Betrachtungen über das dritte Buch Mose
Das Heiligtum
Christus, Opfer und Priester
Nachdem wir die Lehre von den Opfern, wie sie in den sieben ersten Kapiteln unseres Buches enthalten ist, betrachtet haben, kommen wir jetzt zu dem Priestertum. Die Opfer und das Priestertum stehen miteinander in enger Verbindung. Der Sünder bedarf eines Opfers, der Gläubige bedarf eines Priesters. Wir finden beides, Opfer und Priester, in Christus; nachdem Er sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, ist Er droben im Heiligtum in den Bereich seines priesterlichen Dienstes eingetreten. Wir benötigen kein anderes Opfer und keinen anderen Priester. Er teilt jedem Dienst, den Er verrichtet, und jedem Werk, das Er vollbringt, die Würde und den Wert seiner Person mit. Betrachten wir ihn als Opfer, so wissen wir, dass wir in ihm alles besitzen, was ein vollkommenes Opfer nur sein kann. Betrachten wir ihn als Priester, so wissen wir, dass jeder priesterliche Dienst vollkommen durch ihn erfüllt wird. Als Opfer führt Er sein Volk in ein fest gegründetes Verhältnis zu Gott, und als Priester bewahrt Er es darin gemäß der Vollkommenheit seiner Person. Das Priestertum ist für die bestimmt, die sich bereits in einer bestimmten Beziehung zu Gott befinden. Als Sünder von Natur und nach all unserem Tun sind wir „durch das Blut des Kreuzes“ (Kol 1,20) Gott nahe gebracht worden. Wir stehen vor ihm als die Frucht seines eigenen Werkes. Er hat unsere Sünden hinweggetan, so dass wir zum Preis seines Namens vor ihm sein können als lebendiger Beweis für das, was Er durch die Kraft des Todes und der Auferstehung zu vollbringen vermag.
Ein Priester im Himmel
Aber obwohl völlig befreit von allem, was gegen uns sein konnte, obwohl begnadigt und vollkommen angenehm gemacht in dem Geliebten, obwohl vollendet in Christus und hoch erhoben, sind wir dennoch, solange wir uns auf der Erde befinden, in uns selbst armselige, schwache Geschöpfe, stets geneigt, abzuirren und zu straucheln, den mannigfaltigen Versuchungen, Prüfungen und Fallstricken bloßgestellt. So haben wir den ununterbrochenen Dienst unseres „großen Hohenpriesters“ nötig, dessen Gegenwart im Heiligtum droben uns in der vollen Unverletzlichkeit des Platzes und Verhältnisses, in dem wir uns aus Gnade befinden, bewahrt und aufrechterhält, „indem er allezeit lebt, um sich für uns zu verwenden“ (Heb 7,25). Wir würden hier unten auf der Erde nicht unseren Platz behaupten können, wenn Er nicht droben für uns lebte. „Weil ich lebe, werdet auch ihr leben“ (Joh 14,19). „Denn wenn wir, da wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, so werden wir viel mehr, da wir versöhnt sind, durch sein Leben gerettet werden“ (Röm 5,10). Der „Tod“ und das „Leben“ sind in der Haushaltung der Gnade untrennbar miteinander verbunden. Aber man vergesse nicht, dass das Leben nach dem Tod kommt. Es ist das Leben des aus den Toten auferstandenen Christus und nicht sein Leben auf der Erde, auf das der Apostel in der soeben angeführten Schriftstelle hinweist. Dieser Unterschied verdient unsere Beachtung. Natürlich war das Leben unseres Herrn Jesus hier auf der Erde von unendlichem Wert, aber Er nahm nicht eher den Platz seines priesterlichen Dienstes ein, bis das Werk der Erlösung durch ihn vollbracht war. Auch hatte Er als Mensch auf der Erde kein Priester sein können, „denn es ist offenbar, dass unser Herr aus Juda entsprossen ist, einem Stamm, über den Moses in Bezug auf Priester nichts geredet hat“ (Heb 7,14). „Denn jeder Hohepriester wird dazu bestellt, sowohl Gaben als auch Schlachtopfer darzubringen; daher ist es notwendig, dass auch dieser etwas hat, was er darbringt. Wenn er nun auf der Erde wäre, so wäre er nicht einmal Priester, weil solche da sind, die nach dem Gesetz die Gaben darbringen“ (Heb 8,3.4; vgl. auch Kap. 9,11.12.24).
Priester auf der Erde?
Der Himmel, und nicht die Erde, ist der Bereich des priesterlichen Dienstes Christi, und in diesen Bereich ist Er eingetreten, nachdem Er sich ohne Flecken Gott geopfert hatte. Nie erschien Er als ein Priester in dem Tempel auf der Erde. Er ging oft hinein, um zu lehren, nie aber, um zu opfern oder zu räuchern. Außer Aaron und seinen Söhnen ist nie jemand von Gott verordnet worden, den Dienst des Priesteramtes zu erfüllen. „Wenn er nun auf der Erde wäre, so wäre er nicht einmal Priester.“ Dieser Punkt ist in Verbindung mit der Lehre vom Priestertum sehr bedeutsam. Der Himmel ist der Bereich, und die volle Erlösung ist die Grundlage des Priestertums Christi. Außer in dem Sinn, dass alle Gläubigen Priester sind (1. Pet 2,5), gibt es jetzt keinen Priester auf der Erde. Wenn nicht jemand seine Abkunft von Aaron nachweisen, wenn er seinen Stammbaum nicht bis zu dieser Wurzel hin verfolgen kann, so hat er kein Recht, das Priesteramt auszuüben. Könnte selbst eine apostolische Nachfolge nachgewiesen werden, so wäre sie ohne Wert, da die Apostel selbst keine Priester waren, außer in dem oben angedeuteten Sinn. Das schwächste Glied der Haushaltung des Glaubens ist ebenso gut ein Priester, wie der Apostel Petrus selbst es war. Der jüngste Gläubige ist ein geistlicher Priester. Er betet an in einem geistlichen Tempel. Er steht vor einem geistlichen Altar. Er ist bekleidet mit geistlichen Gewändern. „Auch ihr selbst werdet als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus“ (1. Pet 2,5). „Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Das Wohltun aber und Mitteilen vergesst nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen“ (Heb 13,15.16).
Wenn ein direkter Abkömmling des Hauses Aarons heute bekehrt würde, so würde er in einem ganz neuen Charakter und auf einer ganz neuen Grundlage in den priesterlichen Dienst eintreten. Und beachten wir es wohl, dass in den soeben angeführten Schriftstellen die beiden großen Klassen der geistlichen Opfer dargestellt werden, die der geistliche Priester darbringen darf: das Opfer des Lobes Gott gegenüber und das Opfer des Wohltuns den Menschen gegenüber. Fortwährend geht ein doppelter Strom von einem Gläubigen aus, der im bewussten Genuss seiner priesterlichen Stellung lebt: der Strom eines zu dem Thron Gottes emporsteigenden dankbaren Lobes und der Strom einer der bedürftigen Welt zufließenden regen Wohltätigkeit. Der geistliche Priester steht da, die eine Hand zur Darbringung des Weihrauchs dankbaren Lobes zu Gott emporgehoben und die andere weit geöffnet, um dem menschlichen Bedürfnis zu begegnen. Würden diese Dinge klarer erfasst werden, welch eine Erhabenheit, welch eine Schönheit würden sie dem christlichen Charakter verleihen! – Erhabenheit, insofern das Herz sich stets zu der unendlichen Quelle alles dessen, was erheben kann, emporrichten und Schönheit, insofern es sich allezeit den Ansprüchen auf Mitgefühl geöffnet zeigen würde. Diese beiden Dinge sind nicht zu trennen. Ein unmittelbarer Verkehr des Herzens mit Gott muss es unbedingt erheben und weit machen, während andererseits ein Wandel in der Entfernung von Gott dürre macht und verschließt. Eine vertraute Gemeinschaft mit Gott sowie das ständige Bewusstsein unserer priesterlichen Würde ist das einzige kräftige Heilmittel gegen die niedrigen selbstsüchtigen Neigungen unserer alten Natur.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen über das Priestertum wollen wir zum Inhalt des achten und neunten Kapitels unseres Buches übergehen.
Aarons Weihe vor der ganzen Gemeinde
In den ersten vier Versen des achten Kapitels entfaltet sich eine besondere Gnade. Die ganze Gemeinde ist versammelt am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft, damit alle das Vorrecht genießen, den anzuschauen, der mit der Wahrung ihrer wichtigsten Interessen betraut werden sollte. In 2. Mose 28 und 29 wird mit Rücksicht auf die mit dem Priesteramt verbundenen Gewänder und Opfer dieselbe allgemeine Wahrheit gelehrt, aber hier in unserem Buch tritt die Gemeinde in Erscheinung, und es wird ihr gestattet, jede Bewegung bei der feierlichen und eindrucksvollen Einweihung aus nächster Nähe zu verfolgen. Der Geringste in der Gemeinde hatte seinen besonderen Platz. Jeder, ob hoch oder niedrig, durfte seine Blicke auf die Person des Hohenpriesters, auf das Opfer, das er darbrachte, und auf die Gewänder, die er trug, richten. Jeder hatte seine eigenen besonderen Bedürfnisse, und der Gott Israels wollte einen jeden sehen und wissen lassen, dass durch die verschiedenen Eigenschaften des vor ihm stehenden Hohenpriesters für jedes seiner Bedürfnisse volle Vorsorge getroffen worden war. Die priesterlichen Gewänder waren der sichtbare, bildliche Ausdruck dieser Eigenschaften. Jedes Teil dieser Gewänder war dazu bestimmt und geeignet, eine besondere Eigenschaft darzustellen, die für die Gemeinde als ein Ganzes oder für jedes einzelne Glied von Bedeutung sein musste. Der Leibrock, der Gürtel, das Oberkleid, das Ephod, das Brustschild, die Urim und Tummim, der Kopfbund und das heilige Diadem – alles verkündigte die Tugenden, Eigenschaften und Tätigkeiten dessen, der die Gemeinde zu repräsentieren und ihre Interessen in der Gegenwart Gottes zu vertreten hatte.
Christus, unser großer Hoherpriester
In dieser Weise kann der Gläubige mit dem Auge des Glaubens seinen großen Hohenpriester in den Himmeln anschauen und in ihm die göttliche Verwirklichung dessen erblicken, wovon die aaronitische Kleidung nur der Schatten war. Der Herr Jesus Christus ist der Heilige, der Gesalbte, der Gekrönte und der Umgürtete. Er ist dies alles, nicht kraft seiner äußeren Bekleidung, die angezogen oder abgelegt werden kann, sondern kraft der göttlichen und ewigen Herrlichkeiten seiner Person, der unveränderlichen Wirksamkeit seines Werkes und der unvergänglichen Würde seines Amtes. Das ist der besondere Wert der Erforschung der Bilder der mosaischen Haushaltung: Das erleuchtete Auge sieht Christus in allem. Das Blut des Opfers und die Kleidung des Hohenpriesters: Beide deuten auf ihn hin, beide waren bestimmt, den Herrn Jesus darzustellen. Handelt es sich um das Gewissen, so begegnet ihm das Opferblut entsprechend den gerechten Anforderungen des Heiligtums. Die Gnade hat den Forderungen der Heiligkeit genügt. Handelt es sich um die Bedürfnisse, die mit der Stellung des Gläubigen auf der Erde verbunden sind, so kann er sie alle göttlich beantwortet sehen in der Amtskleidung des Hohenpriesters.
Hier ist die Bemerkung wohl am Platz, dass die Stellung des Gläubigen in zweifacher Weise im Wort dargestellt wird – ein Umstand, auf den wir achten müssen, wenn wir die wahre Bedeutung des Priestertums verstehen wollen. Der Gläubige wird dargestellt als ein Teil jenes Leibes, von dem Christus das Haupt ist. Dieser Leib bildet mit Christus, seinem Haupt, nach der Darstellungsweise der Schrift einen Menschen, der in jeder Beziehung vollkommen ist. Die Glieder dieses Leibes sind mit Christus in die himmlischen Örter versetzt. Sie sind mit Christus eins, in ihm vollendet, in ihm begnadigt, seines Lebens teilhaftig und stehen in seiner Gunst vor dem Angesicht Gottes. Alle ihre Vergehungen sind vergeben. Es gibt keinen Flecken mehr an ihnen. Alles ist gut und annehmlich in den Augen Gottes (siehe 1. Kor 12,12.13; Eph 2,5–10; Kol 2,6–15; 1. Joh 4,17).
Andererseits wird der Gläubige betrachtet als auf dem Platz der Schwachheit und der Abhängigkeit in dieser Welt stehend. Er ist Tag für Tag mancherlei Versuchung ausgesetzt. Er ist geneigt, zu irren, zu straucheln und zu fallen. Als solcher bedarf er fortwährend des vollkommenen Mitgefühls und des mächtigen Dienstes des Hohenpriesters, der stets in dem vollen Wert seiner Person und seines Werkes in der Gegenwart Gottes erscheint und dort vor dem Thron die Gläubigen und ihre Sache vertritt.
Der Gläubige nimmt also einerseits einen erhabenen und bevorzugten Platz droben mit Christus ein, und andererseits ist reiche Vorsorge im Blick auf seine Bedürfnisse und Schwachheiten auf der Erde für ihn getroffen. Dieser Unterschied könnte auch in folgender Weise erläutert werden: Der Gläubige wird als zur Versammlung gehörend und als im Reich befindlich dargestellt. Als zur Versammlung gehörend ist der Himmel sein Platz, sein Vaterland, sein Teil und der Ort seiner Zuneigungen. Als im Reich befindlich ist er auf der Erde, der Stätte der Prüfung, der Verantwortlichkeit und des Kampfes. Das Priestertum ist daher eine göttliche Vorsorge für solche, die sich, obwohl sie der Versammlung und dem Himmel angehören, in dem Reich befinden und auf der Erde wandern. Dieser Unterschied ist sehr einfach, und wenn er verstanden wird, erklärt er eine große Anzahl von Schriftstellen, deren Verständnis vielen Gläubigen nicht geringe Schwierigkeiten bereitet. 1
Drei wichtige Dinge
Wenn wir den Inhalt des vor uns liegenden Kapitels näher ins Auge fassen, so fallen uns drei Dinge besonders auf: nämlich die Autorität des Wortes, der Wert des Blutes und die Kraft des Geistes – lauter Gegenstände von größter Bedeutung, die von jedem Christen unbestreitbar als Grundwahrheiten betrachtet werden müssen.
I. Die Autorität des Wortes Gottes
Was zunächst die Autorität des Wortes anbelangt, ist es von Interesse zu sehen, dass wir sowohl bei der Einweihung der Priester als auch bei der ganzen Reihe der Opfer unmittelbar unter diese Autorität gestellt werden. „Und Mose sprach zu der Gemeinde: Dies ist es, was der HERR zu tun geboten hat“ (Kap. 8,5). Und ferner: „Und Mose sprach: Dies ist das Wort, das der HERR geboten hat, dass ihr es tun sollt; und die Herrlichkeit des HERRN wird euch erscheinen“ (Kap. 9,6). Mose sagt nicht: „Dies ist es, was ratsam, angenehm und angemessen ist“, auch nicht: „Dies ist es, was durch die Stimme der Väter, durch den Beschluss der Ältesten oder nach der Meinung der Lehrer angeordnet ist.“ Von solchen Quellen der Autorität kannte Mose nichts. Für ihn gab es nur eine heilige und erhabene Quelle der Autorität, und das war das Wort des HERRN, und er trachtete danach, jedes Glied der Gemeinde mit dieser gesegneten Quelle in unmittelbare Verbindung zu bringen. Das gab dem Herzen Sicherheit und stellte alle Gedanken auf einen festen Boden. Es blieb kein Raum übrig, weder für die Überlieferung mit ihren ungewissen Behauptungen noch für den Menschen mit seinen Zweifeln und mit seinen Streitfragen. Alles war klar, entschieden und bestimmt. Der HERR hatte gesprochen, und es war nichts weiter nötig, als seine Worte zu hören und ihnen zu gehorchen. Für Überlieferungen und menschliche Anordnungen gibt es keinen Raum in einem Herzen, das gelernt hat, das Wort Gottes zu ehren und ihm zu gehorchen.
Und was sollte das Ergebnis dieser völligen Unterwürfigkeit unter das Wort Gottes sein? „Die Herrlichkeit des HERRN wird euch erscheinen.“ Würde das Wort nicht beachtet worden sein, so wäre auch die Herrlichkeit nicht erschienen. Die beiden Dinge standen miteinander in engster Verbindung. Die geringste Abweichung von den Worten des HERRN würde die Strahlen der göttlichen Herrlichkeit verhindert haben, der Gemeinde Israels zu erscheinen. Wären irgendwelche nicht durch das Wort des Herrn gebotene Gebräuche oder Zeremonien eingeführt oder wäre etwas durch jenes Wort Gebotenes versäumt worden, so würde der HERR seine Herrlichkeit nicht offenbart haben. Er konnte unmöglich die Vernachlässigung oder Verwerfung seines Wortes durch die Herrlichkeit seiner Gegenwart bestätigen. Er kann mit Unwissenheit und Schwachheit Geduld haben, aber nie kann Er Nachlässigkeit und Ungehorsam gutheißen.
Oh, wenn doch das alles mehr beachtet würde in diesen Tagen, wo Tradition und Zweckmäßigkeit so oft den Ausschlag geben! Möchten wir doch alles prüfen an dem Maßstab des Wortes Gottes und alles zurückweisen, was dem nicht entspricht. Jeder von uns sollte sich in der Gegenwart dessen, der die Herzen erforscht, ganz bewusst die Frage stellen: „Mache ich dabei mit, dass man Gottes Wort außer Acht lässt“? Wenn das bei dir zutrifft und du mit solchen Dingen in Verbindung bleibst, dann heißt du gut, was Gott nicht gutheißt. Wie ernst ist in Gottes Augen eine derartige Gleichgültigkeit gegenüber seinem Willen!
Der achte Tag
„Und Aaron und seine Söhne taten alles, was der HERR durch Mose geboten hatte“ (Kap. 8,36). „Und Mose und Aaron gingen in das Zelt der Zusammenkunft hinein; und sie kamen heraus und segneten das Volk. Und die Herrlichkeit des HERRN erschien dem ganzen Volk; und es ging Feuer aus von dem HERRN und verzehrte das Brandopfer und die Fettstücke auf dem Altar; und das ganze Volk sah es, und sie jauchzten und fielen auf ihr Angesicht“ (Kap. 9,23.24). Hier haben wir eine Szene des „achten Tages“, eine Szene der Auferstehungsherrlichkeit. Nach der Darbringung des Opfers erhebt Aaron seine Hände zu priesterlicher Segnung über das Volk und zieht sich dann mit Mose in das Zelt der Zusammenkunft zurück, während die ganze Gemeinde draußen in einer abwartenden Stellung verharrt. Schließlich treten Mose und Aaron, indem sie Christus in seinem zweifachen Charakter als Priester und König darstellen, wieder heraus und segnen das Volk. Die Herrlichkeit erscheint in ihrem vollen Glanz. Das Feuer verzehrt das Opfer, und die ganze Gemeinde fällt anbetend auf die Knie in der Gegenwart des Herrn der ganzen Erde.
Alles dieses geschah buchstäblich bei der Einweihung Aarons und seiner Söhne, und es war das Ergebnis einer völligen Unterwürfigkeit unter das Wort des HERRN. Doch ist der ganze Inhalt dieses Kapitels nur „ein Schatten der zukünftigen Güter“ (Heb 10,1). Das trifft im Blick auf die ganze mosaische Haushaltung zu. Aaron in Gemeinschaft mit seinen Söhnen stellt Christus und sein priesterliches Haus dar. Aaron allein stellt Christus in seinen amtlichen Verrichtungen als Priester und Mittler dar, während Aaron und Mose gemeinschaftlich ihn als Priester und König darstellen. Der „achte Tag“ ist die bildliche Darstellung des Tages der Auferstehungs-Herrlichkeit, wenn die Gemeinde der Kinder Israel den Messias als königlichen Priester auf seinem Thron sitzen sehen und wenn die Herrlichkeit des Herrn die ganze Erde erfüllen wird, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken. Diese herrlichen Wahrheiten sind ausführlich im Wort entwickelt. Sie leuchten gleich Edelsteinen von himmlischem Glanz durch die ganze heilige Urkunde hindurch (vgl. 4. Mo 14,21; Jes 9,5.6; 11; 25,6–12; 32,1.2; 35; 37,31.32; 40,1–5; 54; 59,16–21; 60–66; Jer 23,5–8; 30,10–24; 33,6–22; Hes 48,35; Dan 7,13.14; Hos 14,5–10; Zeph 3,14–20; Sach 3,8–10; 6,12.13; 14).
II. Der Wert des Blutes
Betrachten wir jetzt den zweiten in unserem Schriftabschnitt entwickelten Punkt, nämlich die Kraft des Blutes. Dieses Thema wird sehr ausführlich behandelt und sichtbar in den Vordergrund gerückt. Ob wir die Lehre von den Opfern oder die Lehre von dem Priestertum betrachten, überall finden wir, dass die Blutvergießung denselben wichtigen Platz einnimmt. „Und er brachte den Stier des Sündopfers herzu; und Aaron und seine Söhne legten ihre Hände auf den Kopf des Stieres des Sündopfers. Und er schlachtete ihn, und Mose nahm das Blut und tat davon mit seinem Finger an die Hörner des Altars ringsum und entsündigte den Altar; und das Blut goss er an den Fuß des Altars und heiligte ihn, indem er Sühnung für ihn tat“ (Kap. 8,14.15). „Und er brachte den Widder des Brandopfers herzu; und Aaron und seine Söhne legten ihre Hände auf den Kopf des Widders. Und er schlachtete ihn, und Mose sprengte das Blut an den Altar ringsum“ (V. 18.19). „Und er brachte den zweiten Widder, den Widder der Einweihung, herzu; und Aaron und seine Söhne legten ihre Hände auf den Kopf des Widders. Und er schlachtete ihn, und Mose nahm von seinem Blut und tat es auf das rechte Ohrläppchen Aarons und auf den Daumen seiner rechten Hand und auf die große Zehe seines rechten Fußes. Und er ließ die Söhne Aarons herzutreten, und Mose tat vom Blut auf ihr rechtes Ohrläppchen und auf den Daumen ihrer rechten Hand und auf die große Zehe ihres rechten Fußes; und Mose sprengte das Blut an den Altar ringsum“ (V. 22–24).
Die Bedeutsamkeit der verschiedenen Opfer ist bereits einigermaßen in den ersten Kapiteln dieses Buches entwickelt worden, aber die hier angeführten Stellen zeigen uns den hervorragenden Platz, den das Blut bei der Einweihung des Priesters einnimmt. Ein mit Blut benetztes Ohr war nötig zum Horchen auf die göttlichen Mitteilungen. Eine mit Blut benetzte Hand war nötig, um den Dienst im Heiligtum verrichten zu können, und ein mit Blut benetzter Fuß war erforderlich, um die Vorhöfe des Hauses des Herrn zu betreten. Dies alles ist vollkommen in seiner Art. Die Blutvergießung war die große Grundlage aller Opfer für die Sünde. Sie betraf alle Geräte des Dienstes und alle Verrichtungen des Priesteramtes. In dem ganzen Bereich des levitischen Dienstes sehen wir den Wert, die Kraft, die Wirkung und die weitgehende Anwendung des Blutes. Fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem Gesetz (Heb 9,22). Christus ist durch sein eigenes Blut in den Himmel selbst eingegangen. Er erscheint auf dem Thron der Majestät droben in dem Wert alles dessen, was Er am Kreuz vollbracht hat. Seine Gegenwart auf dem Thron bezeugt den Wert seines versöhnenden Blutes. Er ist dort für uns. Gesegnete Gewissheit! Er lebt immerdar. Er verändert sich nie, und wir sind in ihm und wie Er ist. In seiner ewigen Vollkommenheit stellt Er uns dem Vater dar, und so dargestellt, ruht auf uns dasselbe Wohlgefallen des Vaters wie auf ihm, der uns darstellt. Diese Einsmachung findet ihre bildliche Darstellung in „Aaron und seinen Söhnen“, wenn sie ihre Hände auf das Haupt jedes Opfers legten. Sie alle standen vor Gott in dem Wert desselben Blutes. Mochte es der „Stier des Sündopfers“ oder der „Widder des Brandopfers“ oder der „Widder der Einweihung“ sein – sie legten auf jedes Opfertier gemeinschaftlich ihre Hände. Zwar wurde Aaron allein gesalbt, bevor das Blut vergossen war. Auch wurde er mit seinen Amtsgewändern bekleidet und mit dem heiligen Öl gesalbt, ehe seine Söhne bekleidet und gesalbt wurden. Der Grund dazu liegt nahe. Aaron, allein betrachtet, stellt Christus in seiner unvergleichlichen Vortrefflichkeit und Würde bildlich dar, und wie wir wissen, erschien Christus in all seiner persönlichen Würde und wurde gesalbt durch den Heiligen Geist, bevor Er sein Versöhnungswerk vollbrachte. Er hat „in allen Dingen den Vorrang“ (Kol 1,18). Dennoch findet nachher die völlige Einsmachung zwischen Aaron und seinen Söhnen statt, ebenso wie die völlige Einsmachung zwischen Christus und seinem Volk geschehen ist. „Der, der heiligt, als auch die, die geheiligt werden, sind alle von einem“ (Heb 2,11). Die persönliche Verschiedenheit erhöht den Wert der verborgenen Einheit.
III. Die Kraft des Geistes
Diese Verschiedenheit und zugleich Einheit des Hauptes und der Glieder leitet uns naturgemäß zu dem dritten und letzten Punkt unserer Betrachtung, nämlich zu der Kraft des Geistes. Wir werden bemerken, wie vieles zwischen der Salbung Aarons und der seiner Söhne stattfand. Das Blut ist vergossen, das Fett auf dem Altar verzehrt und die Brust vor dem HERRN gewebt. Mit anderen Worten, das Opfer ist vollendet. Sein Wohlgeruch steigt zu Gott empor, und der, welcher das Opfer dargebracht hat, erhebt sich in der Macht der Auferstehung und nimmt seinen Platz in der Höhe ein. Alles dieses findet statt zwischen der Salbung des Hauptes und der Salbung der Glieder. Vergleichen wir die sich hierauf beziehenden Stellen. Wenn von Aaron allein die Rede ist, lesen wir: „Und er legte ihm den Leibrock an und umgürtete ihn mit dem Gürtel; und er bekleidete ihn mit dem Oberkleid und legte ihm das Ephod an und umgürtete ihm mit dem gewirkten Gürtel des Ephods und band es ihm damit an; und er setzte das Brustschild darauf und legte in das Brustschild die Urim und die Tummim; und er setzte den Kopfbund auf sein Haupt und setzte an den Kopfbund, an seine Vorderseite, das Goldblech, das heilige Diadem: so wie der HERR Mose geboten hatte. Und Mose nahm das Salböl und salbte die Wohnung und alles, was darin war, und heiligte sie. Und er sprengte davon siebenmal auf den Altar, und er salbte den Altar und alle seine Geräte und das Becken und sein Gestell, um sie zu heiligen. Und er goss von dem Salböl auf das Haupt Aarons und salbte ihn, um ihn zu heiligen“ (Kap. 8,7–12).
Hier steht Aaron allein vor uns. Das Salböl wird, und zwar in unmittelbarer Verbindung mit der Salbung aller Geräte der Stiftshütte, auf sein Haupt gegossen. Die ganze Gemeinde durfte den mit den Amtsgewändern und dem Kopfbund bekleideten, gesalbten Hohenpriester anschauen und konnte zugleich sehen, wie jeder Teil des Gewandes, jede Handlung, jede Zeremonie auf die Autorität des Wortes gegründet war. Hier gab es nichts Unbestimmtes, nichts Willkürliches und nichts Ersonnenes. Alles stand auf göttlichem Boden. Den Bedürfnissen der Gemeinde wurde in solcher Weise entsprochen, dass gesagt werden konnte: „Dies ist es, was der HERR zu tun geboten hat.“
In der alleinigen Salbung Aarons, ehe das Blut vergossen wurde, haben wir ein Bild von Christus als dem, der völlig allein stand, bevor Er sich auf dem Kreuz opferte. Eine Vereinigung zwischen ihm und seinem Volk konnte nicht stattfinden, außer aufgrund des Todes und der Auferstehung. Diese wichtige Wahrheit ist bereits bei der Betrachtung der Opfer berührt und einigermaßen entwickelt worden, aber sie gewinnt an Bedeutung, wenn wir sie in Verbindung mit dem Priestertum so deutlich ausgeprägt sehen. Ohne Blutvergießen gab es keine Vergebung. Das Opfer war noch nicht vollendet. So konnten auch Aaron und seine Söhne ohne Blutvergießen nicht gemeinschaftlich gesalbt werden.
„Und Mose nahm von dem Salböl und von dem Blut, das auf dem Altar war, und sprengte es auf Aaron, auf seine Kleider und auf seine Söhne und auf die Kleider seiner Söhne mit ihm; und er heiligte Aaron, seine Kleider und seine Söhne und die Kleider seiner Söhne mit ihm“ (Kap. 8,30). Warum wurden die Söhne Aarons nicht zugleich mit ihm gesalbt? Einfach weil das Blut noch nicht vergossen war. Solange das „Blut“ und das „Öl“ nicht miteinander vereinigt werden konnten, war es unmöglich, Aaron und seine Söhne gemeinschaftlich zu salben und zu heiligen. „Ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit“ (Joh 17,19).
Die Verse 31–35 stellen uns ein schönes Bild von Christus und seinem Volk vor Augen, indem sie sich gemeinschaftlich nähren von den Ergebnissen der Versöhnung. Aaron und seine Söhne, miteinander aufgrund des vergossenen Blutes gesalbt, treten hier vor uns als „sieben Tage“ hindurch in den Bereich des Zeltes eingeschlossen. Ein herrliches Bild von der gegenwärtigen Stellung Christi und seiner Glieder als mit Gott während der ganzen Dauer der gegenwärtigen Haushaltung abgesondert und auf die Offenbarung der Herrlichkeit wartend. Welch eine gesegnete Stellung! Welch ein herrliches Teil und welch eine Hoffnung! Mit Christus vereinigt, mit Gott abgesondert zu sein, den Tag der Herrlichkeit zu erwarten und während dieser Zeit sich in Heiligkeit von den Reichtümern der göttlichen Gnade zu nähren, das sind wirklich Segnungen und Vorrechte der kostbarsten Art! Gott gebe uns Gnade, um uns entschieden von allem abzuwenden, was der gegenwärtige Zeitlauf bietet, damit wir uns nähren können von dem Inhalt des „Korbes des Einweihungsopfers“, in dem wir unsere passende Speise als Priester im Heiligtum Gottes finden!
Die Herrlichkeit des Tausendjährigen Reiches
Nachdem Aaron und seine Söhne „sieben Tage“ in der Einsamkeit des Zeltes eingeschlossen waren, wird am achten Tag (vgl. Kap. 9,1–4) zu der ganzen Gemeinde geredet und die Herrlichkeit des HERRN erscheint. Dies vervollständigt die ganze Szene. Die Schatten der zukünftigen Güter ziehen hier in ihrer göttlichen Ordnung an unseren Blicken vorüber. Der „achte Tag“ ist ein Schatten jenes lichten Morgens des Tausendjährigen Reiches, der über dieser Erde anbrechen wird, wenn die Gemeinde Israel den wahren Priester aus dem Heiligtum, wo Er jetzt vor den Blicken der Menschen verborgen ist, hervortreten sehen wird, begleitet von einer Schar von Priestern, den Genossen seiner Zurückgezogenheit und den glücklichen Teilhabern seiner offenbarten Herrlichkeit. In der Tat, nichts könnte als schattenhaftes Abbild des Zukünftigen vollständiger sein. Zunächst sehen wir Aaron und seine Söhne mit Wasser gewaschen: ein Vorbild auf Christus und sein Volk als zusammen geheiligt in dem ewigen Ratschluss Gottes (Kap. 6). Dann finden wir die Weise und Ordnung, in der dieser Ratschluss ausgeführt werden musste. Aaron allein wird bekleidet und gesalbt: ein Vorbild auf Christus als geheiligt, in die Welt gesandt und durch den Heiligen Geist gesalbt (V. 7–12; vgl. Lk 3,21.22; Joh 10,36). Dann folgt die Darbringung und Annahme des Opfers, kraft dessen Aaron und seine Söhne gemeinschaftlich gesalbt und geheiligt werden (V. 14–29): ein Vorbild auf das Kreuz und seine Anwendung auf diejenigen, die jetzt die priesterliche Familie Christi bilden und, mit ihm vereinigt, mit ihm gesalbt und verborgen, den „achten Tag“ erwarten, wo Er mit ihnen offenbar werden wird in dem vollen Glanz jener Herrlichkeit, die ihm nach dem ewigen Ratschluss Gottes gebührt (Joh 14,19; Apg 2,33; 19,1–7; Kol 3,1–4). Schließlich sehen wir Israel in den völligen Genuss der Ergebnisse der vollbrachten Erlösung eingeführt. Sie sind vor dem Herrn versammelt: „Und Aaron erhob seine Hände gegen das Volk hin und segnete sie; und er stieg herab nach der Opferung des Sündopfers und des Brandopfers und des Friedensopfers“ (s. Kap. 9,22).
Was bleibt jetzt noch übrig? Nur dies noch, dass unter Siegesjubel und Lobgesängen der Schlussstein in dieses herrliche Gebäude eingefügt wird, und so lesen wir: „Und Mose und Aaron gingen in das Zelt der Zusammenkunft hinein; und sie kamen heraus und segneten das Volk. Und die Herrlichkeit des HERRN erschien dem ganzen Volk; und es ging Feuer aus von dem HERRN und verzehrte das Brandopfer und die Fettstücke auf dem Altar; und das ganze Volk sah es, und sie jauchzten und fielen auf ihr Angesicht“ (V. 23.24). Das war der Siegesjubel, das Niederfallen in Anbetung. Alles war vollkommen. Das Opfer, der Priester in seinem Gewand und Kopfbund, die mit ihrem Haupt vereinigte priesterliche Familie, der priesterliche Segen, die Erscheinung des Königs und Priesters – kurz, es fehlte nichts. Und darum erschien die göttliche Herrlichkeit, und die ganze Gemeinde fiel in anbetender Huldigung auf ihr Angesicht nieder. In der Tat eine überaus herrliche Szene, ein wunderbar schöner Schatten von zukünftigen Gütern! Und vergessen wir nicht, dass alles, was hier bildlich vorgestellt ist, bald völlig verwirklicht werden wird. Unser großer Hoherpriester ist durch die Himmel gegangen in dem vollen Wert und der vollen Kraft einer vollbrachten Versöhnung. Jetzt ist Er, und mit ihm alle Glieder seiner priesterlichen Familie, dort verborgen. Aber wenn die „sieben Tage“ erfüllt sind und der „achte Tag“ seine Strahlen auf die Erde wirft, dann wird der Überrest Israels, ein bußfertiges und harrendes Volk, mit Triumphgeschrei die offenbarte Gegenwart des königlichen Priesters begrüßen, und in unmittelbarer Vereinigung mit dem kommenden Herrn wird eine Schar von Anbetern in der erhabensten Stellung gesehen werden. Das sind die „zukünftigen Güter“ – Güter, die wirklich des Harrens wert sind und in denen Gott ewig verherrlicht und sein Volk ewig gesegnet sein wird.
Fußnoten
- 1 Ein Vergleich des Epheserbriefes mit dem ersten Brief des Petrus wird dem Leser bezüglich der beiden Seiten der Stellung des Gläubigen reiche Belehrung liefern. Der Epheserbrief zeigt uns den Gläubigen als in den Himmel versetzt, während Petrus uns ihn als Pilgrim und Dulder auf der Erde vorstellt.