Der erste Brief an die Korinther
Kapitel 16
Nachdem der Apostel mit dem Behandeln der moralischen Nachlässigkeit, der versammlungsmäßigen Unordnung, und der falschen Lehre bei den Korinthern den Hauptzweck seines Briefes erreicht hat, beendet er diesen Brief nun mit einigen praktischen Ermahnungen im Blick auf die materiellen Gaben, und unterrichtet die Korinther über seine weiteren Pläne sowie über andere Diener des Herrn.
Verse 1-4
„Was aber die Sammlungen für die Heiligen betrifft: Wie ich für die Versammlungen von Galatien angeordnet habe, so tut auch ihr. An jedem ersten Wochentag lege ein jeder von euch bei sich zurück und sammle auf, je nachdem er Gedeihen hat, damit nicht dann, wenn ich komme, Sammlungen geschehen. Wenn ich aber angekommen bin, will ich die, die irgend ihr für tüchtig erachtet, mit Briefen senden, dass sie eure Gabe nach Jerusalem hinbringen. Wenn es aber angemessen ist, dass auch ich hinreise, so sollen sie mit mir reisen.“
In den ersten vier Versen spricht er von den Sammlungen für die Heiligen. Wir mögen mit Recht Sammlungen haben, um den Bedürfnissen begabter Diener des Herrn, die uns geistliche Hilfestellung geleistet haben, zu begegnen; aber es gibt auch Gelegenheiten, wo es ebenso notwendig ist, Sammlungen für die Armen der Herde zu haben. Die besonderen Bedürfnisse der Heiligen in Jerusalem zu jener Zeit waren der Anlass für eine solche Sammlung. Es gab in dieser Stadt eine große Zahl von Heiligen, die Verfolgungen erlitten hatten, und höchstwahrscheinlich gab es dort auch viele Witwen und Waisen. Aus dem Hebräer-Brief lernen wir, dass sie den Raub ihrer Güter hatten erdulden müssen (Heb 10,34). Von Jerusalem war das Evangelium einst zu den Nationen ausgegangen; und so war es nur gerecht, dass diejenigen aus den Nationen, die dadurch, dass sie zur Bekehrung geführt worden waren, geistliche Güter empfangen hatten, nun auch ihre zeitlichen Güter geben sollten. Diese Sammlung sollte regelmäßig vorgenommen werden; jeder sollte in dem Maß, wie Gott ihm Gedeihen gegeben hatte, etwas zurückgelegt haben.
Da es ihre eigene Sammlung war, waren sie auch frei, ihre eigenen Verwalter dafür zu bestimmen. Der Apostel, der den Heiligen in Jerusalem gut bekannt war, wollte sie mit Briefen von ihm dorthin empfehlen. Wenn es angemessen war, dass der Apostel auch nach Jerusalem gehen würde, so sollten die Abgesandten von Korinth ihn begleiten.
Verse 5-9
„Ich werde aber zu euch kommen, wenn ich Mazedonien durchzogen habe, denn ich ziehe durch Mazedonien. Vielleicht aber werde ich bei euch bleiben oder auch überwintern, damit ihr mich geleitet, wohin irgend ich reise; denn ich will euch jetzt nicht auf der Durchreise sehen, denn ich hoffe einige Zeit bei euch zu bleiben, wenn der Herr es erlaubt. Ich werde aber bis Pfingsten in Ephesus bleiben, denn eine große und wirkungsvolle Tür ist mir aufgetan, und der Widersacher sind viele.“
Im Zusammenhang mit der Erwähnung der Sammlung hatte der Apostel von einem Besuch bei der Versammlung in Korinth gesprochen. Jetzt weist er wieder auf diesen beabsichtigten Besuch hin und sagt ihnen, dass er zurzeit diesen Besuch noch etwas hinausschieben würde. Mit großer Gnade und Weisheit sagt er ihnen nicht den Grund dafür. Im zweiten Kapitel seines zweiten Briefes an sie, als er durch ihre Buße die Wirkung seines ersten Briefes gesehen hatte, konnte er ihnen freimütig in Einzelheiten mitteilen, warum er noch nicht zu ihnen kommen konnte. Dennoch teilt er ihnen hier mit, aus welchem Grund er noch länger in Ephesus, der Stadt, aus welcher er diesen Brief schrieb, verweilte. Eine große und in Bezug auf den Segen wirkungsvolle Tür war ihm aufgetan worden, und es gab viele Widersacher. Wenn der Herr eine Tür öffnet, wird der Teufel ganz gewiss viele Widersacher wachrufen; die Schritte des Apostels wurden jedoch nicht von den Widersachern bestimmt, sondern durch den Herrn, der die Tür geöffnet hatte.
Verse 10+11
„Wenn aber Timotheus kommt, so seht zu, dass er ohne Furcht bei euch sei; denn er arbeitet am Werk des Herrn wie auch ich. Es verachte ihn nun niemand. Geleitet ihn aber in Frieden, damit er zu mir komme; denn ich erwarte ihn mit den Brüdern.“
Es würde sie jedoch Timotheus besuchen, und der Apostel empfahl ihn auf eine Weise, die den Umständen besonders angepasst war. Timotheus war offensichtlich von zurückhaltender, schüchterner Veranlagung, so dass die Korinther in ihrem Verhalten sorgfältig darauf achten sollten, dass er sich ohne Furcht unter ihnen aufhalten konnte. Außerdem war er noch jung, aber er sollte nicht aus diesem Grund verachtet werden. Könnte es eine erhabenere Empfehlung geben, als die Tatsache, dass er nicht nur am Werk des Herrn arbeitete, sondern dass er es in der gleichen Gesinnung tat, wie der Apostel selbst? Timotheus war einer, der die Aufforderung des Apostels an die Versammlung in Korinth, seine Nachahmer zu sein, wie auch er Christi (Kap 11,1), schon auslebte.
Vers 12
„Was aber den Bruder Apollos betrifft, so habe ich ihm viel zugeredet, dass er mit den Brüdern zu euch komme; und er war durchaus nicht gewillt, jetzt zu kommen, doch wird er kommen, wenn er eine gelegene Zeit finden wird.“
Obwohl der Apostel selbst zu dieser Zeit noch nicht frei sein mochte, die Versammlung in Korinth zu besuchen, folgt doch daraus nicht, dass es für einen anderen Diener des Herrn falsch gewesen wäre, diese Versammlung zu besuchen. Offensichtlich hatte der Apostel geurteilt, dass Apollos der Versammlung hätte helfen können, und so hatte er ihm viel zugeredet, dass er zu ihnen kommen sollte. Apollos jedoch war nicht gewillt gewesen, und so hatte der Apostel, nachdem er seinem Wunsch Ausdruck gegeben hatte, diesem Diener des Herrn die Freiheit gelassen, vor seinem Herrn zu handeln.
Verse 13+14
„Wacht, steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark! Alles bei euch geschehe in Liebe.“
Die Heiligen in Korinth sollten von den Dienern des Herrn nicht abhängig sein. Daher werden sie zuerst ermahnt, wachsam zu sein - sei es, dass Diener zu ihnen kommen würden, oder nicht. Ein nie ruhender Widersacher verlangt beständige Wachsamkeit. Zweitens sollten sie im Glauben feststehen. Dem Eindringen von falscher Lehre kann nur dadurch begegnet werden, dass man in dem ganzen Gebiet der Wahrheit feststeht. Gegen den Feind wachsam zu sein und im Glauben feststehen zu können verlangt als drittes, mannhaft zu sein. Leider hatten sich viele in Korinth fleischlich verhalten und dadurch bewiesen, dass sie geistlicherweise noch Unmündige waren - und sie hätten doch Erwachsene sein sollen. Voraussetzung zum mannhaft sein ist viertens, dass man stark ist; und das bedeutet, wie der Apostel in einem anderen Brief sagt, stark zu sein in der Gnade, die in Christus Jesus ist (2. Tim 2,1). Fünftens drückt sich geistliche Kraft in Liebe aus, und der Apostel fügt deshalb hinzu: „Alles bei euch geschehe in Liebe“. Ach! Wie viele Dinge mögen in Verbindung mit der Versammlung Gottes getan werden, die auch vollkommen richtig sein mögen, und die doch aus einem Beweggrund heraus getan werden, der völlig falsch ist, weil die Liebe fehlt.
Diese Heiligen in Korinth waren statt durch Wachsamkeit weitestgehend durch Sorglosigkeit gekennzeichnet; statt im Glauben festzustehen, stellten einige von ihnen Spekulationen darüber an und leugneten sogar eine so grundlegende Wahrheit wie die von der Auferstehung; statt mannhaft zu sein, waren sie in die Verhaltensweisen dieser Welt gefallen; Schwachheit kennzeichnete sie mehr als Stärke, und Selbstsüchtigkeit mehr als Liebe. - Sicher wäre es für uns alle gut, diese Ermahnungen zu Herzen zu nehmen.
Verse 15-18
„Ich ermahne euch aber, Brüder: Ihr kennt das Haus des Stephanas, dass er der Erstling von Achaja ist und dass sie sich selbst den Heiligen zum Dienst verordnet haben - dass auch ihr solchen unterwürfig seid und jedem, der mitwirkt und arbeitet. Ich freue mich aber über die Ankunft von Stephanas und Fortunatus und Achaikus, denn sie haben erstattet, was eurerseits mangelte. Denn sie haben meinen Geist erquickt und den euren; erkennt nun solche an.“
Es folgt nun eine weitere wichtige Ermahnung im Hinblick auf eine Gruppe von Dienern, die auf eine sehr schöne Weise beschrieben werden als solche, die sich selbst den Heiligen zum Dienst verordnet haben. Es waren nicht unbedingt Männer, die mit einer Gabe der Verkündigung oder des Lehrens für die gesamte Versammlung ausgerüstet waren, durch welche ihnen eine führende Stellung vor anderen eingeräumt worden wäre, sondern sie stehen für eine wertvolle Klasse von Dienern, die sich an einem Ort auf eine geregelte Weise dem Dienst an dem Volk des Herrn verschrieben haben. Es besteht die Gefahr, dass solche Diener zugunsten anderer, die durch ihre Aktivitäten mehr im Vordergrund stehen, übersehen werden könnten. Daher lautet die Ermahnung, solche anzuerkennen und ihnen - sowie auch jedem, der diesem Werk mit verbunden ist und mitarbeitet - unterwürfig zu sein. Der Apostel selbst betrachtete sie als solche, die für das gesorgt hatten, was von den Korinthern nicht gegeben worden war. Die folgenden Worte scheinen anzudeuten, dass es sich dabei nicht um Hilfe in den zeitlichen Bedürfnissen gehandelt hatte, sondern um geistliche Stärkung. Dies wird auch durch den zweiten Brief bestätigt, aus dem wir lernen, dass der Apostel jede Hilfe in den zeitlichen Bedürfnissen von dieser Versammlung abgelehnt hatte (2. Kor 11,9+10).
Verse 19+20
„Es grüßen euch die Versammlungen Asiens. Es grüßen euch vielmals im Herrn Aquila und Priscilla samt der Versammlung in ihrem Haus. Es grüßen euch die Brüder alle. Grüßt einander mit heiligem Kuss.“
Von den Versammlungen in Asien werden Grüße übermittelt. Aquila und Priscilla, denen der Apostel zuerst in Korinth begegnet war (Apg 18,1+2), sandten besondere Grüße; zusammen mit der Versammlung, die in ihrem Haus zusammenkam. Die Korinther sollten einander mit einem Kuss, dem Ausdruck brüderlicher Liebe, begrüßen; doch sollte diese gewohnheitsmäßige Begrüßungsart in Heiligkeit erfolgen.
Verse 21-24
„Der Gruß mit meiner, des Paulus, Hand. Wenn jemand den Herrn Jesus Christus nicht lieb hat, der sei verflucht; Maranatha! Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit euch! Meine Liebe sei mit euch allen in Christus Jesus! Amen.“
Der Apostel fügt seinen Gruß mit seiner eigenen Hand hinzu; dies war das sichere Zeichen dafür, dass er den Brief diktiert hatte (2. Thes 3,17). Dann schließt er noch ein ernstes Wort der Warnung an, das nur in diesem Brief zu finden ist: „Wenn jemand den Herrn Jesus Christus nicht lieb hat, der sei verflucht; Maranatha“! Wie wir belehrt werden, bedeuten diese Worte: „…der sei verflucht; der Herr kommt“! Dies scheint darauf hinzudeuten, dass durch das Kommen des Herrn ernste Tatsachen offenbar werden; es wird nämlich einige geben, die ihren Platz inmitten des Volkes des Herrn eingenommen haben und doch nie wirklich von Seiner Liebe angerührt worden sind und die deshalb auch Ihn gar nicht lieben und dadurch beweisen, dass sie Ihm gar nicht angehören.
Der Apostel wünscht, dass die Gnade des Herrn mit den Heiligen in Korinth sein möchte; und er schließt damit, die Korinther seiner Liebe zu ihnen zu versichern. Diese Liebe war nicht bloß menschliche Liebe, sondern Liebe in Christus Jesus. Wie eindringlich und betont er ihnen auch geschrieben haben mochte, der Beweggrund dazu war Liebe gewesen; und so befolgte er die Ermahnung, die er selbst in Vers 14 an die Empfänger des Briefes gerichtet hatte: „Alles bei euch geschehe in Liebe“!