Elia, der Tisbiter
Die rivalisierenden Führer
Man kann sich nur schwer vorstellen, dass nach dem Tod Salomos nur wenig mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen war, als Elia mit seiner schrecklichen Ankündigung von der bevorstehenden Dürre aus der Wüste Gilead her den Jordan durchquerte. Um die ernste Bedeutung dieses Augenblicks besser zu verstehen, müssen wir uns die bösen Handlungen des Zehnstämme-Reichs, nachdem es vom Haus Davids abgefallen war, vor Augen halten. Ebenso müssen wir daran denken, dass es den Herrn aufgegeben und dafür die Götter der Heiden gewählt hatte. Mit großer Langmut hatte Gott die Handlungen des Volks in diesen Jahren ertragen, jetzt aber war der Augenblick gekommen, um durchzugreifen. Da die Regierungswege des Herrn stets gerecht sind, musste er für sich selbst einstehen. Außerdem beabsichtigte Er, das Volk von der Torheit des Götzendienstes und seinem hartnäckigen Ungehorsam seinem Wort gegenüber zu überführen.
Nach der Spaltung bestand das nördliche Königreich noch etwa 260 Jahre. Dann wurde es durch die Könige von Assyrien zerstört und das Volk wurde weggeführt. Insgesamt regierten neunzehn Könige über die zehn Stämme. Leider gab es nicht einen einzigen gottesfürchtigen König darunter, nur manche, die noch schlimmer waren als andere! Wenn wir die Geschichte untersuchen, finden wir häufig die bedrückende Wiederholung: „Und er wandelte auf allen Wegen Jerobeams, des Sohnes Nebats, und in seinen Sünden, wodurch er Israel veranlasst hatte zu sündigen“ (1. Kön 16,26 u. a.).
Das südliche Königreich überdauerte das nördliche um 130 Jahre. Der König von Babylon war das von Gott benutzte Werkzeug zu seinem Untergang. Das Volk wurde in die Gefangenschaft verschleppt, „bis das Land seine Sabbate nachgeholt hätte. Alle Tage seiner Verwüstung hatte es Ruhe, bis siebzig Jahre voll waren“ (2. Chr 36,21). Neunzehn Könige und eine Königin regierten über die zwei Stämme, von denen einige genauso gottlos waren, wie die, die das nördliche Königreich moralisch verdorben hatten. Andere jedoch, wie Josaphat, Hiskia und Josia, waren ausgezeichnete Männer. Das Salz dieser gottesfürchtigen Anführer bewahrte das mehr und mehr verfallende Königreich lange Jahre vor dem Ruin. Doch es kam der Tag, an dem der Herr es keinem einzigen der Stämme Israels mehr erlaubte, in dem verheißenen Land zu bleiben. Seine Gerechtigkeit forderte, dass alle Stämme hinausgetrieben werden mussten.
Jerobeam dem Ersten wurde es trotz seiner Gottlosigkeit und Verderbtheit von dem Herrn erlaubt, 22 Jahre zu regieren. Der Herr benutzte ihn zur Züchtigung des schuldigen Hauses Davids. Doch sein eigener böser Weg, den er ungeachtet der Sünden Salomos und der Aufforderung Gottes, nach seinen Gedanken zu wandeln, ging, machten es Ihm unmöglich, mit seinem Haus eine neue Dynastie zu begründen. Das beständige Haus von 1. Könige 11,38 konnte es nicht geben, weil Jerobeam das Volk weit weg von Gott führte.
Wen außer Christus könnte Gott mit Macht betrauen? Er, der in den Tagen seiner Erniedrigung treu und gehorsam war, wird in den Tagen des herrlichen Königreichs, wo Gott alle Dinge seinen Füßen unterwerfen wird (Heb 2,8), genauso treu und gehorsam sein. Und am Ende wird Er das Reich dem Gott und Vater übergeben, „wenn er weggetan haben wird alle Herrschaft und alle Gewalt und Macht ...Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei“ (1. Kor 15,24–28). Ein vollkommener Verwalter, der nur die Verherrlichung Gottes und die Segnung seiner Geschöpfe sucht!
Gott mag Jerobeam zur Züchtigung Salomos und seines Hauses benutzt haben. Er mag den König von Assyrien zur Züchtigung der Angehörigen Jerobeams benutzt haben. Er mag Nebukadnezar zur Züchtigung Judas und seiner Könige benutzt haben. Aber anschließend richtete er auch diese Ruten seines Zorns (Jes 10,5) der Reihe nach, denn sie waren Ihm gegenüber nicht treuer, als die, gegen die Er sie eingesetzt hatte.
Nadab, der Sohn Jerobeams, regierte nur zwei Jahre (1. Kön 15,25). Er wurde durch einen seiner Anführer – Baesa – ermordet, während sie im Krieg mit den Philistern waren und gerade Gibbeton belagerten. Baesa regierte 24 Jahre auf seinem blutbefleckten Thron. Er wurde das Werkzeug des Herrn zur Vertilgung der schändlichen Familie Jerobeams. Baesas Sohn Ela wurde der Nachfolger seines Vaters, er wurde jedoch nach zwei Jahren von einem Offizier mit Namen Simri erschlagen. Dieser Mann hoffte, in Tirza, der Hauptstadt des Zehnstämme-Reichs, regieren zu können. Aber ein weiterer Anführer, Omri, strebte auch nach dem Thron und eroberte innerhalb einer Woche Tirza. Simri kam in den Flammen des königlichen Palasts um, den er selbst angezündet hatte, nachdem er erkannt hatte, dass die Situation aussichtslos war.
Aber auch diese Ereignisse ließen das Land nicht zur Ruhe kommen. Bald erschien ein anderer Anwärter auf den Thron, Tibni, der Sohn Ginats. „Damals teilte sich das Volk Israel in zwei Hälften: Die eine Hälfte des Volkes folgte Tibni, dem Sohn Ginats, um ihn zum König zu machen, und die andere Hälfte folgte Omri. Aber das Volk, das Omri folgte, überwältigte das Volk, das Tibni, dem Sohn Ginats, folgte; und Tibni starb, und Omri wurde König“ (1. Kön 16,21.22). Was für eine beklagenswerte Schilderung! Wir sprechen hier nicht von heidnischen Nationen, sondern von Gottes auserwähltem Volk, für das Er von Ägypten an gewaltige Dinge getan und dem Er seinen heiligen Willen kundgetan hatte. Trotzdem ist das Volk seinem Herzen noch immer teuer, „Geliebte, um der Väter willen“ (Röm 11,28). Zu einem viel späteren Zeitpunkt sprach der Herr, als Er Gericht ankündigte, von seinem Volk als dem Liebling (Gegenstand der Liebe) seiner Seele (Jer 12,7).
Israel war im Besitz der Schriften, des Wortes Gottes. Kein anderes Volk hatte dieses Privileg. Doch was für ein Bericht von Gesetzlosigkeit und Übertretung wird uns im Buch der Könige gegeben! Ehrgeizige Anführer – Räuber und Mörder –, die ohne Gedanken an die Verherrlichung Gottes oder daran, seinem armen Volk Gutes zu tun, um die höchste Gewalt in seinem Erbteil stritten. Der Herr hätte diese skrupellosen Führer mit der Frage aus Jeremia 13,20 herausfordern können: „Wo ist die Herde, die dir gegeben war, dein herrliches Kleinvieh?“ Doch keine Spur eines schlechten Gewissens ist im Land wahrzunehmen. Kein Aufruf in Glaubensbedrängnis wie dieser: „Bis wann, HERR? Hilf uns, Gott unseres Heils, um der Herrlichkeit deines Namens willen; und errette uns und vergib unsere Sünden um deines Namens willen!“ (Ps 79,5.9). Der Weg hinab ist immer schlüpfrig und glatt. Mögen wir uns ständig vor dem kleinsten Abweichen von dem offenbarten Willen Gottes hüten. „Stütze mich, so werde ich gerettet werden; und ich will stets schauen auf deine Satzungen“ (Ps 119,117).