Das Evangelium nach Matthäus
Kapitel 19
Jesus begab sich nun wieder nach Judäa, und die Pharisäer nahmen ihre Angriffe wieder auf. Sie schnitten eine Frage über Ehe und Scheidung an, indem sie hofften, Ihm eine Falle zu stellen. Das misslang ihnen aber gründlich, weil sie es wagten, sich mit göttlicher Weisheit zu messen. Eine vollständige Antwort lag darin, dass Er sie auf das verwies, was Gott am Anfang angeordnet hatte. Was Gott bestimmt hatte, durfte der Mensch nicht ungültig machen. Das brachte sie zu der Frage, warum denn in dem Gesetz Moses eine Scheidung erlaubt worden wäre. Er antwortete, wegen der Herzenshärtigkeit des Menschen hätte Mose es gestattet. Gott kannte ihre Herzen sehr wohl, deshalb hatte Er einen nicht zu strengen Maßstab zugelassen. Das Gesetz enthält die Mindestforderungen Gottes für das Leben in dieser Welt. Und dagegen nur einmal irgendwann zu verstoßen, brachte unter das Urteil des Todes. Wie Gott es sieht, kann nur ein Grund das Band lösen, und das ist der tatsächliche Bruch des Bandes durch einen der beiden Partner.
Erst wenn wir zu Christus kommen, empfangen wir die Gedanken Gottes in ihrer Fülle ‑ in jeder Hinsicht Seine höchsten Forderungen.
Die Belehrung des Herrn zur Ehescheidung war neu und kam selbst für die Jünger überraschend und veranlasste sie zu der Äußerung in Vers 10. Daraufhin erklärte wiederum der Herr, dass die Ehe das Normale für den Menschen und Ehelosigkeit die Ausnahme sei, was wir auch aus den Worten des Paulus in 1. Korinther 7,7 folgern können. Wenn es einem Menschen gegeben ist, dann ist es gut, nicht zu heiraten; doch normalerweise gilt: „Die Ehe sei geehrt in allem“ (Hebr 13,4).
Im Anschluss hieran gab der Herr den Kindern ihren wahren Platz. Die Jünger offenbarten den Geist der Welt, als sie ihnen als etwas Bedeutungslosem begegneten, und zwar so sehr, dass ihr Herzubringen für sie eine Störung bedeutete. Damit zeigten sie nur, dass sie Seine Lektion im ersten Teil des 18. Kapitels noch nicht gelernt hatten. Ganz im Gegensatz dazu legte der Herr den Kindern die Hände auf, segnete sie und sprach die denkwürdigen Worte: „Wehrt ihnen nicht, zu mir zu kommen, denn solcher ist das Reich der Himmel.“
Als nächstes tritt der reiche Jüngling herzu. Er nahm für sich in Anspruch, das Gesetz gehalten zu haben, soweit es die Gebote bezüglich der Pflichten dem Mitmenschen gegenüber betraf. Der Herr bestritt ihm diesen Anspruch nicht. Allem Anschein nach hatte er sich in der äußerlichen Beobachtung der Gesetzesvorschriften untadelig verhalten. Doch er irrte sehr in der Annahme, dass er im Verrichten irgendeines guten Werkes ewiges Leben haben könne. Da er diesen Boden betreten hatte, nahm ihn der Herr sofort auf den Prüfstand, und da versagte er gänzlich. „Was fehlt mir noch?“ war seine Frage, und die Antwort sollte ihm deutlich machen, dass ihm der Glaube fehlte, der die Herrlichkeit des Herrn Jesus wahrnahm und der ihn folglich angetrieben hätte, alles aufzugeben, um Ihm nachzufolgen. Er nahte dem Herrn mit den Worten „Guter Lehrer“, doch das Beiwort „gut“ mochte der Herr nicht gelten lassen, wenn es nicht in der Anerkennung Seiner Göttlichkeit an Ihn gerichtet war. „Niemand ist gut als nur Einer, Gott“, so dass, wenn Jesus nicht Gott war, Er auch nicht gut war. Wenn der Jüngling die Gottheit dessen, der zu ihm sagte „Folge mir nach!“, anerkannt hätte, so wären ihm seine „vielen Güter“ wie nichts erschienen, und er wäre Jesus gerne nachgefolgt. Empfindet wohl jeder von uns eine solche Wertschätzung der Herrlichkeit Jesu, dass er der Liebe zu den bloß irdischen Dingen völlig enthoben ist?
Der Herr weist nun die Jünger darauf hin, wie zäh irdische Güter das menschliche Herz zu fesseln vermögen. Nur schwerlich kann ein Reicher in das Reich Gottes eingehen. Unter den Juden wurde Reichtum als ein Zeichen göttlicher Gunst betrachtet. Deshalb konnten auch die Jünger der Rede des Herrn nicht folgen und ihre Überraschung nicht verbergen. Sie fühlten, dass wohl niemand errettet werden könnte, wenn es für die Reichen so schwierig war. Das veranlasste den Herrn zu einer noch deutlicheren Feststellung. Die Errettung ist nicht nur schwierig und unwahrscheinlich für den Menschen, sie ist unmöglich. Sie ist nur möglich, wenn göttliche Kraft sie bewirkt.
Von den Versen 10‑26 können wir zusammenfassend sagen, dass der Herr Sein Licht auf Ehe, Kinder und Besitztümer fallen lässt, drei Dinge, die einen so großen Bereich unseres Lebens in dieser Welt in Beschlag nehmen. Und in jedem Fall hatte das Licht, das Er verbreitete, die bisherigen Anschauungen der Jünger umgestoßen ‑ siehe die Verse 10.13.25.
Petrus knüpfte an die Worte des Herrn an und wünschte eine eindeutige Auskunft darüber, welche Belohnung solchen werden würde, die ‑ wie er ‑ dem Herrn nachgefolgt waren. Die Antwort enthüllte, dass „die Wiedergeburt“ kommen wird, d.h. eine völlig neue Ordnung der Dinge, und zwar dann, wenn der Herr nicht länger verworfen sein, sondern auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzen würde, und dass dann auch die Jünger Throne einnehmen und mit Regierungsmacht über die zwölf Stämme Israels bekleidet sein würden. In jenem Zeitalter werden die Heiligen die Welt richten, und hier wird deutlich, dass den Aposteln ein vorrangiger Platz zufallen wird. Ferner erfahren wir, dass alle, die irdische Beziehungen und Freuden um Seines Namens willen preisgegeben haben, hundertfältig empfangen werden und dazu ewiges Leben. Das Leben, das der reiche Jüngling sich wünschte und doch verfehlte, weil er Christus nicht nachfolgte, das wird ihr Leben sein.
Der letzte Vers des Kapitels enthält eine Warnung. Viele der Ersten in dieser Welt werden dort die Letzten sein und umgekehrt, denn Gottes Gedanken sind nicht wie die unseren.