Petrus: Fischer, Jünger und Apostel
7. Petrus' Fall und Wiederherstellung
Weshalb teilt uns das Wort Petrus’ Fall mit?
Diese Frage mag man sich stellen im Gedanken daran, dass im Lauf der Jahrhunderte Tausende und Abertausende den Bericht über die nun folgende traurige Begebenheit gelesen haben, welche die dreieinhalbjährige Nachfolge dieses Jüngers hinter seinem Herrn her abschloss.
„Alles, was zuvor geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben“ (Röm 15,4), auch diese dunkle Seite der göttlichen Lebensbeschreibung von Petrus. Unsere fleischliche Natur ist um kein Haar besser als die dieses später so demütigen, hingebungsvollen und hervorragenden Dieners des Herrn, der unzähligen Menschen zum großen Segen wurde. Es ist gut, wenn wir uns dies vor Augen halten. Gott will, dass wir durch sein Wort, auch durch diese hier niedergeschriebenen Erfahrungen von Petrus zur Erkenntnis geführt werden, dass das Fleisch verderbt ist und zu gar nichts Gutem taugt, und dass wir dem Herrn nur durch die Gnade, die Er uns gibt, wohlgefällig dienen können.
Wir können diese wichtige, praktische Lektion dadurch lernen, dass wir das Wort tief zu Herzen nehmen, so wie es der Psalmist rät: „Worduch wird ein Jüngling seinen Pfad in Reinheit wandeln? Indem er sich bewahrt [oder: auf der Hut ist] nach deinem Wort“ (Ps 119,9). Wenn wir dies nicht tun, wird Gott auch uns schmerzliche Wege führen müssen, die dazu dienen, unser Selbstvertrauen niederzureißen und unseren Eigenwillen zu zerbrechen.
Was Satan mit Petrus tun will und wie der Herr ihm entgegenwirkt
„Als ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast; und ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ist verloren gegangen – als nur der Sohn des Verderbens, damit die Schrift erfüllt würde“, so sagte unser Herr am Ende seines Dienstes auf der Erde zum Vater im Blick auf seine Jünger (Joh 17,12).
Satan mag dies oft erfahren haben. Immer wieder suchte er den Jüngern zu schaden. Aber der gute Hirte war ihm in seiner nie erlahmenden Wachsamkeit jedes Mal entgegengetreten, um seine kleine, schwache Herde zu beschützen. Der Feind konnte nichts ausrichten. Es erging ihm wie einst mit Hiob. Auch jenem gottesfürchtigen Mann wollte er Böses tun, aber er fand keine Möglichkeit dazu. Er musste feststellen: Gott selbst hat „ihn und sein Haus und alles, was er hat, ringsum eingezäunt“ (Hiob 1,10). Aber hatte Jesus nicht selbst gesagt, dass sich jetzt die Weissagung Sacharjas erfüllen würde: „Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden zerstreut werden“ (Mt 26,31)? Nun sagte sich Satan: Wenn dieser treue Hirte aus ihrer Mitte weggenommen ist, dann will ich seine Jünger, und besonders diesen Petrus, durch das Sieb der Prüfung rütteln und schütteln, so dass von ihrem Glauben nichts mehr übrig bleibt und sie der Verzweiflung anheimfallen. Sie werden dann von selbst aufhören, Gott zu dienen!
Doch auch hier wieder hat er sich – wie immer, wenn er das, was von Gott ist, zu zerstören sucht – sehr getäuscht. Diese Schafe, die dem guten Hirten nachfolgen, bleiben in seiner Hand, und der Feind kann sie ihr nicht entreißen. Sie haben durch den Glauben an Ihn ewiges Leben empfangen, das ihnen nicht mehr genommen werden kann (Joh 10,27.28). Sie kommen jetzt vielmehr in den Genuss all der himmlischen Segnungen, die aus dem Werk Christi am Kreuz resultieren. – Und noch etwas sehr Wichtiges: Jesus hatte für Petrus gebetet, damit sein Glaube nicht aufhöre (Lk 22,32). Auch alle anderen Jünger hatte Er der Fürsorge des Vaters anvertraut und gesagt: „Ich bitte ..., dass du sie bewahrest vor dem Bösen“ (Joh 17,15). War es denkbar, dass der Vater dieses Gebet nicht erhören, dass Er diese Fürsorge nicht übernehmen oder die Ihm Anvertrauten auch nur einen Augenblick lang versäumen würde? Nie und nimmer! „Der Vater selbst hat euch lieb“ (Joh 16,27). Wir wissen es aus dem Mund des Sohnes selbst. Der Vater ist größer als Satan, und dieser kann sie nicht aus seiner Hand rauben (Joh 10,29).
Der Feind darf nur Handlanger sein, um zu helfen, dass in den Gläubigen durch das Offenbarwerden der hässlichen Früchte des Fleisches jedes Vertrauen auf sich selbst zunichtegemacht und gerichtet wird und sie auf diese Weise zu leeren Gefäßen werden. In solchen will Gottes Gnade dann Wunder wirken und sie in seinem Dienst zu seinen gefügigen Werkzeugen machen. Dieses Ziel hat Gott auch mit Petrus in vollem Maß erreicht.
Petrus geht der dunkelsten Stunde seines Lebens entgegen
Petrus weiß nicht, was hinsichtlich seiner Person zwischen Gott und Satan im Verborgenen vor sich geht. Aber er hat sich verschiedene Male in großsprecherischer Weise verpflichtet, seine Liebe zum Herrn auch in den schwierigsten Umständen zu beweisen: „Wenn alle an dir Anstoß nehmen werden, ich werde niemals Anstoß nehmen“ (Mt 26,33). – „Herr, mit dir bin ich bereit, auch ins Gefängnis und in den Tod zu gehen“ (Lk 22,33). – „Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich lassen“ (Joh 13,37). Nun ist er fest entschlossen, diese Versprechen einzulösen, und er glaubt, zum bevorstehenden Kampf gut vorbereitet zu sein: Er hat sich ein Schwert umgegürtet!
Doch schon in der ersten Etappe des Kampfes versagt er gründlich (Mt 26,36–46). Als Jesus mit den Elfen den Obersaal verließ und zum Garten Gethsemane hinausging und dort wegen der vor Ihm liegenden Schrecken des Kreuzes anfing, „betrübt und beängstigt zu werden“, sprach Er zu Petrus und den zwei anderen Jüngern, die Er besonders nahe bei sich haben wollte: „Meine Seele ist sehr betrübt bis zum Tod; bleibt hier und wacht mit mir.“ Aber was taten sie? Sie schliefen ein! Petrus hatte doch laut und deutlich gesagt: „Mit dir bin ich bereit ...“! Und nun vermochte er nicht einmal mit Ihm zu wachen! Zudem hätte er für sich selbst „wachen und beten“ sollen, um die Kraft zu finden und zu bewahren, die nötig war, um seinen Meister auf seinem schweren Gang weiterhin zu begleiten, wie er es sich doch vorgenommen hatte. Aber auch das tat er nicht. – Ach Petrus! Hättest du doch darauf gehört, als der Herr zu dir sagte: „Wohin ich gehe, dahin kannst du mir jetzt nicht folgen“ (Joh 13,36)!
Als dann die Häscher kamen, um Jesus zu fangen, zu binden und wegzuführen, ergriff Simon Petrus wie ein Held sein Schwert und hieb dem Knecht des Hohenpriesters das rechte Ohr ab (Joh 18,4–11)! Er fühlte sich immer noch in der schützenden Reichweite der Macht des Herrn; er hatte gesehen, wie auf dessen Wort: „Ich bin es“, alle Feinde zu Boden fielen. Aber was war mit diesem Schwertstreich gewonnen? Gar nichts! Außerdem war er Dem, der entschlossen war, den Leidenskelch zu trinken, den Ihm der Vater gegeben hatte, durchaus nicht wohlgefällig. Wie übel wäre es dem Jünger ergangen, hätte der Herr nicht das verwundete Ohr geheilt! – Petrus, ist das nun ein Beweis deiner Liebe zum Herrn, wenn du Ihm zuwiderhandelst?
Petrus verleugnet den Herrn
Das Wort Jesu zu den Häschern: „Wenn ihr nun mich sucht, so lasst diese gehen“, gab den Jüngern die Möglichkeit zu fliehen, ohne verfolgt zu werden (Joh 18,8; Mt 26,56). Von den Elfen taten es alle – außer Petrus und Johannes. Wenigstens treffen wir diese beiden im Hof des Hohenpriesters wieder. Aber während Johannes im Verborgenen blieb, wagte sich Petrus bis zum Kohlenfeuer vor, an dem er von lauter Feinden seines Meisters umgeben war, und das alles trotz dessen Warnungen (Joh 18,12–27)!
Als er nun mit seinen Blicken den Herrn suchte, welch ein Bild bot sich ihm da dar! Wie ein Übeltäter gebunden stand Er vor dem versammelten Synedrium und wurde verhört. Er ließ alles mit sich geschehen, ohne sich zu wehren. Gaben sie Ihm nicht Backenstreiche? Spien sie Ihm nicht ins Angesicht? Hörte er nicht ihren Spott?
Sich in dieser Stunde, in einer solchen Umgebung zum Herrn zu bekennen, erfordert Kraft von Gott, die Petrus jetzt nicht besaß. Der Heilige Geist, die Kraft aus der Höhe, die ihn später befähigte, in dieser feindlichen Welt ein mutiger Zeuge des verworfenen Christus zu sein, wohnte noch nicht in ihm. Vor allem aber war sein Herz jetzt nicht in dem praktischen Zustand, um mit Ihm Gemeinschaft zu haben: Er hatte nicht gewacht. Auch war er nicht am richtigen Platz – Jesus hatte ihn nicht geheißen, diesen Hof zu betreten.
Außerhalb dieser Gemeinschaft verblieb ihm nur die eingebildete eigene Kraft, und jetzt musste er auf schmerzliche Weise erfahren, dass diese in der Nachfolge Christi zu gar nichts taugt. Ja, er musste sogar erkennen, dass er, um sich selbst zu schonen, fähig war, den Herrn preiszugeben! Welche Schwäche, welch ein Abgrund von Schlechtigkeit tat sich da vor ihm auf!
Der Feind drängte nun mit Hilfe der Umstehenden hart auf ihn ein. Diese erkannten ihn und wollten aus seinem Mund hören, dass er ein Jünger dieses Nazareners sei. Auf ihre drei Behauptungen leugnete er dreimal in immer stärkeren Ausdrücken – und der Hahn krähte dabei. Zuletzt sagte er unter Fluchen und Schwören: „Ich kenne diesen Menschen nicht, von dem ihr redet“ (Mk 14,66–72).
Nun aber geschah etwas Ergreifendes: Das bleiche Angesicht des stillen Dulders, der selbst inmitten der Ihn umringenden Feinde seinen Jünger nicht vergaß, wandte sich um und blickte Petrus an. – Da erst erinnerte sich dieser an das Wort des Herrn, das Er zu ihm gesagt hatte: „Ehe der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Das war ein Pfeil, der sein Herz und Gewissen durchbohrte und ihm die eigene Erbärmlichkeit zum Bewusstsein brachte: „Er ging hinaus und weinte bitterlich“ (Lk 22,61–62)!
Seine Wiederherstellung
Wie kann der Gläubige, der von einem Fehltritt übereilt worden ist, wiederhergestellt werden?
Die Antwort auf diese Frage können wir heute, nachdem Jesus Christus sein Erlösungswerk ein für alle Mal vollbracht hat und für uns in den Himmel eingegangen ist, vor allem im ersten Johannesbrief finden. Dort lesen wir: „Wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater“ (1. Joh 2,1). Tritt also ein solcher Fall ein, wird dieser Sachwalter – nach Johannes 13 – sogleich in Funktion treten und das Wort Gottes auf Herz und Gewissen des Fehlbaren anwenden: Er übt an ihm die Fußwaschung aus. Das hat zur Folge, dass sich dieser seiner Schuld bewusst wird. In tiefer Betrübnis wird er sich nun vor Gott demütigen und Ihm seine Schuld bekennen. Gott nimmt ein solches Bekenntnis an, denn „wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1. Joh 1,9). Er kann dies tun, weil Jesus Christus, „der Gerechte“, „die Sühnung ist für unsere Sünden“ (1. Joh 2,1.2).
Für Petrus aber war es schwer, eine Antwort auf diese wichtige Frage zu finden. Die wunderbaren Ergebnisse des Opfers Christi waren ihm noch nicht bekannt. Doch kam ihm der Herr in großer Gnade und Liebe zu Hilfe, um ihn zu belehren und ihm zurechtzuhelfen.
Schon im Hof des Hohenpriesters hatte der Blick Jesu bewirkt, dass Petrus sich an dessen Wort erinnerte: „Ehe der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“, und dass er bitterlich weinend hinausging.
Damit war der erste Schritt zu seiner Wiederherstellung schon getan: Petrus war über seine Sünde in tiefster Seele betrübt. Alle Jünger „trauerten und weinten“ (Mk 16,10) in diesen Tagen über das, was ihrem geliebten Meister widerfuhr; er aber musste sich dazu noch den bitteren Vorwurf machen, den Herrn in der Stunde seiner größten Not verleugnet zu haben!
Satan ließ sich diesen Augenblick nicht entgehen, um ihn zu sichten. Er mag ihm eingeflüstert haben: „Nun hast du alles verscherzt; dein Glaube war Selbstbetrug; für dich gibt es keine Hoffnung mehr!“ Aber Gott ließ ihn nicht los; Er erhörte das Gebet Jesu und schützte das flackernde Flämmchen des Glaubens in Petrus, das der Feind auszublasen versuchte (Lk 22,32). Gott erinnerte ihn an sein Wort, das die Grundlage des Glaubens bildet, an seine unendliche Gnade, die in Christus den Sündern und Ungerechten heilbringend erschienen war, und an all seine Verheißungen für den, der zerbrochenen Herzens und zerschlagenen Geistes ist. Auch aus dem Wort seines Herrn: „Ich aber habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre; und du, bist du einst umgekehrt, so stärke deine Brüder“, mochte der arme Jünger neue Zuversicht geschöpft haben. Er konnte sich sagen: Schon vor meinem Fall hat der Herr von meiner Wiederherstellung gesprochen!
Der Auferstandene nimmt sich seiner an
Inzwischen vollbrachte Jesus am Kreuz sein großes Sühnungswerk. Die kleine, verängstigte Gruppe der Jünger in Jerusalem und der gläubigen Frauen aus Galiläa folgte dem traurigen Geschehen auf Golgatha mit gespannter Aufmerksamkeit. Einzelne wagten sich hinaus und brachten immer wieder Kunde von dem, was draußen vor sich ging, und schließlich die Nachricht: Er ist gestorben! Welch eine Trauerbotschaft für jene Gläubigen, die noch nicht erfasst hatten, was auf den Tod Jesu folgen musste! Unter der Führung von Joseph von Arimathia legten sie seinen Leib in die Gruft und wälzten einen Stein davor. Der Sabbat brach an, und sie ruhten nach dem Gebot. Aber die Frauen sprachen davon, dass sie in der Frühe des ersten Wochentages hinausgehen wollten, um Ihn zu salben.
Doch es kam ganz anders. Als jene Frauen der Gruft nahten, war der Stein schon weggewälzt, und beim Eintreten sahen sie einen Engel am leeren Grab sitzen, der ihnen sagte: „Er ist auferstanden, er ist nicht hier. ... Aber geht hin, sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er euch vorausgeht nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat“ (Mk 16,1–8).
War diese besondere Botschaft an Petrus nicht dazu angetan, ihn aufzumuntern? Jesus lebt! Er denkt an mich, Er rechnet mich noch zu seinen Jüngern!
Den meisten erschienen ihre Reden wie ein Märchen (Lk 24,9–12); Petrus aber stand auf und lief zu der Gruft (jedoch nicht so schnell wie Johannes, der mit ihm war, wohl wegen seines beschwerten Gewissens; Joh 20,3.4). Er bückt sich in die Gruft und sieht die leinenen Tücher allein liegen, dann geht er weg nach Hause und verwundert sich über das, was geschehen war. Ach, es wird ihm so schwer, an die Tatsache der Auferstehung Jesu zu glauben, wovon der Herr doch mehrmals gesprochen hatte!
An „demselben Tag“ jedoch, also an jenem ersten Wochentag, sollte er noch Größeres erleben: Der Auferstandene erschien ihm ganz persönlich, um eine Unterredung unter vier Augen mit ihm zu haben, über die das Wort nichts mitteilt (Lk 24,34; 1. Kor 15,5). Ganz abgesehen davon, dass sich Petrus jetzt überzeugen konnte, dass der Herr „wirklich auferweckt“ war, hatte er nun die ersehnte Gelegenheit, sich vor Jesus niederzuwerfen und Ihm seine Schuld zu bekennen! Ein solches Bekenntnis ist ja eine der ersten Voraussetzungen zur Wiederherstellung. Es soll erfolgen, sobald uns das begangene Böse bewusst wird. Daher suchte unser treuer Herr seinen Jünger schon am Auferstehungstag auf: Er wollte keinen Augenblick länger warten. Er verlangte auch danach, ihm Vergebung zu erteilen und ihm seine unveränderte Liebe zu bezeugen. – So gütig und gnädig ist der Herr, mit dem auch wir es zu tun haben!
Petrus soll noch mehr lernen
In Johannes 21 wird uns beschrieben, wie eine Gruppe von Jüngern unter Anführung von Petrus wie früher wieder zum Fischfang auf den See von Tiberias hinausfuhr. Sie wären leer zurückgekommen, wenn ihnen der Auferstandene nicht vom Ufer her zu einem wunderbaren Fang verholfen hätte. Als sie nun anlegten und das Netz voller Fische ans Land zogen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fisch darauf liegen und Brot. Jesus hatte es für sie bereitet, weil Er wusste, dass sie nach der langen Nachtarbeit hungrig und wohl auch durchfroren waren. Er lud sie ein: „Kommt her, frühstückt!“ Und Er gab ihnen Brot und Fisch. Sie durften sich wärmen und satt essen.
Ob Petrus dabei an das andere Kohlenfeuer dachte, an dem er vor wenigen Tagen gesessen hatte? Jenes war von Kindern dieser Welt angezündet worden, mit ihnen hatte er sich daran gewärmt und war dabei dem Herrn untreu geworden. Hier aber war alles von Jesus zubereitet und dazu angetan, das Herz zu Ihm zu ziehen und es mit seiner Liebe und Gnade zu füllen. – Lasst auch uns allezeit sein Kohlenfeuer, seine Gemeinschaft suchen!
Als sie nun gefrühstückt hatten und gesättigt waren, wandte Er sich unvermittelt Petrus zu mit drei Fragen: „Simon, Sohn Jonas, liebst du mich mehr als diese?“ – „Simon, Sohn Jonas, liebst du mich?“ – „Simon, Sohn Jonas, hast du mich lieb?“ Ach, Petrus hatte vor der Stunde des Kreuzes dem Herrn dreimal seine Liebe zu Ihm mit den stärksten Ausdrücken beteuert und Ihm sogar versichert, dass er bereit sei, mit Ihm in den Tod zu gehen (Mt 26,33; Lk 22,33; Joh 13,37)! Aber stattdessen hatte er Ihn dreimal verleugnet!
Weshalb nahm der Herr hier auf diese schmerzliche Angelegenheit noch einmal Bezug? Hatte Ihm Petrus seine Sünde denn nicht bekannt und hatte er nicht Vergebung erlangt? Wie hätte er sonst vorhin mit unbeschwertem Gewissen Jesus entgegenschwimmen können! Es hatte ihm ja zu lange gedauert, zu warten, bis das Schiff am Ufer anlangte!
Es ging dem Herrn nicht mehr um die eine, schwere Verfehlung, sondern um eine wichtige Lehre, die Er Petrus für sein weiteres Leben erteilte. Er wollte ihm helfen, die Wurzel des Bösen in sich selbst und in seinem Leben zu erkennen und zu verurteilen! Mit seiner ersten Frage deckte Er die Selbstüberhebung im Herzen des Jüngers auf, der gesagt hatte: „Wenn alle an dir Anstoß nehmen werden, ich werde niemals Anstoß nehmen“ (Mt 26,33). Überhaupt sollten ihm diese drei Fragen sein eingefleischtes Selbstvertrauen zum Bewusstsein bringen, das ihn zu einer solchen Niederlage geführt hatte.
Das weitere Leben des Apostels Petrus beweist, dass er diese ernste Lektion gelernt hat. Hier sagte er nur: „Herr, du weißt alles; du erkennst, dass ich dich lieb habe“ (Joh 21,17). Ja, Jesus wusste, dass sein Jünger durch den Glauben an Ihn Leben besaß, dass er durch Ihn Teilhaber der göttlichen Natur geworden war, die Liebe ist. Aus dieser Natur werden nun durch die Kraft des Heiligen Geistes reiche Früchte hervorkommen, weil Petrus lernte, seine eigene Natur im Tod zu halten.
Nun war aber noch eine andere Frage abzuklären: Konnte der Herr diesen Jünger nach einer solchen Niederlage noch in seinem Dienst gebrauchen? – Oh ja, jetzt erst recht, weil nun das hindernde Element des fleischlichen Selbstvertrauens und der Überheblichkeit beseitigt war! Petrus wird sich fortan in seinem Leben und in seinem Dienst auf den „Gott aller Gnade“ (1. Pet 5,10) stützen und in dieser Gnade „wachsen“ (2. Pet 3,18).
Weil der Herr wusste, dass Petrus Ihn liebte, konnte Er ihm die Schafe und Lämmer, die Gläubigen aus Israel anvertrauen. Er sollte sie als „Apostel der Beschneidung“ hüten und weiden. Nach diesen Erfahrungen wird er nun imstande sein, in Demut und Geduld der Herde des guten Hirten die Pflege zukommen zu lassen, die sie benötigt. Er wird sie führen und über sie wachen und sowohl den Schafen als auch den Lämmern die passende geistliche Nahrung zu geben wissen.
Auch wird er nun Jesus nachfolgen wie nie zuvor. In der Ausübung seines von Ihm empfangenen Dienstes wird er schließlich in der geistlichen Kraft „sein Leben für Ihn lassen“ und dabei „Gott verherrlichen“ dürfen, wozu er einst in der eigenen Kraft nicht imstande war (Joh 13,36–38; 21,19). So groß ist nun die Gnade in diesem Gefäß, das bisher so voll war von sich selbst und daher in der Stunde der Prüfung versagen musste!