Betrachtungen über das zweite Buch Mose
Das Werk des Dienstes
Bezaleel und Oholiab
Dieses Kapitel beginnt mit der Mitteilung Gottes, dass Er zwei Männer berufen und ausgerüstet habe, um die Arbeit an dem Zelt der Zusammenkunft auszuführen. „Und der HERR redete zu Mose und sprach: Siehe, ich habe Bezaleel, den Sohn Uris, des Sohnes Hurs, vom Stamm Juda, mit Namen berufen und habe ihn mit dem Geist Gottes erfüllt, in Weisheit und in Verstand und in Kenntnis und in jedem Werk … Und ich, siehe, ich habe ihm Oholiab, den Sohn Achisamaks, vom Stamm Dan, beigegeben; und in das Herz eines jeden, der weisen Herzens ist, habe ich Weisheit gelegt, dass sie alles machen, was ich dir geboten habe“ (V. 1–3.6). Sei es die Arbeit an dem Zelt der Zusammenkunft jener Tage oder sei es die Arbeit für den Herrn in unserer Zeit – in jedem Fall steht Gott allein die Auswahl, Berufung und Befähigung seiner Diener zu; Menschen haben dabei kein Mitspracherecht. Dieser Grundsatz galt damals und er gilt ebenso für das Werk des Herrn heute. Auch kann sich niemand selbst dazu berufen, alles muss ganz und gar von Gott kommen. Man mag aus eigenem Antrieb gehen oder sich von irgendeinem Verein aussenden lassen – sicher ist, dass alle, die ausgehen, ohne von Gott gesandt zu sein, eines Tages beschämt dastehen werden. Das ist die einfache und heilsame Lehre, die uns in den Worten gegeben wird: „Ich habe berufen“, „ich habe erfüllt“, „ich habe gegeben“, „ich habe genommen“, „ich habe geboten“. Die Worte Johannes des Täufers: „Ein Mensch kann gar nichts empfangen, wenn es ihm nicht aus dem Himmel gegeben ist“ (Joh 3,27), werden immer wahr bleiben. Wie wenig Ursache hat also der Mensch, sich selbst zu rühmen oder auf einen Mitmenschen eifersüchtig zu sein!
Ein lehrreicher Gedanke ergibt sich aus einem Vergleich dieses Kapitels mit 1. Mose 4. Tubalkain war ein „Hämmerer von allerlei Schneidewerkzeug aus Kupfer und Eisen“ (V. 22). Die Nachkommen Kains versuchten mit ihren eigenen, menschlichen Fähigkeiten – unabhängig von Gott –, die verfluchte und seufzende Erde in einen angenehmen Ort umzuwandeln. Bezaleel und Oholiab hingegen hatten von Gott Fähigkeiten empfangen, um ein Heiligtum zu schmücken, das durch die Gegenwart und die Herrlichkeit des Gottes Israels geheiligt und gesegnet werden sollte.
Hier möchte ich den Leser bitten, einen Augenblick nachzudenken und sich ernstlich zu fragen: Widme ich meine Fähigkeiten und Kräfte den Interessen der Versammlung, die Gottes Wohnung ist, oder der Verschönerung einer gottlosen Welt, die Christus verworfen hat? Denk nicht: Ich bin weder von Gott berufen noch befähigt, um für ihn zu arbeiten. Wie damals, so ist auch heute für alle die Tür geöffnet, um an dem Dienst teilnehmen zu können. Jeder hat einen Platz auszufüllen und arbeitet entweder für die Interessen des Hauses Gottes, des Leibes Christi, der Versammlung, oder er fördert die Pläne einer gottlosen Welt, die noch befleckt ist mit dem Blut Jesu Christi und mit dem Blut all seiner ermordeten Zeugen.
Der Sabbat und der Tag des Herrn
Das Kapitel endet mit einem besonderen Hinweis auf die Einsetzung des Sabbats. Er wurde bereits in Kapitel 16 erwähnt, und zwar dort in Verbindung mit dem Manna. Dann, in Kapitel 20, als das Volk formell unter das Gesetz gestellt wurde, finden wir seine ausdrückliche Anordnung. Hier begegnen wir ihm wieder in Verbindung mit der Aufrichtung der Stiftshütte. Jedes Mal, wenn das Volk Israel in irgendeiner besonderen Stellung oder unter einer besonderen Verantwortung gesehen wird, dann wird auch der Sabbat erwähnt. „Haltet den Sabbat, denn heilig ist er euch; wer ihn entweiht, soll gewiss getötet werden; denn wer irgend an ihm eine Arbeit tut, diese Seele soll ausgerottet werden aus der Mitte ihrer Völker. Sechs Tage soll man Arbeit tun, aber am siebten Tag ist der Sabbat der Ruhe, heilig dem HERRN; wer irgend am Tag des Sabbats eine Arbeit tut, soll gewiss getötet werden“ (V. 14.15). Der „siebte Tag“, und kein anderer, wird bestimmt, und an diesem Tag ist bei Todesstrafe jede Arbeit verboten. Diese Anordnung ist deutlich und unmissverständlich. Und erinnern wir uns wohl, dass es in der Heiligen Schrift keine einzige Zeile gibt, die die weitverbreitete Meinung rechtfertigt, als sei der Sabbat verändert worden oder als habe Gott seine strengen Grundsätze auch nur im Geringsten gemildert!
Aber halten denn die bekennenden Christen den Sabbat Gottes an dem von ihm bestimmten Tag und so, wie Er es geboten hat? Gewiss nicht, obwohl doch die Folgen der geringsten Übertretung des Sabbats „Ausrottung“ und „Tod“ sind!
Aber wir sind „nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (Röm 6,14). Gott sei Dank, dass Er uns diese Gewissheit gegeben hat! Ständen wir unter dem Gesetz, dann gäbe es keinen einzigen Christen, den nicht schon längst wegen dieses einen Punktes, der Sabbatentweihung, das Gericht Gottes getroffen hätte.
Weil wir aber unter Gnade stehen, gehört uns nun „der erste Tag der Woche“, „der Tag des Herrn“. Das ist der Tag der Versammlung, der Auferstehungstag Jesu, der, nachdem Er den Sabbat im Grab zugebracht hatte, triumphierend über alle Mächte der Finsternis wieder auferstand. Damit hat Er sein Volk aus der alten Schöpfung und aus allem, was mit ihr zusammenhing, heraus und in die neue Schöpfung eingeführt, deren Haupt Er ist und deren Ausdruck wir in dem ersten Tag der neuen Woche sehen.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Tagen ist ernster Beachtung wert. Allein ein bestimmter Name ist in der Bibel oft schon von großer Tragweite, und das ist gerade hier der Fall. Der erste Tag der Woche nimmt im Wort Gottes einen Platz ein, den kein anderer Tag hat. Kein anderer Tag trägt den erhabenen Namen: „Tag des Herrn“. Allerdings behaupten einige, dass Offenbarung 1,10 sich nicht auf den ersten Tag der Woche bezieht, aber ich bin völlig überzeugt, dass eine gründliche Untersuchung und eine gesunde Auslegung es gestatten, ja sogar fordern, diese Stelle nicht auf den Tag der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit, sondern auf den Tag seiner Auferstehung aus den Toten anzuwenden.
Sicher aber wird der Tag des Herrn nicht ein einziges Mal „Sabbat“ genannt. Vielmehr werden die beiden Tage immer wieder in der Schrift deutlich unterschieden. Man muss sich daher vor zwei entgegengesetzten Klippen hüten. Einerseits wird man jene Gesetzlichkeit vermeiden müssen, die sich oft in Verbindung mit dem Wort „Sabbat“ vorfindet, und andererseits muss man entschieden die Gewohnheit ablehnen, den Tag des Herrn zu verunehren oder ihn wie einen gewöhnlichen Tag anzusehen. Der Gläubige ist von der Beobachtung der „Tage und Monate und Zeiten und Jahre“ frei gemacht (Gal 4,10). Seine Vereinigung mit einem auferstandenen Christus hat ihn von allen solchen abergläubischen Gebräuchen befreit (Kol 2,16–20). Aber wie wahr dies auch ist, so sehen wir doch, dass der „erste Tag der Woche“ im Neuen Testament einen besonderen Platz einnimmt. Es ist deshalb ganz natürlich, wenn er auch im Leben eines Christen eine besondere Bedeutung erhält.
Wir haben dieses Thema schon in früheren Abschnitten dieses Buches ausführlicher besprochen. Ich beschränke mich deshalb darauf, in einigen Punkten den Gegensatz zwischen dem „Sabbat“ und dem „Tag des Herrn“ aufzuzeigen:
- Der Sabbat war der siebte Tag, während der Tag des Herrn der erste Tag der Woche ist.
- Der Sabbat war ein Prüfstein für den Zustand Israels; der Tag des Herrn ist für die Versammlung der Beweis, dass sie ohne jede Bedingung von Gott angenommen ist.
- Der Sabbat gehörte der alten Schöpfung an, während der Tag des Herrn der neuen angehört.
- Der Sabbat war ein Tag der leiblichen Ruhe für den Juden, der Tag des Herrn dagegen ist ein Tag der geistlichen Ruhe für den Christen.
- Wenn der Jude am Sabbat arbeitete, musste er getötet werden; wenn der Christ nicht am Tag des Herrn arbeitet, d. h. wenn er nicht zum Segen der Menschen, zur Verherrlichung Christi und zur Ausbreitung der Wahrheit wirkt, gibt er einen sehr schwachen Beweis von Leben. Tatsächlich ist ein treuer Christ, wenn er irgendeine Gabe besitzt, im Allgemeinen am Ende des Tages des Herrn mehr ermüdet als am Ende jedes anderen Wochentags; denn wie könnte er ruhen, während um ihn her Seelen zugrunde gehen?
- Dem Juden war durch das Gesetz geboten, während des Sabbats in seinem Zelt zu bleiben; der Christ aber wird durch den Geist des Evangeliums geleitet auszugehen, sei es um an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder um verlorenen Sündern die Botschaft des Heils zu verkünden.
Möge der Herr uns allen geben, mit mehr Einfalt in dem Namen des Herrn Jesus Christus zu ruhen und mit mehr Eifer für diesen Namen zu wirken! Wir sollen ruhen in der Gesinnung eines Kindes und arbeiten mit der Kraft eines Mannes.