Betrachtungen über das fünfte Buch Mose

Anweisungen vor der Besitznahme Kanaans

Betrachtungen über das fünfte Buch Mose

Das gerechte Urteil Gottes über die Nationen

„Wenn der HERR, dein Gott, dich in das Land bringt, wohin du kommst, um es in Besitz zu nehmen, und viele Nationen vor dir vertreibt …, sieben Nationen, größer und stärker als du, und der HERR, dein Gott, sie vor dir hingibt und du sie schlägst, so sollst du sie ganz und gar verbannen; und du sollst keinen Bund mit ihnen schließen noch Gnade gegen sie üben“ (V. 1.2).

Wenn wir den Bericht lesen über die Wege Gottes mit den Völkern der Erde in Verbindung mit seinem Volk Israel, dann werden wir unwillkürlich an die ersten Worte des Psalms 101 erinnert: „Von Güte und Recht will ich singen.“ Wir sehen die Entfaltung der Güte Gottes zu seinem Volk wegen seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob, aber auch die Ausübung des Gerichts an den Nationen als Folge ihrer bösen Wege. Bei Israel begegnen wir der unumschränkten Güte Gottes, bei den Nationen seiner Gerechtigkeit. Aus beiden strahlt die Herrlichkeit Gottes hervor. Alle Wege Gottes, ob in Güte oder in Gericht, verkünden sein Lob und werden in alle Ewigkeit die Anbetung seines Volkes wachrufen. „Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott, Allmächtiger, gerecht und wahrhaftig deine Wege, o König der Nationen! Wer sollte nicht dich, Herr, fürchten und deinen Namen verherrlichen? Denn du allein bist heilig; denn alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten, denn deine gerechten Taten sind offenbar geworden“ (Off 15,3.4).

Das ist die richtige Gesinnung, in der wir die Wege der Regierung Gottes betrachten sollen. Manche Leser des Wortes lassen sich allerdings durch ihre Gefühle leiten und haben dann Schwierigkeiten, die Anweisungen, die dem Volk Israel bezüglich der Kanaaniter am Anfang unseres Kapitels gegeben werden, zu verstehen. Es scheint ihnen mit dem gütigen Wesen Gottes unvereinbar, dass Er einem Volk gebieten konnte, ein anderes Volk ohne Barmherzigkeit zu erschlagen. Sie können nicht begreifen, wie ein barmherziger Gott seinem Volk den Auftrag geben kann, Frauen und Kinder mit der Schärfe des Schwertes zu schlagen.

Solche Personen können natürlich nicht der oben angeführten Schriftstelle zustimmen. Sie sind nicht fähig anzuerkennen: „Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, o König der Nationen!“ Sie können Gott nicht rechtfertigen in allen seinen Wegen, ja, sie kritisieren sein Tun. Sie maßen sich an, die Handlungen der göttlichen Regierung mit dem Maßstab ihrer eigenen, oberflächlichen Gedanken zu messen. Sie beurteilen das Unendliche nach dem Endlichen.

Das ist ein verhängnisvoller Irrtum. Wir haben kein Recht, ein Urteil über die Wege Gottes zu fällen, und es verrät nur Anmaßung, wenn arme, kurzsichtige, sterbliche Menschen das versuchen. Es steht geschrieben: „Und die Weisheit ist gerechtfertigt worden von allen ihren Kindern“ (Lk 7,35).

Hat aber ein aufrichtiger Leser wirklich Schwierigkeiten, diese Zusammenhänge zu verstehen, so lese er Psalm 136,1.10–22. Er findet dort, dass die ewige Güte des HERRN durch das Erschlagen der Erstgeburt Ägyptens wie auch durch die Befreiung Israels und seinen Durchzug durchs Rote Meer, durch die gänzliche Vernichtung der Heere des Pharaos und das Gericht der Kanaaniter wie auch durch die Austeilung ihres Landes an Israel ans Licht kommt. 1

Alles muss zur Verherrlichung Gottes dienen, und es ist unser Vorrecht, Gottes Güte zu erkennen, uns vor seinen unausforschlichen Gerichten zu beugen und die Gewissheit zu haben, dass alle Wege Gottes gut und richtig sind. Sicher ist es uns unmöglich, sie alle zu verstehen; denn die Endlichkeit kann die Unendlichkeit nicht erfassen.

Hierin liegt der Grund, weshalb so viele irregehen. Sie urteilen über die Handlungen der Regierung Gottes, ohne daran zu denken, dass solche Handlungen ebenso weit über dem Bereich der menschlichen Vernunft liegen, wie der Schöpfer über dem Geschöpf steht. Kann der menschliche Verstand die tiefen Geheimnisse der göttlichen Vorsehung enthüllen? Können wir erklären, dass eine Stadt voll lebensfroher Menschen – Männer, Frauen und Kinder – in einer Stunde durch einen Strom glühender Lava untergeht? Und dennoch ist dies nur eine Tatsache von tausenden, die die menschliche Geschichte aufgezeichnet hat und die alle außerhalb des menschlichen Beurteilungsvermögens liegen. Können wir sie erklären? Können wir sagen, warum Gott es erlaubt? Ist es unsere Aufgabe, das zu tun? Wir geraten in Verwirrung, wenn nicht gar in Unglauben, sobald wir anfangen, in unserer Unwissenheit über die unerforschlichen Geheimnisse der göttlichen Regierung zu grübeln.

Kein Bund zwischen Israel und den Kanaanitern

Diese Ausführungen sollen dazu dienen, die Eingangsworte unseres Kapitels besser zu verstehen. Die Israeliten sollten den Kanaanitern keine Gnade erzeigen, weil deren Sünden und Missetaten ihren Höhepunkt erreicht hatten. Es blieb nichts anderes übrig als eine genaue Ausführung des göttlichen Gerichts. „Du sollst keinen Bund mit ihnen schließen noch Gnade gegen sie üben …“ (V. 2–5). Keine Gnade für die Kanaaniter, kein Bund mit ihnen, keine Vereinigung, keinerlei Gemeinschaft, nur ein schonungsloses Gericht, eine entschiedene Trennung.

Wir wissen, wie bald und wie vollständig Israel diese göttlichen Anweisungen missachtet hat. Kaum hatten sie das Land Kanaan betreten, als sie schon einen Bund mit den Gibeonitern machten. Selbst Josua fiel in diese Schlinge. Die Fürsten der Gemeinde, getäuscht durch die zerrissenen Kleider und das schimmlige Brot des listigen Volkes, ließen sich betören, in direktem Widerspruch zu dem ausdrücklichen Gebot Gottes zu handeln. Hätten sie sich durch die Autorität des Wortes leiten lassen, so wären sie vor dem Fehler bewahrt geblieben, ein Bündnis mit einem Volk zu machen, das sie hätten ausrotten sollen. Aber sie urteilen nach dem Schein, nach dem, was ihre Augen sahen, und sie mussten die Folgen davon tragen. 2

Ein bedingungsloser Gehorsam ist der wirksamste Schutz gegen die Listen des Feindes. Ohne Zweifel erschien die Erzählung der Gibeoniter sehr glaubhaft, und das Äußere der Männer schien ihre Worte zu bestätigen. Aber alles das hätte für Josua und die Fürsten nicht das geringste Gewicht haben sollen und hätte es auch nicht gehabt, wenn sie das Gebot des Herrn beachtet hätten. Aber hierhin versagen sie. Anstatt einfach dem zu gehorchen, was sie gehört hatten, überlegten und urteilten sie nach dem, was sie sahen. Doch der menschliche Verstand kann nie dem Volk Gottes als Führer dienen. Wir müssen uns einzig und allein durch das Wort Gottes leiten und beherrschen lassen.

Das von Gott erwählte Volk

Im sechsten Vers unseres Kapitels stellt Mose dem Volk den Grund vor, weshalb es in so strenger Absonderung von den Kanaanitern leben und ein solch schonungsloses Gericht über sie bringen sollte. Er sagt: „Denn ein heiliges Volk bist du dem HERRN, deinem Gott; dich hat der HERR, dein Gott, erwählt, ihm zum Eigentumsvolk zu sein aus allen Völkern, die auf dem Erdboden sind.“

Der hier aufgezeigte Grundsatz ist sehr wichtig. Warum musste das Volk von den Kanaanitern abgesondert bleiben? Warum musste es jede eheliche oder sonstige Verbindung mit ihnen verweigern? Warum sollten sie ihre Altäre zerbrechen und ihre Ascherim umhauen? Weil sie ein heiliges Volk waren. Und wer hatte sie dazu berufen? Der HERR. Er hatte sie erwählt und geliebt. Er hatte sie erlöst und für sich selbst abgesondert, und darum stand ihm auch das Recht zu, ihnen vorzuschreiben, was sie sein und wie sie handeln sollten. „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (3. Mo 11,44).

Er handelte keineswegs mit ihnen nach dem Grundsatz: „Bleib für dich und nahe mir nicht, denn ich bin dir heilig“ (Jes 65,5). Das geht klar aus den Worten hervor: „Nicht weil ihr mehr wäret als alle Völker, hat der HERR sich euch zugeneigt und euch erwählt; denn ihr seid das geringste unter allen Völkern; sondern wegen der Liebe des HERRN zu euch und weil er den Eid hielt, den er euren Vätern geschworen hat, hat der HERR euch mit starker Hand herausgeführt und dich erlöst aus dem Haus der Knechtschaft, aus der Hand des Pharaos, des Königs von Ägypten“ (V. 7.8).

Wie heilsam und nötig waren diese Worte für Israel. Sie sollten sich immer daran erinnern, dass sie alle ihre Würden, Vorrechte und Segnungen nicht sich selbst, nicht ihrer eigenen Güte oder Größe, sondern allein dem HERRN zu verdanken hatten, der sich mit ihnen einsgemacht hatte in seiner unendlichen Güte, seiner unumschränkten Gnade und Kraft des Bundes, den Er mit ihren Vätern gemacht hatte, eines Bundes, „geordnet in allem und bewahrt“ (2. Sam 23,5). Diese Worte gaben ihnen einerseits ein göttliches Gegenmittel gegen alle Selbstgefälligkeit und alles Selbstvertrauen und bildeten andererseits die feste Grundlage für ihre Glückseligkeit und Sicherheit. Alles beruhte auf der Gnade Gottes, und deshalb war jeder menschliche Ruhm ausgeschlossen. „In dem HERRN soll sich rühmen meine Seele; hören werden es die Sanftmütigen und sich freuen“ (Ps 34,3).

Nach Gottes bestimmtem Vorsatz soll sich vor ihm „kein Fleisch“ rühmen (1. Kor 1,29). Jede menschliche Anmaßung muss beseitigt werden. Der Herr verbirgt „Übermut vor dem Mann“ (Hiob 33,17). Israel musste lernen, seinen Ursprung und seinen wahren Zustand nicht zu vergessen. Sie waren „Knechte in Ägypten“ gewesen und waren „das geringste unter allen Völkern“. Da war kein Raum für Stolz oder Selbsterhebung. Sie waren nicht besser als die Völker um sie her und hatten, was die Ursache ihrer Gunst und Vorrechte betraf, einfach alles der freien Liebe Gottes zu verdanken und der Zuverlässigkeit seines Eidschwurs.

Ein Gott, der belohnt

„So erkenne denn, dass der HERR, dein Gott, Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Güte auf tausend Geschlechter hin denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten, und denen, die ihn hassen, ins Angesicht vergilt, sie zu vertilgen: Nicht zögert er mit seinem Hasser, ins Angesicht vergilt er ihm“ (V. 9.10).

Hier begegnen wir zwei wichtigen Tatsachen. Die eine ist voll Trost für jeden, der Gott liebt, die andere ist sehr ernst für jeden, der ihn hasst. Alle, die Gott in Wahrheit lieben und seine Gebote bewahren, dürfen zu allen Zeiten und in allen Umständen auf seine Treue und Güte rechnen. „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind“ (Röm 8,28). Wenn dank der Gnade die Liebe Gottes in unseren Herzen wohnt und wir in Gottesfurcht leben, so dürfen wir mit gutem Mut und frohem Vertrauen und in der Gewissheit vorangehen, dass alles gut gehen wird. „Geliebte, wenn unser Herz uns nicht verurteilt, so haben wir Freimütigkeit zu Gott, und was irgend wir bitten, empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und das vor ihm Wohlgefällige tun“ (1. Joh 3,21.22).

Das ist eine bedeutende, ewig gültige Wahrheit, sowohl für Israel als auch für die Versammlung. Die Verschiedenheit ihrer Stellung macht hier keinen Unterschied. Das siebte Kapitel des fünften Buches Mose und das dritte Kapitel des ersten Briefes des Johannes lehren uns dieselbe praktische Wahrheit, nämlich, dass Gott seine Freude an denen hat, die ihn fürchten, lieben und seine Gebote halten.

Darin liegt nichts Gesetzliches. Liebe und Gesetzlichkeit haben nichts miteinander gemeinsam. Sie sind im Gegenteil einander so entgegengesetzt wie die beiden Pole der Erde. „Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer“ (1. Joh 5,3). Der Geist, die Natur, der Grund und Charakter unseres Gehorsams beweisen, dass er das gerade Gegenteil von Gesetzlichkeit ist. Diejenigen, die sogleich von Gesetzlichkeit reden, sobald ihnen die Notwendigkeit eines schlichten Gehorsams vorgestellt wird, befinden sich in einem traurigen Irrtum. Wenn gelehrt würde, dass wir uns durch unseren Gehorsam die Stellung und das Verhältnis von Kindern Gottes erwerben müssten, dann wäre allerdings die Beschuldigung, gesetzlich zu sein, gerechtfertigt. Aber den christlichen Gehorsam als Gesetzlichkeit zu bezeichnen, ist ein Irrtum. Sicherlich kann der Gehorsam der Sohnschaft nicht vorausgehen, jedoch sollte er ihr folgen.

Bevor wir dieses Thema abschließen, möchten wir die Aufmerksamkeit des Lesers auf einige Stellen des Neuen Testaments richten, die oft falsch verstanden werden. Wir lesen in Matthäus 5: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters werdet, der in den Himmeln ist; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte … Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (V. 43–48).

Diese Stelle scheint auf den ersten Blick zu lehren, dass das Kindesverhältnis durch bestimmtes Verhalten erlangt werden kann. Aber das ist gerade nicht der Fall. Es handelt sich hier vielmehr um die Gleichheit oder Übereinstimmung mit den Wegen unseres Vaters. Man sagt zum Beispiel in der Umgangssprache: „Du wärst nicht der Sohn deines Vaters, wenn du so oder so handeln würdest.“ So sagt gleichsam auch der Herr: „Wenn ihr Söhne eures himmlischen Vaters sein wollt, so müsst ihr gegen alle Menschen in Gnade handeln, denn also handelt Er.“

Dann lesen wir in 2. Korinther 6: „Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige“ (V. 17.18). Hier handelt es sich nicht um das verborgene, durch göttliche Wirksamkeit gebildete Kindesverhältnis, sondern um die öffentliche Anerkennung unserer Stellung als Söhne infolge unserer Trennung vom Bösen.

Dieser wichtige Unterschied sollte wohl beachtet werden. Er kann nicht ohne Einfluss auf unsere Praxis bleiben. Wir werden nicht Söhne durch unsere Trennung von der Welt, sondern „durch den Glauben an Christus Jesus“ (Gal 3,26). „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,12.13). „Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt“ (Jak 1,18). Wir werden Kinder durch die neue Geburt, die von Anfang bis zu Ende sein Werk ist. Dafür sei Gott gepriesen. Was hatten wir bei unserer natürlichen Geburt zu tun? Nichts. Und was haben wir bei unserer geistlichen Geburt zu tun? Ebenfalls nichts.

Doch müssen wir uns daran erinnern, dass Gott nur solche öffentlich anerkennen und sich mit ihnen einsmachen kann, die durch die Gnade seiner würdig zu wandeln suchen, wie es sich für Söhne und Töchter des Allmächtigen geziemt. Wie können wir erwarten, dass Gott uns als seine Söhne anerkennt, wenn unsere Wege nicht mit seinem Willen übereinstimmen, wenn wir uns in allerlei traurige Dinge verwickeln und uns in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen befinden? Wir hören in Hebräer 11 von Männern, die „bekannten, dass sie Fremde und ohne Bürgerrecht auf der Erde seien“, und die ganz deutlich zeigten, dass sie „ein Vaterland“ suchten. Von ihnen wird gesagt: „Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden“ (V. 13–16). Er konnte sich öffentlich mit ihnen einsmachen und sie als seine Kinder anerkennen.

Wenden wir uns jetzt einen Augenblick der ernsten Wahrheit zu, die uns im 10. Vers unseres Kapitels vorgestellt wird: „… und denen, die ihn hassen, ins Angesicht vergilt, sie zu vertilgen: Nicht zögert er mit seinem Hasser, ins Angesicht vergilt er ihm“. Während in Vers 9 diejenigen, die Gott lieben, getröstet und ermuntert werden, seine Gebote zu halten, ergeht in diesem Vers die Aufforderung an die Hasser Gottes, seine Warnungen zu beachten.

Es kommt eine Zeit, wo Gott sich mit seinen Feinden persönlich, von Angesicht zu Angesicht, beschäftigen wird. Wie schrecklich ist der Gedanke, dass irgendjemand den hassen kann, der „Licht“ und „Liebe“ ist, die Quelle der Güte, der Urheber und Geber aller guten und vollkommenen Gaben und der Vater der Lichter, dessen freigebige Hand die Bedürfnisse jedes Lebewesens kennt, der das Schreien der jungen Raben hört und den Durst des Wildesels stillt; der der allein weise, unendlich gütige und vollkommen heilige Gott, der gewaltige Herr und Gebieter und der Schöpfer der Enden der Erde ist!

Ich wiederhole: Welch ein Gedanke, dass jemand einen solchen Gott hassen kann! Und doch wissen wir, dass alle, die ihn nicht lieben, ihn hassen, so wenig der Mensch im Allgemeinen bereit ist, das anzuerkennen. Es gibt hier keinen neutralen Boden. Man steht notwendigerweise auf der einen oder auf der anderen Seite. Und auch die Erfahrung lehrt, dass der Mensch, selbst der religiöse Bekenner, gar nicht lange zögert, wenn es darauf ankommt, seine wirkliche Einstellung zu offenbaren. Oft zeigt sich die im Innersten verborgene Feindschaft gegen Gott im Hass gegen sein Volk, sein Wort, seine Anbetung und seinen Dienst; „weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft ist gegen Gott, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie vermag es auch nicht“ (Röm 8,7). Diese Feindschaft zeigt sich in Bezug auf alles, was mit Gott in Verbindung steht. Sie schlummert in jedem unbekehrten Herzen und wartet nur auf die Gelegenheit, sich zu offenbaren. Jeder Mensch in seinem natürlichen Zustand hasst Gott.

Nun aber bezeugt Gott in der erwähnten Stelle: „Nicht zögert er mit seinem Hasser, ins Angesicht vergilt er ihm.“ Welch eine ernste Wahrheit! Der Mensch hört sie nicht gern, und viele möchten sie ganz wegleugnen. Sie suchen sich selbst und andere zu überreden, dass Gott zu gütig, zu liebevoll, zu wohlwollend und zu barmherzig ist, um ein strenges Gericht über seine Geschöpfe ergehen zu lassen. Aber sie vergessen dabei ganz, dass die Wege der Regierung Gottes genauso vollkommen sind wie seine Wege in Gnade. Sie bilden sich ein, Gott würde das Böse übersehen oder es doch mit ihm und mit denen, die es tun, nicht so genau nehmen.

Jeder, der sich diesem verhängnisvollen Irrtum hingibt, tut das auf seine eigenen und ewigen Kosten. Dass Gott in seiner reichen und unumschränkten Gnade und Barmherzigkeit unsere Sünden vergeben und uns vollkommen rechtfertigen kann und dann in unsere Herzen den Geist der Sohnschaft einkehren lässt, ist eine ganz andere Sache. Es ist die Gnade, die durch Gerechtigkeit herrscht „zu ewigem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Röm 5,21). Dem armen, schuldigen Sünder, der anerkennt und empfindet, dass er keine Gerechtigkeit besitzt noch erwerben kann, schenkt Gott in seiner wunderbaren Liebe seine Gerechtigkeit umsonst. Er hat in der unendlichen Liebe seines Herzens ein Mittel gefunden, durch das Er, unbeschadet seiner Gerechtigkeit, jeden rechtfertigen kann, der als ein armer, bußfertiger Sünder einfältig an Jesus glaubt (Röm 3,26).

Hat Gott dabei die Sünde übersehen, als ob sie bedeutungslos wäre? Hat Er die Ansprüche seiner Regierung herabgesetzt, die Forderungen seiner Heiligkeit verringert oder die Würde und Majestät des Gesetzes in irgendeiner Weise angetastet? Nein, im Gegenteil. Nirgendwo findet man einen furchtbareren Ausdruck des Hasses Gottes gegen die Sünde und seinen unwandelbaren Vorsatz, sie mit ewiger Strafe zu strafen, als in dem erhabenen, herrlichen Werk der Erlösung. Nie hätte die göttliche Regierung mehr gerechtfertigt und die Ansprüche göttlicher Heiligkeit, Wahrheit und Gerechtigkeit vollkommener aufrechtgehalten, nie hätte das Gesetz glorreicher bestätigt werden können, als es in dem wunderbaren Erlösungsplan geschehen ist, der durch Gott, den Vater, entworfen, durch Gott, den Sohn, ausgeführt und durch Gott, den Heiligen Geist, offenbart worden ist.

Wollen wir ein richtiges Verständnis von dem Hass Gottes gegen die Sünde und von dem wahren Charakter seiner Heiligkeit haben, so brauchen wir nur einen Blick auf das Kreuz zu werfen. Dort müssen wir horchen auf den Schrei bitterer Not, der aus dem Herzen des Sohnes zu Gott aufstieg und die finsteren Schatten Golgathas durchdrang: „Mein Gott, mein Gott! Warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34). Nie vorher war eine solche Frage gestellt worden, nie kann und wird sie jemals wieder an Gott gerichtet werden. Sie steht einzig da in den Jahrbüchern der Ewigkeit. Lasst uns den betrachten, der diese Frage stellte, oder den, an welchen sie gerichtet wurde. Das Kreuz ist der Maßstab für den Hass Gottes gegen die Sünde und zugleich der Maßstab für seine Liebe zu dem Sünder. Das Kreuz ist die unerschütterliche Grundlage des Gnadenthrons und die Grundlage, auf der Gott unsere Sünden vergeben und uns vollkommen gerecht in einem auferstandenen und verherrlichten Christus annehmen kann.

Doch was wird das Ende derer sein, die all das verachten, in ihrem Hass gegen Gott beharren und doch davon reden, dass Er zu gütig und zu gnädig ist, um die Übeltäter zu bestrafen? – „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt (oder nicht gehorcht), wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm“ (Joh 3,36) 3. Könnten wir auch nur für einen Augenblick denken, dass ein gerechter Gott über seinen eingeborenen, geliebten Sohn, über den, der seine ewige Wonne ist, das Gericht ergehen ließ, weil Er unsere Sünden auf dem Holz trug, und dass Gott trotzdem erlauben könnte, dass einer, der keine Buße getan hat, entrinnt? Wenn Jesus, der fleckenlose, heilige und vollkommene Mensch, der einzige Vollkommene, der je auf dieser Erde lebte, für die Sünden leiden musste, Er, der Gerechte für die Ungerechten, sollten dann Übeltäter, Ungläubige und Gotteshasser errettet werden, und zwar nur deshalb, weil Gott angeblich zu gütig ist, um Sünder für immer in die Hölle zu werfen? Wenn Gott seinen geliebten Sohn verlassen und zerschlagen musste, um sein Volk von seinen Sünden zu erretten, sollten dann Gottlose, Verächter und Widerspenstige errettet werden in ihren Sünden? Warum dann die furchtbaren Schrecken Golgathas? Warum die drei Stunden der Finsternis? Warum der bittere Schrei: „Mein Gott, mein Gott! Warum hast du mich verlassen?“ Warum alles das, wenn Sünder, ohne dass das Gericht nötig war, in den Himmel eingehen könnten? Warum alle die unsagbaren Leiden und Schmerzen, wenn Gott zu gütig, zu gnädig und zu barmherzig ist, Sünder in die Hölle zu senden?

Wie vollständig vernichtet der oben zitierte Vers alle Meinungen und Schlussfolgerungen, die die Menschen in ihrer Torheit und Unwissenheit bezüglich der göttlichen Regierung aufstellen! Ach, wenn der Mensch doch auf das Wort Gottes hören und sich durch seine klare, ernste Ankündigung des kommenden Zorns und ewigen Gerichts warnen lassen wollte! Gott will seinem Hasser ins Angesicht vergelten. Welch eine Vergeltung wird das sein! Wer kann sie ertragen? Die Regierung Gottes ist vollkommen, und darum ist es unmöglich, dass Er das Böse ungerichtet lässt. Das Wort Gottes besteht ewiglich, und wir sehen den Ernst der Regierungswege Gottes, sowohl damals in Verbindung mit Israel als auch heute im Blick auf die Christenheit. Hat Gott das Böse bei seinem Volk übersehen? Keineswegs. Im Gegenteil, Er hat Israel fortwährend gezüchtigt, und zwar gerade deshalb, weil es sein Volk war. Er ließ ihnen durch seinen Propheten Amos sagen: „Hört dieses Wort, das der HERR über euch redet, ihr Kinder Israel – über das ganze Geschlecht, das ich aus dem Land Ägypten heraufgeführt habe – indem er spricht: Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt; darum werde ich alle eure Ungerechtigkeiten an euch heimsuchen“ (Amos 3,1.2).

Denselben Grundsatz finden wir im ersten Brief des Petrus auf die Christenheit angewandt: „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen! Und wenn der Gerechte mit Not errettet wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen?“ (1. Pet 4,17.18).

Gott züchtigt die Seinen, eben weil sie sein sind, damit sie nicht mit der Welt verurteilt werden (1. Kor 11,32). Gott erlaubt den Kindern dieser Welt, ihre eigenen Wege zu gehen; aber ihr Tag kommt, ein finsterer und schrecklicher Tag, ein Tag des Gerichts und des schonungslosen Zorns. Der Mensch mag zweifeln, mag Vernunftschlüsse ziehen; die Schrift aber spricht deutlich und entschieden: Gott hat einen Tag gesetzt, „an dem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat“ (Apg 17,31). Und nahe ist der große Tag der Abrechnung, an dem Gott einem jeden ins Angesicht vergelten wird.

Gott wird seine Versprechen halten

Sehr beeindruckend ist auch die Art und Weise, in der Mose, der geliebte und geehrte Diener Gottes, geleitet durch den Heiligen Geist, der Gemeinde den Ernst der göttlichen Regierung vorstellt (V. 11–16).

Es ist eine gewaltige und rührende Ansprache. Beachten wir die beiden interessanten Wortgruppen: Israels Teil war es, zu „gehorchen“, zu „beobachten“ und zu „tun“, und es war die Sache des HERRN, zu „lieben“, zu „segnen“ und zu „mehren“. Aber Israel versagte in trauriger und schmachvoller Weise unter dem Gesetz wie auch unter der Regierung Gottes, und statt der Liebe, der Segnung und Vermehrung ist Gericht, Fluch, Unfruchtbarkeit und Zerstreuung über das Volk gekommen.

Doch wenn auch Israel unter dem Gesetz und der Regierung versagt hat, so hat Gott doch in seiner reichen, unumschränkten Gnade und Barmherzigkeit nicht versagt. Er wird den Bund und die Güte bewahren, die Er ihren Vätern zugeschworen hat. Nicht ein Jota, nicht ein Strichlein seiner Bundesverheißungen wird ausfallen. Er wird alles erfüllen, alles in Ordnung bringen. Er wird alle seine gnädigen Verheißungen verwirklichen. Zwar kann Er das nicht auf der Grundlage des Gehorsams Israels, aber Er tut es auf der Grundlage des Blutes des ewigen Bundes, des kostbaren Blutes Jesu, seines ewigen Sohnes. Israel kann nicht den geringsten Anspruch auf die Erfüllung der gegebenen Verheißungen geltend machen. Es hat diesen Bund gebrochen und ist ohne Entschuldigung. Aber Gott bleibt derselbe, trotz der Untreue Israels. „Die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar“ (Röm 11,29). Er wird seinen Eid, den Er Abraham geschworen hat, erfüllen, trotz des Verderbens und Verfalls der Nachkommen Abrahams. Israel wird wiederhergestellt, gesegnet und vermehrt werden in seinem geliebten und heiligen Land. Sie werden ihre Harfen von den Weiden herabnehmen, um unter dem Schatten ihrer Weinstöcke und Feigenbäume ihrem Gott und Heiland Preis und Anbetung darzubringen während des herrlichen tausendjährigen Sabbats, der vor ihnen liegt. Das ist das unveränderliche Zeugnis der Schrift von Anfang bis zu Ende, und es wird in allen seinen Einzelheiten erfüllt werden zur Verherrlichung Gottes und aufgrund seines ewigen Bundes.

Doch wir müssen zu unserem Kapitel zurückkehren, dessen Schlussverse unsere besondere Aufmerksamkeit erfordern. Wir lesen, wie Mose das Herz des Volkes bezüglich der gefürchteten Nationen Kanaans ermutigen möchte. Er geht auf ihre innersten Gedanken und Gefühle ein und kommt ihnen zuvor (V. 17–26).

Das Heilmittel gegen alle Befürchtungen und Bedenken des Unglaubens besteht darin, dass wir das Auge einfach auf den lebendigen Gott gerichtet halten; denn das hebt unser Herz über alle Schwierigkeiten hinaus. Es nützt nichts, wenn wir leugnen, dass es Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten aller Art gibt. Das flößt dem ängstlichen Herzen keinen Trost und keinen Mut ein. Es gibt Personen, die im Blick auf die Prüfungen und Schwierigkeiten des Weges gern allerlei geistlich klingende Redensarten im Mund führen, aber gerade dadurch ihre große Unwissenheit über die Wirklichkeit des Lebens an den Tag legen. Sie versuchen uns einzureden, dass wir die Prüfungen, Leiden und Schwierigkeiten des Weges nicht fühlen sollten. Aber sie könnten uns genauso gut sagen, dass wir keinen Kopf auf den Schultern oder kein Herz in der Brust haben dürfen. Solche Leute können ein niedergebeugtes Herz nicht trösten. Sie sind bloße Theoretiker und gänzlich unfähig, Herzen zu ermuntern, die sich im Kampf oder in den Widerwärtigkeiten des täglichen Lebens befinden.

Wie ganz anders suchte Mose die Herzen seiner Brüder zu ermutigen! Er sagte: „Erschrick nicht vor ihnen!“ Und warum nicht? Gab es keine Feinde oder Schwierigkeiten und Gefahren in dem Land? Es gab sie, und Mose dachte nicht daran, sie wegzuleugnen. Warum sollte sich das Volk denn nicht fürchten? „Denn der HERR, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein großer und furchtbarer Gott“ (V. 21). In diesen Worten liegt wirklicher Trost und wahre Ermunterung. Die Feinde waren da; aber Gott war ihre Hilfe. In derselben Weise suchte auch Josaphat sich und seine Brüder in der Zeit der Prüfung und Drangsal zu ermutigen: „Unser Gott, willst du sie nicht richten? Denn in uns ist keine Kraft vor dieser großen Menge, die gegen uns kommt; und wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern auf dich sind unsere Augen gerichtet“ (2. Chr 20,12).

Da haben wir das Geheimnis. Die Augen sind auf Gott gerichtet. Seine Macht wird in die Schwierigkeiten hineingebracht und ordnet alles. „Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns?“ (Röm 8,31). Mose begegnet durch seinen Dienst den Befürchtungen, die in den Herzen der Kinder Israel aufsteigen: „Diese Nationen sind größer als ich.“ Es war allerdings so, aber waren sie auch größer als „der große und furchtbare Gott“? Welche Nationen könnten vor ihm bestehen? Gott selbst lag gleichsam im Streit mit diesen Nationen wegen ihrer schrecklichen Sünden. Das Maß ihrer Missetaten war voll. Ihre Stunde hatte geschlagen, und der Gott Israels stand im Begriff, sie vor seinem Volk auszutreiben.

Israel brauchte daher die Macht des Feindes nicht zu fürchten. Gegen diese Macht wollte der HERR eintreten. Mose weist vielmehr auf eine weit größere Gefahr hin, den Fallstrick des Götzendienstes. „Die geschnitzten Bilder ihrer Götter sollt ihr mit Feuer verbrennen“ (V. 25). – „Wie“, mochten manche fragen, „sollen wir das Gold und das Silber vernichten, mit dem diese Bilder geschmückt sind? Könnte das nicht für einen guten Zweck verwendet werden? Es ist ja ganz richtig, die Bilder zu verbrennen, aber warum sollte man das Gold und das Silber nicht schonen?“

Doch welch eine verhängnisvolle Täuschung ist das! „Du sollst nicht das Silber und das Gold daran begehren und es dir nehmen, damit du nicht dadurch verstrickt wirst; denn es ist ein Gräuel für den HERRN, deinen Gott.“ Alles muss aufgegeben, alles muss zerstört werden. Behalten wir auch nur das Geringste von dem Verbannten zurück, so fallen wir in den Fallstrick des Teufels und verbinden uns mit dem, was in den Augen Gottes ein Gräuel ist.

Fußnoten

  • 1 Viele Christen verstehen eine große Zahl von Psalmen sehr schwer, weil in ihnen das Gericht für den Gottlosen erfleht wird. Die Sprache dieser Psalmen ist natürlich für uns Christen heute ganz unpassend, da wir ja belehrt werden, unsere Feinde zu lieben, Gutes zu tun denen, die uns hassen, und für solche zu beten, die uns beleidigen und verfolgen. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass das, was für die Versammlung Gottes, als ein verborgenes und unter der Gnade stehendes Volk, unpassend ist, dem Volk Gottes, das unter den Grundsätzen göttlicher Regierung stand, von Gott aufgetragen war. Kein geistlich gesinnter Christ denkt daran, Rache für seine Feinde oder für den Gottlosen zu erbitten. Das wäre ein grobes Vergessen seiner christlichen Stellung. Wir sind vielmehr berufen, ein lebendiges Zeugnis der Gnade Gottes in einer sündigen Welt zu sein, in den Fußstapfen des Herrn Jesus zu gehen, der sanftmütig und von Herzen demütig war, um der Gerechtigkeit willen zu leiden und dem Bösen zu widerstehen. Gott handelt jetzt mit der Welt in Langmut und Geduld. „Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45). Das soll unser Vorbild sein, und der Herr ermahnt uns, hierin „vollkommen zu sein, wie unser himmlischer Vater vollkommen ist“ (Mt 5,48). Ein Christ würde seinen himmlischen Vater völlig falsch darstellen und sein Bekenntnis verfälschen, wenn er mit der Welt nach den Grundsätzen eines gerechten Gerichts verfahren wollte. Aber bald, wenn die Versammlung die Erde verlassen hat, wird Gott mit der Welt in Gerechtigkeit handeln und die Völker danach richten, wie sie sein Volk Israel behandelt haben.
  • 2 Es ist lehrreich und auch zugleich eine Warnung für uns, zu sehen, wie das, was die Mauern Jerichos nicht bewirken konnten, durch die Kleider, das schimmlige Brot und die trügerischen Reden der Gibeoniter erreicht wurde. Satans List ist mehr zu fürchten als seine Macht. „Zieht die ganze Waffenrüstung Gottes an, damit ihr zu bestehen vermögt gegen die Listen des Teufels“ (Eph 6,11). Je mehr wir die verschiedenen Teile der Waffenrüstung Gottes untersuchen, umso klarer werden wir sehen, dass sie sich unter zwei Überschriften einreihen lassen: Gehorsam und Abhängigkeit. Ein Mensch, der wirklich durch die Autorität des Wortes beherrscht wird und abhängig ist von der Macht des Heiligen Geistes, ist vollkommen ausgerüstet zum Kampf. Das waren die Waffen, durch die der Mensch Christus Jesus den Feind besiegte. Der Teufel konnte nichts mit einem Menschen anfangen, der vollkommen gehorsam und abhängig war.
  • 3 Diese Stelle zeigt uns nicht nur die Wahrheit, dass alle, die an den Sohn glauben, das ewige Leben besitzen, sondern sie entzieht auch den beiden bedeutendsten Irrlehren unserer Tage, der Allversöhnungs- und der Vernichtungslehre, jeden Boden. Der Allversöhner lehrt, dass schließlich alle Menschen errettet und gesegnet werden. Unsere Stelle aber sagt: „Wer dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen.“ Der Anhänger der Vernichtungslehre glaubt, dass alle, die Christus nicht angehören, wie das Vieh umkommen. Unsere Stelle aber sagt: „Der Zorn Gottes bleibt“ auf einem jeden, der nicht glaubt oder nicht gehorcht. Offenbar aber sind ein bleibender Zorn und eine gänzliche Vernichtung unvereinbare Begriffe.
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