Einführende Vorträge zur Apostelgeschichte
Kapitel 15
Jetzt betreten wir ein neues und in seiner Art sehr wichtiges Kapitel. Wir erfahren von den ersten Anstrengungen der Judaisierer, nicht nur das Werk des Apostel Paulus zu hemmen, sondern auch die Lehre, welche er predigte, zu verderben. Diesen besonderen Gegenstand erkennen wir im 15. Kapitel.
Die Quelle dieser Unruhen lag nicht bei den ungläubigen Juden, sondern bei Bekennern des Namens des Herrn Jesus. „Etliche kamen von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr nicht beschnitten worden seid nach der Weise Moses', so könnt ihr nicht errettet werden. Als nun ein Zwiespalt entstand und ein nicht geringer Wortwechsel zwischen ihnen und dem Paulus und Barnabas, ordneten sie an, dass Paulus und Barnabas und etliche andere von ihnen zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen sollten“ (V. 1–2). Ach, jetzt war Jerusalem die Quelle des Bösen; von der Versammlung in Jerusalem ging diese Pest aus. Satans Anstrengung richtete sich darauf, die Lehre von der Gnade Gottes zu verunreinigen. Er verhinderte, dass Paulus' und Barnabas' Autorität und auch Kraft sich als ausreichend erwiesen, um dieses Übel aufzuhalten. Gott hingegen verwandelte dies zum Guten; denn es war viel wichtiger, dass diese Woge in Jerusalem aufgehalten und dass ein Urteil gegen diese Übeltäter von den Aposteln, Ältesten und allen anderen dort ausgesprochen wurde als einfach nur durch die Einwände von Paulus und Barnabas. Natürlich mussten Paulus und Barnabas sich denen entgegenstellen, welche ihre Lehre beiseitesetzten. Doch für diese Judaisierer war eine andere Frage viel bedeutsamer: Was dachten die Zwölfe darüber? Demnach war das Überstellen der Frage nach Jerusalem ein sehr angemessener und weiser Akt. Wahrscheinlich war dies von Paulus und Barnabas so nicht geplant – ich jedenfalls vermute es. Sie versuchten zweifellos, die Einwände schon unter den Nichtjuden zum Schweigen zu bringen, aber sie vermochten es nicht. Folglich musste das Problem notgedrungen in Jerusalem gelöst werden, wohin Paulus und Barnabas reisten; denn Paulus wusste, dass die Wahrheit des Evangeliums auf dem Spiel stand. „Sie nun, nachdem sie von der Versammlung das Geleit erhalten hatten, durchzogen Phönizien und Samaria und erzählten die Bekehrung derer aus den Nationen; und sie machten allen Brüdern große Freude“ (V. 3). So sehen wir, wie auf jenem Weg zu dieser schmerzlichen Auseinandersetzung ihre Herzen mit der Gnade Gottes erfüllt waren. Nicht das Problem erfüllte sie, sondern die Gnade Gottes.
„Als sie aber nach Jerusalem gekommen waren, wurden sie von der Versammlung und den Aposteln und Ältesten aufgenommen, und sie verkündeten alles, was Gott mit ihnen getan hatte“ (V. 4). Auch hier erzählen sie wieder von dem, was ihre Herzen mit Freude erfüllte. Das ist sehr wichtig! Ich bin mir sicher, dass häufig dort, wo eine schmerzliche Pflicht erfüllt werden muss und das Herz eines Knechtes des Herrn, wie berechtigt auch immer, voll davon ist, gerade dieser schwere Druck ein echtes Hemmnis darstellt. Denn die Menschen sind nun einmal so, dass sie, wenn jemand sich in dieser Weise mit einem Gegenstand übermäßig auseinandersetzt, es unfehlbar darauf zurückführen, dass dieses Problem nicht einwandfrei sei. Auf der anderen Seite findest du nicht diesen Widerstand, falls du einfach auf den Herrn vertraust, dich mit dem sorgebereitenden Thema nur beschäftigst, wenn die Pflicht es erfordert, und danach darüber hinweggehst. In der Zwischenzeit richtet sich dein Herz auf das, was der Gnade des Herrn entspricht. Dadurch gewinnst du nur umso mehr geistliche Kraft, um zu seiner Zeit über die schmerzliche Angelegenheit zu reden.
Diese geliebten Knechte des Herrn handelten nach jener Gnade und Weisheit, die ihnen dargereicht worden waren. Als jedoch das Problem vor sie gestellt wurde, traten „etliche aber derer von der Sekte der Pharisäer, welche glaubten“ auf. Wie wir bemerken, ist dies ein neues Charakteristikum. Es waren nicht die missgünstigen ungläubigen Juden. Stattdessen beruhte die Auseinandersetzung auf der Wirksamkeit von Gesetzlichkeit in den gläubigen Juden. Dieses sehr ernste Übel beginnt jetzt an den Tag zu treten. Sie bestanden darauf: „Man muss sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses' zu halten“ (V. 5). Tatsächlich dachten sie, dass es für Christen umso besser sei, wenn sie gute Juden sind. Das war ihr Thema und, wenn wir es so nennen dürfen, ihre Lehre. „Die Apostel aber und die Ältesten versammelten sich, um diese Angelegenheit zu besehen. Als aber viel Wortwechsel entstanden war“ usw. (V. 6–7).
Alles dies führt uns in das innere Wesen jener Tage und beweist, dass die Vorstellung, alles sei damals durch ein Wort entschieden worden, ein Trugbild ist. Niemals war es so, selbst nicht in den Tagen als das vollständige apostolische Kollegium noch in Jerusalem weilte. Wir lesen von lebhaften Erörterungen unter ihnen. „Als aber viel Wortwechsel entstanden war, stand Petrus auf und sprach zu ihnen: Brüder, ihr wisset, dass Gott vor längerer Zeit mich unter euch auserwählt hat, dass die Nationen durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und glauben sollten. Und Gott, der Herzenskenner, gab ihnen Zeugnis, indem er ihnen den Heiligen Geist gab, gleichwie auch uns; und er machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen, indem er durch den Glauben ihre Herzen reinigte.“ Petrus predigte, wie wir bei dieser Gelegenheit lesen, die Lehre des Paulus, genauso wie Paulus, wie wir schon sahen, unter den Juden ähnlich predigte wie Petrus. Gott „machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen, indem er durch den Glauben ihre Herzen reinigte. Nun denn, was versuchet ihr Gott, ein Joch auf den Hals der Jünger zu legen, das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten? Sondern wir glauben durch die Gnade des Herrn Jesus in derselben Weise errettet zu werden wie auch jene.“ Er sagt nicht: „Sie werden errettet werden“ oder: „Sie werden errettet werden wie auch wir“. So hätten wir möglicherweise gesprochen, aber nicht Petrus. „Wir [wir, die Juden] glauben durch die Gnade des Herrn Jesus in derselben Weise errettet zu werden wie auch jene [die unbeschnittenen Heiden].“
Wie lieblich ist die Gnade Gottes; und welch ein unerwarteter Hieb gegen den Dünkel der Pharisäer, welche glaubten! Und dieser kam auch noch von Petrus! Falls Paulus dies gesagt hätte, wäre wenig Anlass zum Verwundern gewesen. Der Apostel der Nationen – hätten sie leicht denken können – würde natürlich für die Nationen sprechen. Aber was war mit Petrus? Was veranlasste den großen Apostel der Beschneidung, so zu reden? Und das auch noch in Gegenwart der Zwölfe und in Jerusalem selbst? Wie kam es, dass ohne menschlichen Plan und zweifellos auf andere Weise, als die Weisesten es wünschten, das Unvermögen von Paulus und Barnabas (so entgegenkommend und wohlwollend diese auch grundsätzlich waren) jene Frage zu klären, einzig und allein zur Herrlichkeit des Herrn ausschlug? Es war offensichtlich die Hand Gottes, welche zu einer viel großartigeren Rechtfertigung seiner Gnade eingriff.
„Die ganze Menge aber schwieg und hörte Barnabas und Paulus zu, welche erzählten, wie viele Zeichen und Wunder Gott unter den Nationen durch sie getan habe. Nachdem sie aber ausgeredet hatten, antwortete Jakobus und sprach [denn er ergreift jetzt das Wort, um einen Vorschlag auszusprechen bzw. ein Urteil abzugeben]: Brüder, höret mich! Simon hat erzählt, wie Gott zuerst die Nationen heimgesucht hat, um aus ihnen ein Volk zu nehmen für seinen Namen. Und hiermit stimmen die Worte der Propheten überein, wie geschrieben steht: „Nach diesem will ich zurückkehren und wieder aufbauen die Hütte Davids, die verfallen ist, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten; damit die übrigen der Menschen den Herrn suchen, und alle Nationen, über welche mein Name angerufen ist, spricht der Herr, der dieses tut“, was von jeher bekannt ist“ (V. 12–18).
So erfahren wir, dass für Jakobus das, was Petrus, Paulus und Barnabas vorgestellt hatten, den Aussagen der Propheten entsprach. Es stand nicht im Widerspruch, sondern sogar in Übereinstimmung mit ihnen. Mehr sagte er nicht. Er behauptete nicht, dass diese jetzt erfüllt würden, noch ging er auf die Anwendung einer speziellen Prophetie ein. Die Prophezeiungen sagen, dass der Name des Herrn über den Nationen angerufen wird, ohne davon zu reden, dass diese erst Juden werden müssen. Ihre Segnung und ihre Anerkennung stand folglich in Harmonie mit der Prophetie. Sie wurden in ihrem Charakter als Nationen von Gott anerkannt, ohne durch die Beschneidung praktisch Juden werden zu müssen. Sie waren Nichtjuden, über welche der Name des Herrn angerufen wurde.
Das war das Argument oder der Beweis aus dem Propheten Amos; und er reichte aus. „Deshalb urteile ich, dass man diejenigen, welche sich von den Nationen zu Gott bekehren, nicht beunruhige, sondern ihnen schreibe, dass sie sich enthalten von den Verunreinigungen der Götzen und von der Hurerei und vom Erstickten und vom Blute“ (V. 19–20). Der letzte Teil seiner Ausführung enthält einfach die Anweisungen an Noah, die Anordnungen, welche vor der Berufung Abrams niedergelegt worden waren. Außerdem spricht Jakobus von dem, was Gott in Hinsicht auf menschliche Verderbnis, welche den Götzendienst begleitet, eindeutig fordern musste. So wurde das ganze Problem auf eine Weise gelöst, die nicht nur einfach, sondern auch weise war. Jeder richtig denkende Nichtjude musste die Angemessenheit und Notwendigkeit des in diesem Dekret Festgelegten anerkennen.
„Dann deuchte es den Aposteln und den Ältesten samt der ganzen Versammlung gut, Männer aus sich zu erwählen und sie mit Paulus und Barnabas nach Antiochien zu senden: Judas, genannt Barsabas, und Silas, Männer, welche Führer unter den Brüdern waren“ (V. 22).
Beiläufig möchte ich anmerken, dass es also führende Männer unter den Brüdern gab. Einige achten eifersüchtig darauf. Andere stehen dieser Vorstellung feindlich gegenüber, als widerspräche sie der allgemeinen Bruderschaft. Doch nach der Bibel und dem Lauf der Dinge ist eine Führerschaft offenbar richtig. Nur exzentrische Personen denken hier anders. Wo Gott so eindeutig redet, brauchen wir nicht eifersüchtig zu sein. Wir würden dann nur mit der Barmherzigkeit Gottes unter uns streiten.
Der Brief selbst war, wie ich sagen möchte, unter dem Siegel des Geistes Gottes geschrieben worden von den Aposteln und Ältesten und Brüdern an die Brüder aus den Nichtjuden in Antiochien, Syrien und Zilizien. Auf seinen Inhalt brauche ich nicht weiter einzugehen; er ist uns allen bekannt.
„Judas und Silas, die auch selbst Propheten waren, ermunterten die Brüder [d. h., in Antiochien] mit vielen Worten und stärkten sie. Nachdem sie sich aber eine Zeitlang aufgehalten hatten, wurden sie mit Frieden von den Brüdern entlassen zu denen, die sie gesandt hatten“ (V. 32–33).
Es war wichtig, dass Männer als kompetente Zeugen dessen, was in Jerusalem besprochen und entschieden worden war, auftraten. Sie waren demnach nicht einfach nur unbeteiligte Überbringer eines Briefs. Sie kannten die Beweggründe der Widersacher; sie wussten, welche geistlichen Interessen auf dem Spiel standen. Die Gefühle der Apostel und der Kirche (Versammlung) insgesamt waren ihnen vertraut. Solche Männer reisten also mit Paulus und Barnabas. Doch diese Tatsache gewann in der Weisheit Gottes auch in Bezug auf die Reisen des großen Apostels eine wichtige Bedeutung. „Paulus aber und Barnabas“, wird gesagt, „verweilten in Antiochien und lehrten und verkündigten mit noch vielen anderen das Wort des Herrn“ (V. 35). (Welche Weitherzigkeit und Liebe! Was für ein Unterschied zu solchen Tagen, in denen ein Titel, der andere ausschließt, ungeeignete oder anmaßende Männer schützt sowie Geldprobleme sowohl den Lehrern als auch den Belehrten schaden!). „Nach etlichen Tagen aber sprach Paulus zu Barnabas [der Jüngere ergriff die Führung]: Lass uns nun zurückkehren und die Brüder besuchen in jeder Stadt, in welcher wir das Wort des Herrn verkündigt haben, und sehen, wie es ihnen geht.“
Paulus liebte die Kirche. Er war nicht nur ein großer Verkündiger des Evangeliums, sondern ebenso sehr interessierte er sich für den Zustand der Geschwister und legte er Wert auf ihre Belehrung. Barnabas wollte Johannes, auch „Markus“ genannt, mitnehmen. Paulus stimmte dem jedoch nicht zu. „Paulus aber hielt es für billig, den nicht mitzunehmen, der aus Pamphylien von ihnen gewichen und nicht mit ihnen gegangen war zum Werke. Es entstand nun eine Erbitterung, so dass sie sich voneinander trennten“ (V. 38–39). Der Geist Gottes achtete sorgfältig darauf, dieses Ereignis mitzuteilen. Seine Aufzeichnung war notwendig. Der Bericht soll als Warnung dienen. Auf der anderen Seite bereitet er die Kinder Gottes darauf vor, dass sogar die gesegnetsten Menschen ihre Schwierigkeiten und Differenzen haben können. Wir dürfen uns nicht zu sehr niederdrücken lassen, wenn uns etwas dieser Art begegnet. Ich mache diese Bemerkung keinesfalls, damit wir solche Misshelligkeiten auf die leichte Schulter nehmen. Doch, ach!, wir wissen, dass sie vorkommen.
Der Abschnitt enthält indessen noch mehr Belehrung für uns. „Paulus aber erwählte sich Silas.“ Das ist in praktischer Hinsicht ein gewichtiger Gesichtspunkt. Es gibt, wie ich mir bewusst bin, Personen, welche denken, dass wir im Werk des Herrn keine eigenen Gedanken zu denken und nicht Wert auf Übereinstimmung mit dem Herrn zu legen haben 1. Ich finde diese Vorstellung nicht im Wort Gottes. Ich glaube an eine einfältige Unterordnung des Herzens unter den Herrn. Sicherlich ist der Glaube an die Wirksamkeit des Heiligen Geistes von umfassender Bedeutung, und zwar sowohl in der Kirche (Versammlung) als auch im Dienst Christi. Dennoch besteht nicht nur die Freiheit, sondern zusätzlich auch die Pflicht, dass jene, die arbeiten, sich auch untereinander beraten. Oft mag geistliche Weisheit die Herzen anleiten in dem, was dann „Übereinkunft“ genannt wird. Weit davon entfernt, in ihr einen Verstoß gegen die Bibel oder die Rechte des Heiligen Geistes zu sehen, glaube ich, dass es Fälle gibt, in welchen anderes Handeln von Unabhängigkeit und völligem Missverstehen der Wege des Herrn zeugt. Offensichtlich wollte sich Paulus keinen ungeeigneten Begleiter in seinem Werk aufzwingen lassen. Er war zu der Schlussfolgerung gelangt, dass Markus nicht genau der Arbeiter war für die Mission, zu welcher der Herr ihn (Paulus) berufen hatte. Dabei mochte auch Markus ein Knecht des Herrn sein und natürlich seinen eigenen rechten Wirkungskreis besitzen. Dennoch war Paulus entschlossen, Markus nicht mitzunehmen. Dessen ungeachtet wünschte Barnabas die Begleitung von Markus; und schließlich bestand er so nachdrücklich darauf, dass er diesen Wunsch zur notwendigen Bedingung für seine gemeinsame Arbeit mit dem Apostel machte. Infolgedessen zog es Paulus vor, eher auf den Umgang mit seinem geliebten Freund, Bruder und Mitknecht Barnabas zu verzichten, als sich eine ungeeignete Person aufzwingen zu lassen.
Ich bezweifle nicht, dass die übrigen Brüder, und zwar in geistlicher Weise, urteilten, dass Paulus richtig handelte und Barnabas falsch. Denn der Apostel wählte Silas „und zog aus, von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen.“ Wir lesen kein Wort davon, dass die Brüder Barnabas und Johannes Gottes Gnade anbefahlen. Damit wollen wir nicht im Geringsten bezweifeln, dass Barnabas weiter von Gott gesegnet wurde; und bezüglich Johannes (Markus) erfahren wir ausdrücklich von seiner Befähigung zum Dienst in späteren Tagen. Der Apostel gab sich einige Zeit danach besondere Mühe, in einem inspirierten Brief seine Achtung für Barnabas und seine Liebe zu ihm zu zeigen (1. Kor 9); und was noch mehr in diese Richtung deutet: Er erwähnt Markus mehr als einmal in seinen folgenden Briefen in ehrender Weise (Kol 4; 2. Tim 4). Wie gut ist der Herr, wenn Er uns so am Ende den Triumph seiner Gnade sehen lässt! Und welch eine Freude war es für das liebende Herz des Apostels, davon zu berichten!
Gleichzeitig liefert uns diese Geschichte einen sehr wichtigen Grundsatz im praktischen Dienst des Herrn. Wir sollten uns nicht in irgendeiner Weise durch einen esprit de corps (Korpsgeist) gebunden fühlen. Wo es um sein Zeugnis geht, sollten wir bereit sein, mit Fleisch und Blut zu brechen. Wir sollten bereit sein, zu Vater und Mutter zu sagen: „Ich kenne euch nicht“, und weder Brüder noch die eigenen Kinder zu kennen oder anzuerkennen. Dabei dürfen wir natürlich nicht zuviel über die damit verbundene Versuchung nachdenken. Zweifellos werden viele durch dieses Maß an Treue zum Herrn bekümmert sein, weil es sie selbst verurteilt. Das müssen wir als Teil unserer Bürde in seinem Werk tragen. Andererseits braucht wohl kaum gesagt zu werden, wie hässlich es ist, die Erfüllung des Willens des Herrn mit einem groben und heftigen persönlichen Verhalten anderen gegenüber zu verbinden. Das zeugt weder von Gnade, noch von Gerechtigkeit oder Weisheit, sondern vielmehr vom Ich und von Selbstbetrug. Dabei sieht es wie Eifer aus – dieses Feuer Jehus! (2. Kön 9 – 10). Wir sollten indessen ein geübtes Urteil hinsichtlich unserer Mitarbeiter sowie auch unseres Werkes von Gott erwarten. Allein der Herr kann uns jenes einfältige Auge verbunden mit Selbstgericht schenken, welches uns im Geist befähigt, richtig zu erkennen, wen wir abzulehnen und wen wir zu wählen haben, wenn Begleiter in seinem Werk gesucht werden oder sich dazu anbieten.
Fußnoten
- 1 Anm. d. Übers.: Damit meint Kelly wohl jene Bestrebungen, die Diener im Werk des Herrn jeder persönlichen Verantwortung entziehen und einer zentralen Leitung oder einem Komitee unterwerfen wollen.