellt werden. Wie sollten da unsere Empfindungen sein? Besitzen wir die Freimütigkeit des Glaubens in unserem täglichen Umgang mit Gott? Rechnen wir völlig mit Ihm aufgrund der Gnade, die uns von Tod und Sünden befreit und uns das Leben und den Heiligen Geist gegeben hat? Sollten wir dann, wenn es sich um die geringen Nöte dieses Lebens handelt, uns ängstigen und zweifeln? Das wäre inkonsequent und Seiner Liebe unwürdig. Haben wir in kühnem Glauben die höchsten Segnungen ergriffen, dann Lasst uns auch hinsichtlich dieser geringsten Dinge des täglichen Lebens Zuversicht bewahren. Lasst uns nicht daran zweifeln, dass Er in Seiner Liebe an allem teilnimmt, was Er zu unserer Erprobung zulässt oder uns schickt. Er ruft uns hier zu: „Dies ist die Zuversicht, die wir zu ihm haben, dass, wenn wir etwas nach seinem Willen bitten, er uns hört. „ gewiss sollten wir uns schämen, irgendetwas gegen Seinen Willen zu bitten. Sein Wort lässt uns darüber nicht im Unklaren, was Seinem Willen entspricht und was nicht. Doch es geht noch weiter: „ Und wenn wir wissen, dass er uns hört, um was irgend wir bitten, so wissen wir, dass wir die Bitten haben, die wir von ihm erbeten haben“ (V. 14 u. 15). Lasst uns doch nicht an Ihm zweifeln in diesen verhältnismäßig geringfügigen Prüfungen, nachdem wir Seine unendliche Liebe in den tiefsten Nöten der Seele erfahren haben! Wie beweist uns doch das 4. Kapitel, dass in Christus keine menschlichen Nöte zu groß sind, und diese Verse in Kapitel 5, dass nichts zu klein ist für die Liebe Gottes. Wir vergessen so leicht, in dem Augenblick zu handeln, wo Er unsere Bitte beantworten will, und rufen dann zu Ihm zu einer Zeit, zu der Er nicht auf unsere Bitten eingehen kann. Es geziemt sich stets für uns, zu Gott zu beten, und für uns und andere fließt reicher Segen daraus hervor. Doch fehlt dem Gebet das Wesentliche, wenn es nicht in der Freimütigkeit vorgebracht wird, durch die Gottes Liebe zu uns verherrlicht wird. Lasst uns in dem Bewusstsein, dass wir Seine Kinder sind und Leben und Erlösung empfangen haben, alles verurteilen, was sich uns diesbezüglich hindernd in den Weg stellt. Trotz Sünde und Satan besitzen wir jetzt schon diese unvergleichlichen Vorrechte als Anrecht auf die ewige Herrlichkeit; über allem aber haben wir den Sohn, den Vater und den Heiligen Geist. Wir sind gesegnet mit Dem, der den Segen spendet. Jene Gläubigen, die diese Segnungen auf den Tag der Herrlichkeit hinausschieben, haben wohl recht bezüglich jenes Tages, sind aber völlig im Unrecht, wenn sie sich ihre eigentliche Freude in der Gegenwart versagen. Jetzt ist die Zeit, in der wir diese Segnungen benötigen; wir brauchen sie am nötigsten am bösen Tage, zur Verherrlichung Gottes und zugunsten Seiner Kinder. Am Tage der Herrlichkeit werden wir nicht mehr zur Freimütigkeit im Gebet ermahnt werden müssen, dann wird alles von Lobpreis erfüllt sein. Solange wir uns aber noch in dieser Welt mit all ihren Schwierigkeiten und Gefahren befinden, besteht die dringende Notwendigkeit für solches Gebet. Zudem ist es die Zeit reichster Segnung für denjenigen Gläubigen, der weiß, dass Christus in dem Vater, wir in Ihm und Er in uns ist. Es ist daher gerade jetzt der Zeitpunkt, Gott mit Freimütigkeit um jedes und alles bitten, was Seinem Willen entspricht; andere Dinge zu begehren, wagen wir nicht. Und wir wissen, dass Er uns hört. Wie falsch wäre es, daran zu zweifeln! Hat Gott nicht Seine vollkommene und immerwährende Liebe zu uns unter Beweis gestellt? Er mag es für gut befinden, uns durch eine schwere Übung zu erproben. Einen Gläubigen, der vielleicht in einer Gott nicht wohlgefälligen Weise um Geld besorgt ist, kann Er jeden Pfennig verlieren lassen inmitten einer Welt, wo jeder Pfennig zählt; der Gläubige weiß vielleicht nicht mehr, woher er sein Frühstück nehmen soll. Soll er deswegen an Gottes Güte und Weisheit zweifeln, die er ebenso gut kennen gelernt hat wie seine eigene Torheit? Nein, er darf Gott bitten, nach Seinem Willen zu handeln, in der Gewissheit, dass Er ihn hört und dass wir „die Bitten haben, die wir von ihm erbeten haben“.
Ich entsinne mich, dass ein gottesfürchtiger ehemaliger Geistlicher vor etwa fünfzig Jahren auf der Straße von einem Freunde danach gefragt wurde, wie er und seine Familie denn lebten. Er antwortete, das könne er selbst nicht genau sagen, doch sicher wäre, dass sie durch Gottes Gnade lebten. Da kam gerade der Postbote und übergab ihm ohne weitere Worte eine Banknote. Der Gefragte zeigte sie seinem Freunde mit der Bemerkung: „Das ist ein Beispiel dafür, wie ich lebe!“ Wir haben einen lebendigen Gott, der dem Glauben so begegnet, wie es Seinen Wegen entspricht, mögen die Umstände noch so schwierig sein. Schwere Prüfungen sind auch heute noch für einen Gläubigen ebenso ehrenvoll wie seinerzeit für einen Abraham. Es mag solche geben, denen der Herr nur wenig auferlegt, weil sie glaubensschwach sind und nicht mehr ertragen könnten. Wer aber stark im Herrn ist, wird sicherlich auf die Probe gestellt werden, und zwar zu seinem eigenen Segen. Es steht geschrieben: „Er zieht seine Augen nicht ab von dem Gerechten“ (Hiob 36,7). Wir sind von Not, Elend und Kummer umgeben; deshalb sollten wir aber nicht so intensiv mit dem Gefühl unserer eigenen Schwierigkeiten beschäftigt und der Not anderer gegenüber abgestumpft sein. Wir müssen daran denken, dass auch andere, die durch die Gnade in das gleiche Verhältnis zu Gott gebracht sind, auf mancherlei Weise schwer zu leiden haben. Sollten wir Gott nicht ebenso herzlich für sie bitten, wie wir es für uns selbst tun, und uns damit als rechte Brüder in Christus erweisen?
Für jeden einzelnen Gläubigen gilt es, dieses kühne Vertrauen zu der Liebe Gottes praktisch zu verwirklichen. Dann lernen wir auch, unserem eigenen Willen zu Misstrauen und nur um das zu bitten, von dem wir sicher sind, dass es Seinem Willen entspricht. Und was wird das Ergebnis davon sein? „Er hört uns. „ Wir haben nicht nur das Vorrecht, wir werden geradezu gedrängt, Ihm, der uns alle liebt und kennt, vertrauensvoll unsere Bitten zu bringen und mit Seiner gnädigen Erhörung zu rechnen. Und wenn wir wissen, dass Er uns hört (es ist kein formales, sondern ein inwendiges, bewusstes Wissen), um was irgend wir bitten, so wissen wir (auch hier das gleiche inwendige Wissen), dass wir die Bitten haben, die wir von Ihm erbeten haben. Was könnte dem Glaubenden wohl mehr Freimütigkeit geben? Die Erhörung mag nicht unseren eigenen Gedanken entsprechen, sie ist aber Seine viel weisere, tiefer gehende und liebevolle Antwort auf unsere Bitte.
Alles gründet sich auf die Liebe Gottes. Als wir noch Sünder waren, gab Er Christus für uns dahin; jetzt, wo wir Seine Heiligen sind, ist Christus Seine Gabe an uns, wobei der Heilige Geist mitwirkt, um in unseren Herzen und Wegen alles zum Guten zu wenden. Wenn Gott uns nun dazu ermuntert, mit Freimütigkeit zu bitten, dann doch wegen unserer ständigen Neigung, nicht nach Seinem Willen zu bitten, es sei denn, dass wir in der Erkenntnis Seines Wortes weiter fortgeschritten sind. Hierin liegt der praktische Wert unserer Bemühungen um ein tieferes geistliches Verständnis der Heiligen Schrift.
Gott misst Seinem Wort höchste Bedeutung bei; auch der Herr und die Apostel taten es, und die gleiche Wertschätzung sollte bei uns gefunden werden. Wie erbärmlich ist es, der Liebe Gottes, der überschwänglichen Fülle der Wahrheit in der Heiligen Schrift und der Gabe des Geistes, der die Schreiber inspirierte, den Rücken zu kehren und sich mit weiter nichts als der eigenen Errettung zu beschäftigen. Das würde bedeuten, für die offenbarten unzähligen Reichtümer der Gnade blind zu sein und unsere Seelen geistlich hungern zu lassen.
In den Versen 16 und 17 befasst sich der Apostel mit der heiklen Frage, ob unsere Bitte vor Gott wohlgefällig ist oder nicht vor Ihn gebracht werden sollte. „Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tode, so wird er bitten, und er wird ihm das Leben geben, denen, die nicht zum Tode sündigen. Es gibt Sünde zum Tode; nicht für diese sage ich, dass er bitten solle. Jede Ungerechtigkeit ist Sünde; und es gibt Sünde, die nicht zum Tode ist. „ Diese Stelle bereitet oft Schwierigkeiten, weil man mit Vorurteilen an sie herangeht und übersieht, dass Gott auch mit den Seinen Seine Regierungswege geht. Es handelt sich um die Frage, die schon im Buch Hiob erörtert wird und bei deren Behandlung die drei Freunde Hiobs so offenbar versagten. Das Neue Testament spricht ganz klar darüber in Johannes 15,1–10; 1. Korinther 11,27–32; Hebräer 12, 5–11 und 1. Petrus 1,17 und an anderen Stellen, wie auch hier. Es handelt sich keineswegs um den „zweiten Tod“, sondern um einen Gläubigen, der wegen der Schwere oder den Umständen seiner Sünde aus dieser Welt weggenommen wird. Gott ahndet seine Sünde mit dem leiblichen Tod. Dabei kann es sich, wie wir aus dem Alten Testament ersehen, um Gläubige handeln, die mit hohen Ehren ausgestattet waren, wie Mose und Aaron, die Jehova in Kades sehr erzürnt hatten (4. Mose 20). Das Gericht kann auch unmittelbar ausgeführt werden, wie wir es bei Ananias und Saphira finden (Apg 5). Der Grundsatz wird den Korinthern durch den Apostel Paulus in seinem Brief erläutert (1. Kor 11); viele von ihnen waren nicht nur krank und schwach, sondern auch ein gut Teil war entschlafen. Es heißt dort: „Aber wenn wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, auf dass wir nicht mit der Welt verurteilt werden. „ Die Korinther waren also in verschiedenen Schweregraden gezüchtigt worden, dabei war auch die „Sünde zum Tode“ bestraft worden. Der Herr züchtigt Seine irrenden Heiligen, jedoch ausdrücklich zu dem Zweck, dass sie nicht wie die Welt zum zweiten Tode verdammt werden müssen.
Es wäre also durchaus nicht nach den Gedanken des Herrn, für die Erhaltung des irdischen Lebens eines Bruders zu bitten, den der Herr wegen seiner Sünde durch den leiblichen Tod züchtigen wollte. Die Welt tut nichts anderes als sündigen, sie verwirft den Herrn; sie wird daher für den schrecklichen zweiten Tod, für das ewige Gericht, aufbewahrt. Wollte man diesen Gedanken aber in unsere obigen Verse hineinlegen, so würde man die geistliche Belehrung dieser Stelle nur verwirren. Andererseits zeigen diese Verse aber auch die Gnade, in der Gott Sich herablässt, unsere Freimütigkeit in Seiner Gegenwart uneingeschränkt zu erhalten und uns nur vor einem Irrtum zu bewahren, dem wir sonst verfallen würden.
Eine Lüge ist, besonders bei einem Christen, eine schwere Sünde. Von Anfang an ist diese Sünde aber häufig begangen worden, ohne den Tod nach sich zu ziehen. Durch das Herniederkommen des Heiligen Geistes und die reiche Wirksamkeit der Gnade und Macht in jenen Tagen war eine Lüge aber in Gottes Augen eine besonders schwere Sünde. Auch machten die Heuchelei und vorsätzliche Vereinbarung jener Ehegatten, die beide die ernste Beschuldigung des Petrus ableugneten, diesen Fall so schwerwiegend, dass eine offenbare Sünde zum Tode vorlag (Apg 5). Diese Lüge konnte umso weniger geduldet werden, als Gott gerade Seine wunderbaren Segnungen zur Verherrlichung Seines Sohnes austeilte. Wie verwerflich war es da, ein Maß an Ergebenheit vorzutäuschen, das gar nicht vorhanden war! Das gleiche gilt für Korinth, wo außerdem das Mahl des Herrn durch den schlechten Lebenswandel der Gläubigen entehrt wurde (1. Kor 11).
Das erinnert mich an einen bemerkenswerten Fall, den ich vor Jahren selbst erlebte. Ein Bruder, der sich offenbar bei bester leiblicher Gesundheit befand, wurde plötzlich aufs Krankenlager gelegt. Ich besuchte ihn daraufhin. Da er Mediziner war, konnte er seinen eigenen Zustand sicher besser beurteilen als andere. Er erklärte mir ganz ruhig, jedoch nicht ohne tiefen Ernst und Ergriffenheit, dass er bald sterben werde. Es waren keinerlei Anzeichen einer Krankheit vorhanden, auch vermochte er selbst nicht zu sagen, was ihm fehlte. Trotzdem war er völlig überzeugt, dass seine letzte Stunde auf Erden nahe. Er fügte hinzu: „Ich habe eine Sünde zum Tode begangen“, und vertraute mir dann an, um was es sich handle. Er hatte kein Verlangen weiterzuleben; weder betete er selbst darum, noch bat er mich, für ihn zu beten. Er beugte sich unter die Züchtigung des Herrn; es schmerzte ihn nur, dass seine Sünde sie verursacht hatte. Doch war er ganz zufrieden, abzuscheiden, um beim Herrn zu sein. Er ist dann auch tatsächlich entschlafen. Er anerkannte die gerechte Handlungsweise des Herrn und starb ohne jeden Zweifel über seine Annahme bei dem Herrn.
Es handelt sich hier zweifellos um ein ernstes Mittel, das der Herr anwendet; es gibt auch keinen Grund zu der Annahme, dass Er nur zu gewissen Zeiten zu einem solchen Zuchtmittel greift. Worin besteht aber der große Unterschied hinsichtlich der Folgen einer Sünde? Nicht die Ungeheuerlichkeit der Sünde an sich ist ausschlaggebend; es geht um die besonderen Umstände, unter denen sie begangen wird, die sie so abscheulich in Gottes Augen macht. Diesen Unterschied zu erkennen, erfordert geistliche Einsicht bei dem Betreffenden, der in einem solchen Fall selber keine Fürbitte wünschen und auch keinerlei Verlangen haben wird weiterzuleben. In dem erwähnten Fall wusste der Bruder, dass Fürbitte nicht am Platz gewesen wäre. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass für ihn diesbezüglich gebetet worden wäre; er starb tatsächlich innerhalb kurzer Zeit. Unter normalen Umständen ist die Fürbitte ja gerade das, wozu wir aufgefordert werden. Unser Mitgefühl wendet sich den Kranken zu, wir möchten sie gerne noch länger bei uns behalten. Es erfreut uns, ihre christliche Einstellung wahrzunehmen, die Erprobung ihres Glaubens auf die eine oder andere Weise und ihre Geduld in der Prüfung zu sehen. Das dient dann zu unserer eigenen Förderung.
„Es gibt Sünde zum Tode“, so heißt es richtig; nicht: „eine Sünde zum Tode“ (wie manche das griech. Substantiv ohne Artikel übersetzen, Anm. d. Üb.). „Jede Ungerechtigkeit ist Sünde. „ Jede Tat, die nicht mit unserer Stellung in Christus übereinstimmt, ist Sünde; denn wir sind hier gelassen, um den Willen Gottes zu tun. Doch nur die besonderen Umstände, die sie im privaten oder öffentlichen Bereich zu einer groben Beleidigung Gottes machen, können sie eine „Sünde zum Tode“ werden lassen. Im Allgemeinen ist sie dieses nicht.
Die Verse 18 bis 21 bilden einen Abschluss, der dieses Briefes würdig ist. In jenen ersten Tagen schienen manche anfänglich gut zu laufen, bewiesen dann aber ihren Mangel an wahrem Glauben und Leben, indem sie sich von Christus abwandten und der fälschlich so genannten Kenntnis (gnösis) zuwandten und schließlich offene Feindschaft gegen den Vater und den Sohn an den Tag legten. Angesichts dieser Missstände macht sich der Apostel eins mit all den Gläubigen, die durch die Gnade befähigt sind, zu sagen: „Wir wissen ...!“ (oidamen). Diese besitzen ein inneres Wissen, das einst von außen her aufgenommen worden war. Bei denen, die nicht aus Gott geboren waren, konnte es zu keinem fest verankerten Bewusstsein in ihrem Geist kommen, wie dies bei jedem Gotteskinde der Fall ist. Gotteskinder legen keinen Wert auf jene äußerliche Kenntnis, die den natürlichen Menschen begeistert und irreführt. Jene anderen waren lediglich Gnostiker, deren Ehre in ihrer Schande, in Fabeln und Philosophie bestand. Nicht nur die Antichristen, sondern auch die alten Kirchenväter, wie Clemens von Alexandrien und ähnliche Männer, waren dadurch gekennzeichnet. Doch die wahren Jünger des Herrn finden in Christus alle einstmals verborgenen Schätze göttlicher Weisheit und Erkenntnis, ob sie nun Christus auf Erden betrachten oder aber in den Himmeln, wo das „Geheimnis“ der paulinischen Briefe geschaut wird. Bei diesem Bestreben werden sie durch den Heiligen Geist in die ganze Wahrheit geleitet, die zwar alt, doch stets neu und von einer Frische ist, wie kein irdisches Wissen sie aufweist. Denn der Heilige Geist empfängt nur von den Dingen Christi und verkündigt sie uns, wie wir das in dem geschriebenen Wort jetzt vor uns sehen.
„Wir wissen, dass jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt; sondern der aus Gott Geborene bewahrt sich, und der Böse tastet ihn nicht an.“ Hier wird uns das göttlich gewirkte Bewusstsein gezeigt, das jeder persönlich haben muss. Es ist für das Herz des Christen von unmittelbarer und tiefer Bedeutung und soll in seiner Seele stets hell und klar erhalten bleiben. Der Form nach sehen wir weiter nichts als eine umfassende, abstrakte Feststellung, in die der Glaube aber einzudringen und die er zu verwirklichen vermag. Es liegt ein kleiner Unterschied zwischen den beiden Ausdrücken „der aus Gott geboren ist“ und „der aus Gott Geborene“, obwohl sich beide auf die gleiche Person, den Gläubigen, beziehen. Bei dem ersten Ausdruck wird die fortdauernde Wirkung des also Geborenseins hervorgehoben, im zweiten Fall wird die Tatsache des Geborenseins nur mitgeteilt, ohne Bezugnahme auf die Fortdauer. In den Augen der Gnostiker war die Sünde etwas Belangloses, das man ignorieren, oder aber als etwas Unangenehmes, aber Unvermeidliches abtun konnte (die Ansichten dieser Leute gingen nämlich ziemlich weit auseinander). Anders für die wahren Kinder Gottes, für welche die Sünde, wie auch für Gott Selbst, eine schwerwiegende Sache ist. Die ernste Mitteilung, dass der aus Gott Geborene nicht sündigt und vom Bösen nicht angetastet wird, bedeutete daher für sie zugleich eine Tröstung wie auch eine Warnung. Denn Gottes Wort ist lebendig und wirksam wie kein anderes Wort; auch wohnt der Heilige Geist in jedem Gläubigen und verleiht diesem Wort Nachdruck. So wird unser Leben hienieden von Gemeinschaft und Wandel, von Dienst und Anbetung ausgefüllt.
„Wir wissen, dass wir aus Gott sind, und die ganze Welt liegt in dem Bösen“ (darunter kann sowohl der Satan wie auch das Böse an sich verstanden werden). Hier ist keine Unklarheit zu finden, keine Abschwächung des absoluten Gegensatzes, der zwischen uns als der Familie Gottes und der Welt in ihrer furchtbaren Unterwerfung unter den Bösen besteht. Der Trennungsstrich wird klar gezogen. Mit der gleichen inneren Überzeugung, mit der die Gläubigen die Tatsache erkannten, dass ihr neues Leben seinen Ursprung in Gott Selbst hatte, erkannten sie auch, dass die ganze Welt der Macht des Bösen unterworfen ist. Könnten die beiden Seiten deutlicher abgegrenzt werden? Auf der einen Seite ist Gott die Quelle und der Ursprung von allem, auf der anderen Seite herrscht völlige Unterwerfung unter Satan. Es geht hier nicht um die Versammlung, die im Gegensatz zu Juden und Heiden steht und von diesen angefeindet wird. Es handelt sich um die persönliche Gewissheit, dass „wir aus Gott“ sind, die ganze Welt aber, ohne es gewahr zu werden, unter der Knechtschaft Satans liegt, wie uns nur zu gut bekannt ist. Es gehört zum neuen Leben, die erkannten Segnungen durch den Glauben in Besitz zu nehmen und dem göttlichen Willen entsprechend auf uns selbst anzuwenden.
„Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns ein Verständnis gegeben hat, auf dass wir den Wahrhaftigen kennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohne Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“ Der bewusst gekannte Gegenstand des Glaubens, der Sohn Gottes, der bereits gekommen ist, ist von der gleichen Bedeutung für uns wie die neue Natur und ihr göttlicher Ursprung; und hier wird uns gesagt, dass wir mit Ihm in vollkommener Weise verbunden sind. Auch hier handelt es sich um das innere Wissen wie in den vorherigen Versen. „Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist. „ Das steht in deutlichem Gegensatz zu der Erwartung der Juden, die auf das Kommen dessen warten, der in jeder Beziehung völlig minderwertig sein wird; doch auch im Gegensatz zu den Heiden, die Gott nicht kennen, Dämonen anbeten und, wenn möglich, in noch tieferer Unwissenheit stehen. Doch der Sohn Gottes, der alles ins Dasein rief, wurde in Seiner unendlichen Liebe Mensch, um uns nicht nur ewiges Leben mitzuteilen, sondern Sich Selbst als eine Sühnung für unsere Sünden in den Tod zu geben, wie die Schrift es bezeugt.
„O, wie gewaltig war Sein Wort: Es werde!“
Durch das Er schuf die Himmel und die Erde.
Doch noch gewaltiger war Seine Macht
in dem Erlösungswerk, das Er vollbracht.“
Hier wird uns nun gesagt, dass Er kam, um uns Verständnis zu geben, den Wahrhaftigen, den wahren Gott, zu kennen. Denn nur Er allein war fähig, das vollkommene Abbild des unsichtbaren Gottes in einer Welt darzustellen, die voller Finsternis, Unreinheit und Todesschatten ist; in einer Welt, hinter der sich die unsichtbaren Mächte der Bosheit befinden, die stets bemüht sind, der Lüge den Anschein von Wahrheit zu geben und die Menschen hinsichtlich der Wahrheit zu verblenden. Der Herr Jesus entspricht auf keine Weise den Lieblingsvorstellungen der Betrüger; bei Ihm handelt es sich um eine wirkliche, göttliche Person, um das „ewige Leben“ als eine lebendige Tatsache. Auf diese gründet sich die in Christus gekannte Wahrheit in all ihrer Tiefe, Höhe und Heiligkeit, von welcher die Versammlung das korporative und verantwortliche Zeugnis darstellt. Doch hatte sie in diesem Zeugnis bereits damals versagt, und um wie viel mehr ist sie heute in Verfall geraten! Doch für den Glauben ist selbst in den dunkelsten Tagen eine Kraftquelle vorhanden; und dieser Brief weist den einzelnen Gläubigen in aller Deutlichkeit und Vollständigkeit auf diese Quelle, Jesus Christus, hin. Er stellt dem Gläubigen, als einem in Christus Geborgenen, mit göttlicher Autorität den Herrn vor Augen als Den, der gestern, heute und in Ewigkeit Derselbe ist.
„Wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohne Jesus Christus.“ Damit wird in kurzen, aber kraftvollen Worten unser unveränderliches Vorrecht zum Ausdruck gebracht. Es zeigt uns, dass unser sicheres Geborgensein in dem wahrhaftigen Gott darin besteht, dass wir in Seinem Sohne bleiben. Das wird uns bereits in den eigenen Worten des Herrn gesagt (Joh 14,20): „An jenem Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin, und ihr in mir und ich in euch. „ Nicht nur sind wir in Ihm, sondern wir sollen auch ein Verständnis darüber und über all das hier Gesagte besitzen. „Jener Tag“ ist die Zeit, in der wir jetzt leben.
Konnte Gott wohl mehr tun, als uns göttliches Leben in Christus zu geben und uns zu befähigen, in Gott zu bleiben durch den Heiligen Geist, der Selbst in uns bleibt? Wie eigenartig, dass manche Christen dann so dahinleben, mit ihrem weltförmigen Christentum zufrieden oder auch unzufrieden sind, aber anscheinend keinen Begriff davon haben, dass diese wunderbaren Vorrechte jedem Kinde Gottes zustehen und von ihm ausgelebt werden sollen. Wie inhaltsvoll und segensreich sind die Schlussworte dieses Absatzes: „Dieser“ (nämlich Jesus Christus, Sein Sohn) „ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. „ Er, aus dem und in dem wir sind, ist der Wahrhaftige, im Gegensatz zu allen falschen Göttern und zu der Lüge, die Gott leugnet. Gott wird aber tatsächlich nur gekannt in Seinem Sohne Jesus Christus. Er hat Sich in Ihm allein offenbart, der alles aufgab, um das Werk hinauszuführen und uns durch die Mitteilung Seiner Natur für das Bleiben in Ihm passend zu machen. Er ist der wahrhaftige Gott und auch das ewige Leben. Ohne dieses Leben könnten wir weder den Vater kennen noch den Sohn, den Er gesandt hat. In dem auferstandenen Christus besitzen wir dieses Leben jetzt in seiner vollen Bedeutung für unsere Seelen. Nach unserer Auferweckung oder Verwandlung bei Seinem Kommen werden wir es auch für unsere Leiber besitzen.
Nachdem die Gnade und Wahrheit uns so eindrucksvoll vorgestellt worden sind, wird eine kurze, ernste Warnung angefügt: „Liebe Kinder, hütet euch vor den Götzen!“ Alles außerhalb von Christus, was das Herz des Menschen fesselt und erfüllt, wird von Satan zu einem Götzen gemacht. Heutzutage mögen diese Götzen nicht aus Gold oder Silber, Holz oder Stein bestehen, sondern von einer viel heimtückischeren Art sein. Der Tag naht eilends heran, an dem die große Masse der Juden zu ihrer alten Sünde, dem Götzendienst, zurückkehren wird, sowenig sie es auch heute für möglich halten. Ebenso wird es der Christenheit ergehen, sosehr sie sich ihres Protestantismus und ihres unüberwindlichen Abscheus vor dem römischen Götzendienst auch gebrüstet haben mag. In dem kommenden Abfall werden sie miteinander verschmelzen. Beide, Juden und Namenchristen, werden dem „Menschen der Sünde“, dem Antichristen, huldigen, wenn er sich in den Tempel Gottes setzen und sich selbst als Gott darstellen wird, um nachher zusammen mit seinem großen politischen Verbündeten, dem römischen Tier jener Tage, in die ewige Verdammnis geworfen zu werden.
Der Herr ist nahe!