Betrachtungen über das dritte Buch Mose
Die Reinigung des Aussätzigen – eine herrliche Wahrheit des Evangeliums
„Und der HERR redete zu Mose und sprach: Dies soll das Gesetz des Aussätzigen sein am Tag seiner Reinigung: Er soll zum Priester gebracht werden; und der Priester soll hinausgehen außerhalb des Lagers“ (Kap. 14,1–3). Wir haben bereits gesehen, wo der Aussätzige wohnte. Er war außerhalb des Lagers, von Gott, von seinem Heiligtum und seiner Versammlung getrennt. Um ihn her eine trostlose Einöde und er selbst äußerlich unrein. Er befand sich außerhalb des Bereiches menschlicher Hilfe, und was ihn selbst betraf, so konnte er durch Berührung einer Person oder einer Sache nichts als Verunreinigung übertragen. Es war ihm daher ganz und gar unmöglich, etwas zu tun, was ihn hätte reinigen können. Wenn er durch Anrühren nur verunreinigen konnte, wo gab es dann eine Möglichkeit für ihn, sich selbst zu reinigen oder irgendetwas zu seiner Reinigung beizutragen oder mitzuwirken? Das war völlig unmöglich. Als ein unreiner Aussätziger konnte er nicht das Geringste für sich tun. Alles musste für ihn getan werden. Er konnte sich keinen Weg zu Gott bahnen, aber Gott konnte zu ihm kommen. Er war völlig auf Gott geworfen. In ihm selbst oder in seinen Mitmenschen gab es keine Aussicht auf Hilfe. Es ist klar, dass der eine Aussätzige nicht den anderen reinigen konnte, und es ist ebenso klar, dass ein Aussätziger eine reine Person verunreinigte, wenn er sie anrührte. Seine einzige Hilfsquelle war deshalb in Gott. Er musste im Blick auf alles ein Schuldner der Gnade sein. Daher lesen wir: „Der Priester soll hinausgehen außerhalb des Lagers.“ Es wird nicht gesagt: „Der Aussätzige soll gehen.“ Davon war keine Rede. Es hatte keinen Zweck, mit dem Aussätzigen von Gehen und Tun zu reden. Er war einer trostlosen Einöde überliefert. Wohin konnte er gehen? Er war hilflos dieser schrecklichen, verunreinigenden Krankheit verfallen. Was konnte er tun? Er mochte gern etwas Umgang haben und rein werden wollen, aber er war ja nur ein einsamer, hilfloser Aussätziger. Er mochte alle nur erdenklichen Anstrengungen zu seiner Reinigung machen, aber seine Anstrengungen konnten nur seine Unreinheit erweisen und die Befleckung weiter ausbreiten. Ehe er für „rein“ erklärt werden konnte, musste ein Werk für ihn geschehen, das er selbst nicht tun und bei dem er nicht mithelfen konnte – ein Werk, das ganz und gar durch einen anderen getan werden musste. Der Aussätzige hatte nur „still zu stehen“ und den Priester ein Werk tun zu sehen, durch das der Aussatz vollständig gereinigt werden konnte. Der Priester verrichtete alles. Der Aussätzige tat nichts.
Die zwei Vögel
„Der Priester soll gebieten, dass man für den, der zu reinigen ist, zwei lebende, reine Vögel nehme und Zedernholz und Karmesin und Ysop. Und der Priester soll gebieten, dass man den einen Vogel schlachte in ein irdenes Gefäß über lebendigem Wasser“ (V. 4.5). In dem Priester, der aus dem Lager und der Wohnstätte Gottes hinausgeht, erblicken wir den Herrn Jesus, wie Er herniederkommt aus dem Schoß des Vaters, seinem ewigen Wohnplatz, in diese sündenbedeckte Welt, wo Er uns mit dem Aussatz der Sünde behaftet sah. Gleich dem barmherzigen Samariter kam Er dahin, wo wir waren. Und das war nötig. Wenn Er nicht auf diese Erde gekommen wäre, so hätte Er unmöglich unserem Aussatz gebieten können, von uns zu weichen, ohne die heilige Forderung Gottes zu verletzen. Er konnte durch das Wort seines Mundes Welten ins Dasein rufen. Sollte aber der aussätzige Sünder gereinigt werden, so musste mehr geschehen. „So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab“ (Joh 3,16). Wenn Himmel und Erde geschaffen werden sollten, brauchte Gott nur zu reden. Wenn es sich aber um die Errettung verlorener Sünder handelte, so bedurfte es der Hingabe seines Sohnes (vgl. 1. Joh 4,9.10).
Die Sendung und Fleischwerdung des Sohnes war jedoch nicht alles, was erfüllt werden musste. Es hätte dem Aussätzigen wenig genützt, wenn der Priester nur das Lager verlassen hätte, um seinen elenden Zustand zu besichtigen. Blutvergießung war nötig, wenn der Aussatz weichen sollte. Es bedurfte des Todes eines fleckenlosen Opfers. „Ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung“ (Heb 9,22). Die Blutvergießung bildete die wahre Grundlage der Reinigung des Aussätzigen. Sie war nicht nur ein bloßer Umstand, der in Verbindung mit anderen Umständen zur Reinigung des Aussätzigen beitrug. Keineswegs. Die Dahingabe des Lebens war das Erhabenste und Wichtigste; das allein öffnete den Weg und beseitigte jede Schranke, so dass Gott in Gnade mit dem Aussätzigen handeln konnte.
„Und der Priester soll gebieten, dass man den einen Vogel schlachte in ein irdenes Gefäß über lebendigem Wasser“ (V. 5). Christus ist „in Schwachheit gekreuzigt worden“ (2. Kor 13,4). Das größte und herrlichste Werk, das je im Weltall geschehen ist, wurde „in Schwachheit“ vollbracht. O mein Leser, wie schrecklich muss die Sünde in den Augen Gottes sein, wenn sein vielgeliebter Sohn vom Himmel herniedersteigen und als ein Schauspiel für Menschen, Engel und Teufel an dem Fluchholz hängen musste, um für dich und mich die Vergebung zu erwirken! Und welch ein Bild von der Sünde finden wir in dem Aussatz! Wer hätte denken können, dass der kleine, „weiß-rötliche Flecken“ an dem Körper eines Gliedes der Gemeinde Israels von solch ernsten Folgen begleitet gewesen wäre? Und dennoch war dieser unscheinbare Flecken, da, wo er sich zeigte, nichts anderes als die wirksame Kraft des Bösen. Er verriet die entsetzliche Wirkung der Sünde, und bevor jemand für einen Platz in der Versammlung oder für den Genuss der Gemeinschaft mit dem heiligen Gott passend gemacht werden konnte, musste der Sohn Gottes aus dem Himmel kommen und in die untersten Örter der Erde hinabsteigen, um für alles das, was sich in Form eines kleinen, „weiß-rötlichen Fleckens“ offenbarte, eine vollkommene Versöhnung zustande zu bringen. Möchten wir uns hieran stets erinnern! Die Sünde ist entsetzlich in den Augen Gottes. Er kann nicht einen einzigen sündhaften Gedanken dulden. Die unbedeutendste Sünde (wenn irgendwie die Sünde unbedeutend genannt werden kann) forderte nichts Geringeres als den Tod des Sohnes Gottes. Aber was die Sünde forderte, das hat die erlösende Liebe freiwillig gegeben, und jetzt wird Gott in der Vergebung der Sünde unendlich mehr verherrlicht, als es der Fall gewesen wäre, wenn Adam seine ursprüngliche Unschuld bewahrt hätte. Gott wird mehr verherrlicht durch die Errettung, Rechtfertigung, Bewahrung und schließlich die Verherrlichung des schuldigen Menschen, als Er je hätte verherrlicht werden können durch die Bewahrung des unschuldigen Menschen in dem Genuss der Segnungen dieser Schöpfung. Das ist das große Geheimnis der Erlösung.
Sobald das Blut vergossen ist, kann der Priester sogleich sein Werk beginnen (V. 6.7). Bis dahin lasen wir: „Der Priester soll gebieten“, aber jetzt handelt er unmittelbar selbst. Der Tod Christi ist die Grundlage seiner priesterlichen Tätigkeit. Nachdem Er mit seinem eigenen Blut in das Heiligtum gegangen ist, handelt Er als unser großer Hoherpriester, indem Er alle die wunderbaren Ergebnisse seines Versöhnungswerkes auf unsere Seelen anwendet und uns in der vollkommenen und göttlichen Unversehrtheit der Stellung aufrechterhält, in die sein Opfer uns gebracht hat (Heb 8,3.4).
Wir könnten kaum ein treffenderes Vorbild auf die Auferstehung Christi finden als das, was uns in „dem ins freie Feld fliegenden, lebenden Vogel“ vor Augen gestellt wird. Dessen Freilassung geschah erst nach dem Tod seines Gefährten, denn die beiden Vögel versinnbildlichen einen Christus in zwei Abschnitten seines Werkes: in seinem Tod und in seiner Auferstehung. Hätte man auch noch so viele andere Vögel freigelassen, so würde das dem Aussätzigen nichts genützt haben. Nein, jener lebendige Vogel musste es sein, der zum Himmel emporstieg und auf seinen Flügeln das Zeichen einer vollbrachten Versöhnung trug und der so die große Tatsache verkündigte, dass das Werk vollbracht, der Boden gereinigt und die Grundlage gelegt war. Ebenso ist es im Blick auf unseren Herrn und Heiland Jesus Christus. Seine Auferstehung verkündigt den Triumph der Erlösung. „Er ist unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden“ (Röm 4,25). Das nimmt die Last von dem mühseligen und beladenen Herzen und beruhigt das bekümmerte Gewissen. Die Schriften versichern mir, dass Jesus unter der Last meiner Sünden am Kreuz hing, und dieselben Schriften versichern mir, dass Er das Grab verlassen hat, ohne noch irgendeine von diesen Sünden auf sich zu haben. Und das ist noch nicht alles. Dieselben Schriften versichern mir auch, dass alle, die ihr Vertrauen auf den Herrn Jesus setzen, ebenso frei von aller Schuld sind wie Er selbst; dass es für sie ebenso wenig eine Verdammnis gibt, wie für ihn; dass sie in ihm, eins mit ihm, begnadigt und angenommen in ihm, mit ihm lebendig gemacht, mit ihm auferweckt und in ihm in die himmlischen Örter mitversetzt sind. Das ist das Zeugnis der Schriften, das uns Frieden gibt, das Zeugnis Gottes, der nicht lügen kann (s. Röm 6,6–11; 8,1–4; 2. Kor 5,21; Eph 2,5.6; Kol 2,10–15; 1. Joh 4,17).
Zedernholz, Karmesin und Ysop
Der sechste Vers unseres Kapitels enthält noch eine andere wichtige Wahrheit. Wir sehen hier nicht nur in dem freigelassenen Vogel unsere vollkommene Befreiung von Schuld und Verdammnis, sondern wir finden hier auch in treffender Weise in dem „Karmesin“ und in dem „Zedernholz und Ysop“ unsere völlige Befreiung von allen Reizen der Erde und allen Einflüssen der Natur dargestellt. Das Kreuz ist das Ende aller Herrlichkeit dieser Welt. Gott stellt es als solches dar, und der Gläubige erkennt es als solches an. „Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den (oder: das) mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (Gal 6,14).
Was nun das „Zedernholz und den Ysop“ anbelangt, so stellen sie gleichsam die beiden Extreme in dem weiten Gebiet der Natur dar. Salomo „redete über die Bäume, von der Zeder, die auf dem Libanon ist, bis zum Ysop, der an der Mauer herauswächst“ (1. Kön 5,13). Von der hohen Zeder, die die Hänge des Libanon krönt, bis zu dem niedrigen Ysop, der an der Mauer herauswächst, ist die Natur in allen ihren verschiedenen Bereichen unter die Macht des Kreuzes gebracht, so dass der Gläubige in dem Tod Christi das Ende seiner ganzen Schuld, das Ende aller irdischen Herrlichkeit und das Ende der ganzen alten Schöpfung erblickt. Und womit soll er sich beschäftigen? Mit ihm, dem Gegenbild jenes lebenden Vogels, der mit blutbenetzten Flügeln zum Himmel emporstieg. Wie herrlich, darüber nachzudenken! Wie wird die Seele da befriedigt! Ein auferstandener, aufgefahrener und verherrlichter Christus ist durch die Himmel gegangen und seine heilige Person trägt die Merkmale der vollbrachten Erlösung. Er ist es, mit dem wir es zu tun haben. Auf ihn sind wir geworfen. Er ist der ausschließliche Gegenstand der Wonne Gottes. Er ist der Mittelpunkt der Freude des Himmels, der Gegenstand des Lobgesangs der Engel. Wir haben jetzt kein Verlangen mehr nach irdischer Herrlichkeit, nach den Reizen der Natur. Wir können sie, samt unserer Sünde und Schuld, als durch den Tod Christi für ewig beseitigt betrachten. Und wahrlich, wir können Erde und Natur wohl entbehren, da wir statt ihrer „den unergründlichen Reichtum des Christus“ (Eph 3,8) erlangt haben.
Die Blutbesprengung auf den Aussätzigen
„Und er soll auf den, der vom Aussatz zu reinigen ist, siebenmal sprengen und ihn für rein erklären; und den lebenden Vogel soll er ins freie Feld fliegen lassen“ (V. 7). Es kam nur Gott zu, ein Werk zu erdenken und zu vollbringen, durch das der Aussätzige gereinigt werden konnte. Ebenso kam es nur Gott zu, den Aussätzigen „rein“ zu erklären. Darum steht geschrieben: „Der Priester soll auf ihn sprengen“ und „soll ihn für rein erklären“. Es wird nicht gesagt, dass der Aussätzige sich besprengen und für rein erklären oder für rein halten sollte. Sein eigenes Tun oder Denken war ohne Belang. Gott war es, der alles beurteilte, der heilte und reinigte. Er allein wusste, was Aussatz war, wie er beseitigt und wann der Aussätzige für rein erklärt werden konnte. Nur im Wort Gottes, in dem göttlichen Zeugnis, wurde dem Aussätzigen die volle Wahrheit bezüglich des Aussatzes kundgetan und nichts Geringeres als dieselbe Autorität musste ihn für rein erklären, und zwar nur auf dem Boden des Todes und der Auferstehung. Es besteht also eine wichtige Verbindung zwischen den drei Dingen in Vers 7: Das Blut wird gesprengt, der Aussätzige für rein erklärt und der lebende Vogel freigelassen. Keinerlei Andeutung wird von dem gemacht, was der Aussätzige zu tun, zu sagen, zu denken oder zu fühlen hatte. Er war ein Aussätziger, von Kopf bis Fuß mit Aussatz bedeckt. Es war für ihn genug, dies zu wissen. Alles andere war Gottes Sache. Gott gebe, dass jeder, der mit Ernst nach Frieden sucht, die in diesem Abschnitt entwickelte Wahrheit erfasst! Wie viele beunruhigen und quälen sich mit der Frage des Fühlens, des Verwirklichens (der persönlichen Erfahrung) und des Aneignens, anstatt zu bedenken, dass das Sprengen des Blutes ebenso unabhängig von dem Aussätzigen und ebenso göttlich war wie das Blutvergießen.
Das Evangelium, durch das wir errettet werden, lautet: „Christus ist für unsere Sünden gestorben nach den Schriften; und er wurde begraben, und er ist auferweckt worden am dritten Tag nach den Schriften“ (1. Kor 15,3.4). Für jemand, der dem Ertrinken nahe war, ist es ein erhebendes Gefühl, sich im Rettungsboot geborgen zu wissen, aber immerhin ist es nicht dieses Gefühl, das ihn rettet, sondern das Rettungsboot. Genauso ist es mit dem Sünder, der an den Herrn Jesus Christus glaubt. Er ist durch den Tod und die Auferstehung Christi errettet. Er ist nicht errettet, weil er es fühlt, sondern weil Gott es ihm sagt. Es ist „nach den Schriften“. Christus ist gestorben und wieder auferstanden, und auf diesem Grund erklärt Gott ihn für rein.
Nichts verrät wohl deutlicher die tief gewurzelte Gesetzlichkeit unserer Herzen als die so oft erhobene Frage der Verwirklichung des sich Aneignens, der innerlichen Erfahrung dieser Wahrheiten. Wir wollen irgendwie unser eigenes Ich mitwirken lassen und schwächen dadurch unseren Frieden und unsere Freiheit in Christus. Hauptsächlich aus diesem Grund verweile ich so lange bei der Reinigung des Aussätzigen und besonders bei der in Kapitel 14,7 entwickelten Wahrheit. Es war der Priester, der das Blut sprengte, und es war der Priester, der den Aussätzigen für rein erklärte. Und ebenso verhält es sich mit dem Sünder.
Wenn der Aussätzige in dem Augenblick, da der Priester ihn für rein erklärte, auf sich selbst geblickt hätte, würde er dann irgendeinen Grund dafür gefunden haben? Ganz sicher nicht. Das gesprengte Blut, und nicht irgendetwas in oder in Verbindung mit dem Aussätzigen, war die Grundlage des göttlichen Zeugnisses. Er wurde nicht danach gefragt, was er fühle oder was er denke, auch nicht, wie tief er das Schreckliche seiner Krankheit erkenne. Er war anerkanntermaßen aussätzig, und das war genug. Für einen solchen wurde das Blut vergossen, und das Blut machte ihn rein. Wie konnte er das wissen? Weil er es fühlte? Nein, sondern weil der Priester es ihm an Gottes statt und durch seine Bevollmächtigung verkündigte. Der Aussätzige wurde für rein erklärt auf derselben Grundlage, auf der der lebendige Vogel freigelassen wurde. Dasselbe Blut, in das der lebendige Vogel eingetaucht worden war, wurde auf den Aussätzigen gesprengt. Damit war die Sache vollkommen und in einer Weise geordnet, die von dem Aussätzigen, von seinen Gefühlen, seinen Gedanken und seiner Verwirklichung oder Erfahrung gänzlich unabhängig war. Und wenn wir jetzt unsere Blicke von diesem Bild abwenden und das Gegenbild ins Auge fassen, so sehen wir, dass unser Herr Jesus Christus in den Himmel ging und am Thron Gottes das ewige Zeugnis seines vollbrachten Werkes niederlegte, kraft dessen auch der Gläubige dort eintreten kann. Das ist eine kostbare Wahrheit, die Gott dazu ausersehen hat, aus dem Herzen einer ernstlich suchenden Seele jeden Zweifel, jede Furcht, jeden beunruhigenden Gedanken und jede quälende Frage wegzunehmen. Der auferstandene Christus ist der ausschließliche Gegenstand Gottes, und Gott erblickt jeden Gläubigen in Ihm.
Sieben Tage außerhalb seines Zeltes
„Und der, der zu reinigen ist, soll seine Kleider waschen und all sein Haar scheren und sich im Wasser baden; und er ist rein. Und danach darf er ins Lager kommen, aber er soll sieben Tage außerhalb seines Zeltes bleiben“ (V. 8). Der für rein erklärte Aussätzige konnte jetzt beginnen, etwas zu tun, das er vorher nicht einmal versuchen durfte: Er konnte sich reinigen, seine Kleider waschen, sein Haar scheren und, nachdem dies geschehen war, seinen Platz im Lager einnehmen, den Platz der anerkannten, öffentlichen Gemeinschaft mit dem Gott Israels, dessen Gegenwart im Lager die Entfernung des Aussätzigen nötig gemacht hatte. Nachdem das Blut in seiner versöhnenden Kraft angewandt worden ist, tritt die Waschung mit Wasser in den Vordergrund als ein Symbol der Wirkung des Wortes auf den Charakter, die Gewohnheiten und Handlungen eines Menschen, so dass dieser dadurch nicht allein in den Augen Gottes, sondern auch in den Augen der Gemeinde befähigt wird, in der öffentlichen Versammlung seinen Platz einzunehmen.
Aber obwohl der Aussätzige jetzt mit Blut besprengt, mit Wasser gewaschen und somit zu einer Stellung in der öffentlichen Versammlung berechtigt war, wurde es ihm doch noch nicht gestattet, in sein eigenes Zelt, d. h. in den vollen Genuss jener verborgenen, persönlichen Vorrechte einzutreten, die seinem besonderen Platz im Lager zukamen. Mit anderen Worten: Obwohl er die Versöhnung durch das vergossene und gesprengte Blut kannte und das Wort als die Richtschnur anerkannte, nach der seine Person und alle seine Gewohnheiten gereinigt und ausgerichtet werden sollten, musste er doch noch, in der Kraft des Heiligen Geistes, in den vollen, bewussten Genuss, seines besonderen Platzes und seiner besonderen Vorrechte in Christus gebracht werden.
Wie oft wird diese Wahrheit übersehen! Es gibt viele, die das Blut Christi als die alleinige Grundlage der Vergebung und das Wort als das einzige Mittel anerkennen, durch das ihre Gewohnheiten, Handlungen und Verbindungen gereinigt und geregelt werden müssen, die aber dennoch weit davon entfernt sind, durch die Kraft des Heiligen Geistes die Kostbarkeit und Vortrefflichkeit des Herrn zu genießen. Sie stehen auf dem Platz einer tatsächlichen Verbindung mit Christus, aber nicht in der Kraft persönlicher Gemeinschaft. Es ist vollkommen wahr, dass alle Gläubigen in Christus sind und als solche berechtigt zum praktischen Genuss der erhabensten Wahrheiten. Auch besitzen sie den Heiligen Geist als die Kraft der Gemeinschaft. Aber so wahr dies alles ist, schließt es doch nicht die Beiseitesetzung alles dessen, was der Natur angehört, in sich ein, die zu einer wahren Gemeinschaft mit Christus in den verschiedenen Seiten seines Charakters und seines Werkes notwendig ist. Freilich wird dies erst am „achten Tag“ voll und ganz verstanden werden, an dem Tag der Auferstehungs-Herrlichkeit, wo wir erkennen werden, wie wir erkannt sind. Dann wird in der Tat jeder für sich, dann werden alle miteinander in die volle Gemeinschaft mit Christus eintreten und alle die wunderbaren Seiten seiner Person und die herrlichen Züge seines Charakters erkennen, wie sie in den Versen 10–20 unseres Kapitels beschrieben sind. Das ist die Hoffnung, die vor uns liegt. Aber schon jetzt können wir in dem Maß, wie wir durch den Glauben und die Kraft des Heiligen Geistes den Tod Christi auf uns selbst, auf die Natur und alles, was zu ihr gehört, anwenden, in der persönlichen Gemeinschaft mit Christus, in ihm unsere Speise und unsere Wonne finden.
„Und es soll geschehen, am siebten Tag soll er all sein Haar scheren, sein Haupt und seinen Bart und seine Augenbrauen; ja all sein Haar soll er scheren und seine Kleider waschen und sein Fleisch im Wasser baden; und er ist rein“ (V. 9). Es ist klar, dass der Aussätzige am ersten Tag, nachdem das Blut in seiner siebenfältigen oder vollkommenen Kraft auf ihn gesprengt war, nach dem Urteil Gottes ebenso rein war wie am siebten Tag. Worin bestand nun der Unterschied? Nicht in seiner Stellung oder in seinem Zustand, sondern in seiner persönlichen Einsicht und Gemeinschaft. Am siebten Tag wurde er berufen, sich von allem zu trennen, was der Natur angehörte. Er sollte verstehen lernen, dass nicht nur der Aussatz der Natur, sondern auch jede Zierde der Natur, ja alles, was natürlich war, alles, was dem alten Zustand angehörte, beseitigt werden musste.
Die Lehre zu kennen, dass Gott meine Natur als tot betrachtet, ist etwas ganz anderes, als mich selbst für tot zu „halten“ (Röm 6,11), den alten Menschen mit seinen Handlungen praktisch auszuziehen und meine Glieder, die auf der Erde sind, zu töten (Kol 3,5). Dies ist es wahrscheinlich, woran viele Christen denken, wenn sie von einer fortschreitenden Heiligung sprechen. Ihre Meinung ist nicht gerade verkehrt, aber sie fassen die Sache nicht genau so auf, wie die Schrift es tut. Der Aussätzige wurde für rein erklärt, sobald das Blut auf ihn gesprengt war, und dennoch musste er sich selbst reinigen. Wie ist das zu verstehen? In dem ersten Fall war er vor Gott rein. In dem zweiten musste er praktisch, nach seinem persönlichen Verständnis und in seinem ganzen Äußeren, rein sein. So ist es auch mit dem Gläubigen. Er ist, als eins mit Christus, „gewaschen, geheiligt und gerechtfertigt“, „begnadigt“ oder „angenehm gemacht“ und „vollendet“ (1. Kor 6,11; Eph 1,6; Kol 2,10). Das ist seine unveränderliche Stellung, sein Zustand vor Gott. Er ist ebenso vollkommen geheiligt wie vollkommen gerechtfertigt, denn nach dem Urteil und der Entscheidung Gottes in dieser Sache ist Christus der Maßstab für beides. Das Ergreifen dieser Wahrheiten sowie deren Darstellung in den Gewohnheiten und Wegen eines Gläubigen ist jedoch eine ganz andere Sache. Daher lesen wir: „Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes“ (2. Kor 7,1). Weil Christus uns durch sein kostbares Blut gereinigt hat, sind wir berufen, uns selbst zu reinigen, indem wir das Wort durch den Geist auf uns anwenden. „Dieser ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut, Jesus Christus; nicht durch das Wasser allein, sondern durch das Wasser und durch das Blut. Und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt, weil der Geist die Wahrheit ist. Denn drei sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist und das Wasser und das Blut, und die drei sind einstimmig“ (1. Joh 5,6–8). Hier haben wir die Versöhnung durch das Blut, die Reinigung durch das Wort und die Kraft durch den Geist, alles gegründet auf den Tod Christi und alles lebendig veranschaulicht in den Anordnungen über die Reinigung des Aussätzigen.
Der achte Tag und seine Opfer
In den Versen 10–12 haben wir die ganze Reihe der Opfer; aber das Schuldopfer ist das erste, das geschlachtet wird, da der Aussätzige als ein wirklich Schuldiger betrachtet wird. Dies ist in jedem Fall wahr. Als solche, die gegen Gott gesündigt haben, benötigen wir Christus als den, der auf dem Kreuz für diese Vergehungen gebüßt hat. „Er selbst hat unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen“ (1. Pet 2,24). Der erste Gesichtspunkt, unter dem der Sünder Christus kennenlernt, ist der, dass er ihn erblickt als das Gegenbild des Schuldopfers (V. 14).
Das „Ohr“, dieses schuldige Glied, das sich so oft als Mitteilungskanal für Eitelkeit, Torheit und selbst Unreinheiten erwiesen hat, muss durch das Blut des Schuldopfers gereinigt werden. So ist jedes Vergehen, das ich durch dieses Glied begangen habe, nach dem Maß vergeben, in dem Gott das Blut Christi schätzt. Die „rechte Hand“, die sich so oft zur Ausführung eitler, törichter und selbst unreiner Werke ausgestreckt hat, muss durch das Blut des Schuldopfers gereinigt werden. So ist jedes durch dieses Glied begangene Vergehen nach dem Maß vergeben, in dem Gott das Blut Christi schätzt. Der „Fuß“, der so oft den Pfad der Eitelkeit, der Torheit und selbst der Unreinheiten gewandelt ist, muss jetzt gereinigt werden durch das Blut des Schuldopfers, so dass jedes durch dieses Glied begangene Vergehen nach dem Maß vergeben ist, in dem Gott das Blut schätzt. Ja, alles, alles ist vergeben, alles ist ausgelöscht, alles vergessen, alles wie Blei in den gewaltigen Wassern ewiger Vergessenheit versunken. Wer könnte es wieder nach oben bringen? Werden Engel, Menschen oder Teufel imstande sein, in diese unergründlichen Wasser hinabzusteigen, um jene Vergehungen des „Fußes“, der „Hand“ oder des „Ohres“, die Gottes Liebe hineingeworfen hat, wieder an die Oberfläche zu bringen? Nein, Gott sei Dank! – Sie sind verschwunden, für ewig verschwunden. Ich bin weit besser daran, als wenn Adam nie gesündigt hätte. Weit besser ist es, im Blut Christi gewaschen, als in Unschuld gekleidet zu sein!
Das Versöhnungsblut Christi hat die Vergehungen ausgelöscht. Aber damit war Gott noch nicht zufrieden. Er hat noch Größeres im Sinn.
Unsere Glieder werden nicht nur durch das Blut Christi gereinigt, sondern auch in der Kraft des Geistes Gottes geweiht (V. 15–18). Das Werk Gottes verdrängt nicht nur die negativen Dinge, sondern bringt auch positive hervor. Nicht nur soll das Ohr nicht länger dem Zweck dienen, verunreinigende Dinge aufzunehmen, sondern es soll die Stimme des guten Hirten „schnell hören“. Nicht nur soll die Hand nicht länger als Werkzeug der Ungerechtigkeit gebraucht werden, sondern sie soll sich brauchen lassen zu Handlungen der Gerechtigkeit, der Gnade und der wahren Heiligkeit. Nicht nur soll der Fuß nicht länger die Wege der Torheit gehen, sondern er soll in den Wegen der heiligen Gebote Gottes laufen. Mit einem Wort, der ganze Mensch soll in der Kraft des Heiligen Geistes Gott geweiht sein.
Es ist bemerkenswert, dass „das Öl auf das Blut des Schuldopfers“ getan wurde. Das Blut Christi ist die göttliche Grundlage für das Wirken des Heiligen Geistes. Das Blut und das Öl gehören zusammen. Nur aufgrund des Blutes können wir als Sünder von dem Öl etwas wissen. Das Öl konnte nicht auf den Aussätzigen gebracht werden, bevor das Blut des Schuldopfers angewandt worden war. „In dem auch ihr, nachdem ihr … geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung“ (Eph 1,13). Die göttliche Genauigkeit des Bildes muss die Bewunderung jedes erneuerten Herzens wachrufen. Je tiefer wir in das Bild eindringen und je mehr wir das Licht der Schrift darauf scheinen lassen, desto mehr werden wir seine Schönheit und Genauigkeit wahrnehmen und genießen. Alles steht, wie es ja zu erwarten ist, mit dem ganzen Zusammenhang des Wortes Gottes in voller und schöner Übereinstimmung. Um das zu erkennen, bedarf es keiner großen Anstrengung unseres Geistes. Wenn man Christus als Schlüssel hat, um den reichen Schatz der Bilder des Alten Testaments zu erschließen, wenn man den wunderbaren Inhalt im Licht der göttlichen Inspiration prüft und den Heiligen Geist als göttlichen Lehrer benutzt, so wird man ganz sicher erbaut, erleuchtet und gesegnet.
„Und der Priester soll das Sündopfer opfern und Sühnung tun für den, der von seiner Unreinheit zu reinigen ist“ (V. 19). Hier haben wir nicht nur ein Bild von Christus als dem, der unsere Sünden getragen hat, sondern wir sehen ihn hier auch als den, der mit Wurzel und Zweig der Sünde ein Ende gemacht und das ganze System der Sünde zerstört hat; wir sehen ihn als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Joh 1,29).
Als Schuldopfer nahm Christus alle meine Sünden, meine ganze Schuld, hinweg. Als Sündopfer traf Er die Wurzel, aus der alle jene Sünden hervorkamen. Er hat alles in Ordnung gebracht; aber ich lerne ihn zuerst als das Schuldopfer kennen, weil ich ihn als solches zuerst nötig habe. Das erste, was mich beunruhigt, ist „das Bewusstsein“ oder das „Gewissen von Sünden“. Diesem ist durch mein Schuldopfer göttlich begegnet worden. Später aber finde ich, dass alle diese Sünden eine Wurzel haben, einen Stamm, aus dem sie herauswachsen, und dass diese Wurzel und dieser Stamm sich in mir selbst befinden. Diesem ist gleichfalls durch mein Sündopfer in göttlicher Weise begegnet worden. Die Reihenfolge der Handlungen bei der Reinigung des Aussätzigen ist sehr harmonisch. Wir können genau dieselbe Reihenfolge in den praktischen Erfahrungen jeder einzelnen Seele wahrnehmen. Zuerst kommt das Schuldopfer, dann das Sündopfer „und danach soll er das Brandopfer schlachten“ (V. 19). Dieses Opfer versinnbildlicht bekanntlich die erhabenste Seite des Todes Christi. Es ist Christus als der, der sich selbst ohne Flecken Gott opferte, ohne besondere Beziehung zu Schuld oder Sünde. Es ist Christus, der in vollkommener Hingabe zum Kreuz ging und sich dort Gott zu einem duftenden Wohlgeruch opferte.
„Und der Priester soll das Brandopfer und das Speisopfer auf dem Altar opfern. Und so tue der Priester Sühnung für ihn; und er ist rein“ (V. 20). Das Speisopfer stellt den „Menschen Christus Jesus“ in seinem vollkommenen menschlichen Leben dar. In dem vorliegenden Fall steht es mit dem Brandopfer in unmittelbarer Verbindung, und ebenso ist es auch in der Erfahrung jedes erretteten Sünders. Wenn wir wissen, dass unsere Sünden vergeben sind und die Wurzel oder der Grundsatz der Sünde gerichtet ist, so können wir nach unserem Maß durch die Kraft des Geistes mit Gott Gemeinschaft haben in seiner Freude über den Herrn Jesus: Sein Leben als Mensch war vollkommen und Er hat sich schließlich ohne Flecken auf dem Kreuz Gott geopfert. Wir sehen hier also bei der Reinigung des Aussätzigen die vier Opferklassen in ihrer göttlichen Anordnung vor uns: zuerst das Schuldopfer, dann das Sündopfer und endlich das Brandopfer und das Speisopfer.
Hiermit endet die Beschreibung des Tuns des Herrn mit dem Aussätzigen, und wie wunderbar ist diese Darstellung! Welch eine Entfaltung der Hässlichkeit der Sünde, aber auch der Gnade und Heiligkeit Gottes, der Kostbarkeit der Person Christi und der Wirksamkeit seines Werkes! Nichts könnte interessanter und lehrreicher sein, als den Spuren der göttlichen Gnade zu folgen, von den Vorhöfen des Heiligtums an bis zu jener unreinen Stätte, wo der Aussätzige stand mit entblößtem Haupt, verhülltem Bart und zerrissenen Kleidern – ein Bild des Jammers. Gott besuchte den Aussätzigen, wo er war, aber Er ließ ihn nicht dort. Er ging zu ihm hinaus mit der Absicht, ein Werk zu vollbringen, durch das der Aussätzige zu einem höheren Platz und einer höheren Gemeinschaft gebracht werden konnte, als er sie vorher je gekannt hatte. Denn aufgrund dieses Werkes wurde der Aussätzige von der Stätte der Unreinheit und Einsamkeit an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft geführt, d. h. an den Platz des Priesters, um sich dort priesterlicher Segnungen zu erfreuen (vgl. 2. Mo 29,20.21.32). Wie hätte er je zu einer solchen Höhe emporsteigen können? Unmöglich! Wenn es auf ihn angekommen wäre, so würde ihm nichts anderes übrig geblieben sein, als in seinem Aussatz hinzusiechen und zu sterben. Aber die unumschränkte Gnade des Gottes Israels ließ sich zu ihm herab, „um ihn aus dem Kot zu erhöhen und ihn sitzen zu lassen bei den Edlen“ seines Volkes (1. Sam 2,8). Und wie herrlich wirkte diese Gnade! Sie stieg zur tiefsten Tiefe herab, um den Aussätzigen zur erhabensten Höhe zu erheben. Sieh nur, was der Aussätzige verlor und was er gewann! Er verlor alles das, was der Natur angehörte, und gewann dafür das Blut der Versöhnung und die Gnade des Geistes. Ich meine natürlich bildlich gesehen. Er war nach seiner Reinigung weit, weit besser daran, als wenn er nie aus dem Lager vertrieben worden wäre. Das ist die Gnade Gottes. Das ist die Macht, der Wert und die Wirkung des Blutes Jesu.
Wie lebhaft erinnert uns das alles an den verlorenen Sohn in Lukas 15! Auch bei ihm hatte der Aussatz gewirkt und seinen Höhepunkt erreicht. Er war weit entfernt an jener unreinen Stätte gewesen, wo seine eigenen Sünden und der Eigennutz des fernen Landes eine Einöde um ihn her geschaffen hatten. Doch dank der tiefen und zärtlichen Liebe des Vaters fand der verlorene Sohn einen höheren Platz und schmeckte eine höhere Gemeinschaft, als er sie je zuvor gekannt hatte. Das „gemästete Kalb“ war früher nie für ihn geschlachtet, das „beste Gewand“ ihm nie angezogen worden. Und was war die Ursache? Das Verdienst des verlorenen Sohnes? O nein: die Liebe des Vaters.
Vom 21. bis zum 32. Vers haben wir „das Gesetz für den, an dem das Übel des Aussatzes ist, dessen Hand bei seiner Reinigung nicht aufbringen kann, was vorgeschrieben ist“ (V. 32). Diese Verordnung bezieht sich auf die Opfer des „achten Tages“, nicht aber auf die „zwei lebenden, reinen Vögel“. Letztere konnten in keinem Fall erlassen werden, da sie den Tod und die Auferstehung Christi als die alleinige Grundlage darstellten, auf der Gott den Sünder zu sich zurückführen kann. Andererseits mussten die Opfer „des achten Tages“, da sie mit der Gemeinschaft und dem persönlichen Genuss der Seele in Verbindung standen, in einem gewissen Grad dem Zustand und dem Verständnis der Seele angepasst sein. Wie klein das Verständnis auch sein mag, die Gnade Gottes vermag ihm entgegenzukommen mit den rührenden Worten „was seine Hand aufbringen kann“. Und nicht nur das, sondern die „zwei Turteltauben“ verliehen dem „Armen“ dieselben Vorrechte, wie die beiden Lämmer dem „Reichen“, weil die einen wie die anderen auf „das kostbare Blut Christi“ (1. Pet 1,19) hindeuteten. Alle, Reiche wie Arme, stehen vor Gott auf dem Boden des Todes und der Auferstehung. Alle sind gleich nahe gebracht, aber nicht alle genießen dasselbe Maß der Gemeinschaft, nicht alle besitzen dieselbe Fähigkeit, die Kostbarkeit Christi in jeder Einzelheit seines Werkes zu würdigen. Sie könnten es, wenn sie wollten, aber sie erlauben mancherlei Dingen, sie daran zu hindern. Die Erde und die Natur mit ihren Einflüssen wirken nachteilig. Der Geist wird betrübt, und Christus wird nicht so genossen, wie Er genossen werden könnte. Wenn wir uns durch die Natur beeinflussen lassen, so ist es töricht, zu erwarten, dass wir uns von Christus nähren können. Nein, Selbstverleugnung und Selbstgericht müssen vorhanden sein, wenn Christus unsere tägliche Speise sein soll. Es handelt sich hier nicht um die Frage der Errettung, nicht um die Einführung des Aussätzigen in das Lager, die Stätte der anerkannten Gemeinschaft. Es handelt sich vielmehr um die Frage, inwieweit die Seele Gemeinschaft mit Christus pflegt und sich an ihm erquickt. Hier liegen unermessliche Reichtümer vor uns. Wir können die erhabensten Wahrheiten genießen. Aber sollte auch das Maß unserer Fähigkeit gering sein, so dürfen wir doch aus dem Herzen unseres Vaters die lieblichen Worte hören: „was seine Hand aufbringen kann.“ Er macht uns in seiner wunderbaren Gnade keine Vorwürfe. Wir alle haben dasselbe Anrecht, wie verschieden unsere Fähigkeit auch sein mag, und wenn wir in seine Gegenwart kommen, finden alle Wünsche der neuen Natur ihre Befriedigung, und alle Kräfte der neuen Natur werden in Tätigkeit gesetzt.
III. Der Aussatz am Haus
Wir schließen diesen Teil unserer Betrachtung mit einer kurzen Bemerkung über den Aussatz an einem Haus.
Das Übel des Aussatzes an einer Person oder an einem Kleidungsstück konnte sich in der Wüste vorfinden, aber der Aussatz an einem Haus konnte natürlich nur im Land Kanaan vorkommen (V. 34–38).
Wenn wir das Haus als Bild einer Versammlung betrachten, so finden wir hier verschiedene wichtige Grundsätze niedergelegt, wie wir nach den Gedanken Gottes zu handeln haben, wenn sittlich Böses in eine Versammlung eingedrungen ist oder wenn auch nur ein Verdacht in dieser Hinsicht vorliegt. Dieselbe Ruhe und Geduld, die wir bei der Untersuchung einer Person oder eines Kleidungsstückes bemerkten, tritt uns auch hier hinsichtlich des Hauses entgegen. In keinem Fall zeigt sich Überstürzung oder Gleichgültigkeit. Der Mann, der ein Interesse an dem Haus hatte, durfte die verdächtigen Symptome, die sich an den Wänden zeigten, nicht gleichgültig behandeln, noch durfte er selbst über diese Symptome ein Urteil fällen. Untersuchung und Urteil standen nur dem Priester zu. Sobald sich irgendetwas Verdächtiges zeigte, nahm der Priester eine richterliche Stellung dem Haus gegenüber ein. Das Haus stand unter Beurteilung, aber das Urteil war noch nicht gefällt. Der vollkommene Zeitabschnitt von sieben Tagen musste zu Ende sein, ehe ein Beschluss gefasst werden konnte. Die Symptome konnten sich als rein oberflächlich erweisen; dann brauchte nichts weiter zu geschehen.
„Und der Priester soll am siebten Tag wiederkommen; und besieht er es, und siehe, das Übel hat an den Wänden des Hauses um sich gegriffen, so soll der Priester gebieten, dass man die Steine, an denen das Übel ist, herausreiße und sie hinauswerfe außerhalb der Stadt an einen unreinen Ort“ (V. 39.40). Nicht das ganze Haus wurde verurteilt. Man musste zunächst versuchen, die mit dem Übel behafteten Steine zu entfernen. „Und wenn das Übel nach dem Ausreißen der Steine und nach dem Abkratzen des Hauses und nach dem Bewerfen wiederkehrt und am Haus ausbricht, so soll der Priester kommen; und besieht er es, und siehe, das Übel hat am Haus um sich gegriffen, so ist es ein fressender Aussatz am Haus: Es ist unrein. Und man soll das Haus niederreißen, seine Steine und sein Holz und allen Lehm des Hauses, und es hinausschaffen außerhalb der Stadt an einen unreinen Ort“ (V. 43–45). Der Fall war hoffnungslos, das Übel unheilbar, und so musste das ganze Gebäude zerstört werden.
„Und wer in das Haus hineingeht, solange es verschlossen ist, wird unrein sein bis an den Abend; und wer in dem Haus schläft, soll seine Kleider waschen; und wer in dem Haus isst, soll seine Kleider waschen“ (V. 46.47). Berührung verunreinigt. Das ist ein ernster Grundsatz. In der levitischen Haushaltung begegnen wir ihm immer wieder, und er ist in unseren Tagen ebenso wahr.
„Wenn aber der Priester hineingeht und es besieht, und siehe, das Übel hat am Haus nicht um sich gegriffen nach dem Bewerfen des Hauses, so soll der Priester das Haus für rein erklären; denn das Übel ist heil geworden“ (V. 48). Die Entfernung der beschädigten Steine usw. hatte das Fortschreiten des Übels gehemmt und jedes weitere Verfahren unnötig gemacht. Das Haus war nicht länger als unter richterlicher Beurteilung stehend zu betrachten. Nachdem es durch die Besprengung mit Blut gereinigt worden war, konnte es wieder bewohnt werden.
Die Beurteilung des Bösen in einer Versammlung
Und was ist nun die Belehrung, die wir aus all dem ziehen können? Sie ist interessant, ernst und praktisch. Denken wir z. B. an die Versammlung in Korinth. Sie war ein geistliches, aus geistlichen Steinen erbautes Haus. Aber leider entdeckte das scharfsichtige Auge des Apostels an seinen Wänden gewisse Erscheinungen von höchst verdächtigem Aussehen. Blieb er dabei gleichgültig? Absolut nicht. Er war viel zu sehr von dem Geist des Herrn des Hauses durchdrungen, als dass er solche bösen Symptome hätte unbeachtet lassen können. Aber er übereilte sich auch nicht. Er befahl, dass der mit Aussatz behaftete Stein entfernt und das Haus gründlich abgekratzt wurde. Dann wartete er geduldig den Erfolg ab. Und wie war der Erfolg? Wie sein Herz ihn nur wünschen konnte. „Der aber die Niedrigen tröstet, Gott, tröstete uns durch die Ankunft des Titus; nicht allein aber durch seine Ankunft, sondern auch durch den Trost, womit er bei euch getröstet worden war – als er uns kundtat eure Sehnsucht, euer Wehklagen, euren Eifer für mich, so dass ich mich umso mehr freute … Ihr habt in allem bewiesen, dass ihr an der Sache rein seid“ (vgl. 1. Kor 5 mit 2. Kor 7,6.7.11). Das ist ein schönes Beispiel. Die Sorge des Apostels fand ihre Belohnung. Der Plage wurde Einhalt geboten und die Versammlung von dem befleckenden Einfluss befreit, der immer vorhanden ist, wenn Böses nicht verurteilt und gerichtet wird.
Ein anderes ernstes Beispiel finden wir in Offenbarung 2,12–16. Hier nimmt der göttliche Priester gegenüber der Versammlung zu Pergamus den Platz des Richters ein. Er konnte bei solch besorgniserregenden Erscheinungen nicht gleichgültig bleiben, aber voll von Geduld und Gnade gibt Er Zeit zur Buße. Wenn aber Zurechtweisung, Warnung und Zucht fruchtlos bleiben, so muss das Gericht seinen Lauf nehmen.
Diese Dinge enthalten eine Fülle von praktischen Unterweisungen hinsichtlich der Lehre von der Versammlung. Die sieben Gemeinden von Kleinasien liefern uns verschiedene treffende Beispiele von einem Haus, das unter priesterlicher Beurteilung steht. Wir sollten die Sendschreiben ernstlich und unter Gebet erforschen. Sie sind von unschätzbarem Wert. Sorglosigkeit ist wirklich nicht am Platz, solange sich irgendetwas Verdächtiges in der Versammlung zeigt. Vielleicht möchte mancher sagen: „Es ist nicht meine Sache, darüber zu wachen.“ Aber er täuscht sich. Es ist Sache eines jeden, der den Herrn des Hauses lieb hat, über die Reinheit dieses Hauses mit ernster Sorge zu wachen, und wenn wir vor der geziemenden Sorgfalt und Handlungsweise zurückschrecken, so wird es uns am Tag des Herrn nicht zur Ehre gereichen.