Die Feste des Herrn im Lichte des Evangeliums

Das Fest des Posaunenhalls

Die Feste des Herrn im Lichte des Evangeliums

Auf das „Fest der Erstlingsbrote“ oder Pfingstfest folgte nach langer Pause oder festloser Zeit ein neues Fest, das „Gedächtnis des Posaunenhalls“.

Erst im siebenten Monat des religiösen Jahres Israels war dieses fünfte Fest Jehovas. Wir lesen darüber: „Und Jehova redete zu Mose und sprach: Rede zu den Kindern Israel und sprich: Im siebenten Monat, am Ersten des Monats, soll euch Ruhe sein, ein Gedächtnis des Posaunenhalls, eine heilige Versammlung. Keinerlei Dienstarbeit sollt ihr tun, und ihr sollt Jehova ein Feueropfer darbringen“ (3. Mo 23,23-25).

Zu dem auffallenden Umstand, dass dem „Fest des Posaunenhalls“ eine lange, festlose Zeit vorausging, tritt noch hinzu, dass diese Pause von unbestimmter Dauer war; sie war bald kürzer, bald länger 1. Ohne Frage hat Gott uns in dieser festlosen Zeit von unbestimmter Dauer, welche auf das Pfingstfest folgte, ein Vorbild gegeben von unserer gegenwärtigen Zeit, in der Israel als Volk beiseite gesetzt ist und Gott die Ernte hält unter den Nationen, indem er das Evangelium der Gnade in der ganzen Welt verkündigen lässt und dadurch die Kirche (Versammlung, Gemeinde) beruft, die himmlische Braut seines Sohnes. Wie lange diese Gnadenzeit währt, wissen wir nicht, sie ist, wie wir im Vorbild sahen, eine Zeit von unbestimmter Dauer. Das ist wichtig.

Die Versammlung erwartet schon längst ihren Herrn; schon die ersten Christen gingen aus, ihm entgegen. Und heute ertönt neu der Ruf, von Gottes Geist gewirkt: „Siehe, der Bräutigam!“ 2, und gläubige Christen in allen Ländern und Völkern sehen freudig und erwartungsvoll ihrem Herrn und Erlöser entgegen und antworten auf seine Ankündigung: „Siehe, ich komme bald!“ mit dem Ruf: „Amen, komm, Herr Jesus!“ Tag und Stunde ihrer Hinwegnahme von der Erde, um durch den wiederkehrenden Herrn zum Himmel entrückt zu werden, wissen sie freilich nicht, aber das wissen sie, dass er kommen wird, ehe „die Stunde der Versuchung“ über den ganzen Erdkreis kommt.

Inzwischen rückt die Zeit näher, da auch eine Schar von Juden, der gläubige Überrest Israels, in lebendiger Hoffnung, die nicht beschämt werden wird, ihren König und Messias erwarten darf. Jesus Christus, der eingeborene Sohn Gottes, ist beides: der Bräutigam der wahren Kirche (der Gesamtheit aller gläubigen, aller wiedergeborenen Christen) und der König der Juden, der Messias Israels. Gott hat sein Volk Israel nicht verstoßen, wenn er es auch für Jahrhunderte beiseite gesetzt hat. Er wird es nach einer langen Zeit, in welcher Israel keine Feste beging, wieder sammeln, es gleichsam durch Posaunen zusammenrufen: „Er wird seine Engel aussenden mit starkem Posaunenschall, und sie werden seine Auserwählten versammeln von den vier Winden her, von dem einen Ende der Himmel bis zu ihrem anderen Ende“ (Mt 24,31). Hier also finden wir die geistliche Erfüllung jenes „Festes des Posaunenhalls“ für Israel, das alte Bundesvolk Gottes, welches er nach schwerer Zeit der Gerichte wieder bei der Hand ergreifen und in das Land der Väter sammeln und dort segnen wird. Ein neuer Anfang der Dinge ist dann für Israel gemacht, der neue Bund ist gekommen nach langer Zeit der Verwerfung und Schmach.

Wir wollen hier nur eine oder zwei der vielen Verheißungen, welche von der Wiederherstellung Israels reden, aus den Propheten anführen. Wenn also „die Zeiten der Nationen“3 erfüllt sind und zuvor „die Vollzahl der Nationen 4 eingegangen ist“, dann wird für Israel die neue Zeit eingeführt, und es wird durch Engel mit Posaunenschall in sein Land gesammelt werden. Das sagt schon Jesaja: „Er wird [...] die Vertriebenen Israels (die zehn Stämme) zusammenbringen, und die Zerstreuten Judas (die zwei Stämme) wird er sammeln von den vier Enden der Erde“, und weiter: „Ihr werdet zusammengelesen werden, einer zu dem anderen, ihr Kinder Israel. Und es wird geschehen an jenem Tage, da wird in eine große Posaune gestoßen werden, und die Verlorenen (Israeliten, die zehn Stämme) im Lande Assyrien und die Vertriebenen (aus Juda) im Lande Ägypten werden kommen und Jehova anbeten auf dem heiligen Berge zu Jerusalem“ (Jes 11,12; 27,12.13).

Schon in der Wüste hatte Jehova zu Mose gesprochen: „Mache dir zwei Trompeten von Silber [...], und sie sollen dir dienen zur Berufung der Gemeinde und zum Aufbruch der Lager. [...] Und an euren Freudentagen und an euren Festen und an euren Neumonden, da sollt ihr in die Trompeten stoßen bei euren Brandopfern und bei euren Friedensopfern; und sie sollen euch zum Gedächtnis sein vor eurem Gott“ (4. Mo 10,1-10). Der Posaunenhall spricht nun von der Freude, die Gott bei der Sammlung seines Volkes empfindet und die er diesem seinem Volke dann neu bringen und schenken wird. Zugleich bedeuten die silbernen Posaunen, die geblasen werden mussten, dass das Volk Israel „durch die Erlösung, die in Christo Jesu ist“, zu Gott zurückgebracht werden wird; denn bei der Zählung oder Musterung der Mannschaften Israels wurde jeder einzelne mit Silber gelöst (vgl. 2. Mo 30,11-16; 38,25). Aber ebenso wie wir nicht „mit Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blute Christi als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken“ erlöst worden sind, so wird auch einst Israel nur durch das Blut Christi erlöst. Der Herr selbst sagt: „Dieses ist mein Blut, das des neuen Bundes, welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28).5 Zu diesem kostbaren Blute wird auch Israel einst nach schweren Gerichten unter Buße und Reue seine Zuflucht nehmen, und so werden auch sie zu Gott zurückgebracht werden.

Die Sammlung des jetzt zerstreuten, seit langer Zeit verstoßenen, festlosen Volkes Israel wird also durch „Posaunenhall“, durch eine schnelle, freudige und gnadenvollen Berufung und Wirkung Jehovas geschehen. Es beginnt damit, wie wir sahen, ein ganz neuer, noch nie dagewesener Abschnitt in der Geschichte des schon so lange in der Finsternis sitzenden Volkes. Wir reden hier nicht weiter von der Entrückung der Kirche, die wir vorhin schon berührten; auch da hören wir zwar von einer Posaune, aber es ist die Posaune Gottes, nicht die der Engel (1. Thes 4,16). Zudem erfolgt diese Sammlung der Kirche oder Gemeinde Christi in das himmlische Kanaan und hat mit der Geschichte Israels auf Erden nichts zu tun, es sei denn insofern, als sie bereits geschehen sein wird, ehe Israel gesammelt werden wird. Also zuerst die Sammlung der gläubigen Christen nach oben durch den Schall der „Posaune Gottes“ zum himmlischen „Bräutigam“ und dann die Sammlung Israels durch die Engel mit Posaunenschall in das Land Kanaan zu ihrem König auf der Erde (Mt 24,31; 25,34). Christus ist beides, der Bräutigam der Kirche und der König Israels.

Auf diese Zukunft Israels weist auch die Tatsache hin, dass in Israel an den Neumonden, wenn bald wieder neues Licht die dunklen Nächte erhellte, in die Posaunen gestoßen werden musste (4. Mo 10,10; Ps 81,3). Ja, auch über Israel wird neu das Licht des Herrn aufgehen, und dann wird, bildlich geredet, „das Licht des Mondes sein wie das Licht der Sonne“ (Jes 30,26), denn Jehova selbst wird Israels Sonne und Mond sein (Jes 60,19.20; vgl. auch Mal 3,20).

Gepriesen sei Jehovas Nam',
der uns sein Wort gegeben,
dass einst der Same Abraham
soll wieder vor ihm leben.
sein Wort bleibt wahr, und war“ auch schon
sein Volk im Grab verborgen,
er weckt es auf, wie seinen Sohn,
am Auferstehungsmorgen.

Mag sein, dass noch in Frost und Schnee
die Saat begraben liege,
bald weht der Lenz von seiner Höh'
und feiert seine Siege.
Die Blumen gehen auf im Tal;
zum Garten wird die Erde,
der Bach zum Strom, die Gruft zum Saal,
das Häuflein wird zur Herde.

Dann rufst du Jakobs Volk herbei
mit Büß- und Freudentränen,
hinweg flieh'n Schmerzen und Geschrei,
gestillt wird Israels Sehnen.
Die jetzo noch dem Schmerzensmann
in ihrer Blindheit fluchen,
die werden dich, Herr Jesus, dann
als König David suchen.

Herr Jesus, komm! so ruft die Braut,
der Geist ruft's mit den Deinen,
führ heim den Tempel,
aufgebaut aus den lebend'gen Steinen;
Dann kommt auch Zions Segenszeit,
wo es in deinem Namen
hell leuchten wird in Herrlichkeit;
Herr Jesus, komme, Amen!

Fußnoten

  • 1 Der 14. Tag des ersten Monats (Abib), der Tag, an dem das Passah geschlachtet wurde, war nämlich, wie wir gesehen, der Ausgangspunkt für die Berechnung der folgenden Feste, auch für das Pfingstfest; von ihm aus wurde gezählt. Fiel z. B. der Passahtag (d.i. der 14. Tag des ersten Monats) auf einen Freitag, so war der nächste Tag schon ein Sabbattag, und der darauffolgende Tag bereits der Tag, an dem die Erstlingsgarbe dargebracht wurde. Das fünfzig Tage darauffolgende „Fest der Wochen“ (Pfingstfest) war also in diesem Falle früh, und darum, da das Fest des Posaunenhalls, unabhängig vom Passahfeste, stets am ersten Tage des siebenten Monats war, war die Pause zwischen diesen beiden Festen größer, als wenn z.B. die Erstlingsgarbe erst am 22. Tage des Monats Abib dargebracht wurde. Dies war der Fall, wenn das Passahfest (der 14. Tag des Monats Abib) zufällig auf einen Sabbat fiel. Dann war der nächstfolgende Sabbat der 21. des Monats Abib, und erst am Tage nachher, also am 22. Abib, konnte die Erstlingsgarbe dargebracht werden. Dann war auch Pfingsten (das „Fest der Wochen“) um so viel später und die Zeit bis zum Fest des Posaunenhalls entsprechend kürzer.
  • 2 Mt 25,6; zu beachten ist, dass der Herr Jesus in diesem Gleichnis nicht als Bräutigam der Versammlung gesehen wird. Die Versammlung wird in den 5 klugen Jungfrauen dargestellt; von einer Braut ist hier und auch sonst in den Evangelien im Allgemeinen nicht die Rede (vgl. Mt 9,15; 22,1-14; Lk 12,36). Die Juden, die eigentlich die irdische Braut des Herrn hätten sein sollen, waren nicht in dem Zustand, der dieser Stellung entsprach (vgl. Hld 5,2-8).
  • 3 „Die Zeiten der Nationen“ (Lk 21,24) begannen auf Erden, als Israel, das Bundesvolk Gottes, in welchem er bis dahin seine Herrschaft in der Welt behauptet hatte, in die babylonische Gefangenschaft kam. Nun begann die Zeit der vier Weltreiche: 1. das assyrischbabylonische, 2. das medo-persische, 3. das mazedonische, 4. das römische. Nebukadnezar von Babel war „das Haupt von Gold“. In Daniel werden uns diese vier Reiche gezeigt, und zwar zuerst als ein einheitliches Standbild: Dan 2,31-34, und dann in Gestalt von vier wilden Tieren: Dan 7,1-28. - Wenn das vierte Weltreich, das römische, wieder errichtet sein wird, was geweissagt ist in Off 13,1-10 und 17,8f., wird Christus (der Messias und König Israels) wiederkommen und diesmal sein Reich in Macht errichten: Dan 2,34.35 u. 7,19-27. Dann sind die „Zeiten der Nationen“ vorüber und „das Reich der Welt unseres Herrn und seines Christus“ ist gekommen (Off 11,15; 12,10; 19,6 bis 20,6).
  • 4 d.h. die von Gott zuvor erkannte Zahl der Erretteten aus den Nationen, welche, wie wir schon früher sahen, die Kirche Christi bilden, und welche zum Himmel entrückt werden, ehe Gott wieder das Volk Israel sammelt und anerkennt. Interessant ist hier (Röm 11,25) das Wörtchen „bis“: „[...] bis die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird.“ Wir haben dasselbe, für die Hoffnung Israels so bedeutungsvolle Wörtchen „bis“ noch zweimal: Einmal in der oben angeführten Stelle in Lukas 21,24: „Jerusalem wird zertreten werden von den Nationen (Nichtjuden), bis die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden“, und dann noch in Matthäus 23,39: „Ihr werdet mich hinfort nicht mehr sehen, bis ihr sprechet: .Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Dazu vgl. Lk 19,37.38 (Vorbild) u. Hos 3,4.5; Sach 9,9f.; 14,4.16; Jes 9,6.7; 52,7; 62,10f.; 65,17; Ps 24,7f.; 118,26 u. a.
  • 5 Nicht die Kirche, die Braut des Lammes, sondern Israel, die irdische Braut ist es, womit der Herr den „neuen Bund“ errichtet (Jer 31,31f.). Aber auch die Kirche, welche seit der in dem Blute Christi gelegten Grundlage des neuen Bundes ins Dasein getreten ist, hat teil an den Segnungen des neuen Bundes: Vergebung usw., ohne deshalb selbst der „neue Bund“ zu sein. - Die Kirche hat eine höhere, himmlische Stellung und geistliche Segnungen (Eph 1,3).
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