Die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus
Die Wiederherstellung des römischen Reiches
Das Volk Israel, von Gott dazu auserwählt, seinen Namen auf der Erde zu tragen und seine Herrlichkeit und Gerechtigkeit unter den Völkern zu offenbaren, bildete einst den Mittelpunkt, das Haupt aller Völker der Erde, und Jerusalem war der Sitz der Regierung Gottes über die Erde. Als jedoch dieses Volk durch seine fortwährenden schrecklichen Sünden den Herrn so lange gereizt und erzürnt hatte, „bis keine Heilung mehr war“, verlor es den Platz, den es in der Geschichte der Welt einnahm, und die Herrschaft über die Erde wurde den Nationen übergeben. Zuerst wurden die zehn Stämme, die das Reich Israels bildeten, durch Salmanassar, den König von Assyrien, gefangen weggeführt. Sie kehrten nicht wieder in ihr Land zurück. Und als die zwei Stämme, das Reich Juda, fortfuhren, in den Sünden Israels zu wandeln, fielen auch sie dem Gericht anheim und kamen in die Gefangenschaft nach Babel. Von diesem Augenblick an ging die Herrschaft über die Völker der Erde in die Hände des Königs Nebukadnezar über, wie wir dies aus dem Mund des Propheten Daniel vernehmen: „Du, o König, du König der Könige, dem der Gott des Himmels das Königtum, die Macht und die Gewalt und die Ehre gegeben hat; und überall wo Menschenkinder, Tiere des Feldes und Vögel des Himmels wohnen, hat er sie in deine Hand gegeben und dich zum Herrscher über sie alle gesetzt“ (Dan 2,37.38). Wohl sind die beiden Stämme (wenigstens ein Teil von ihnen) nach siebzigjähriger Gefangenschaft aus Babylon in ihr Land zurückgekehrt und haben die Stadt und den Tempel wieder aufgebaut, aber Macht und Herrschaft haben sie nicht wieder erlangt. Sie blieben vielmehr den Weltreichen, die im Lauf der Jahrhunderte aufeinander folgten, unterworfen, bis sie endlich unter dem letzten dieser Reiche, dem römischen, über die ganze Erde hin zerstreut wurden. Dieser Zustand der Dinge, dass nämlich der Thron Gottes von der Erde entfernt ist und Er nur noch mittelst seiner Vorsehung den Gang der Ereignisse hienieden lenkt, wird solange währen, bis der wahre Sohn Davids erscheinen und die Zügel der Regierung in seine Hand nehmen wird, um dann in Gerechtigkeit über die ganze Erde zu herrschen. Bis dahin liegt die Herrschaft in den Händen der Nationen, und darum wird diese Zeit im Wort Gottes „die Zeiten der Nationen“ genannt (vgl. Lk 21,24).
Untersuchen wir jetzt ein wenig, was die Schrift bezüglich der Ereignisse sagt, die in diesen „Zeiten der Nationen“ stattfinden sollten oder noch sollen. Die umfassendsten und wohl am meisten Licht über unseren Gegenstand verbreitenden Prophezeiungen finden wir in dem Propheten Daniel. In dem großen Bild, das Gott dem König Nebukadnezar im Traum zeigte (Kap. 2), tritt zunächst die ganze Geschichte der „Zeiten der Nationen“ sinnbildlich vor unseren Blick. Nach der Auslegung Daniels sollten nacheinander vier Reiche auf Erden erscheinen: das babylonische, das medisch-persische, das griechische und endlich das römische Reich. Die drei ersten Reiche werden von dem Heiligen Geist in kurzer, treffender Weise gekennzeichnet. Das vierte Reich, unter dessen Herrschaft der Messias geboren wurde (Lk 2,1), wird dagegen ausführlich beschrieben. Es ist das bedeutendste und zugleich dasjenige Reich, das mit den Ereignissen am Ende der Tage in Verbindung stehen wird. Das Bild Nebukadnezars wird ja in dem vierten, dem römischen Reich, von dem Gericht ereilt werden. Der Stein, der sich ohne Hände (d. h. ohne menschliche Vermittlung oder Mitwirkung) losreißt, schlägt das Bild an seine Füße von Eisen und Ton und zermalmt sie samt dem ganzen Bild. Dieser Stein ist Christus oder vielmehr das Reich, das Gott in Ihm und durch Ihn aufrichten wird. (Indes ist es beachtenswert, dass der Stein erst nach der Zerstörung des Bildes zu einem großen Berg wird und die ganze Erde füllt.) Der 44. Vers unseres Kapitels berichtet noch Näheres über dieses Reich: „Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das ewiglich nicht zerstört, und dessen Herrschaft keinem anderen Volk überlassen werden wird; es wird alle jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber in Ewigkeit bestehen“. Dies ist, wie gesagt, das Reich Christi. Bei der zweiten Ankunft Christi, oder, wie die Schrift es nennt, bei seiner „Erscheinung in Macht und Herrlichkeit“, wird das römische Reich, in dem die vorigen Reiche aufgegangen sind, für immer vernichtet werden. Hieraus geht, da das römische Reich im gegenwärtigen Augenblick als Reich nicht mehr besteht, hervor, dass es vor der Ankunft Christi wiederhergestellt werden muss. Inwieweit diese Folgerung mit den übrigen Belehrungen des Wortes Gottes übereinstimmt, werden wir weiter unten sehen.
Im 7. Kapitel des Propheten Daniel finden wir die eben genannten vier Reiche unter dem Bild von vier Tieren wieder. Das babylonische Reich wird durch einen Löwen, das medisch-persische durch einen Bären, das griechische durch einen Leoparden dargestellt, während das römische Reich beschrieben wird als ein Tier, „schrecklich und furchtbar und sehr stark, und es hatte große eiserne Zähne; es fraß und zermalmte, und das Übriggebliebene zertrat es mit seinen Füßen; und es war verschieden von allen Tieren, die vor ihm gewesen, und es hatte zehn Hörner“. Die Übereinstimmung dieser Worte mit der Beschreibung des vierten Reiches in Daniel 2 ist augenscheinlich, nur wird hier noch etwas hinzugefügt, was wir im 2. Kapitel nicht fanden. Wohl hat das Tier, entsprechend den zehn Zehen der Füße des Bildes, zehn Hörner, aber von diesen Hörnern wird gesagt: „Während ich auf die Hörner Acht gab, siehe, da stieg ein anderes kleines Horn zwischen ihnen empor, und drei von den ersten Hörnern wurden vor ihm ausgerissen; und siehe, an diesem Horn waren Augen wie Menschenaugen, und ein Mund, der große Dinge redete“. Die Erklärung hierzu gibt Vers 24: „Und die zehn Hörner: Aus jenem Königreich werden zehn Könige aufstehen; und ein anderer wird nach ihnen aufstehen, und dieser wird verschieden sein von den vorigen und wird drei Könige erniedrigen“. Hieraus erhellt, dass das römische Reich am Ende in einer nie vorher dagewesenen Form wieder erstehen wird; es wird sich aus zehn Königen oder Königreichen, die miteinander verbunden sind, zusammensetzen. Schließlich wird ein anderer, elfter König, das so genannte „kleine Horn“, zwischen den übrigen hervorkommen, drei von den zehn erniedrigen und sich selbst zum Leiter und Beherrscher des Tieres machen. Das römische Reich hat in den vergangenen Jahrhunderten stets nur als ein Ganzes bestanden. Nie ist es in zehn Königreiche geteilt gewesen, die, wie es in Offenbarung 17,12 heißt, eine Stunde mit dem Tier Gewalt empfangen. Einige Gelehrte haben mit vieler Mühe versucht, die Bruchstücke, in die das ungeheure Reich unter dem Ansturm der Barbaren im 5. Jahrhundert zerfiel, auf die Zahl zehn zu bringen, um so zu beweisen, dass die Prophezeiung sich in jener Zeit schon erfüllt habe, aber sie haben dabei vergessen, dass die Entstehung jener Bruchstücke gerade den Zusammenbruch des römischen Reiches bedeutete, und dass von einer einheitlichen Leitung und Regierung fortan keine Rede mehr war. Das römische Reich hat eben um die genannte Zeit aufgehört zu bestehen, aber es wird wieder in neuer Form auf dem Weltschauplatz erscheinen. Es „war“ einst, „ist nicht“, und „wird aus dem Abgrund heraufsteigen“, d. h. durch satanische Gewalt wiederhergestellt werden (vgl. Off 17,8).
Von dem kleinen Horn wird ferner gesagt: „Und er wird Worte reden gegen den Höchsten und die Heiligen der höchsten Örter vernichten; und er wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetz zu ändern, und sie werden eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hand gegeben werden“. Wir haben schon bemerkt und werden später noch einmal darauf zurückkommen, dass dieses kleine Horn das Haupt des römischen Reiches in seiner letzten Form darstellt, und zwar in Verbindung mit dem Antichristen. Infolge der Lästerung und schrecklichen Taten des kleinen Hornes kommt das Gericht über das Tier. Wie das Bild Nebukadnezars zermalmt wird, so wird das vierte Tier getötet und sein Leib zerstört und dem Feuer übergeben (V. 11). Dann lesen wir weiter: „Ich schaute in Gesichten der Nacht: Und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn; und er kam zu dem Alten an Tagen und wurde vor ihn gebracht. Und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen dienten ihm; seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen wird, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird.“ (Verse 13 und 14). An die Stelle des vierten Königreiches tritt also (wie in Dan 2) das Königreich Christi. Die Herrschaft wird Ihm, dem Sohn des Menschen, übergeben, und sein Königtum wird nie wieder zerstört werden. Auch hieraus folgt, dass das römische Reich wiederhergestellt werden muss, denn wie könnte es durch den Sohn des Menschen gerichtet und vernichtet werden, wenn es nicht wieder in Erscheinung träte?
Wenn wir jetzt das Buch der Offenbarung zur Hand nehmen, so werden wir in den Kapiteln 13 und 17 eine nähere Beschreibung des vierten Reiches von Daniel finden, d. h. also des römischen Reiches in seiner neuen Gestalt.
„Und ich stand auf dem Sand des Meeres. Und ich sah aus dem Meer ein Tier heraufsteigen, das zehn Hörner und sieben Köpfe hatte, und auf seinen Hörnern zehn Diademe, und auf seinen Köpfen Namen der Lästerung. Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Leoparden, und seine Füße wie die eines Bären, und sein Maul war wie das Maul eines Löwen. Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron und große Gewalt. Und ich sah einen von seinen Köpfen wie zum Tod geschlachtet. Und seine Todeswunde wurde geheilt, und die ganze Erde verwunderte sich über das Tier. Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier die Gewalt gab, und sie beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tier gleich? Und wer vermag mit ihm zu kämpfen? Und ihm wurde ein Mund gegeben, der große Dinge und Lästerungen redete; und ihm wurde Gewalt gegeben, 42 Monate zu wirken. Und es öffnete seinen Mund zu Lästerungen gegen Gott, seinen Namen zu lästern und seine Hütte und die, die ihre Hütte in dem Himmel haben. Und ihm wurde gegeben, mit den Heiligen Krieg zu führen und sie zu überwinden; und ihm wurde Gewalt gegeben über jeden Stamm und jedes Volk und jede Sprache und jede Nation. Und alle, die auf der Erde wohnen, werden es anbeten, jeder, dessen Name nicht geschrieben ist in dem Buch des Lebens des geschlachteten Lammes von Grundlegung der Welt an“ (Kap. 13, 1–8).
„Das Tier, das du sahst, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen; und die, die auf der Erde wohnen, deren Namen nicht in dem Buch des Lebens geschrieben sind von Grundlegung der Welt an, werden sich verwundern, wenn sie das Tier sehen, dass es war und nicht ist und da sein wird. Hier ist der Verstand, der Weisheit hat: Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt. Und es sind sieben Könige: Fünf von ihnen sind gefallen, der eine ist da, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kurze Zeit bleiben. Und das Tier, das war und nicht ist, er ist auch ein achter und ist von den sieben und geht ins Verderben. Und die zehn Hörner, die du sahst, sind zehn Könige, die noch kein Königreich empfangen haben, aber sie empfangen Gewalt wie Könige für eine Stunde mit dem Tier. Diese haben einen Sinn und geben ihre Macht und Gewalt dem Tier. Diese werden mit dem Lamm Krieg führen, und das Lamm wird sie überwinden; denn er ist Herr der Herren und König der Könige, und die mit ihm sind Berufene und Auserwählte und Treue“ (Kap. 17, 8–14).
Eine nähere Betrachtung der Einzelheiten dieser Weissagung wird deutlich ergeben, dass hier von dem vierten Tier Daniels die Rede ist, mit anderen Worten, von dem römischen Reich, jedoch nicht so wie es einstmals bestanden hat, sondern wie es am Ende der Tage, kurz vor dem Erscheinen des Sohnes des Menschen, bestehen wird.
1. Wie die vier Tiere bei Daniel, so steigt auch bei Johannes das Tier aus dem Meer herauf. Das Meer mit seinen ungestümen Wogen ist in der Prophezeiung das bekannte Sinnbild von Völkern, die sich in einem ungeordneten, revolutionären Zustand befinden, von Volksmassen, die, gleich den ruhelosen Wellen der großen Tiefe, in mächtiger Bewegung sind, während die Erde, aus der das zweite Tier in Off 13 heraufsteigt, das Bild von Völkern ist, die nach den Stürmen der Revolution zur Ruhe gekommen sind. In Kap. 17, 15 wird gesagt: „Die Wasser, die du sahst, wo die Hure sitzt, sind Völker und Völkerscharen und Nationen und Sprachen“ (vgl. auch Jes 17,12.13; 57,20). Das entstehende Reich wird also aus einer Masse von Völkern hervorkommen, die sich in dem Zustand der Herrschaftslosigkeit befinden. Es wird seine Entstehung dem revolutionären Geist der Völker verdanken.
2. Das Tier bei Johannes vereinigt in sich die drei ersten Tiere Daniels. Es ist gleich einem Leoparden, seine Füße sind wie die eines Bären, und sein Maul ist wie eines Löwen Maul. (Dass diese Tiere hier in umgekehrter Reihenfolge genannt werden wie bei Daniel, hat wohl seinen Grund darin, dass Daniel jene Reiche in der Zukunft sah, während Johannes sie in der Vergangenheit erblickte. Daniel lebte unter der babylonischen Herrschaft, sah also, vorwärts blickend, nach dem babylonischen Reich das medische, dann das griechische und endlich das römische Reich. Johannes dagegen, der unter den Römern lebte, sah, rückwärts blickend, zuerst das griechische, danach das medische und schließlich das babylonische Reich.) Hieraus folgt, dass das römische Reich bei seiner Wiederherstellung die verschiedenen charakteristischen Eigenschaften der drei vorhergehenden Reiche – Schnelligkeit, Raubgier und gewaltige Kraft – in sich vereinigen wird. In Übereinstimmung damit sehen wir denn auch, dass, wenn der Stein sich ohne Hände losreißt und das Bild an seine Füße von Eisen und von Ton schlägt, nicht nur das Eisen und der Ton, sondern auch das Erz, das Silber und das Gold zermalmt werden wird (Dan 2,34.35; 7,11.12). Mit dem römischen Reich wird das ganze Bild Nebukadnezars zerstört werden.
3. Das Tier bei Johannes trägt, ähnlich dem Tier Daniels, in seiner letzten Gestalt einen teuflischen Charakter. „Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron und große Gewalt.“ Wer der Drache ist, geht aus dem vorhergehenden Kapitel hervor. Es ist die alte Schlange, „der Teufel und Satan genannt wird, der den ganzen Erdkreis verführt“ (Kap. 12, 9). Er wird samt seinen Engeln aus dem Himmel auf die Erde geworfen, woraufhin die Heiligen im Himmel rufen: „Wehe der Erde und dem Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen und hat große Wut, da er weiß, dass er wenig Zeit hat“ (V. 12). Aus dem Himmel, seiner bisherigen Wohnstätte (vgl. Eph 6,12), auf die Erde geworfen, wird Satan dem römischen Reich Macht und Gewalt verleihen. Durch seinen unmittelbaren Einfluss wird es in seiner letzten Form entstehen. Er ist es auch, der dem Tier einen Mund gibt, um große Dinge und Lästerungen zu reden. Bei Daniel lasen wir, dass das kleine Horn einen Mund hatte, der große Dinge redete, und dass es die Heiligen verfolgen und Zeiten und Gesetz verändern wird. Nun werden in 2. Thes 2 und Off 13,11–18 fast die ähnlichen Dinge von dem Antichristen gesagt. Auch heißt es in letztgenannter Stelle, dass dem Antichristen gegeben werden wird, wunderbare Zeichen vor dem Tier zu tun, indem er die Menschen auffordert, dem Tier ein Bild zu machen, dem er dann Odem und Sprache gibt und „bewirkt, dass alle getötet werden, die das Bild des Tieres nicht anbeteten“. Wir können deshalb den Antichristen wohl den Mund des kleinen Hornes nennen, oder mit anderen Worten: das Haupt des römischen Reiches wird in Verbindung mit dem Antichristen durch den Teufel benutzt werden, um vermessene Lästerungen gegen Gott zu reden und die Völker zum völligen Abfall von Gott, zur Gottlosigkeit und zum Götzendienst zu verleiten.
Wie lange nun wird dieser Zustand dauern? Daniel sagt: „eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit“, d. h. dreiundeinhalb Jahre. Johannes sagt: „zweiundvierzig Monate“, also wieder dreiundeinhalb Jahre. Das römische Reich wird deshalb in dem Charakter, in dem es uns hier gezeigt wird, nämlich in Verbindung mit dem Antichristen, dreiundeinhalb Jahre bestehen und danach durch das Kommen des Herrn vernichtet werden. Während dieser Zeit wird es die Heiligen verfolgen und Gewalt haben über alle Völker und Sprachen und Nationen. „Und alle, die auf der Erde wohnen, werden es anbeten, jeder, dessen Name nicht geschrieben ist in dem Buch des Lebens des geschlachteten Lammes von Grundlegung der Welt an“ (Off 13,8).
4. „Das Tier, das du sahst, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen; und die, die auf der Erde wohnen, deren Namen nicht in dem Buch des Lebens geschrieben sind von Grundlegung der Welt an, werden sich verwundern, wenn sie das Tier sehen, dass es war und nicht ist und da sein wird“ (Kap. 17, 8). Das will sagen: in der Zeit des Endes, in der wir heute schon leben, wird von dem römischen Reich gesagt werden können: es war, d. h. es hat eine Zeit bestanden, es ist nicht, d. h. es hat aufgehört zu bestehen, und es wird wieder sein. Das römische Reich hat noch mehrere Jahrhunderte nach dem Tod Christi bestanden. Dann ist es zusammengebrochen und vom Schauplatz verschwunden. Es besteht heute nicht mehr. Aber es wird wieder zum Vorschein kommen, und zwar wird es dann aus dem Abgrund heraufsteigen und seine Macht von dem Drachen empfangen. Die Sprache des Propheten ist so einfach und klar, dass ein Missverständnis ganz ausgeschlossen erscheint. Will man die Wiederherstellung des römischen Reiches leugnen, so muss man dem Wort Gottes geradezu Gewalt antun. Diese Wiederherstellung ist bestimmt und ausdrücklich vorhergesagt, und sie wird in der Welt einen solchen Eindruck machen, dass alle Menschen sich darüber verwundern und ausrufen werden: „Wer ist dem Tier gleich? Und wer vermag mit ihm zu kämpfen?“ (Siehe Kap. 13, 3.4; 17, 8)
5. Das Tier hat sieben Köpfe und zehn Hörner. „Hier ist der Verstand, der Weisheit hat“, sagt der Geist. „Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt.“ Dass hiermit Rom gemeint ist, das auf sieben Hügeln erbaut ist, wird wohl von niemand bestritten werden. Doch die sieben Köpfe des Tieres haben noch eine weitere Bedeutung: „Und es sind sieben Könige: Fünf von ihnen sind gefallen, der eine ist da, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kurze Zeit bleiben“. Unter diesen „Königen“ haben wir hier wohl nicht bestimmte Personen, sondern vielmehr Regierungsformen zu verstehen, unter denen das römische Reich nacheinander gestanden hat. Als jene Auslegung dem Johannes gegeben wurde, waren bereits fünf dieser Regierungsformen vorübergegangen, während die sechste, die kaiserliche, noch bestand. Die siebente war und ist heute noch nicht gekommen, und wenn sie kommen wird, so muss sie eine kurze Zeit bleiben. Ich halte es für wahrscheinlich, dass, wenn das römische Reich wiederhergestellt sein wird, zunächst diese siebente Regierungsform für eine kurze Zeit bestehen wird, um dann dem achten Haupt Platz zu machen. „Und das Tier, das war und nicht ist, er ist auch ein achter und ist von den sieben und geht ins Verderben.“ Nachdem die siebente Regierungsform nach kurzem Bestehen verschwunden ist, kommt die achte, und diese muss „aus den sieben“ sein, d. h. eine der schon früher dagewesenen Regierungsformen wird wiederhergestellt werden, jedoch mit dem Unterschied, dass sie jetzt aus dem Abgrund hervorkommen wird. Dieses achte Haupt wird die Herrschaft über das wiederhergestellte Reich so voll und ganz an sich reißen, dass dieses in ihm gleichsam verkörpert sein wird und Tier und Haupt in unserer Stelle als gleichbedeutend erscheinen: „Das Tier, das war und nicht ist, er ist auch ein achter“. In Daniel sahen wir inmitten der zehn Hörner des Tieres ein kleines Horn hervorkommen, das drei von den zehn Königen erniedrigte und dadurch die Oberherrschaft an sich riss. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir dieses kleine Horn und das hier beschriebene achte Haupt als gleichbedeutend betrachten.
Bezüglich der zehn Hörner des Tieres wird gesagt: „Und die zehn Hörner, die du sahst, sind zehn Könige, die noch kein Königreich empfangen haben, aber sie empfangen Gewalt wie Könige für eine Stunde mit dem Tier“ (Off 17,12). Die genaue Übereinstimmung dieser Auslegung des Engels mit den Weissagungen Daniels muss jedem aufmerksamen Leser sofort auffallen. Schon in der Deutung des Traumes Nebukadnezars wird darauf hingewiesen (Dan 2,44) und in der Beschreibung des vierten Tieres in Kap. 7 ausdrücklich erklärt, dass die letzte Form, unter der das vierte Reich erscheint, ein zehnköpfiges Königreich sein wird. Gerade so ist es hier. Das wiederhergestellte römische Reich wird zunächst aus zehn Königen oder Königreichen bestehen, die eine Stunde Gewalt empfangen mit dem Tier. Und von diesen Königen wird gesagt: „Diese haben einen Sinn und geben ihre Macht und Gewalt dem Tier“. Das heißt mit anderen Worten: sie werden sich miteinander verbinden und durch diese Vereinigung und ihre Unterwerfung unter das Tier dieses groß machen. – Doch wozu wird diese Machtentfaltung dienen? Um Krieg zu führen gegen das Lamm. „Diese werden mit dem Lamm Krieg führen, und das Lamm wird sie überwinden; denn er ist Herr der Herren und König der Könige, und die mit ihm sind Berufene und Auserwählte und Treue.“
Es unterliegt nach dem Gesagten also keinem Zweifel, dass das frühere römische Reich am Ende der Tage wiederhergestellt werden wird. Doch aus welchen Ländern wird es dann bestehen? Diese Frage ist wohl nicht bestimmt zu beantworten. Als das alte römische Reich in seiner höchsten Blüte stand, umfasste es beinahe die ganze damals bekannte Welt. Die römische Herrschaft erstreckte sich über folgende Länder, die wir mit ihren heutigen Namen nennen: Italien, Griechenland, die europäische und asiatische Türkei, Persien, Österreich bis an die Donau, die Schweiz, Frankreich, Spanien, Portugal, die Rheinprovinzen, Belgien, England mit Ausnahme von Schottland und Irland, Palästina, Ägypten und die ganze Nordküste von Afrika. Wird sich die Herrschaft des wiederhergestellten römischen Reiches über dasselbe Gebiet erstrecken? Vielleicht, jedenfalls über einen großen Teil desselben.
Wir brauchen uns daher nicht zu verwundern, wenn der Prophet sagt, dass das Tier aus dem Meer, d. h. aus dem unruhigen Wogen großer Völkermassen, heraufsteigt. Es wird ja noch vieles geschehen müssen, ehe die Karte Europas eine Veränderung erfahren hat, wie sie zur Darstellung des römischen Reiches notwendig ist. Eine solche Veränderung kann kaum ohne gewaltige Umwälzungen und Kriege vor sich gehen. Fürsten werden von ihren Thronen gestoßen werden; einige Reiche werden wohl aufhören zu bestehen, während andere neu errichtet werden mögen. 1
Kein Wunder daher, wenn inmitten der allgemeinen Verwirrung ein Mann aufstehen wird, der, von Satan selbst ausgerüstet und geleitet, mit eiserner Hand die Zügel der Regierung ergreifen und aus diesem Durcheinander das alte römische Reich wieder erstehen lassen wird. Und es ist ebenso begreiflich, dass die ganze Erde sich darüber verwundern und den Teufel anbeten wird, der dem Tier die Gewalt gibt. Wie die Franzosen nach der Revolution von 1795 sich willig unter das eiserne Zepter des ersten Napoleon beugten, so werden dann die Völker des römischen Gebietes sich vor demjenigen beugen, der die Kraft und Fähigkeit besitzt, alles was sich ihm entgegenstellt, niederzuwerfen, und die Ordnung, soweit von einer solchen dann noch die Rede sein kann, wiederherzustellen. Dieses letzte Haupt des römischen Reiches wird, wie bereits bemerkt, drei von den zehn Königen erniedrigen und, nachdem es sich mit dem Antichristen, der dann König der Juden sein wird, verbündet hat, seinen teuflischen Einfluss über das ganze Reich geltend machen. In diesem letzten antichristlichen Zustand wird das Reich dreiundeinhalb Jahre bestehen, und dann wird es durch das Kommen des Herrn Jesus mit seinen himmlischen Heerscharen vernichtet werden.
Fußnoten
- 1 Dürfen wir nicht sagen, dass diese Änderung inzwischen einzutreten begonnen hat? Wie sieht heute die Weltkarte schon ganz anders aus wie noch vor wenigen Jahren! (Anm. d. Übers.)