Betrachtungen über das dritte Buch Mose

Nadab und Abihu opfern fremdes Feuer

Betrachtungen über das dritte Buch Mose

Der Mensch verdirbt, was Gott eingesetzt hat

Die Geschichte der Menschheit bildet von Anfang bis zu Ende ein Verzeichnis von Fehlern und Sünden. Inmitten all der Freuden Edens lauscht der Mensch auf die Lüge des Versuchers (1. Mo 3). Durch die Hand einer auserwählenden Liebe gegen das Gericht geschützt und zum Herrn einer wiederhergestellten Erde eingesetzt, macht er sich der Sünde der Unmäßigkeit schuldig (1. Mo 9). Durch den ausgestreckten Arm des HERRN in das Land Kanaan gebracht, verlässt er den HERRN und dient dem Baal und den Astarot (Ri 2,13). Auf den Gipfel irdischer Macht und Herrlichkeit geführt, im Besitz unermesslicher Reichtümer und mit allen Hilfsquellen der Welt zu seiner Verfügung, schenkt er sein Herz dem unbeschnittenen Fremden (1. Kön 11). Kaum sind in späteren Tagen die Segnungen des Evangeliums angekündigt, so sieht sich der Heilige Geist gezwungen, in prophetischer Weise von „verderblichen Wölfen“, von „Abfall“ und von allerlei Arten von Sünde zu reden (Apg 20,29; 1. Tim 4,1–3; 2. Tim 3,1–5; 2. Pet 2; Jud). Und um allem die Krone aufzusetzen, wird uns in der Offenbarung der Abfall des aus dem vollen Glanz tausendjähriger Herrlichkeit kommenden Menschen vorausgesagt (Off 20,7–10).

So verdirbt der Mensch alles. Bekleide ihn mit der höchsten Würde und er wird sich selbst erniedrigen. Beschenke ihn mit den reichsten Vorrechten und er wird sie missbrauchen. Schütte eine Fülle von Segnungen über ihn aus und er wird sich undankbar erweisen. Gib ihm Anordnungen, die geeignet sind, den tiefsten Eindruck auf ihn zu machen, und er wird sie verderben. So ist der Mensch. So ist die Natur in ihren schönsten Formen und unter den günstigsten Umständen.

Wir sind daher einigermaßen auf die Worte vorbereitet, mit denen unser Kapitel beginnt: „Und die Söhne Aarons, Nadab und Abihu, nahmen ein jeder seine Räucherpfanne und taten Feuer hinein und legten Räucherwerk darauf und brachten fremdes Feuer vor dem HERRN dar, das er ihnen nicht geboten hatte“ (V. 1). Welch ein Gegensatz zu der Szene, mit der das neunte Kapitel schließt! Dort geschah alles, „wie der HERR es geboten hatte“, und die Offenbarung der Herrlichkeit war die Folge. Hier geschieht etwas, das „der HERR nicht geboten hatte“, und das Gericht ist die Folge. Kaum ist der Siegesjubel verhallt, so zeigen sich auch schon die Grundzüge eines falschen Gottesdienstes. Kaum ist die göttliche Stellung eingenommen, so wird sie schon wieder durch die Vernachlässigung des göttlichen Gebotes verlassen. Kaum sind Nadab und Abihu als Priester geweiht, so sündigen sie auch schon auf die traurigste Weise in der Erfüllung ihres priesterlichen Dienstes.

Und worin bestand ihr Vergehen? Waren sie falsche Priester? Hatten sie sich widerrechtlich in dieses Amt eingedrängt? Keineswegs. Sie waren wirkliche Söhne Aarons, wahre Glieder der priesterlichen Familie, gesetzmäßig verordnete Priester. Auch ihre Geräte für den Dienst und ihre priesterlichen Gewänder scheinen ganz in Ordnung gewesen zu sein. Worin bestand denn ihre Sünde? „Sie brachten fremdes Feuer vor dem HERRN dar, das er ihnen nicht geboten hatte.“ Ja, das war ihre Sünde. Sie wichen von dem einfachen Wort des Herrn ab, das ihnen klar und deutlich die Art und Weise ihres Gottesdienstes vorgezeichnet hatte. Wir haben bereits darauf hingewiesen, wie das Wort des Herrn für jeden Zweig des priesterlichen Dienstes voll und ganz genügte.

Für den Menschen war kein Raum gelassen, um noch etwas hinzuzufügen, das er als wünschenswert oder nützlich hätte betrachten können. „Dies ist es, was der HERR geboten hat“ – das genügte vollkommen. Das Wort des Herrn machte alles klar und einfach. Vonseiten des Menschen war nichts weiter nötig als ein Geist unbedingten Gehorsams gegenüber dem Gebot Gottes. Aber hierin fehlten sie. Der Mensch hat sich ja stets abgeneigt gezeigt, den schmalen Pfad strenger Unterwürfigkeit unter das Wort zu gehen. Der Seitenweg scheint von jeher einen unwiderstehlichen Reiz für das arme menschliche Herz gehabt zu haben. „Gestohlene Wasser sind süß, und heimliches Brot ist lieblich“ (Spr 9,17). Das ist die Sprache des Feindes, aber das einfältige, gehorsame Herz weiß sehr wohl, dass der Pfad der Unterwerfung unter das Wort Gottes der einzige ist, der zu wirklich „süßen Wassern“ und „lieblichem Brot“ führt. Nadab und Abihu mochten das eine Feuer für ebenso gut halten wie das andere, aber es war nicht ihre Sache, hierüber zu urteilen. Sie hätten nach dem Wort des Herrn handeln sollen, aber stattdessen gingen sie ihren eigenen Weg und ernteten dessen schreckliche Früchte. „Und er weiß nicht, dass dort die Schatten sind, in den Tiefen des Scheols ihre Geladenen“ (Spr 9,18).

Das Gericht Gottes in seinem Haus

„Da ging Feuer von dem HERRN aus und verzehrte sie, und sie starben vor dem HERRN“ (V. 2). Wie furchtbar! Der HERR wohnte in der Mitte seines Volkes, um nach den Anforderungen seiner Natur zu herrschen, zu richten und zu handeln. Am Ende des neunten Kapitels lesen wir: „Und es ging Feuer aus von dem HERRN und verzehrte das Brandopfer und die Fettstücke auf dem Altar.“ Das war des HERRN Annahme eines wahren Opfers. Aber im zehnten Kapitel sehen wir sein Gericht über die irrenden Priester. Es ist eine zweifache Wirkung desselben Feuers. Das Brandopfer stieg als ein Wohlgeruch empor, das „fremde Feuer“ wurde als ein Gräuel verworfen. Im Brandopfer wurde der Herr verherrlicht, aber die Annahme des „fremden Feuers“ wäre eine Unehre für ihn gewesen. Die göttliche Gnade nahm mit Wonne das an, was ein Vorbild auf das kostbare Opfer Christi war. Die göttliche Heiligkeit verwarf das, was sich als die Frucht des verdorbenen Willens des Menschen erwies – eines Willens, der nie abscheulicher und hässlicher ist, als wenn er sich mit göttlichen Dingen befasst.

„Und Mose sprach zu Aaron: Dies ist es, was der HERR geredet hat, indem er sprach: In denen, die mir nahen, will ich geheiligt, und vor dem ganzen Volk will ich verherrlicht werden“ (V. 3). Die Würde und Herrlichkeit der ganzen Haushaltung hing von der strengen Aufrechterhaltung der gerechten Forderungen des HERRN ab. Wurden diese gering geschätzt, so war alles verloren. Wenn sich der Mensch erlaubte, das Heiligtum der göttlichen Gegenwart durch „fremdes Feuer“ zu entehren, so war alles vorbei. Nichts anderes durfte aus der priesterlichen Räucherpfanne emporsteigen als der Rauch des auf dem Altar Gottes angezündeten und durch „fein zerstoßenes Räucherwerk“ unterhaltenen, reinen Feuers – das herrliche Vorbild auf den wahren Gottesdienst der Heiligen, dessen Gegenstand der Vater, dessen Inhalt Christus und dessen Kraft der Heilige Geist ist. Es ist dem Menschen nicht gestattet, seine eigenen Einfälle und Gedanken in den Dienst Gottes hineinzubringen. Alle seine Anstrengungen können nur auf die Darbringung eines „fremden Feuers“, eines unheiligen Räucherwerks und eines falschen Gottesdienstes hinauslaufen.

Ich spreche hier nicht von den aufrichtig gemeinten Anstrengungen ernster Seelen, die nach Frieden mit Gott suchen, auch nicht von dem Streben eines aufrichtigen, obschon nicht erleuchteten Gewissens, um durch Gesetzeswerke oder durch die Erfüllung religiöser Vorschriften das Bewusstsein der Sündenvergebung zu erlangen. Alle solche Seelen werden ohne Zweifel durch die große Güte Gottes zu dem bewussten Genuss der Errettung gelangen. Ihre Anstrengungen bewiesen deutlich, dass sie ernsthaft Frieden suchen, aber zugleich auch, dass sie diesen Frieden noch nicht gefunden haben. Jeder, der dem Lichtschimmer, der in seine Seele gefallen ist, aufrichtig gefolgt ist – mag das Licht auch noch so schwach sein – wird zu seiner Zeit mehr empfangen. „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden“, und: „Der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe“ (Spr 4,18).

Dies alles ist ebenso klar wie ermutigend, hat aber mit dem menschlichen Willen und seinen verkehrten Handlungen in Verbindung mit dem Dienst Gottes gar nichts zu tun. Alle solche Handlungen müssen unvermeidlich das ernste Gericht des gerechten Gottes nach sich ziehen, der nicht dulden kann, dass mit seinen heiligen Forderungen gespielt wird.

„In denen, die mir nahen, will ich geheiligt, und vor dem ganzen Volk will ich verherrlicht werden.“ Jeder wird nach seinem Bekenntnis behandelt werden. Wenn jemand aufrichtig sucht, so wird er sicherlich finden. Wenn aber jemand als Anbeter naht, so kann er nicht mehr als ein Suchender betrachtet werden, sondern als einer, der bereits gefunden zu haben bekennt. Und wenn seine priesterliche Räucherpfanne von fremdem Feuer raucht, wenn er Gott die Grundstoffe eines falschen Gottesdienstes darbringt, wenn er die Vorhöfe Gottes ungewaschen, ungeweiht und mit einem ungebrochenen Willen betritt, wenn er endlich die Wirkungen seines eigenen verderbten Willens auf den Altar Gottes bringt – was muss dann die Folge sein? Das Gericht. Es mag zögern, aber es wird kommen. Und nicht nur wird schließlich das Gericht kommen, sondern jetzt schon wird im Himmel jeder Gottesdienst verworfen, der nicht den Vater zum Gegenstand, Christus zu seinem Inhalt und den Heiligen Geist zu seiner Kraft hat. Die Heiligkeit Gottes verwirft ebenso schnell jedes „fremde Feuer“, wie seine Gnade bereit ist, die schwächsten Kundgebungen eines aufrichtigen Herzens entgegenzunehmen. Sein gerechtes Gericht muss über jeden falschen Gottesdienst ergehen, aber „ein geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen“ (Mt 12,20). Dieser Gedanke ist sehr ernst, wenn man an die vielen Tausende von Räucherpfannen denkt, die in dem weiten Bereich des Christentums mit fremdem Feuer angefüllt sind. Möge der Herr in seiner reichen Gnade die Zahl der wahren Anbeter, die „den Vater in Geist und Wahrheit anbeten“ (Joh 4,24), vermehren! Jeder, der aus Gnaden die Vergebung seiner Sünden durch das Sühnungsblut Jesu kennt, kann den Vater in Geist und Wahrheit anbeten. Er kennt den wahren Boden und den wahren Gegenstand der Anbetung und ist fähig gemacht, sie darzubringen. Diese Dinge können jedoch nur auf göttliche Weise erkannt werden. Sie gehören weder der Natur noch der Erde an. Sie sind geistlich und himmlisch. Sehr vieles von dem, was bei Menschen als wahrer Gottesdienst durchgeht, ist im Grunde nichts anderes als „fremdes Feuer“. Ihm fehlt sowohl das reine Feuer als der reine Weihrauch. Deshalb kann der Himmel ihn nicht annehmen. Und wenn auch das göttliche Gericht über diejenigen, die einen solchen Gottesdienst üben, nicht in derselben Weise hereinbricht, wie einst über Nadab und Abihu, so hat dies nur darin seinen Grund, dass „Gott in Christus war, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend“ (2. Kor 5,19). Mit anderen Worten, es beweist nicht, dass Gott Wohlgefallen an einem solchen Gottesdienst hat, sondern dass Er gnädig ist. Doch bald wird der Tag anbrechen, wo das „fremde Feuer“ für immer ausgelöscht und wo der Thron Gottes nicht länger durch Wolken unreinen Weihrauchs, dargebracht durch unreine Anbeter, verhöhnt wird, sondern wo alles Unechte und Falsche verschwinden und das ganze Weltall wie ein herrlicher und großer Tempel dastehen wird, in welchem dem einen wahren Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist – Anbetung dargebracht werden wird von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Es liegt etwas ungemein Rührendes in der Art und Weise, in der Aaron den schweren Schlag des göttlichen Gerichts aufnahm. „Und Aaron schwieg“ (V. 3). Es war eine feierliche Szene. Seine beiden Söhne lagen verzehrt durch das Feuer des göttlichen Gerichts an seiner Seite. 1

Das Verhalten der Priester gegenüber dem Gericht

Er hatte sie soeben erst mit ihren herrlichen Gewändern bekleidet, gewaschen und gesalbt gesehen. Sie hatten mit ihm vor dem HERRN gestanden, um feierlich in das Priesteramt eingeführt zu werden. Sie hatten in Gemeinschaft mit ihm die verordneten Opfer dargebracht. Sie hatten die Strahlen der göttlichen Herrlichkeit aus der Wolke hervorbrechen und das Feuer des HERRN auf das Opfer herniederfallen sehen. Auch hatten sie das Jauchzen einer anbetenden Gemeinde vernommen. Alles das war eben erst geschehen. Und jetzt? Ach! Jetzt lagen seine beiden Söhne tot zu seinen Füßen. Das Feuer des Herrn, das soeben ein annehmliches Opfer verzehrt hatte, war im Gericht über sie gekommen, und was konnte er sagen? Nichts. „Aaron schwieg.“ – „Ich bin verstummt, ich öffne meinen Mund nicht; denn du hast es getan“ (Ps 39,10). Es war die Hand Gottes, und obwohl sie nach dem Urteil von Fleisch und Blut als eine schwere Hand erscheinen mochte, blieb Aaron dennoch nichts anderes übrig, als in stiller Ehrfurcht und Ergebung sein Haupt zu beugen. „Ich bin verstummt … denn du hast es getan.“ Das war die angemessene Stellung gegenüber der göttlichen Heimsuchung. Aaron fühlte ohne Zweifel die Grundpfeiler seines Hauses unter dem Schlag des göttlichen Gerichts wanken. Als Vater in einer solchen Weise und unter solchen Umständen seiner beiden Söhne beraubt zu werden, das war in der Tat kein gewöhnlicher Fall. Es war eine erschütternde Erläuterung des Wortes des Psalmisten: „Er ist ein Gott, schrecklich in der Versammlung der Heiligen und furchtbar über alle, die rings um ihn her sind“ (Ps 89,8). „Wer sollte nicht dich, Herr, fürchten und deinen Namen verherrlichen?“ (Off 15,4). Möchten wir lernen, in der Gegenwart Gottes unseren Weg vorsichtig zu gehen und die Vorhöfe des HERRN mit unbeschuhten Füßen und in einem ehrerbietigen Geist zu betreten! Möchte unsere priesterliche Räucherpfanne immer nur das eine Material, den fein zerstoßenen Weihrauch der mannigfaltigen Vollkommenheiten Christi, enthalten, und möchte die Kraft des Heiligen Geistes die geweihte Flamme entzünden! Alles andere ist wertlos und unrein. Alles, was aus der Kraft der Natur hervorkommt, alles, was seinen Ursprung in dem menschlichen Willen hat, selbst das wohlriechendste Räucherwerk menschlicher Erfindung, die glühendste Hingebung der Natur – alles wird sich als „fremdes Feuer“ erweisen und das ernste Gericht des Herrn, des allmächtigen Gottes, auf sich herabziehen.

Das Gesagte soll nicht dazu dienen, ein schüchternes, aber aufrichtiges Herz zu entmutigen. Es ist nur zu oft der Fall, dass solche, die Grund haben, sich zu fürchten, höchst sorglos sind, während die, für die der Geist der Gnade nur Worte des Trostes und der Ermunterung hat, die ernsten Warnungen der Heiligen Schrift in verkehrter Weise auf sich anwenden. Ein demütiges und bußfertiges Herz, das vor dem Wort des Herrn zittert, befindet sich ohne Zweifel in einem sicheren Zustand. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass ein Vater sein Kind warnt, nicht weil er es nicht als sein Kind betrachtet, sondern gerade weil er es so betrachtet, und einer der lieblichsten Beweise für die Verwandtschaft ist die Neigung, die Warnung anzunehmen und Nutzen aus ihr zu ziehen.

Die väterliche Stimme will, wenn auch im Ton einer ernsten Ermahnung, das Herz des Kindes erreichen, aber ganz sicher nicht zu dem Zweck, um in diesem Herzen Zweifel bezüglich seiner Verwandtschaft mit dem Vater wachzurufen. So ließ auch das Gericht, durch welches das Haus Aarons heimgesucht wurde, diesen nicht daran zweifeln, dass er wirklich Priester sei. Es hatte einzig und allein die Wirkung, ihn fühlen zu lassen, wie er sich in dieser hohen und heiligen Stellung zu verhalten habe.

„Und Mose sprach zu Aaron und zu Eleasar und zu Ithamar, seinen Söhnen: Eure Häupter sollt ihr nicht entblößen und eure Kleider nicht zerreißen, damit ihr nicht sterbt und er nicht erzürne über die ganze Gemeinde; aber eure Brüder, das ganze Haus Israel, sollen diesen Brand beweinen, den der HERR angerichtet hat. Und vom Eingang des Zeltes der Zusammenkunft sollt ihr nicht weggehen, damit ihr nicht sterbt; denn das Öl der Salbung des HERRN ist auf euch. Und sie taten nach dem Wort Moses“ (V. 6.7).

Aaron, Eleasar und Ithamar mussten auf ihrem erhabenen Platz in heiliger Würde und in ihrer Stellung priesterlicher Herrlichkeit verharren. Weder die Sünde noch das dadurch heraufbeschworene Gericht durfte jene störend beeinflussen, die die priesterlichen Gewänder trugen und mit dem „Öl des HERRN“ gesalbt waren. Dieses Öl hatte sie in einen geweihten Bereich versetzt, wo sie von den Einflüssen der Sünde, des Todes und des Gerichts nicht erreicht werden konnten. Alle, die sich draußen, in einiger Entfernung von dem Heiligtum, befanden und nicht Priester waren, mochten den „Brand beweinen“, aber Aaron und seine Söhne mussten in der Verrichtung ihres heiligen Dienstes fortfahren, als wenn nichts geschehen wäre. Die Priester im Heiligtum waren nicht da, um zu wehklagen, sondern um anzubeten. Das Feuer des HERRN mochte das Gericht ausführen, aber für einen wahren Priester tat es nichts zur Sache, zu welchem Zweck das „Feuer“ gekommen war. Mochte durch das Verzehren eines Opfers dem göttlichen Wohlgefallen, oder durch das Verzehren derer, die „fremdes Feuer“ opferten, dem göttlichen Missfallen Ausdruck gegeben werden – er hatte nur anzubeten. Dieses „Feuer“ war in Israel eine wohlbekannte Offenbarung der Gegenwart Gottes, und mochte es nun in „Gnade“ oder in „Gericht“ handeln, der Dienst aller wahren Priester war anzubeten. „Von Güte und Recht will ich singen; dir, HERR, will ich Psalmen singen“ (Ps 101,1).

In diesem allem liegt für die Seele eine tiefe Unterweisung. Diejenigen, die durch die Kraft des Blutes und durch die Salbung des Heiligen Geistes Gott nahe gebracht sind, haben sich in einem Bereich zu bewegen, der außerhalb der Einflüsse der menschlichen Natur liegt. Als Priester in der Nähe Gottes zu sein, verleiht der Seele eine solche Einsicht in alle seine Wege und ein solches Gefühl von der Richtigkeit aller seiner Handlungen, dass man fähig ist, in seiner Gegenwart anzubeten, selbst wenn seine Hand den Gegenstand unserer zärtlichsten Zuneigung von unserer Seite genommen hat. Aber sollen wir denn kalte, gefühllose Menschen sein? Nun, waren Aaron und seine Söhne kalt und gefühllos? Nein, sie hatten Gefühle wie Menschen, aber sie beteten an als Priester. Um in die Tiefe und Bedeutung solch heiliger Geheimnisse eindringen zu können, müssen wir in priesterlicher Energie das Heiligtum Gottes betreten.

Der Prophet Hesekiel wurde später berufen, diese schwierige Lektion zu lernen. „Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: Menschensohn, siehe, ich nehme die Lust deiner Augen von dir weg durch einen Schlag; und du sollst nicht klagen und nicht weinen, und keine Träne soll dir kommen. Seufze schweigend, Totenklage stelle nicht an; binde dir deinen Kopfbund um und zieh deine Schuhe an deine Füße, und deinen Lippenbart sollst du nicht verhüllen und Brot der Leute nicht essen. Und ich redete zu dem Volk am Morgen, und am Abend starb meine Frau. Und ich tat am Morgen, wie mir geboten war“ (Hes 24,15–18). Die Söhne Aarons und die Frau Hesekiels wurden weggenommen durch einen Schlag. Dennoch durften weder die Priester noch der Prophet das Haupt entblößen oder eine Träne vergießen.

Weder Wein noch starkes Getränk in der Gegenwart Gottes

„Und der HERR redete zu Aaron und sprach: Wein und starkes Getränk sollst du nicht trinken, du und deine Söhne mit dir, wenn ihr in das Zelt der Zusammenkunft hineingeht, damit ihr nicht sterbt – eine ewige Satzung bei euren Geschlechtern – und damit ihr unterscheidet zwischen dem Heiligen und dem Unheiligen und zwischen dem Unreinen und dem Reinen und damit ihr die Kinder Israel alle Satzungen lehrt, die der HERR durch Mose zu euch geredet hat“ (V. 8–11).

Der Wein hat die Wirkung, die Natur zu erregen, und jede Aufregung verhindert jenes ruhige, seelische Gleichgewicht, das zur angemessenen Erfüllung des priesterlichen Dienstes nötig ist. Weit davon entfernt, uns irgendeines Mittels zur Erregung der Natur zu bedienen, sollten wir sie vielmehr als eine Sache betrachten, die keine Daseinsberechtigung hat. Nur dann werden wir uns in dem Zustand befinden, der uns befähigt, im Heiligtum dienen, uns ein unbefangenes Urteil über das Reine und das Unreine bilden und den Willen Gottes erklären und mitteilen zu können. Es muss natürlich jedem Einzelnen überlassen bleiben, zu beurteilen, was in seinem besonderen Fall wie „Wein oder starkes Getränk“ auf ihn wirken könnte 2. Die Dinge, die die Natur erregen, sind in der Tat zahlreich. Da sind Reichtum, Ehrgeiz, Politik, neben tausend anderen Dingen des Wetteifers rings um uns her. Alle diese Dinge wirken aufregend auf unsere Natur und machen uns ungeschickt zu jeder Art priesterlichen Dienstes. Wenn das Herz mit Gefühlen des Hochmuts, der Habsucht oder des Wetteifers erfüllt ist, kann es unmöglich die reine Luft des Heiligtums einatmen oder die heiligen Pflichten des priesterlichen Dienstes erfüllen. Man spricht wohl von geistiger Gewandtheit oder von der Fähigkeit, schnell von einer Sache zu einer anderen übergehen zu können. Aber der gewandteste Geist wird niemals einen Menschen in den Stand setzen, von dem Kampfplatz wissenschaftlichen, geschäftlichen oder politischen Wetteifers auf einmal in die Zurückgezogenheit des Heiligtums der göttlichen Gegenwart zu treten. Und ebenso wenig wird ein Auge, das durch die Einflüsse dieser Dinge verdunkelt worden ist, imstande sein, zwischen dem „Heiligen und Unheiligen“ und dem „Unreinen und Reinen“ zu unterscheiden.

Nein, lieber Leser, die Priester Gottes müssen sich von „Wein und starkem Getränk“ fernhalten. Sie haben einen Pfad heiliger Absonderung und Abgeschiedenheit zu wandern. Sie müssen sowohl über die Einflüsse irdischer Freude wie irdischer Traurigkeit erhaben sein. Von „starkem Getränk“ darf unter ihnen nur dann die Rede sein, wenn von ihm „im Heiligtum ein Trankopfer dem HERRN“ gespendet werden soll (4. Mo 28,7). Mit anderen Worten, die Freude der Priester ist nicht die Freude der Erde, sondern die Freude des Himmels, die Freude des Heiligtums. „Die Freude an dem HERRN ist eure Stärke“ (Neh 8,10).

Möchten doch alle diese Belehrungen tiefer in unsere Herzen dringen! Wir haben das wirklich sehr nötig. Kommen wir den verschiedenen Seiten unserer priesterlichen Verantwortlichkeit nicht treu nach, so gerät alles in Verwirrung. Wenn wir das Lager Israels betrachten, so bemerken wir drei Kreise, deren innerster seinen Mittelpunkt im Heiligtum hatte. Der erste dieser Kreise bestand aus Kriegsleuten (4. Mo 1 und 2), der zweite aus Leviten, die rings um das Zelt lagerten (4. Mo 3 und 4), und der letzte, der innerste, aus Priestern, die an heiliger Stätte dienten. Nun, der Gläubige ist berufen, sich in allen diesen Kreisen zu bewegen. Er zieht als Kriegsmann zum Kampf aus (Eph 6,11–17; 1. Tim 1,18; 6,12; 2. Tim 4,7). Er dient nach seinem Maß und in seinem Wirkungskreis als Levit in der Mitte seiner Brüder (Mt 25,14.15; Lk 19,12.13). Und schließlich opfert und betet er an als Priester an heiliger Stätte (Heb 13,15.16; 1. Pet 2,5.9). Dieser letzte Dienst wird ewig fortdauern. Und in dem Maß, wie wir geschickt sind, uns in diesem heiligen Kreis richtig zu bewegen, werden wir auch allen anderen Beziehungen und Verpflichtungen nachkommen. Alles, was uns daher für unseren priesterlichen Beruf untüchtig macht, alles, was uns von dem Mittelpunkt des innersten Kreises abzieht, in dem wir uns aufhalten dürfen, kurz, alles, was geeignet ist, uns in unserem priesterlichen Beruf zu stören und unser priesterliches Auge zu trüben, muss uns notwendigerweise auch ungeschickt machen für den Dienst, den wir zu erfüllen, und für den Streit, den wir zu streiten haben. Der Priester muss sein Herz mit allem Fleiß bewahren, sonst kann der Levit nicht dienen, und der Kämpfer wird überwunden.

Üben wir uns daher im Selbstgericht, und seien wir wachsam über unsere Gewohnheiten, unsere Wege und unsere Verbindungen mit anderen, und wenn wir durch die Gnade etwas entdecken, was uns für unseren erhabenen Beruf im Heiligtum unfähig zu machen droht, so lasst es uns hinwegtun, koste es, was es wolle. Lasst uns nicht zu Sklaven dieser oder jener Gewohnheit werden. Die Gemeinschaft mit Gott sollte unseren Herzen kostbarer sein als alles andere, und in dem Maß, wie wir diese Gemeinschaft schätzen, in demselben Maß werden wir auch wachen und beten, um vor allem, was sie uns rauben könnte, bewahrt zu bleiben. 3

Der bestimmte Anteil der Priester

„Und Mose redete zu Aaron und zu Eleasar und zu Ithamar, seinen Söhnen, den übrig gebliebenen: Nehmt das Speisopfer, das von den Feueropfern des HERRN übrig bleibt, und esst es ungesäuert neben dem Altar; denn hochheilig ist es. Und ihr sollt es essen an heiligem Ort, denn es ist dein Bestimmtes und das Bestimmte deiner Söhne von den Feueropfern des HERRN; denn so ist mir geboten“ (V. 12.13).

Es gibt wenig Dinge, in denen wir so schnell fehlen wie in der Aufrechthaltung des göttlichen Standpunktes, wenn menschliche Verirrungen und Fehler stattgefunden haben. So fürchtete sich David an dem Tag, als „der HERR einen Bruch an Ussa gemacht hatte“, weil dieser seine Hand nach der Bundeslade ausgestreckt hatte. „Und David fürchtete sich vor Gott an jenem Tag und sprach: Wie soll ich die Lade Gottes zu mir bringen?“ (1. Chr 13,11.12). Es ist außerordentlich schwierig, sich unter das Gericht Gottes zu beugen und zugleich den göttlichen Boden festzuhalten. Die Versuchung liegt so nahe, den göttlichen Maßstab zu erniedrigen und von der erhabenen Höhe auf einen menschlichen Standpunkt herabzusteigen. Wir müssen gegen dieses Böse umso mehr auf der Hut sein, weil es sich den Schein von Demut und Bescheidenheit gibt. Aaron und seine Söhne mussten trotz allem Geschehenen an heiliger Stätte das Speisopfer essen. Sie mussten dies tun, nicht weil alles in vollkommener Ordnung geschehen, sondern weil es „ihr Bestimmtes“ war und weil der HERR es Mose „geboten“ hatte. Trotz der Sünde von Nadab und Abihu war ihr Platz im Heiligtum, und alle, die sich dort befanden, hatten „ihr Bestimmtes“ aufgrund des göttlichen Befehls. Und hätte der Mensch auch noch weit mehr gefehlt, so konnte doch das Wort Gottes nicht fehlen, und dieses Wort hatte allen wahren Priestern gewisse Vorrechte zugesichert, zu deren Genuss sie berufen und berechtigt waren. Sollte den Priestern die priesterliche Speise entzogen werden, weil ein Vergehen stattgefunden hatte? Sollten sie, die Übriggebliebenen, darben, weil Nadab und Abihu „fremdes Feuer“ geopfert hatten? Das war unmöglich. Gott ist treu und kann in seiner Gegenwart niemand leer ausgehen lassen. Der verlorene Sohn mochte umherreisen, alles vergeuden und in Armut geraten, aber dieses eine blieb immer wahr – in dem Haus meines Vaters ist „Überfluss an Brot“ (Lk 15,17).

„Und die Brust des Webopfers und den Schenkel des Hebopfers sollt ihr essen an reinem Ort, du und deine Söhne und deine Töchter mit dir; denn als dein Bestimmtes und das Bestimmte deiner Söhne sind sie gegeben von den Friedensopfern der Kinder Israel … als eine ewige Gebühr, so wie der HERR geboten hat“ (V. 14.15). Welch einer Kraft und Beständigkeit begegnen wir hier! Alle Glieder der priesterlichen Familie, „Töchter“ wie „Söhne“, alle mussten, wie verschieden auch das Maß ihrer Kraft oder Fähigkeit sein mochte, sich nähren von der „Brust“ und dem „Schenkel“ von der Liebe und der Kraft des wahren Friedensopfers als auferweckt aus den Toten und vor Gott dargestellt in der Auferstehung. Das war ihr kostbares Vorrecht, das ihnen „als eine ewige Gebühr gegeben“ worden war, „so wie der HERR geboten hatte“. Das Gebot des Herrn macht alles sicher und beständig, mag kommen, was da will.

Wir müssen jedoch einen Unterschied machen zwischen den Vorrechten, an denen alle Glieder der Familie Aarons, Töchter wie Söhne, teilhatten, und solchen, deren sich nur der männliche Teil der Familie erfreuen durfte. Wir haben diesen Punkt bereits bei der Betrachtung der Opfer berührt. Es gibt gewisse Segnungen, die das gemeinsame Teil aller Gläubigen sind, aber es gibt auch solche, deren Verständnis und Genuss ein höheres Maß von geistlicher Fähigkeit und priesterlicher Energie erfordern. Nun ist es mehr als eitel, sich des Besitzes dieses höheren Maßes zu rühmen, wenn man es nicht wirklich besitzt. Es ist eine Sache, an den Vorrechten festzuhalten, die uns von Gott „gegeben“ sind und uns nie geraubt werden können, aber es ist eine andere Sache, sich einen Grad geistlicher Fähigkeit anzumaßen, den man nie erreicht hat. Ohne Zweifel sollten wir ernstlich nach dem höchsten Grad priesterlicher Gemeinschaft, nach der erhabensten Ordnung priesterlicher Vorrechte streben, aber das Streben nach einer Sache und das anmaßende Vorgeben, sie bereits zu besitzen, sind zwei sehr verschiedene Dinge.

Unfähig zum priesterlichen Dienst

Dieser Gedanke gibt uns Licht für den letzten Teil unseres Kapitels (V. 16–20). Den „Töchtern“ Aarons war es nicht gestattet, von dem „Sündopfer“ zu essen. Dieses hohe Vorrecht kam nur den „Söhnen“ zu; es deutete auf die erhabenste Form des priesterlichen Dienstes hin. Das Essen des Sündopfers drückte dessen vollkommene Einsmachung mit dem Opfernden aus, und dieses erforderte einen höheren Grad von priesterlicher Fähigkeit und Kraft, wovon die „Söhne Aarons“ ein Bild waren. Im vorliegenden Fall ist es jedoch offenbar, dass Aaron und seine Söhne sich nicht in dem Zustand befanden, um diesen hohen und heiligen Boden einnehmen zu können. Sie hätten in jenem Zustand sein sollen, aber sie waren es nicht. „Solches ist mir begegnet“, sagt Aaron. Sicher war dies zu beklagen, aber dennoch – „Mose hörte es, und es war gut in seinen Augen“. Es ist besser, im Bekenntnis unserer Fehler und Mängel aufrichtig zu sein, als sich einer geistlichen Kraft zu rühmen, die man nicht besitzt.

Das zehnte Kapitel des dritten Buches Mose beginnt also mit einer positiven Sünde und endigt mit einem negativen Vergehen. Nadab und Abihu opferten „fremdes Feuer“, und Eleasar und Ithamar waren unfähig, das Sündopfer zu essen. Der erste Fall wird durch göttliches Gericht heimgesucht, der zweite mit göttlicher Nachsicht getragen. „Fremdes Feuer“ konnte nicht geduldet werden. Es war eine unmittelbare Übertretung des Gebotes Gottes. Zweifellos besteht ein großer Unterschied zwischen der vorsätzlichen Verwerfung eines deutlichen Gebotes und der bloßen Unfähigkeit, sich bis zu der Höhe eines göttlichen Vorrechts zu erheben. Das Erstere ist eine offenbare Verunehrung Gottes, das Letztere ein Verscherzen der uns zugedachten Segnungen. Weder das eine noch das andere sollte stattfinden, aber der Unterschied zwischen beiden ist leicht zu erkennen.

Möge der Herr in seiner Gnade uns stets in der verborgenen Zurückgezogenheit seiner Gegenwart erhalten und uns schenken, in seiner Liebe zu bleiben und uns von seiner Wahrheit zu nähren! Dann werden wir vor „fremdem Feuer“ und „starkem Getränk“, vor jedem falschen Gottesdienst und vor fleischlicher Aufregung in allen ihren Formen bewahrt bleiben. Dann werden wir auch fähig sein, uns in jedem Kreis unseres priesterlichen Dienstes richtig zu verhalten und alle Vorrechte unserer priesterlichen Stellung zu genießen. Die Gemeinschaft eines Christen mit Gott gleicht einer zarten, empfindsamen Blüte. Sie wird leicht beschädigt durch die rauen Einflüsse dieser bösen Welt. Sie entfaltet sich unter der belebenden Wirkung der Luft des Himmels, aber sie verschließt sich unter dem kalten Hauch des Zeitgeistes und der Vernunft. Lasst uns dies bedenken und bestrebt sein, stets innerhalb der heiligen Grenzen der göttlichen Gegenwart zu verweilen. Dort herrscht die Atmosphäre beständiger Reinheit, Sicherheit und Glückseligkeit.

Fußnoten

  • 1 Sollte irgendeinem meiner Leser die Frage bezüglich der Seelen Nadabs und Abihus Schwierigkeiten machen, so möchte ich darauf hinweisen, dass eine solche Frage nicht erhoben werden sollte. In allen solchen Fällen, wie Nadab und Abihu hier in 3. Mose 10, bei Korah und seiner Rotte (4. Mose 15), bei der ganzen Gemeinde, deren Leiber (Josua und Kaleb ausgenommen) in der Wüste fielen (4. Mose 14; Heb 3), bei Achan und seinem Geschlecht (Jos 7), bei Ananias und Saphira (Apg 5) sowie bei denen, die wegen des Missbrauchs des Tisches des Herrn gerichtet wurden (1. Kor 11) – in allen solchen Fällen, sage ich, kommt die Frage der Errettung der Seelen nicht in Betracht. Wir erkennen in ihnen die ernsten Regierungswege Gottes inmitten seines Volkes. Das beseitigt alle Schwierigkeiten. Der HERR wohnte vor alters zwischen den Cherubim, um sein Volk in allem zu richten, und Gott, der Heilige Geist, wohnt jetzt in der Versammlung, um zu leiten und zu regieren gemäß der Vollkommenheit seiner Gegenwart. Er war so wirklich und persönlich gegenwärtig, dass Ananias und Saphira ihn belügen und Er das Gericht an ihnen ausüben konnte. Dies war eine ebenso bestimmte Darstellung seiner Regierung, wie wir sie bei Nadab, Abihu, Achan und anderen finden.
  • 2 Manche haben wegen der auffallenden Erwähnung dieses Verbots gerade an dieser Stelle gedacht, Nadab und Abihu könnten beim Opfern des „fremden Feuers“ unter dem Einfluss starker Getränke gestanden haben. Wie dem auch sein mag, jedenfalls haben wir Ursache, für einen äußerst wertvollen Grundsatz hinsichtlich unseres Verhaltens als geistliche Priester dankbar zu sein. Wir sollten uns von allem enthalten, was auf unseren geistlichen Menschen dieselbe Wirkung ausübt, wie starkes Getränk auf den leiblichen Menschen. Es ist wohl kaum nötig, darauf aufmerksam zu machen, dass der Christ sehr wachsam sein sollte im Blick auf den Genuss von Wein und starken Getränken. Timotheus bedurfte, wie wir wissen, eines apostolischen Gebotes, um ihn zu veranlassen, seiner Gesundheit wegen etwas Wein zu trinken (1. Tim 5) – ein schöner Beweis von seiner Enthaltsamkeit und von der fürsorglichen Liebe des Apostels! Ich muss gestehen, dass es mein Gefühl verletzt, wenn ich Christen starkes Getränk genießen sehe in Fällen, wo es augenscheinlich nicht als Heilmittel erforderlich ist. Ich sehe selten oder nie, dass sich ein geistlich gesinnter Mensch solchen Dingen hingibt. Es ist überhaupt sehr betrübend, wenn ein Christ der Sklave einer Gewohnheit wird, welcher Art sie auch sein mag. Es beweist, dass er seinen Leib nicht in Knechtschaft hält, und dass er in großer Gefahr ist, „verwerflich“ zu werden (1. Kor 9,27).
  • 3 Vielleicht könnte der eine oder andere denken, dass der Wortlaut von 3. Mose 10,9 doch wohl Raum lasse für eine gelegentliche Nachgiebigkeit jenen Dingen gegenüber, die die Natur erregen können, weil es dort heißt: „Wein und starkes Getränk sollt ihr nicht trinken, wenn ihr in das Zelt der Zusammenkunft hineingeht.“ Hierauf möchte ich erwidern, dass das Heiligtum nicht eine Stätte ist, die der Christ nur bei gewissen Gelegenheiten besuchen sollte. Nein, es sollte seine Gewohnheit sein, dort zu dienen und anzubeten. Das Heiligtum ist der Bereich, in welchem er „leben und weben und sein“ (Apg 17,28) sollte. Je mehr wir in der Gegenwart Gottes leben, umso unerträglicher ist es uns, seine Nähe zu entbehren, und jeder, der die hohe Freude, dort zu sein, kennen gelernt hat, kann sich keiner Sache hingeben, die ihn aus dieser Gemeinschaft zu verdrängen sucht. Es gibt in der Tat auf dem ganzen Erdboden nichts, was nach dem Urteil eines geistlichen Gemüts auch nur für eine Stunde der Gemeinschaft mit Gott genügenden Ersatz bieten könnte.
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