Unterredungen über den zweiten Brief an die Korinther

Kapitel 6-7,1

Unterredungen über den zweiten Brief an die Korinther

Im fünften Kapitel unseres Briefes ist die Rede gewesen von der Evangelisation, einem Teil des Dienstes, der allen Menschen gilt. Die jetzt gelesene Stelle aus dem 6. Kapitel zeigt uns, dass dieses gleiche Evangelium eine ganz besondere Mahnung für die Nationen hat. So ist das Wort des Apostels zu verstehen: „Mitarbeitend aber ermahnen wir auch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget.“ Wenn diese Stelle nicht richtig verstanden wird, kann sie leicht die Seelen in Verwirrung bringen. So haben die einen aus ihr herauslesen wollen, dass der Christ seines empfangenen Heils wieder verlustig gehen kann, während andere zu beweisen versuchen, dass „die Gnade Gottes vergeblich empfangen“ nicht den völligen Verlust der Gnade seitens dessen, der sie empfangen hat, bedeute. Beide Ansichten sind unrichtig. „Die Gnade Gottes vergeblich empfangen“ kann tatsächlich nur eins bedeuten, nämlich jedes mit dieser Gnade verbundenen Vorrechts verlustig zu gehen. Gott schwächt niemals die Verantwortlichkeit des Menschen ab, auch nicht diejenige des Christen, oder vermindert sie dadurch, dass er sie mit der Gnade vermischt; anderseits aber kann allein die Gnade uns von den Folgen unseres Bankrotts retten, was unsere Verantwortlichkeit betrifft. Seit dem Beginn der menschlichen Geschichte werden diese beiden Grundsätze in ihrer ganzen Strenge nebeneinander aufrechterhalten. Der verantwortliche Adam, der vor Gott nackt erfunden wird, stirbt und erntet so die Folgen seines Ungehorsams; aber die Gnade bekleidet diesen selben Adam und führt ihn in das Leben ein, da, wo sein Ungehorsam ihm den Tod gebracht hatte.

Der folgende Vers ist ein Zwischensatz: „Denn er spricht: „Zur angenehmen Zeit habe ich dich erhört, und am Tage des Heils habe ich dir geholfen.' Siehe, jetzt ist die wohlangenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ (V. 2). Diese Stelle ist Jesaja 49 entnommen, jenem Kapitel, dessen drei erste Verse uns Israel, auf das Jehova sich als auf seinen Knecht zu stützen versucht hatte, in völliger Untreue zeigen im Blick auf das, was Gott von diesem Volk erwartete. Dann, im vierten Vers, spricht Christus, der treue Knecht: „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt.“ Der Herr ist gekommen, um als Israels Stellvertreter vor Gott hinzutreten, aber die, für welche er kam, hatten betreffs der Gnade, die ihnen in seiner Person gebracht worden war, ihr völliges Zukurzkommen bewiesen. Sie hatten die Gnade Gottes vergeblich empfangen. Deshalb fährt der Herr im fünften Verse fort: „Und Israel ist nicht gesammelt worden; aber ich bin geehrt in den Augen Jehovas, und mein Gott ist meine Stärke geworden.“ Darauf antwortet Gott ihm (V. 6): „Es ist zu gering, dass du mein Knecht seiest, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen; ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde.“ So ist seine Arbeit doch nicht umsonst. Ja, die Frucht derselben wird bis zu den Grenzen der bewohnten Erde gesehen werden. Aber auch selbst für Israel wird diese Arbeit nicht verloren sein, freilich erst in der Zukunft. Gott sagt zu Christo, seinem Knecht: Ich habe dich erhört, und ich habe dir geantwortet: „Zur Zeit der Annehmung habe ich dich erhört, und am Tage des Heils habe ich dir geholfen“ (V. 8). Alles, was du für Israel getan hast, ist vergeblich gewesen, aber später werde ich dich setzen zum Bund des Volkes. Und dann beschreibt er in den Versen 9-13 diese wunderbare Wiederherstellung.

Aber „siehe“, sagt der Apostel, „jetzt ist die wohlangenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ (V. 2). Jetzt scheint das Licht der Nationen. Wenn man das erkannt hat, wird diese Stelle sehr einfach. Indem er sich an die Korinther wendet, ermahnt Paulus die Nationen, es nicht zu machen wie Israel und nicht die Gnade Gottes vergeblich zu empfangen. Da wir zu diesen Nationen gehören, sollten wir darauf achten, wie wir die Gnade Gottes empfangen, und sollten auf eine Weise wandeln, die in Einklang mit ihr steht. Das gehörte zu dem Dienst des Paulus.

Weiterhin zeigt der Apostel, dass er, was ihn persönlich angeht, die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen hat. (V. 3-10) Er tritt im Charakter eines Knechtes Gottes, wie sein Herr und Meister, vor die Korinther. Inmitten von Juden und Nationen gibt er „in keiner Sache irgendeinen Anstoß, auf dass der Dienst nicht verlästert werde, sondern in allem erweist er sich als Gottes Diener“. Was aber sind die Eigenschaften, die den Diener empfehlen? Verweilen wir, um zu sehen, was Gott von uns erwartet, ein wenig bei dem, was der Apostel Paulus gewesen ist: „in vielem Ausharren“ oder „in vieler Geduld“. Eine Sache kennzeichnet in erster Linie den Diener: Ausharren oder Geduld, um alles zu ertragen. „In Drangsalen, in Nöten, in Ängsten.“ Hier haben wir es mit Schwierigkeiten zu tun, von denen eine noch größer ist als die andere. Drangsal ist wohl die schlimmste. Dieses Wort kehrt immer wieder sowohl in den Psalmen als auch in den Propheten, wohl deshalb, weil es eine ganz besondere Bedeutung hat, die der „großen Drangsal“, der „Drangsal für Jakob“, (Jer 30,7) durch die der gläubige jüdische Überrest am Ende wird gehen müssen. Während aus Nöten und Ängsten noch irgendein Ausweg führen mag, hier gibt es keinen Ausweg mehr, so dass der Gläubige nur noch ruft:

„Bis wann?“, indem er sein Vertrauen einzig und allein auf Gott setzt. So musste David durch Drangsale, Nöte und Ängste hindurch, bis er keinen Ausweg mehr sah. Aber da öffnete Gott seinem Gesalbten einen Weg vor Saul und vor Absalom. Und wie David war auch der Apostel durch alle diese Dinge hindurchgegangen in ausharrender Geduld.

Dann nennt der Apostel Streiche, Gefängnisse, Aufstände, Mühen, Wachen, Fasten. Am Ende dieses Briefes erfahren wir, was Paulus an Derartigem alles durchgemacht hat. Die Apostelgeschichte gibt uns sozusagen nur eine Probe davon, denn Gott hat nicht alle Einzelheiten aus dem Leben des Apostels aufgezählt, während er zugleich aber doch soviel mitteilt, wie nötig ist, um eine erschöpfende Darstellung von der hingebenden Laufbahn eines Knechtes des Herrn auf Erden zu geben. Auch darin folgte der Apostel, wenn auch ohne Zweifel von ferne, dem Beispiel seines göttlichen Meisters, von dem der geliebte Jünger sagte: „Wenn die Dinge, die Jesus getan hat, alle einzeln niedergeschrieben würden, so würde, dünkt mich, selbst die Welt die geschriebenen Bücher nicht fassen.“ „In Reinheit, in Erkenntnis, in Langmut, in Gütigkeit, im Heiligen Geiste, in ungeheuchelter Liebe; im Worte der Wahrheit, in der Kraft Gottes; durch die Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken“ (V. 6.7). Auch diese Dinge durften bei diesem Dienst nicht fehlen: Der Heilige Geist, ungeheuchelte Liebe, das Wort der Wahrheit! Möchten wir das doch recht verstehen! Durch seine Gnade hat Gott uns mit seinem Wort in Verbindung gebracht und uns davon überzeugt, dass wir ohne dieses Wort keinen Schritt zu tun vermögen. Aber beachten wir wohl, dass als Grundlage unseres ganzen Christenlebens das Wort der Wahrheit genannt wird, nicht einfach das Wort Gottes. Es ist das Wort, in welchem Gottes Gedanken ihre völlige Offenbarung gefunden haben! Dieses Wort hatte der Apostel in Händen, um das Werk Gottes in dieser Welt zu tun. Nun, dieses Werk ist ein Kampf; deshalb fügt der Apostel hinzu: „in der Kraft Gottes; durch die Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken“. Unter den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten oder der rechten Hand haben wir das Wort zu verstehen, unter denen zur Linken den Schild des Glaubens. Einerseits müssen wir durch das Wort kämpfen und anderseits dem Feind widerstehen. Diese Waffen sind Waffen der Gerechtigkeit, denn das Wort erweist sich nur dann wirksam, wenn praktische Gerechtigkeit den kennzeichnet, der es bringt. Nur wenn wir mit dieser Gerechtigkeit bewaffnet sind, vermögen wir die feurigen Pfeile des Bösen auszulöschen. Ein Christ besitzt alle nötige Kraft zum Widerstand, alle nötige Kraft auch zum Kampf in dieser Welt; aber um zu siegen, muss er sich vor der Sünde auf seinen Wegen hüten. „Er leitet mich in Pfaden der Gerechtigkeit um seines Namens willen“, sagt der Psalmist, hier freilich im Blick auf den Wandel, nicht auf den Kampf. Wenn wir Christi Pfad folgen, werden wir niemals die Sünde unter unseren Füßen finden. Gibt es eine Begegnung mit ihr, so nur, um sie zu bekämpfen. Der Herr selbst ist hierin für uns das vollkommene Vorbild. „Als Verführer und Wahrhaftige; als Unbekannte und Wohlbekannte.“ Diese Worte erinnern mich an das Leben eines Bruders, den wir wegen seiner Gaben und seiner Frömmigkeit hoch geschätzt haben. Er hat diese Worte verwirklicht, indem er in den Spuren des Apostels wandelte. Von den Menschen beschuldigt, ein falscher Lehrer und ein Verführer zu sein, war er in Gottes Augen ein Wahrhaftiger. Sein Name galt denen, die ihn aussprachen, als Schandfleck, und es war, als ob man sich verschworen hätte, ihn mit Stillschweigen zu übergehen. Man behandelte ihn als Unbekannten, aber Gott war er wohlbekannt. Das ist es, wonach wir, was uns betrifft, trachten sollten. Wenn wir, ohne an uns zu denken, in dieser Welt als Diener Christi wandeln, was tut es dann, wenn die Welt uns nicht kennt? Gott kennt uns. Unser Weg ist höchst einfach, denn wir haben ihn nur von einem Gesichtspunkt aus zu betrachten. Was kümmert es mich, der Welt ein Unbekannter zu sein, wenn Gott von mir spricht, wie er einst von Abraham sagte: „Ich habe ihn erkannt“!? „Als Sterbende, und siehe, wir leben; als Gezüchtigte und nicht getötet; als Traurige, aber alle Zeit uns freuend; als Arme, aber viele reich machend; als nichts habend und alles besitzend“ (V. 9.10). Paulus war immer ein Sterbender, einer, der seitens der Welt ständig zum Tode verurteilt war, aber siehe, Gott erhielt ihn am Leben. Er wurde gezüchtigt, und Gott bediente sich der Rute in der Hand der Welt zum inneren Wachstum seines geliebten Apostels. Zur rechten Zeit aber hielt Gott, wie bei Hiob, die Hand Satans auf, der den Diener gern getötet hätte, um sich seines Zeugnisses zu entledigen. Bei aller Trauer, in der er oft war, war sein Herz doch voll Freude, weil seine Augen nicht auf die Umstände gerichtet waren, sondern auf die Person Christi. Er war arm, aber machte viele reich. Er hatte nichts und besaß doch alles. Das sind die letzten Züge, die dieses Bild trägt. Wen sehen wir in ihnen? Paulus, gewiss, aber einen Paulus, der in allem seinen Meister nachahmte. Wer war arm wie er, aber machte viele reich? Von ihm steht geschrieben, dass er arm wurde, auf dass wir reich würden. „Nichts habend und alles besitzend.“ Haben wir unseren Herrn da nicht wieder? Er hatte nichts in dieser Welt. Galt es, die Doppeldrachme zu bezahlen - Er hatte sie nicht. Trotzdem gehörten ihm alle Dinge, und er verfügte zu aller Gunsten darüber. Dem Apostel ist es von Anfang bis zu Ende seiner langen Laufbahn gelungen, in seinem Leben die Charakterzüge seines Herrn wieder hervortreten zu lassen, und er war vollkommen glücklich dabei. Denn mochte er auch nichts in dieser Welt gefunden haben, er befand sich im Besitz eines Gegenstandes, der sein alleiniges Vorbild geworden war, und in welchem sich alle seine Zuneigungen vereinigten. Lasst uns oft über diese Stelle nachsinnen, denn es ist für uns der Mühe wert, den Dienst zu erfüllen, den der Herr uns anvertraut hat! Bitten wir ihn auch inständig um die Gnade, diese Charakterzüge zur Schau stellen zu können! Dass die Verwirklichung aller dieser Dinge möglich ist, beweist das Beispiel des Apostels. Zugleich soll es uns hindern, den Mut zu verlieren beim Erwägen der Vortrefflichkeit des Dienstes, wie er durch unseren Herrn und Meister, den vollkommenen Diener, erfüllt worden ist.

Die Frage, auf die es ankommt, ist: Welchen Platz nimmt der Herr in meinem Herzen und in meinen Gedanken ein? Wenn er mein Herz ganz ausfüllt, so werde ich imstande sein, ihn zu ehren, indem ich ihm folge. Hier schließt der erste Teil dieses Briefes.

Kapitel 6,11-7,1

Der 11. Vers von Kapitel 6, mit dem unsere heutige Betrachtung beginnt, steht sozusagen mit Vers 1 in Verbindung, in welchem der Apostel die Korinther so ausdrücklich ermahnt, die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen zu haben. Das praktische Ergebnis des Empfangs dieser Gnade lässt sich kurz in ein Wort zusammenfassen, und dieses Wort heißt Heiligkeit. Tatsächlich macht die praktische Heiligkeit Anspruch auf das ganze christliche Leben als Zeugnis in dieser Welt. Beim Passah wurden die Israeliten durch das Blut des Lammes vor dem Gericht Gottes sichergestellt, und eine andere bildliche Darstellung des Todes Christi wird uns im Roten Meer gegeben, wo das Volk nicht nur vor dem Gericht sichergestellt, sondern bis zu Gott geführt wurde. Aber von dem Tage an, wo die Israeliten das Passahlamm geopfert hatten, blieb nur noch eins für sie zu tun übrig, nämlich das Fest zu begehen, d.h. die Feier des Festes der ungesäuerten Brote, Sinnbild eines Lebens praktischer Heiligkeit, das mit dem Opfer begann und dann ununterbrochen während sieben Tagen fortdauerte. Die Zahl sieben ist bekanntlich bedeutungsvoll. Als Zahl der Vollkommenheit stellt sie unseren ganzen, vollständigen Lebenslauf bildlich dar. Es ist wichtig, dass wir verstehen, aus was für Stücken die Ermahnung des Apostels zur Heiligkeit in der vorliegenden Stelle besteht. Die praktische Heiligkeit hat drei Charakterzüge. Der erste Charakterzug betrifft die Heiligkeit in Bezug auf unsere Beziehungen zur Welt, der Zweite die Heiligkeit unserer religiösen Beziehungen, und der Dritte die persönliche Heiligkeit. Wenn wir uns über diese drei Punkte klar geworden sind, so wird es uns nicht schwer fallen, zu erkennen, dass die praktische Heiligkeit sozusagen unser ganzes christliches Leben durchdringen sollte. Wir finden die genannten drei Stücke bereits im 19. Kapitel des dritten Buches Mose erwähnt, und zwar im 19. Vers. In der ersten der drei in diesem Vers gegebenen Verordnungen haben wir die Beziehungen zur Welt, von denen die Verse 14 und 15 unserer Stelle reden. In der Zweiten: „Dein Feld sollst du nicht mit zweierlei Samen besäen“, erkennen wir unschwer ein Sinnbild der religiösen Beziehungen, von denen im 16. Verse die Rede ist. Wir sollen nicht verschiedenerlei Samen auf Gottes Feld verwenden; nur einen einzigen Samen gilt es für uns zu säen. Und in der Dritten: „Ein Kleid, aus zweierlei Stoff gewebt, soll nicht auf dich kommen“, haben wir ein Bild von der persönlichen Heiligkeit, die Kapitel 7,1 vorstellt. Bevor jedoch der Apostel auf diese drei Punkte eingeht, schreibt er: „Unser Mund ist zu euch auf getan, ihr Korinther, unser Herz ist weit geworden.“ Er hatte die infolge seines ersten Briefes bei ihnen hervorgebrachten Früchte des Geistes gesehen, und anstatt seine Gefühle für sie weiter in seinem Herzen zu verschließen, war er jetzt frei ihnen gegenüber. Er fügt hinzu: „ Werdet auch ihr weit!“ Wozu? Um seine nun folgenden Ermahnungen recht aufzunehmen, damit fortan auch ihr Weg ein heiliger Weg würde.

Zunächst (Vers 14) sollten sie nicht „in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen sein“, - eine Anspielung an das, was wir im dritten Buche Mose gelesen haben. „Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit?“ Nicht ein verbindender Zug besteht zwischen der Welt und den Kindern Gottes. Es handelt sich da eben um zwei ganz und gar verschiedene Arten, und niemals hat es, was auch die Gelehrten darüber sagen mögen, in der Welt etwas wie Art-Verwandlung gegeben. Wie passt doch das Wort des Apostels auf die heutige Zeit! War nicht, als das gegenwärtige Zeugnis Gottes in unserer Mitte bekannt zu werden begann, die Trennung von der Welt weit entschiedener als heute? Da ist es wohl der Mühe wert, zu fragen: Inwieweit sind wir diesem Zeugnis treu geblieben? Wie ist es um die Art und Weise bestellt, in der viele unter uns mit der Welt Geschäfte machen? Wie benutzen wir sie für unsere eigenen Sachen? Wäre mehr Treue vorhanden, so würde zweifellos die Erinnerung des Apostels die gleichen Früchte hervorbringen wie ehemals. Ja, wir haben Grund, beschämt das Haupt zu senken beim Gedanken daran, dass diese Frucht unter uns heute so wenig gefunden wird. „Welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? und welche Übereinstimmung Christus mit Belial?“ Es ist fürwahr ein scharfer Gegensatz vorhanden auf der ganzen Linie, ein unüberbrückbarer Kontrast zwischen dem christlichen Element und dem der Welt. Die christliche ist die Lichtseite. Nicht nur hat das Licht uns geleuchtet, sondern es steht auch geschrieben: „Ihr seid Licht in dem Herrn.“ Wie er selbst „das Licht der Welt“ ist, so sind auch seine Jünger in seiner Abwesenheit „das Licht der Welt“. (vgl. Eph 5,8; Joh 9,5; Mt 5,14) Was aber hat die Finsternis mit dem Licht gemacht? Wenn man in einem völlig dunklen Zimmer ein Streichholz anzündet, so durchbricht man damit in gewissem Maße die Finsternis. Aber als (in sittlicher Hinsicht) das Licht der Welt herniederkam, da hat die Finsternis es nicht erfasst oder ergriffen; sie ist in keiner Weise von ihm durchdrungen worden. Das Licht ließ nur den unheilbaren Zustand des Menschen hervortreten, und dieser Zustand ist auch heute noch derselbe in der Gegenwart derer, die das Licht der Welt sind seit dem Weggang ihres Heilandes. „Und welche Übereinstimmung hat Christus mit Belial? oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen?“ (V. 15). Redet dieses Wort nicht zu unseren Gewissen? Da ist Christus auf der einen Seite, und auf der anderen der Teufel. Kann es eine Übereinstimmung zwischen beiden geben, zwischen dem Feinde Christi und denen, die Christum in dieser Welt darstellen? Und da ist der Glaube auf der einen Seite, und der Unglaube auf der anderen, und keine Berührung ist möglich zwischen diesen beiden entgegengesetzten Polen.

Dann geht der Apostel zur zweiten Frage über, die ebenfalls sinnbildlich im 19. Kapitel des dritten Buches Mose erwähnt wird: „Welchen Zusammenhang hat der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes“ (3. Mo 19,16). Ist es nicht eine geradezu unerhörte Sache, dass wir Christen, die Versammlung Gottes, der Tempel des lebendigen Gottes sind? Im 26. Kapitel des dritten Buches Mose sagt Gott: „Wenn ihr meine Gebote beobachtet ... so werde ich meine Wohnung in eure Mitte setzen ... und ich werde in eurer Mitte wandeln und werde euer Gott sein, und ihr werdet mein Volk sein“ (3. Mo 26,3.11.12). Dort will er es also von dem Verhalten des Volkes abhängig machen, ob sie der Ort sein sollen, wo Gott wohnt. Bei uns ist das Gegenteil der Fall. Wir sind dieser Tempel kraft der Gabe des Heiligen Geistes, und weil wir es sind, sind wir dazu berufen, heilig zu sein, praktisch für Gott abgesondert in dieser Welt. Aus diesem Grunde sollten wir uns in keiner Weise mit der Religion der Welt um uns her verbinden. Dieser Grundsatz hat dadurch keinerlei Änderung erfahren, dass der Götzendienst aus der christlichen Welt verschwunden ist, und infolgedessen die Gottentfremdung eine weniger grobe Form angenommen hat. Sich damit verbinden, hieße den wahren Charakter des Volkes Gottes verlieren. „Darum gehet aus ihrer Mitte aus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen“ (Jes 52,11). Das ist eine Anführung aus Jesajas 52. An dieser Stelle handelt es sich für das Volk Gottes, das in das verheißene Land eingeführt werden soll, darum, sich zu lösen von jeder Verbindung mit Babylon, der Mutter des Götzendienstes, um teilzuhaben an den Segnungen des Landes Israel. Für uns heute kommt die Absonderung von „der großen Babylon“ in Frage, der abtrünnigen Christenheit, um einzugehen in unser himmlisches Kanaan. Und diese Absonderung findet gerade auf Grund des christlichen Zeugnisses statt. Aber es ist nicht genug, von „Absonderung“ zu reden, denn es kann auch eine schlechte Absonderung geben. Die Heiligkeit besteht in der Absonderung für Gott, und für nichts anderes. Das ist es, was uns von der Religion der Welt trennt. Unsere Heiligkeit ist für Gott. Hieran knüpft sich eine große Segnung. „Und ich werde euch zum Vater sein“, steht geschrieben, „und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige“ (V. 18). Das bedeutet nun nicht, dass wir dann, wenn wir uns nicht absondern, keine Kinder Gottes mehr sind, aber der Genuss der Familienbeziehungen zum Vater hängt von dem Maß unserer Absonderung für Gott ab, so wie für Israel der Genuss der Beziehungen zu Jehova und dem Allmächtigen. Wenn wir, der Familie der Kehathiter gleich, dazu benutzt werden, die Geräte des Heiligtums zu tragen, könnte es da für uns in Frage kommen, zu diesem Zweck die Welt mit uns zu verbinden? Wäre es jemals einem Fremden erlaubt gewesen, die Lade und den Sühndeckel, oder Räucherfass und Leuchter, oder den goldenen oder den ehernen Altar zu tragen? Niemand durfte diese Sachen berühren, wenn er nicht zum Stamm Levi gehörte, dem diese heiligen Verrichtungen in Israel aufgetragen waren.

Hierauf kommt der Apostel zu der persönlichen Heiligkeit, oder, um mit 3. Mose 19 zu reden, zu dem aus zweierlei Stoff gewebten Kleid. Es ist sicherlich ernstester Erwägung wert, wenn Paulus in Kapitel 7,1 fortfährt: „Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes.“ Ich mochte annehmen, dass die beiden Ausdrücke „Befleckung des Fleisches und des Geistes“ einerseits auf die Heiligkeit hinweisen, die dem persönlichen Verhalten geziemt, wie es nach außen in unserem Wandel zutage tritt, und anderseits auf die Heiligkeit, was den Zustand unserer Herzen betrifft. So kann man sich hüten vor jeder Befleckung im Blick auf das Zeugnis nach außen - man erscheint tadellos -, und doch, wenn jemand in unsere Herzen hineinschauen könnte, wie vieles möchte er da entdecken, das keineswegs der Reinheit entspricht! Es ist deshalb wichtig, dass wir diese beiden Seiten unserer persönlichen Heiligkeit in Übereinstimmung miteinander bringen, dass wir die beiden Schalen der Waage im Gleichgewicht halten. Unser äußerer Wandel, unsere Taten und Worte müssen mit dem übereinstimmen, was in unseren Herzen ist, damit wir mit unserem geliebten Herrn sagen können: „Mein Gedanke geht nicht weiter als mein Mund“ (Ps 17, 3). Wenn sich die drei genannten Kennzeichen praktischer Heiligkeit bei den Kindern Gottes finden, so ist damit der Beweis geliefert, dass diese den Ermahnungen des Wortes ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben. Aber jenen Grundsätzen zuwider wandeln, heißt, die Gnade Gottes vergeblich empfangen haben.

Gott gebe uns allen, dass sich in unserem christlichen Leben mehr, viel mehr Wirklichkeit zeige, als es bisher der Fall war! Er gebe uns, einem jeden einzelnen, einen Geist der Demütigung und Buße, damit wir treuere Zeugen dessen werden, dessen Gnade alles für uns getan hat, und der uns befreit hat aus der Macht der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe!

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