Betrachtungen über das zweite Buch Mose
Das Passahfest und die letzte Plage
Der Anfang der Monate
„Und der HERR redete zu Mose und Aaron im Land Ägypten und sprach: Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll euch der erste sein von den Monaten des Jahres“ (Kap. 12,1.2). Hier begegnen wir einem sehr interessanten Wechsel in der Zeitordnung. Der HERR unterbrach den Ablauf des bürgerlichen Jahres und zeigte damit, dass Er für sein Volk eine neue Zeitrechnung beginnen wollte. Die frühere Geschichte Israels sollte gleichsam als ungültig betrachtet werden; die Erlösung war der erste Schritt im wirklichen Leben des Volkes.
An dieser Stelle lernen wir eine einfache Wahrheit. Das Leben eines Menschen ist in der Tat ohne Bedeutung, bis er seine vollkommene Errettung erkennt, aufgrund des Blutes des Lammes Frieden mit Gott hat und ein Leben mit Gott führt. Bis dahin ist er nach dem Urteil Gottes und nach den Worten der Heiligen Schrift „tot in Vergehungen und Sünden“ und „entfremdet dem Leben Gottes“ (Eph 2,1; 4,18). Seine ganze Geschichte ist wertlos für Gott, auch wenn sie nach menschlichem Ermessen voller Aktivität gewesen ist. Alles, was dieAufmerksamkeit des Weltmenschen fesselt: Ansehen, Reichtum, Vergnügung – alles ist, im Licht Gottes betrachtet, öde und wertlos, völlig unwürdig, in dem Bericht des Heiligen Geistes einen Platz zu finden. „Wer dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen“ (Joh 3,36). Die Menschen meinen, „das Leben zu sehen“, wenn sie sich in Gesellschaften stürzen, hierhin und dorthin reisen, um alles zu sehen, was es zu sehen gibt; aber sie vergessen, dass das einzig wirkliche und göttliche Mittel, um „das Leben zu sehen“, darin besteht, „zu glauben an den Sohn Gottes“.
Wie wenig denken die Menschen darüber nach! Sie meinen, dass das „wahre Leben“ zu Ende sei, sobald jemand in Tat und Wahrheit und Recht nur dem äußeren Bekenntnis nach ein Christ wird, während das Wort Gottes uns belehrt, dass wir gerade dann erst imstande sind, das Leben zu sehen und wirklich glücklich zu sein. „Wer den Sohn hat, hat das Leben“ (1. Joh 5,12). „Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde zugedeckt ist!“ (Ps 32,1). Nur in Christus können wir Leben und Glückseligkeit erreichen. Ohne ihn ist nach göttlichem Urteil alles elend und tot – wie annehmlich es auch erscheinen mag. Erst wenn der Unglaube aufhört und wir das geschlachtete Lamm, das unsere Sünden am Fluchholz getragen hat, im Glauben erblicken, erst dann betreten wir den Weg des Lebens und haben teil an dem Frieden Gottes. Dieses Leben beginnt bei dem Kreuz und mündet in eine Ewigkeit von Herrlichkeit; dieser Friede wird die Verbindung mit Gott und das Ruhen in Christus immer mehr vertiefen, bis wir den eigentlichen Bereich des Friedens erreichen – die Gegenwart Gottes und des Lammes.
Allerdings versucht der Feind der Seelen dieses vorübergehende Leben so verlockend zu gestalten, dass die Menschen glauben, es sei das eigentliche und wahre Leben. Er versucht alles, um die gedankenlose Menge bei guter Laune zu erhalten, damit sie sich nicht erinnert, dass Satan es ist, der die Fäden in der Hand hält und nichts anderes beabsichtigt, als die Seelen von Christus zu entfernen und sie ins ewige Verderben zu stürzen. Es gibt nichts Wirkliches, nichts Bleibendes und nichts wahrhaft Befriedigendes als in Christus allein. Außer ihm ist alles „Eitelkeit und ein Haschen nach Wind“ (Pred 2,17). Nur in ihm ist wirkliche und ewige Freude zu finden; und unser Leben beginnt erst dann, wenn wir anfangen, in ihm, von ihm und für ihn zu leben. „Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll euch der Erste sein von den Monaten des Jahres“. Die in den Ziegelhütten und bei den Fleischtöpfen zugebrachte Zeit wird überhaupt nicht mitgerechnet; sie war für Israel ohne Bedeutung, außer dass die Erinnerung daran ihnen immer wieder ins Bewusstsein bringen sollte, was die Gnade Gottes für sie getan hatte.
Das Passahlamm
„Redet zu der ganzen Gemeinde Israel und sprecht: Am Zehnten dieses Monats, da nehme sich ein jeder ein Lamm für ein Vaterhaus, ein Lamm für ein Haus … Ein Lamm ohne Fehl sollt ihr haben, ein männliches, einjährig; von den Schafen oder von den Ziegen sollt ihr es nehmen. Und ihr sollt es in Verwahrung haben bis zum vierzehnten Tag dieses Monats, und die ganze Versammlung der Gemeinde Israel soll es schlachten zwischen den zwei Abenden“ (V. 3–6). Hier haben wir die Erlösung des Volkes; sie ist gegründet auf das Blut des Lammes nach dem ewigen Ratschluss Gottes und darum auch von ewiger Beständigkeit. Die Erlösung nimmt in den Gedanken Gottes den ersten Platz ein; sie ist nicht erst in späterer Zeit von ihm beschlossen worden. Bevor die Welt, bevor Satan, bevor die Sünde war, bevor je die Stimme Gottes das Schweigen der Ewigkeit brach und die Welten ins Dasein rief, bestanden seine tiefen Ratschlüsse der Liebe. Diese Ratschlüsse konnten allerdings in der Schöpfung niemals eine sichere Grundlage finden; denn alle Segnungen und Herrlichkeiten der Schöpfung gründeten sich auf den Gehorsam eines Geschöpfes; und sobald dieser Gehorsam fehlte, war alles verloren. Doch den Versuch Satans, die Schöpfung zu verderben, nahm Gott zum Anlass, seine tiefere Absicht, die Erlösung, zu offenbaren.
Diese Wahrheit wird uns im Bild dadurch vor Augen gestellt, dass das Lamm vom zehnten bis zum vierzehnten Tag in Verwahrung blieb. Dass dieses Lamm ein Bild von Christus ist, steht außer Zweifel, denn wir lesen in 1. Korinther 5,7: „Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet worden“; und in 1. Petrus 1,18–20: „Indem ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid von eurem eitlen, von den Vätern überlieferten Wandel, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken; der zwar zuvorerkannt ist vor Grundlegung der Welt, aber offenbart worden ist am Ende der Zeiten um euretwillen.“
Von Ewigkeit her war Christus der Inhalt aller Vorsätze Gottes, und keiner Anstrengung des Feindes ist es je gelungen, sie infrage zu stellen; vielmehr dienten diese Anstrengungen nur zur Entfaltung der unergründlichen Weisheit und der unerschütterlichen Festigkeit der Ratschlüsse Gottes. Wenn das „Lamm ohne Fehl und ohne Flecken … vor Grundlegung der Welt zuvorerkannt“ war, dann muss die Erlösung sicher schon vor Grundlegung der Welt in den Gedanken Gottes gewesen sein. Der erhabene Gott brauchte nicht innezuhalten, um einen Plan zur Heilung des schrecklichen Übels zu entwerfen, das Satan in die Schöpfung gebracht hatte; Er brauchte nur aus dem unerforschlichen Reichtum seiner Weisheit die Ratschlüsse in Bezug auf das Lamm zu enthüllen, welches von Ewigkeit her zuvorerkannt war und am Ende der Zeiten um unsertwillen offenbart werden sollte.
Das Blut des Lammes war noch nicht nötig, als die Schöpfung gerade erst aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen war und in jedem ihrer Teile den Abdruck seiner Herrlichkeit, die unwiderlegbaren Beweise seiner ewigen Kraft und Göttlichkeit (Röm 1) an sich trug. Als aber dann „durch einen Menschen“ (Röm 5,12) die Sünde in die Welt gekommen war, trat der vollkommenere und herrlichere Gedanke der Erlösung durch das Blut des Lammes in den Vordergrund. Er war schon erkennbar, als das erste Menschenpaar aus dem Garten Eden vertrieben wurde; er schimmerte auch durch die Bilder und Schatten der mosaischen Haushaltung; in voller Klarheit aber wurde er vor der ganzen Welt ans Licht gebracht, als Gott persönlich in die Welt kam, „offenbart im Fleisch“ (1. Tim 3,16). Und schließlich wird die Erlösung vollendet sein, wenn die unzählige Menge der Erlösten in weißen Gewändern vor dem Thron Gottes und des Lammes steht und die ganze Schöpfung unter dem Friedenszepter des Sohnes Davids ruht.
In dem Lamm, das am zehnten Tag herbeigeholt und bis zum vierzehnten Tag aufbewahrt wurde, sehen wir also Christus, von Ewigkeit her von Gott zuvorerkannt und um unsertwillen in den letzten Tagen offenbart worden. Der ewige Vorsatz Gottes in Christus wird die Grundlage zum Frieden für den Gläubigen. Nichts weniger als das konnte genügen. Dieser Vorsatz Gottes liegt außerhalb der Schöpfung und der Zeit, er bestand weit vor dem Eintritt der Sünde in die Welt und vor allem, was irgendwie die Grundlage unseres Friedens antasten könnte. Der Ausdruck „zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt“ führt uns zurück in die unergründlichen Tiefen der Ewigkeit und zeigt uns, wie Gott seine Ratschlüsse der erlösenden Liebe bildet und sie auf das versöhnende Blut seines eigenen fleckenlosen Lammes gründet. Von Ewigkeit her hatte Christus den ersten Platz im Herzen und in den Gedanken Gottes; und deshalb stellte Gott ihn in Schatten und Bildern dar, sobald Er zu reden oder zu handeln begann. Wenn wir die inspirierten Mitteilungen der Bibel untersuchen, finden wir in jeder Zeremonie, in jeder Vorschrift und in jedem Opfer das „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Joh 1,29). Nirgends aber tritt es uns deutlicher entgegen als im Passah. Das Passahlamm mit all den Besonderheiten, die seine Opferung begleiteten, ist eins der lehrreichsten Bilder der Heiligen Schrift.
Es geht in diesem Kapitel eigentlich um eine Versammlung und ein Opfer. „Und die ganze Versammlung der Gemeinde Israel soll es schlachten zwischen den zwei Abenden“ (V. 6). Es handelt sich nicht so sehr um eine Anzahl von Familien mit verschiedenen Lämmern (obwohl das natürlich auch wahr ist) als vielmehr um eine einzige Versammlung und ein einziges Lamm. Jedes Haus bildete nur den örtlichen Ausdruck der ganzen, um das Lamm versammelten Gemeinde. Das Gegenbild hiervon haben wir in der ganzen Versammlung Gottes, die durch den Heiligen Geist im Namen Jesu gesammelt wird und von der jede einzelne Versammlung, wo sie auch zusammenkommen mag, der örtliche Ausdruck sein sollte.
Das Blut des Lammes
„Und sie sollen von dem Blut nehmen und es an die beiden Pfosten und an den Türsturz tun, an den Häusern, in denen sie es essen. Und sie sollen in dieser Nacht das Fleisch essen, gebraten am Feuer, und ungesäuertes Brot; mit bitteren Kräutern sollen sie es essen. Ihr sollt nichts roh davon essen und keineswegs im Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten: seinen Kopf samt seinen Beinen und samt seinem Eingeweide“ (V. 7–9). Wir haben das Passahlamm von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus zu betrachten, nämlich als Grundlage des Friedens und als Mittelpunkt der Einheit. Das Blut an den Türpfosten sicherte Israel den Frieden. „Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen“ (V. 13). Die Besprengung mit dem Blut genügte, um angesichts des Würgengels einen unerschütterlichen Frieden zu haben. Der Tod kam in alle Häuser Ägyptens. „Ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben“ (Heb 9,27). Aber Gott fand in seiner großen Barmherzigkeit für Israel einen fleckenlosen Stellvertreter, an dem das Todesurteil vollzogen wurde. So genügte also dem Anspruch Gottes und der Notlage Israels ein und dieselbe Sache: das Blut des Lammes. Das Blut an den Türpfosten war der Beweis, dass alles göttlich und darum vollkommen in Ordnung gebracht war; und das gab den Bewohnern des Hauses einen vollkommenen Frieden. Ein Schatten von Zweifel in dem Herzen eines Israeliten wäre für das göttliche Fundament des Friedens, das Blut der Versöhnung, eine Unehre gewesen.
Ohne Zweifel fühlte jeder, der sich hinter den mit Blut bestrichenen Türpfosten befand, dass das Todesurteil der gerechte Lohn für seine Sünden gewesen wäre; aber das Lamm hatte an seiner statt die Strafe erduldet. Das war die feste Grundlage seines Friedens. Das Gericht, das er verdient hatte, traf ein von Gott ausersehenes Schlachtopfer; und indem er dies glaubte, konnte er im Innern des Hauses in Frieden davon essen. Der geringste Zweifel hätte Gott zum Lügner gemacht, denn Er hatte gesagt: „Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen.“ Es ging dabei nicht um persönlichen Verdienst; das stand sowieso außer Frage. Alle, die sich unter dem Schutz des Blutes befanden, waren in Sicherheit. Sie konnten nicht nur gerettet werden, sondern sie waren gerettet. Ihre Rettung war nicht Gegenstand ihrer Hoffnung oder ihres Gebets, sondern war eine sichere Tatsache, gestützt auf die Glaubwürdigkeit der Zusage Gottes. Auch waren sie nicht zum Teil gerettet und zum Teil dem Gericht ausgesetzt; sie waren vollständig gerettet. Das Blut des Lammes und das Wort des Herrn bildeten die Grundlage für den Frieden Israels in jener schrecklichen Nacht, in der Gott alle Erstgeborenen Ägyptens schlug. Wäre einem Israeliten auch nur ein Haar gekrümmt worden, so wäre das Wort des HERRN nichtig und das Blut des Lammes wertlos gewesen.
Es ist sehr wichtig, ein klares Verständnis davon zu haben, was den Grund des Friedens eines Sünders in der Gegenwart Gottes ausmacht. Man hat so viele Dinge mit dem vollbrachten Werk Christi vermengt, dass viele Seelen über ihre Annahme bei Gott in Ungewissheit sind. Sie verstehen nicht, dass die Erlösung durch das Blut Christi, wenn sie es einmal auf sich angewendet haben, eine für immer geordnete Sache ist. Sie wissen nicht, dass die vollkommene Vergebung einfach darauf beruht, dass ein vollkommenes Sühnopfer dargebracht worden ist, und dass diese Tatsache in aller Deutlichkeit demonstriert wurde, indem der Stellvertreter des Sünders aus den Toten auferstand. Sie wissen wohl, dass es außer dem Blut des Kreuzes kein Rettungsmittel gibt; aber das wissen auch die Teufel, und dennoch nützt es ihnen nichts. Was ihnen fehlt, ist das Bewusstsein, dass sie gerettet sind. Der Israelit wusste nicht nur, dass in dem Blut Rettung zu finden war, sondern er war seiner Rettung gewiss. Und warum? War es etwa aufgrund von irgendetwas, das er getan, gefühlt oder gedacht hatte? Nein, sondern weil Gott gesagt hatte: „Und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen.“ Er verließ sich auf das Zeugnis Gottes. Er glaubte, weil Gott es gesagt hatte. „Wer sein Zeugnis angenommen hat, hat besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist“ (Joh 3,33).
Beachten wir wohl, dass sich der Israelit nicht auf seine eigenen Gedanken, Gefühle oder Erfahrungen stützte. Da hätte er in der Tat auf einen unsicheren, sandigen Boden gebaut. Seine Gedanken und Gefühle konnten gründlich oder oberflächlich sein, aber in beiden Fällen hatten sie nichts mit der Grundlage des Friedens zu tun. Gott hatte nicht gesagt: „Wenn ihr das Blut seht und es in seinem ganzen Wert erkennt, will ich an euch vorübergehen.“ Das hätte allerdings jeden Israeliten in Verzweiflung stürzen können, weil es dem menschlichen Geist unmöglich ist, das Blut des Lammes jemals genügend zu würdigen. Was Frieden gab, war die Tatsache, dass Gott das Blut sah und seinen Wert kannte. Das allein konnte das Herz beruhigen. Das Blut war draußen und der Israelit drinnen, so dass er es unmöglich sehen konnte, aber Gott sah es, und darauf allein kam es an.
Das Werk Christi für uns
Diese Wahrheit erhellt auch die Frage, wie heute ein Sünder Frieden bekommt. Nachdem der Herr Jesus sein Blut als eine vollkommene Sühnung für die Sünde vergossen hatte, brachte Er es in die Gegenwart Gottes und sprengte es dort; und das Zeugnis Gottes versichert dem glaubenden Sünder, dass alles zu seinen Gunsten in Ordnung gebracht ist, und zwar nicht durch seine Wertschätzung dieses Blutes, sondern durch die Kraft des Blutes selbst, das in den Augen Gottes einen so hohen Wert hat, dass Er um des Blutes willen in Gerechtigkeit alle Sünden vergeben und den Sünder – vollkommen gerecht in Christus – annehmen kann. Könnte je ein Mensch dauerhaften Frieden haben, wenn der Friede von ihm selbst abhängig wäre? Unmöglich! Der menschliche Geist reicht einfach nicht aus, um das Blut in dem Wert zu erkennen, den es in den Augen Gottes hat. Wenn daher unser Friede davon abhinge, inwieweit wir das Blut wertschätzen, dann wäre er ebenso unerreichbar, als wenn wir ihn durch „Gesetzeswerke“ zu erlangen suchten (Röm 9,32; Gal 2,16; 3,10). Entweder bietet das Blut allein eine Grundlage für unseren Frieden oder wir können niemals Frieden haben. Sobald wir unsere Wertschätzung des Blutes mit dem Blut selbst verwechseln, kehren wir den Inhalt des Christentums ebenso um, als wenn wir einen Sünder unter das Gesetz vom Sinai stellen wollten. Entweder genügt das Sühnopfer Christi oder es genügt nicht. Wenn es aber genügt, warum dann Zweifel und Befürchtungen? Mit unseren Lippen verkünden wir, dass das Werk vollbracht ist; aber die Zweifel und Befürchtungen unseres Herzens erklären, dass es nicht so ist. Wer an der vollkommenen Vergebung seiner Sünden zweifelt, leugnet dadurch, wenigstens in Bezug auf sich selbst, die Vollkommenheit des Opfers Christi.
Allerdings gibt es viele, die nie so weit gehen würden, die Kraft des Blutes Christi bewusst in Zweifel zu ziehen, die aber dennoch keinen sicheren Frieden haben. Solche Personen sind überzeugt, dass das Blut Christi vollkommen den Bedürfnissen des Sünders genügt – wenn sie nur gewiss wären, dass auch sie selbst den rechten Glauben haben und unter dem Schutz des Blutes stehen. Viele Seelen befinden sich in diesem unglücklichen Zustand. Anstatt sich mit dem Blut Christi und dem Wort Gottes zu beschäftigen, bleiben sie bei ihren eigenen Gedanken und ihrem Glauben stehen; anstatt auf Christus zu schauen, blicken sie in sich hinein. Aber das ist kein Glaube, und infolgedessen haben sie auch keinen Frieden. Ein hinter den blutbesprengten Türpfosten geborgener Israelit hätte diesen Seelen eine passende Unterweisung geben können. Er war nicht gerettet infolge seines Interesses an dem Blut noch wegen seiner Gedanken darüber, sondern einfach durch das Blut. Ohne Zweifel war er in seinen Gedanken sehr mit dem Blut beschäftigt; aber Gott hatte nicht gesagt: „Wenn ich euer Interesse an dem Blut sehe, will ich an euch vorübergehen“. Hätte das Volk auch nur ein Stück ungesäuertes Brot als Grundlage seiner Sicherheit dem Blut zur Seite stellen wollen, so hätte es damit seinen HERRN zum Lügner gemacht und die Vollkommenheit seines Heilmittels geleugnet.
Das Werk des Heiligen Geistes in uns
Wir halten leicht etwas in uns oder in Verbindung mit uns für notwendig als Grundlage unseres Friedens. Aus den Zweifeln und Befürchtungen, von denen so viele Christen geplagt werden, geht hervor, dass über diesen wichtigen Punkt sehr wenig Klarheit und Verständnis vorhanden ist. Wir sind viel eher bereit, die Werke des Geistes in uns als das Werk Christi für uns als das Fundament unseres Friedens anzusehen. Wir werden bald Gelegenheit haben, zu sehen, welchen Platz das Werk des Heiligen Geistes im Christentum einnimmt; aber niemals wird dieses Werk in der Schrift als die Grundlage unseres Friedens bezeichnet. Nicht der Heilige Geist hat Frieden gemacht, sondern Christus. Nicht von dem Heiligen Geist wird gesagt, dass Er unser Friede sei, sondern von Christus. Gott hat nicht durch den Heiligen Geist Frieden verkündigt, sondern durch Jesus Christus (vgl. Apg 10,36; Eph 2,14.17; Kol 1,20). Man kann diesen wichtigen Unterschied gar nicht einfältig genug erfassen. Das Blut Christi allein gibt uns Frieden und eine vollkommene, göttliche Gerechtigkeit; es führt uns ins Allerheiligste, rechtfertigt Gott bei der Annahme eines glaubenden Sünders und verleiht uns ein Anrecht auf alle Herrlichkeiten des Himmels (siehe Röm 3,24–26; 5,9; Eph 2,13–18; Kol 1,20–22; Heb 9,14; 10,19; 1. Pet 1,19; 2,24; 1. Joh 1,7; Off 7,14–17). Indem ich das Blut Christi an dem von Gott angewiesenen Platz lasse, sollen nicht etwa die Wirkungen des Heiligen Geistes irgendwie abgewertet werden. Der Heilige Geist offenbart Christus, lässt uns ihn erkennen, bewirkt, dass wir uns von ihm nähren; Er nimmt die Dinge Christi und verkündigt sie uns (Joh 16,15). Er ist die Kraft der Gemeinschaft, das Siegel, der Zeuge, das Unterpfand, die Salbung – alle seine Wirkungen sind unbedingt notwendig. Ohne ihn könnten wir Christus weder sehen noch hören, weder erkennen noch fühlen, weder erfahren noch genießen, noch ihn in irgendeiner Weise darstellen. Die Lehre von den Wirkungen des Heiligen Geistes ist in der Schrift klar dargestellt und wird von jedem wahren und richtig belehrten Christen erkannt und angenommen.
Dennoch ist das Werk des Geistes nicht der Grund des Friedens; wenn es so wäre, könnten wir vor der Ankunft Christi keinen dauernden und sicheren Frieden haben, weil das Werk des Heiligen Geistes in der Versammlung erst vollendet ist, wenn der Herr kommt. Er setzt immer noch sein Werk in den Gläubigen fort. Er „verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern“ (Röm 8,26). Er wirkt, um uns dem Bild des Sohnes in allem gleichförmig zu machen. Er ist der einzige Urheber jedes guten Wunsches, jeder reinen Zuneigung, jeder göttlichen Erfahrung und jeder gesunden Überzeugung; aber es ist klar, dass sein Werk in uns nicht eher vollständig ist, als bis wir den gegenwärtigen Schauplatz verlassen und unseren Platz mit Christus in der Herrlichkeit eingenommen haben, ebenso wie das Werk Eliesers, des Knechtes Abrahams, nicht eher vollendet war, bis er Rebekka dem Isaak vorstellen konnte.
Anders aber verhält es sich mit dem Werk Christi für uns. Es ist gänzlich und für immer vollendet. Christus konnte sagen: „Das Werk habe ich vollbracht, das du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte“ (Joh 17,4). Und Er konnte ausrufen: „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30). Aber der Heilige Geist kann nicht sagen, dass Er sein Werk vollbracht habe. Als der Stellvertreter Christi auf der Erde wirkt Er fortwährend inmitten der zahlreichen feindseligen Einflüsse, die sein Werk behindern wollen. Er wirkt in den Herzen der Kinder Gottes, um sie auch praktisch zu dem Maß des göttlichen bezeichneten Wuchses hinzuführen (Eph 4; 1; 3). Aber niemals belehrt Er einen Gläubigen, seinen Frieden in der Gegenwart Gottes von seinem Werk abhängig zu machen. Er hat den Auftrag, von Jesus zu reden und nicht von sich selbst, „denn“, sagt Christus, „von dem Meinen wird er empfangen und euch verkünden“ (Joh 16,14). Wenn also jemand nur durch den Heiligen Geist den wahren Grund des Friedens erkennen kann und wenn der Heilige Geist niemals von sich selbst redet, so ist es deutlich, dass Er nur das Werk Christi als die Grundlage bezeichnen kann, auf der die Seele für immer ruhen muss; kraft dieses Werkes kann der Heilige Geist überhaupt nur Wohnung in dem Gläubigen machen und in ihm seine wunderbaren Wirkungen fortsetzen.
Der Tod Christi, das einzige Fundament unserer Erlösung
So ist also das Passahlamm, als der Grund des Friedens Israels, ein bemerkenswertes Bild von Christus, der Grundlage des Friedens für den Gläubigen. Dem Blut an den Türpfosten war nichts hinzuzufügen, und ebenso wenig bedarf das Blut Christi irgendeiner Ergänzung. Das ungesäuerte Brot und die bitteren Kräuter waren zwar notwendig, aber sie waren keinesfalls der Grund des Friedens. Sie waren für das Innere des Hauses bestimmt und bildeten die charakteristischen Zeichen der Gemeinschaft in diesem Haus, aber das Blut des Lammes war die Grundlage von allem. Es rettete vom Tod und brachte Leben, Licht und Frieden. Es stellte die Verbindung her zwischen Gott und seinem erlösten Volk. Und nachdem die Israeliten aufgrund dieser Erlösung mit Gott verbunden waren, war es ein Vorrecht, auch gewisse Verpflichtungen zu haben; aber diese Verpflichtungen waren natürlich nicht die Voraussetzung, sondern nur das Ergebnis ihrer Verbindung mit Gott.
Ich möchte auch daran erinnern, dass in der Heiligen Schrift nicht das gehorsame Leben Christi als die Ursache bezeichnet wird, durch die wir Vergebung erlangen. Sein Tod am Kreuz war es, der die Liebe Gottes ausströmen ließ, die sonst für immer verborgen geblieben wäre. Hätte Christus bis heute „wohltuend und alle heilend“ (Apg 10,38) seinen Gang durch die Städte Israels fortgesetzt, so wäre der Vorhang des Tempels nie zerrissen und hätte noch heute dem Anbeter den Zugang zu Gott versperrt. Es war sein Tod, der den Vorhang „von oben bis unten“ zerriss (Mk 15,38). „Durch seine Striemen“ und nicht durch sein gehorsames Leben „ist uns Heilung geworden“ (Jes 53,5; 1. Pet 2,24); und diese Striemen empfing Er am Kreuz und nirgendwo anders. Seine eigenen Worte stellen dies außer Zweifel: „Ich habe aber eine Taufe, womit ich getauft werden muss, und wie bin ich beengt, bis sie vollbracht ist!“ (Lk 12,50). Kann sich diese Stelle auf etwas anderes als auf seinen Tod am Kreuz beziehen? Dieser Tod war die Vollziehung seiner Taufe und öffnete seiner Liebe einen Weg, auf dem sie in Gerechtigkeit frei ausströmen konnte zu den schuldigen Nachkommen Adams. Weiter hat Er gesagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein.“ Er war dieses „Weizenkorn“; und Er wäre, obwohl Er Fleisch geworden war, für immer allein geblieben, wenn Er nicht durch seinen Tod am Fluchholz alles aus dem Weg geräumt hätte, was die Vereinigung seines Volkes mit ihm in der Auferstehung verhindern konnte. „Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh 12,24).
Es gibt in Verbindung mit dieser wichtigen und ernsten Frage zwei Gedanken, die wir beachten müssen, nämlich dass eine Vereinigung mit Christus nur in der Auferstehung möglich ist und zweitens, dass Christus nur am Kreuz für Sünden gelitten hat. Wir dürfen nicht denken, dass Christus schon durch seine Menschwerdung uns mit sich vereinigt habe. Das war unmöglich. Wie hätte unser sündiges Fleisch mit ihm vereinigt werden können? Der Leib der Sünde musste durch den Tod zerstört werden. Die Sünde musste den göttlichen Anforderungen gemäß beseitigt und die ganze Macht des Feindes musste vernichtet werden. Wie konnte das alles geschehen? Nur dadurch dass sich das fleckenlose Lamm Gottes dem Tod am Kreuz unterwarf. „Denn es geziemte ihm, um dessentwillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen“ (Heb 2,10). „Siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen heute und morgen, und am dritten Tag werde ich vollendet“ (Lk 13,32). Die Ausdrücke „vollkommen“ und „vollendet“ in diesen Stellen beziehen sich nicht auf Christus in seiner eigenen Person; denn Er war als Sohn Gottes vollkommen von Ewigkeit her, und auch in seiner Menschheit war Er durchaus vollkommen. Aber als „Urheber ihrer Errettung“, der „viele Söhne zur Herrlichkeit brachte“, als der, der „viel Frucht bringt“ und ein erlöstes Volk mit sich vereinigt – musste Er den „dritten Tag“ erreichen, um „vollendet“ zu werden. Er stieg allein hinab in die „Grube des Verderbens“ und in den „kotigen Schlamm“; aber als Er seinen „Fuß auf den Felsen“ der Auferstehung stellte, vereinigte Er mit sich den „vielen Söhnen“ (Ps 40,2–4). Er focht den Kampf allein aus; aber als der mächtige Überwinder lässt Er uns jetzt an der Siegesbeute teilhaben, damit wir uns für immer daran erfreuen können.
Zum anderen dürfen wir das Kreuz Christi nicht als das Ende eines dem Sündentragen geweihten Lebens betrachten. Das Kreuz war der einzige Ort, an dem der Herr Jesus Sünden trug. „Der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat“ (1. Pet 2,24). Er trug sie weder in der Krippe noch in der Wüste noch im Garten Gethsemane, sondern einzig und allein „auf dem Holz“. Er hatte niemals etwas mit der Sünde zu schaffen, außer am Kreuz; dort aber neigte Er sein Haupt und gab unter dem Gewicht der Sünden seines Volkes sein Leben hin. Nirgendwo anders als am Kreuz litt Er von der Hand Gottes; dort aber verbarg Gott sein Angesicht vor ihm, weil Er „zur Sünde gemacht“ war (2. Kor 5,21).
Der bisherige Gedankengang und die angeführten Stellen der Heiligen Schrift tragen vielleicht dazu bei, die göttliche Kraft der Worte tiefer zu empfinden: „Sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorüber gehen“. Natürlich musste das Lamm fleckenlos sein, denn was hätte sonst der Heiligkeit des HERRN begegnen können? Aber wäre das Blut nicht vergossen worden, so hätte der HERR an seinem Volk nicht vorübergehen können; denn „ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung“ (Heb 9,22). Dieser Gedanke begegnet uns noch anschaulicher in den Bildern des dritten Buches Mose. Er verdient unsere ernsthafte Aufmerksamkeit, wenn wir unseren Herrn Jesus Christus in Aufrichtigkeit lieb haben.
Der Mittelpunkt der Gemeinschaft für Israel
Betrachten wir jetzt das Passah unter dem zweiten Gesichtspunkt, nämlich als den Mittelpunkt, um den sich das Volk in friedlicher und heiliger Gemeinschaft versammelte. Die Rettung durch das Blut und das Passahmahl sind zwei sehr verschiedene Dinge. Das Volk war nur durch das Blut gerettet, aber der Mittelpunkt, um den es sich versammelte, war das am Feuer gebratene Lamm. Das ist ein bedeutsamer Unterschied. Das Blut des Lammes bildet die Grundlage unserer Beziehungen zu Gott und auch unserer Beziehungen zueinander. Getrennt von dem vollkommenen Sühnopfer Christi kann weder von einer Gemeinschaft mit Gott noch von einer Gemeinschaft mit der Versammlung Gottes die Rede sein. Jedoch dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, dass es der lebendige Christus im Himmel ist, mit dem der Heilige Geist die Gläubigen verbindet. Es ist ein lebendiges Haupt, mit dem wir vereinigt, ein „lebendiger Stein“, zu dem wir gekommen sind (1. Pet 2,4). Nachdem wir durch sein Blut Frieden gefunden haben, ist Er nun unser Sammelpunkt sowie das Band, das uns vereinigt. „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20). Der Heilige Geist allein ist es, der sammelt; Christus ist der einzige Gegenstand, zu dem hin die Gläubigen gesammelt werden; und unsere Versammlung muss, wenn wir so zusammengekommen sind, durch Heiligkeit charakterisiert sein, damit der Herr, unser Gott, in unserer Mitte wohnen kann. Der Heilige Geist kann das Volk Gottes nur zu Christus und nicht zu einem System, zu einem Namen, zu einer Lehre oder Vorschrift hin sammeln. Er sammelt zu einer Person hin, und diese Person ist der im Himmel verherrlichte Christus. Das verleiht der Versammlung Gottes einen besonderen Charakter. Die Menschen mögen sich aus irgendeinem Grund, um irgendeinen Mittelpunkt oder zu irgendeinem beliebigen Zweck vereinigen; aber wenn der Heilige Geist vereinigt, dann geschieht es nur aufgrund einer vollbrachten Erlösung um die Person Christi, um für Gott eine heilige Wohnstätte zu bereiten (1. Kor 3,16.17; 6,19; Eph 2,21.22; 1. Pet 2,4.5).
Die Verordnung des Passahfestes
Es müssen nun noch die Grundsätze im Einzelnen betrachtet werden, die in der Verordnung zum Passahfest enthalten sind. Die Versammlung Israels stand zwar schon unter dem Schutz des Blutes, aber sie musste auch in einer Gott geziemenden Weise stattfinden. Um vor dem Gericht in Sicherheit zu sein, war nur das Blut erforderlich, aber im Blick auf die Gemeinschaft, die dadurch zustande gebracht war, waren andere Dinge nötig, die nicht vernachlässigt werden durften.
„Und sie sollen in dieser Nacht das Fleisch essen, gebraten am Feuer, und ungesäuertes Brot; mit bitteren Kräutern sollen sie es essen. Ihr sollt nichts roh davon essen und keineswegs im Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten: seinen Kopf samt seinen Beinen und samt seinem Eingeweide“ (V. 8.9). Das Lamm musste der Wirkung des Feuers unterworfen werden. Hierin sehen wir Christus, „unser Passah“ (1. Kor 5,7), wie Er sich selbst dem Feuer der göttlichen Heiligkeit und des göttlichen Gerichts aussetzte, das aber an ihm keinen Makel finden konnte. Er konnte sagen: „Du hast mein Herz geprüft, hast mich bei Nacht durchforscht; du hast mich geläutert – nichts fandest du; mein Gedanke geht nicht weiter als mein Mund“ (Ps 17,3). Bei ihm war alles vollkommen. Das Feuer läuterte ihn, aber es zeigten sich keine Schlacken. „Sein Kopf samt seinen Beinen und samt seinem Eingeweide“, das ist: der Sitz des Verstandes sowie der äußere Wandel samt allem, was damit zusammenhing – alles wurde dem Feuer ausgesetzt, und alles erwies sich als vollkommen. Das Braten des Lammes war daher, wie jede Einzelheit in den Anordnungen Gottes, von großer Bedeutung.
„Ihr sollt nichts roh davon essen und keineswegs im Wasser gekocht.“ Wäre das Lamm in dieser Weise gegessen worden, so hätte das Passahmahl nicht die Absicht Gottes erfüllt, Christus darzustellen als das wirkliche Passahlamm, das am Kreuz das Feuer des gerechten Zorns Gottes erdulden musste. Wir stehen nicht nur unter dem ewigen Schutz des Blutes des Lammes, sondern durch den Glauben nähren wir uns auch von dem Lamm. Viele von uns verkümmern in dieser Beziehung. Sie begnügen sich mit dem Bewusstsein ihrer Errettung durch das vollbrachte Werk Christi, haben aber kein Verlangen nach praktischer Gemeinschaft mit ihm. Er aber kann sich damit nicht begnügen. Er hat uns so eng mit sich selbst verbunden, damit wir uns von ihm nähren und uns in ihm freuen können. Er stellt sich uns vor als das Lamm, das bis zum Äußersten den Zorn Gottes ertragen hat, und in eben diesem Charakter will Er auch die Nahrung für unsere Seelen sein.
Das ungesäuerte Brot
Aber wie sollte dieses Lamm gegessen werden? Mit ungesäuertem Brot und bitteren Kräutern. Der Sauerteig ist in der ganzen Schrift ausnahmslos ein Bild des Bösen. Weder im Alten noch im Neuen Testament wird dieses Wort gebraucht, um irgendetwas Reines, Heiliges oder Gutes darzustellen. Daher ist das „Fest der ungesäuerten Brote“ in diesem Kapitel ein Bild der praktischen Absonderung vom Bösen, die das Ergebnis der Reinigung durch das Blut des Lammes ist, die sich aber auch aus der Gemeinschaft mit seinen Leiden ergibt. Nur ein ungesäuertes Brot war dem am Feuer gebratenen Lamm angemessen. Die geringste Menge Sauerteig hätte den Charakter des Passahmahls verdorben. Wie könnten wir irgendetwas Böses mit unserer Gemeinschaft mit dem leidenden Christus vereinbaren? Alle, die durch die Kraft des Heiligen Geistes die Bedeutung des Kreuzes verstehen, werden auch sicherlich durch dieselbe Kraft jeden Sauerteig aus ihrer Mitte entfernen. „Fegt den alten Sauerteig aus, damit ihr ein neuer Teig seiet, wie ihr ungesäuert seid. Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet worden. Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit“ (1. Kor 5,7.8). Die hier erwähnte Festfeier im Leben der Versammlung entspricht dem Fest der ungesäuerten Brote im Alten Testament. Dieses Fest dauerte sieben Tage; und sowohl die Versammlung in ihrer Gesamtheit, als auch der einzelne Christ sind berufen, während der sieben Tage, d. h. während ihres ganzen Daseins auf der Erde, in praktischer Heiligkeit zu leben. Diese Notwendigkeit ergibt sich unmittelbar aus der Tatsache, dass sie durch das Blut gewaschen sind und mit dem Leiden Christi Gemeinschaft haben.
Der Israelit tat den Sauerteig nicht weg, um gerettet zu werden, sondern weil er gerettet war; und wenn er es versäumt hätte, ihn zu beseitigen, so wäre das zwar eine betrübliche Vernachlässigung gewesen, hätte aber keineswegs seine durch das Blut erlangte Sicherheit, sondern nur seine Gemeinschaft mit der Gemeinde beeinträchtigt. „Sieben Tage soll kein Sauerteig in euren Häusern gefunden werden; denn jeder, der Gesäuertes isst, diese Seele soll aus der Gemeinde Israel ausgerottet werden, er sei Fremder oder Einheimischer des Landes“ (V. 19). Die Ausrottung eines Israeliten aus der Gemeinde entspricht genau der Unterbrechung der Gemeinschaft eines Christen, wenn dieser etwas Böses bei sich duldet, das mit der Heiligkeit Gottes in Widerspruch steht. Gott kann das Böse nicht dulden. Ein einziger unreiner Gedanke unterbricht schon die Gemeinschaft mit ihm; und solange diese Verunreinigung nicht durch die Fürsprache Christi und ein darauf gegründetes Bekenntnis weggetan worden ist, kann die Gemeinschaft nicht wiederhergestellt werden (siehe 1. Joh 1,5–10; vgl. auch Ps 32,4–6). Ein aufrichtiger Christ freut sich auch darüber. Er kann frohen Herzens an die Heiligkeit Gottes denken und würde, auch wenn er es könnte, das Maß der Heiligkeit auch nicht um eine Haaresbreite vermindern. Für ihn ist es eine Freude, mit jemandem Gemeinschaft zu haben, der keinen Augenblick mit der geringsten Spur von „Sauerteig“ in Verbindung sein kann.
Gott sei Dank, dass nichts unsere Verbindung mit ihm lösen kann. Wir sind gerettet durch den HERRN, nicht mit einer bedingten, vorübergehenden, sondern mit einer ewigen Rettung (Jes 45,17). Aber Errettung und Gemeinschaft sind zwei verschiedene Dinge. Viele Seelen sind errettet, ohne es zu wissen, und viele auch, ohne sich ihrer Errettung zu erfreuen. Ich kann mich nicht über die Sicherheit freuen, die das Blut an den Türpfosten mir bietet, wenn sich Sauerteig in meinem Haus befindet. Das ist ein unveränderlicher göttlicher Grundsatz. Die praktische Heiligkeit ist nicht die Grundlage unseres Heils, aber sie ist eng verbunden mit der Freude daran. Ein Israelit hatte nicht in dem ungesäuerten Brot, sondern in dem Blut seine Rettung gefunden; aber dennoch unterbrach der Sauerteig seine Gemeinschaft mit Gott. Ebenso ist der Christ nicht durch seine praktische Heiligkeit, sondern durch das Blut errettet; aber wenn er in Gedanken, Worten oder Werken etwas Böses bei sich duldet, kann er keine wirkliche Freude und auch keine wirkliche Gemeinschaft mit dem Lamm Gottes haben.
Ich zweifle nicht daran, dass die Missachtung dieses wichtigen Grundsatzes zum großen Teil die Ursache der geistlichen Dürre und des Mangels an wahrem und beständigem Frieden ist, denen man unter den Kindern Gottes so oft begegnet. Sie leben nicht in praktischer Heiligkeit; sie halten nicht das „Fest der ungesäuerten Brote“. Das Blut ist an den Türpfosten; aber der Sauerteig in ihren Häusern verhindert die Freude an der durch das Lamm bewirkten Sicherheit. Die Zulassung des Bösen macht jede Gemeinschaft mit Gott unmöglich. Alle, die der Versammlung Gottes angehören, müssen heilig sein. Sie sind befreit von der Schuld und den Folgen der Sünde, aber auch von der Kraft und der Sklaverei der Sünde. Gerade diese Befreiung durch das Blut des Passahlammes verpflichtete die Israeliten, den Sauerteig aus allen ihren Grenzen zu verbannen. Sollten sie etwa die schreckliche Sprache eines Gesetzesverächters führen und sagen: „Jetzt, nachdem wir gerettet sind, können wir leben, wie es uns gefällt“? Waren sie aus Gnaden gerettet, dann waren sie auch zur Heiligkeit gerettet. Wer die Freiheit der göttlichen Gnade und die Vollkommenheit der Versöhnung zum Anlass nehmen kann, „in der Sünde zu verharren“ (Röm 6,1), gibt dadurch zu erkennen, dass er weder die eine noch die andere Sache versteht.
Ein Christ ist durch die Gnade nicht nur für alle Ewigkeit errettet, sondern er hat auch eine neue, göttliche Natur bekommen; und diese neue Natur in ihm kann nicht sündigen, sondern findet ihre Freude an allem, was göttlich ist (Joh 1,13; 1. Joh 3,9; 2. Pet 1,4; 1. Joh 2,29; 5,18). Ein Leben in der Kraft dieser Natur ist in Wirklichkeit ein „Halten“ des Festes der ungesäuerten Brote. Es befindet sich weder „alter Sauerteig“ noch „Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit“ (1. Kor 5,8) in der neuen Natur, denn sie ist aus Gott; und Gott ist heilig, „Gott ist Liebe“ (1. Joh 4,8). Es liegt daher auf der Hand, dass wir nicht deshalb das Böse von uns wegtun, um die alte, verdorbene Natur zu veredeln oder um die neue Natur zu erlangen, sondern weil wir die neue Natur schon besitzen. Wir haben Leben, und in der Kraft dieses Lebens beseitigen wir das Böse. Erst wenn wir von unserer Sündenschuld befreit sind, können wir die wahre Kraft der Heiligkeit offenbaren. Dies auf einem anderen Wege erreichen zu wollen, wäre ein hoffnungsloses Bemühen. Das Fest der ungesäuerten Brote kann nur unter dem Schutz des Blutes gefeiert werden.
Die bitteren Kräuter
Ebenso bedeutsam und bildlich anwendbar wie das ungesäuerte Brot ist das, was ihm beigefügt werden musste: die „bitteren Kräuter“. Wir können uns nicht der Gemeinschaft mit den Leiden Christi erfreuen, ohne uns daran zu erinnern, was diese Leiden notwendig machte; und diese Erinnerung wird ohne Zweifel eine demütige Haltung des Geistes in uns bewirken, die in den „bitteren Kräutern“ bei der Feier des Passah Ausdruck fand. Diese bitteren Kräuter rufen dem Gläubigen ins Bewusstsein, dass es seine Sünden waren, die Christus als das Lamm Gottes auf sich lud und derentwegen Er den Zorn ertragen musste. „Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden“ (Jes 53,5). Wegen der außerordentlichen Leichtfertigkeit unserer Herzen ist es gut, die Bedeutung der bitteren Kräuter richtig zu verstehen. Wer könnte den 6., 22., 69., 88. und 109. Psalm lesen, ohne dabei an die Bedeutung des ungesäuerten Brotes und der bitteren Kräuter zu denken? Wirkliche Gemeinschaft mit den Leiden Christi bewirkt praktische Heiligkeit und tiefe Demut; denn Sünde und Leichtfertigkeit des Geistes sind angesichts solcher Leiden undenkbar.
Ohne Zweifel empfinden wir auch eine tiefe Freude bei dem Bewusstsein, dass Christus unsere Sünden getragen und an unserer Stelle den gerechten Zorn Gottes erduldet hat. Das ist die unerschütterliche Grundlage unserer Freude. Aber könnten wir es je vergessen, dass unsere Sünden die Ursache seiner Leiden waren? Könnten wir je die überwältigende Wahrheit aus dem Auge verlieren, dass das Lamm Gottes sein Haupt beugte unter dem schweren Gericht unserer Übertretungen? Wir müssen unser Lamm essen mit bitteren Kräutern und bringen damit die tiefen Erfahrungen eines Gläubigen zum Ausdruck, der mit geistlichem Verständnis die Bedeutung des Kreuzes erkennt und verwirklicht.
Am Kreuz ist unsere ganze Schuld getilgt worden, und diese Tatsache erfüllt uns mit Frieden und Freude. Aber gleichzeitig finden wir darin das Ende unserer Natur, die Kreuzigung „des Fleisches“, den Tod des „alten Menschen“ (siehe Röm 6,6; Gal 2,20; 6,14; Kol 2,11). Das ist „bitter“ für unsere Natur. Denn nun sind wir aufgerufen, uns selbst zu verleugnen, unsere Glieder, die auf der Erde sind, zu töten (Kol 3,5) und uns der Sünde für tot zu halten (Röm 6,11). Das scheint eine schreckliche Konsequenz zu sein; aber wenn man einmal in das blutbesprengte Haus eingetreten ist, denkt man ganz anders darüber. Dieselben Kräuter, die für einen Ägypter ohne Zweifel ganz bitter waren, bildeten einen wesentlichen Teil des Erlösungsfestes der Israeliten. Wer durch das Blut des Lammes erkauft ist und die Freude der Gemeinschaft mit ihm kennt, betrachtet es als ein „Fest“, das Böse zu beseitigen und die Natur für tot zu halten.
Nichts übrig lassen
„Und ihr sollt nichts davon übrig lassen bis an den Morgen; und was davon bis an den Morgen übrig bleibt, sollt ihr mit Feuer verbrennen“ (V. 10). Diese Vorschrift lehrt uns, dass die Gemeinschaft der versammelten Israeliten nur in unmittelbarer Verbindung mit dem geopferten Lamm möglich war. Auch wir müssen uns daran erinnern, dass unsere Gemeinschaft auf das Opfer Christi gegründet ist und mit diesem Opfer verbunden bleiben muss. Wer glaubt, auf irgendeiner anderen Grundlage mit Gott Gemeinschaft haben zu können, der meint damit zugleich, dass Gott mit dem in uns wohnenden Bösen Gemeinschaft machen könne; und wer daran denkt, mit Menschen auf einem anderen Boden Gemeinschaft zu machen, der ist auf dem Weg, eine unreine und unheilige Vereinigung zu bilden, aus der nur Verwirrung und Ungerechtigkeit hervorgehen kann. Mit einem Wort: Es muss alles auf das Blut gegründet und mit dem Blut untrennbar verbunden sein. Das ist die einfache Bedeutung der Vorschrift, das Lamm noch in derselben Nacht zu essen, in der das Blut geflossen war. Die Gemeinschaft darf nicht von ihrer Grundlage getrennt werden.
Es ist wirklich ein vollendetes Bild, das wir hier vor uns haben! Das Volk Israel ist unter dem Schutz des Blutes in Frieden versammelt und isst das am Feuer gebratene Lamm mit dem ungesäuerten Brot und mit den bitteren Kräutern. Da war keine Furcht vor dem Gericht, keine Furcht vor dem Zorn des HERRN, keine Furcht vor der schrecklichen, aber gerechten Rache, die um Mitternacht über Ägypten kommen würde. Hinter den mit Blut bestrichenen Türpfosten war Friede. Die Israeliten hatten nichts von draußen her zu fürchten; und auch im Innern konnte sie nichts beunruhigen, es sei denn der Sauerteig, der ihrem Frieden und ihrem Glück ein Ende bereitet hätte. Welch ein Bild für die Versammlung und für den Christen! Es lohnt sich, darüber nachzudenken und daraus zu lernen!
Die Lenden gegürtet und Schuhe an den Füßen
Wir sind jedoch mit der Betrachtung der Passahverordnung noch nicht zu Ende. Wir haben gesehen, in welche Stellung die Versammlung Israels gebracht war und was ihre Speise war. Richten wir nun unseren Blick auf ihre Bekleidung. „Und so sollt ihr es essen: eure Lenden gegürtet, eure Schuhe an euren Füßen und euren Stab in eurer Hand. Und ihr sollt es essen in Eile. Es ist das Passah des HERRN „ (V. 11). Die Israeliten sollten schon während des Essens bereit sein, das Land des Todes und des Gerichts hinter sich zu lassen und sich dem Land der Verheißung, dem für sie bestimmten Erbteil, zuzuwenden. Das Blut, das sie vor dem Schicksal der Erstgeborenen Ägyptens bewahrt hatte, war zugleich die Grundlage ihrer Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens; und jetzt sollten sie mit Gott zu jenem Land aufbrechen, das von Milch und Honig floss. Freilich hatten sie noch nicht das Rote Meer durchschritten und noch nicht „die drei Tagesreisen“ vollendet. Und doch waren sie im Prinzip schon erlöst, abgesondert, abhängig von Gott und bereit, die Reise zu beginnen. Auch ihre Kleidung musste mit dieser Stellung und Bestimmung in Einklang sein. Die gegürteten Lenden waren ein Zeichen ihrer Bereitwilligkeit zum Dienst und der Absonderung von allem, was sie umgab. Die beschuhten Füße bezeichneten ihre Bereitschaft, Ägypten zu verlassen, während der Stab in der Hand andeutete, dass sie ein wanderndes Volk waren, das sich auf etwas außerhalb seiner selbst stützen musste. Der Herr gebe, dass diese Kennzeichen bei allen seinen Erlösten mehr sichtbar werden!
Lasst uns die bisherigen Gedanken kurz zusammenfassen. Durch die Gnade haben wir die reinigende Wirkung des Blutes Jesu erfahren, und infolgedessen ist es unser Vorrecht, uns von ihm und seinem „unergründlichen Reichtum“ zu nähren (Eph 3,8) und mit seinen Leiden Gemeinschaft zu haben. Unser Leben soll nun geprägt sein durch ungesäuertes Brot und bittere Kräuter, durch umgürtete Lenden, beschuhte Füße und durch den Stab in der Hand. Möchten wir gekannt sein als ein heiliges und gekreuzigtes, als ein wachsames und fleißiges Volk – als ein Volk, das auf dem Weg zur Herrlichkeit ist! Gott gebe uns die Gnade, mehr in die Tiefe und Kraft dieser Dinge einzudringen, so dass sie nicht nur eine Sache schriftgemäßer Erkenntnis und Auslegung für uns sind, sondern vielmehr lebendige Wirklichkeiten, die wir durch Erfahrung kennen und in unserem Leben darstellen zur Ehre Gottes!
Wenn ein Fremder das Passah feiern will
In den Versen 43–49 finden wir die Anordnung, dass kein unbeschnittener Fremder am Passahmahl teilnehmen durfte. „Kein Fremder soll davon essen … Die ganze Gemeinde Israel soll es feiern.“ Die Beschneidung war erforderlich, ehe man das Passah essen konnte. Es muss, mit anderen Worten, das Todesurteil über unsere Natur geschrieben werden, bevor Christus als die Grundlage des Friedens oder als der Mittelpunkt der Gemeinschaft unsere Nahrung sein kann. Die Beschneidung ist das Zeichen von Gottes Bund mit Israel und von dem Ausziehen des Leibes des Fleisches (vgl. Kol 2,11.12); ihr Gegenbild ist das Kreuz. Nur alles Männliche in Israel wurde beschnitten. Das Weibliche fand seine Darstellung in dem Männlichen. So hat Christus am Kreuz seine Versammlung dargestellt, und deshalb ist sie mit Christus gekreuzigt. Dennoch lebt der Gläubige, und zwar durch das Leben Christi, das durch die Kraft des Heiligen Geistes auf der Erde offenbart wird. „Und wenn ein Fremder bei dir weilt und dem HERRN das Passah feiern will, so werde alles Männliche bei ihm beschnitten, und dann komme er herzu, es zu feiern; und er soll sein wie ein Einheimischer des Landes. Aber kein Unbeschnittener soll davon essen“ (V. 48). „Die aber, die im Fleisch sind, vermögen Gott nicht zu gefallen“ (Röm 8,8).
Die Anordnung der Beschneidung trennte das Volk Gottes von allen Bewohnern der Erde; und ebenso ist das Kreuz des Herrn Jesus die Schranke zwischen der Versammlung und der Welt. Weder persönliche Qualitäten noch die Stellung, die ein Mensch einnahm, änderten etwas an dieser Sachlage; solange er sich nicht der Beschneidung unterwarf, hatte er durchaus kein Teil mit Israel. Ein beschnittener Bettler war Gott näher als ein unbeschnittener König. Und ebenso ist heute das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus das einzige Mittel, um die Freude der Erlösten Gottes teilen zu können; und dieses Kreuz beseitigt alle Anmaßungen, Unterschiede und Vorzüge und vereinigt alle Erlösten zu einer heiligen Versammlung von Anbetern, die in dem Blut gewaschen sind. Das Kreuz bildet eine so hohe Schranke und eine so undurchdringliche Schutzmauer, dass kein Stäubchen von der Erde und der Natur hindurchgelangen kann, um sich mit der „neuen Schöpfung“ zu vermischen. „Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Alles aber von dem Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Christus“ (2. Kor 5,17.18).
Ihr sollt kein Bein an ihm zerbrechen
Es wurde jedoch nicht nur die Absonderung Israels von allen Fremden im Passahmahl zum Ausdruck gebracht, sondern auch die Einheit Israels. „In einem Haus soll es gegessen werden; du sollst nichts von dem Fleisch aus dem Haus hinausbringen, und ihr sollt kein Bein an ihm zerbrechen“ (V. 46). Ein schöneres Bild von dem einen Leib und dem einen Geist (Eph 4,4) könnte kaum gefunden werden. Die Versammlung Gottes ist eins. Gott betrachtet und erhält sie so, und Er wird sie auch angesichts der Engel, Menschen und Teufel so darstellen, trotz aller Versuche, diese heilige Einheit zu zerstören. Gott sei Dank! Er selbst ist es, der die Einheit seiner Versammlung ebenso garantiert wie ihre Rechtfertigung und ihre ewige Sicherheit. „Er bewahrt alle seine Gebeine; nicht eins von ihnen wird zerbrochen“ (Ps 34,21). Und wiederum: „Kein Bein von ihm wird zerbrochen werden“ (Joh 19,36). Trotz der Grausamkeit der Kriegsknechte Roms und trotz aller feindlichen Einflüsse, die von Jahrhundert zu Jahrhundert gewirkt haben, ist der Leib Christi eins, und seine göttliche Einheit kann nie zerstört werden (vgl. Joh 11,52; 1. Kor 1,12.13; 12,4–27; Eph 2,14–22; 4,3–16). „Da ist ein Leib und ein Geist“, und zwar hier, auf dieser Erde. Glückselig alle, die diese kostbare Wahrheit im Glauben anerkennen und treu genug sind, sie in diesen letzten Tagen auch darzustellen, ungeachtet der fast unüberwindlichen Schwierigkeiten, denen sie auf ihrem Weg begegnen! Ich glaube, dass Gott solche anerkennen und ehren wird. Möge der Herr uns von dem Geist des Unglaubens befreien, der uns verleitet, nicht nach seinem unveränderlichen Wort zu urteilen, sondern nach dem, was sichtbar ist.