Petrus: Fischer, Jünger und Apostel
5. Auf dem Berg der Verklärung
Petrus, Augenzeuge der herrlichen Größe Christi (Lk 9,28-36)
Wenige Tage nur waren vergangen, seitdem der Herr seinen Jüngern in aller Deutlichkeit mitgeteilt hatte, dass Er nach Jerusalem hinaufgehen müsse, um vieles zu leiden, um zu sterben und am dritten Tag auferweckt zu werden.
Wenn sie es bis dahin noch nicht erfasst hatten, so musste es ihnen jetzt klar geworden sein, dass sie einem verworfenen Christus nachfolgten. Entsprechend seinen Worten musste in dieser Welt der Weg hinter Ihm her auch für sie Verwerfung, Verachtung, Hass und Leiden mit sich bringen.
Was war nun in ihren Herzen inzwischen vorgegangen? Sah Jesus enttäuschte Hoffnung, Niedergeschlagenheit und Furcht darin? Als solche, die denselben Weg gehen und dieselben leidensscheuen Herzen haben, könnten wir sie darin gut begreifen.
Aber der Herr Jesus hatte für sie eine außergewöhnliche Ermunterung bereit, die sie bis zu ihrem Lebensende auf dieser Erde begleiten sollte. Sie wurden nicht nur Zeugen der „Leiden, die auf Christus kommen sollten“, sondern durften vorher noch mit ihren leiblichen Augen einige Momente lang die „Herrlichkeiten danach“ schauen (1. Pet 1,11) und „das Reich Gottes, in Macht gekommen“, sehen (Mk 9,1).
„Es geschah aber etwa acht Tage nach diesen Worten, dass er Petrus und Johannes und Jakobus mitnahm und auf den Berg stieg, um zu beten“ (Lk 9,28). - Weshalb gerade diese drei Jünger? Sie werden nach der Auferstehung Christi ganz besonders als seine Zeugen hervortreten und müssen daher auch die Feindschaft und den Widerstand der Welt in stärkerem Maß erfahren. Jakobus wird als der erste der Zwölfe durch Herodes den Märtyrertod erleiden. Petrus wird verschiedene Verfolgungen ertragen müssen, aber vom Herrn daraus befreit werden (Apg 12). Schließlich wird aber auch ihn dasselbe Los treffen (Joh 21,18.19). Johannes, ein „Mitgenosse in der Drangsal“, wird zu einem späteren Zeitpunkt um des Zeugnisses Jesu willen auf die Insel Patmos verbannt werden (Off 1,9).
Petrus sollte noch um einer anderen Ursache willen diesem Geschehen beiwohnen: Dies befähigte ihn, die Gläubigen aus der Beschneidung später mit umso mehr Kraft auf das prophetische Wort bezüglich des kommenden Reiches hinzuweisen (2. Pet 1,16-20).
„Und während er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders, und sein Gewand weiß, strahlend“ (Lk 9,29). - Als Mensch, in der Stellung der Abhängigkeit, wurde Jesus vor ihnen umgestaltet, und es entfaltete sich vor ihren Blicken eine Szene, die das künftige Reich des Sohnes des Menschen in seiner sichtbaren Herrlichkeit darstellte.
Das Angesicht des Herrn begann zu leuchten wie die Sonne (Mt 17,2). So wird Er ja einst für Israel die „Sonne der Gerechtigkeit“ sein, „mit Heilung in ihren Flügeln“ (Mal 3,20). Auch sein Gewand wurde weiß, strahlend oder wie es in Markus 9,3 heißt: „glänzend, sehr weiß, wie kein Walker auf der Erde weiß machen kann“. Er wird dann in himmlischer Herrlichkeit erscheinen.
„Und siehe, zwei Männer unterredeten sich mit ihm, welche Mose und Elia waren“ (Lk 9,30). - Jesus Christus wird an jenem Tag aber auch „verherrlicht … werden in seinen Heiligen und bewundert … werden in allen denen, die geglaubt haben“ (2. Thes 1,10). Von diesen Heiligen, die den himmlischen Teil seines Reiches darstellen werden, sind Mose und Elia, die hier vom Himmel her kamen, die Vertreter. Mose stellt die Gläubigen dar, die durch den Tod gingen, Elia jene, die entrückt werden. Die drei auf der Erde lebenden Jünger sind ein Bild vom Überrest Israels - dem irdischen Teil des Reiches - der den Messias im Glauben aufnehmen wird.
„Diese erschienen in Herrlichkeit und besprachen seinen Ausgang, den er in Jerusalem erfüllen sollte“ (Lk 9,31). - Mose und Elia, die das Gesetz und die Propheten verkörperten, konnten das Volk aufgrund des Gesetzes nicht zu einer wahren Nachfolge des HERRN führen. Sie unterredeten sich hier mit dem Herrn und besprachen seinen Ausgang, den Er in Jerusalem nehmen sollte. Kraft seines Erlösungswerkes am Kreuz werden einst auch dem irdischen Volk ein neues Herz und ein neuer Geist gegeben werden; erst dann wird es Ihm in Wahrheit mit Hingabe und Eifer dienen.
Wie verhielten sich die Jünger angesichts dieser wunderbaren Szene? „Petrus aber und die, die bei ihm waren, waren vom Schlaf beschwert“ (Lk 9,32). - Ach, sind nicht auch wir oft schläfrig, wenn es gilt, die wunderbare Herrlichkeit des Herrn zu betrachten? Lasst uns bedenken, dass es nichts Wichtigeres gibt, keine bessere Nahrung für unsere Herzen, keine reichere und reinere Quelle der Freude, kein wirksameres Mittel zur Absonderung von der Welt, keinen mächtigeren Ansporn zu einem hingebungsvollen und nützlichen Dienst auf der Erde, als die Herrlichkeit des Herrn anzuschauen (vgl. 2. Kor 3,18). Im Himmel wird dies unser ununterbrochenes, glückseliges Teil sein. Warum nicht schon auf der Erde?
Die Jünger hatten hier und in Gethsemane geschlafen, und beide Male wird in Verbindung damit besonders Petrus erwähnt. Oh, es wird bald anders werden, wenn er gründlich zusammengebrochen und von seinem Ich befreit ist! Wie glücklich wird er dann sein, nichts mehr von sich selbst erwarten zu müssen, sondern alles in Christus zu besitzen!
„Als sie aber völlig aufgewacht waren, sahen sie seine Herrlichkeit und die zwei Männer, die bei ihm standen“ (Lk 9,32). - Petrus, wie immer schnell zum Reden, sagte zu Jesus: „Meister, es ist gut, dass wir hier sind; und wir wollen drei Hütten machen, dir eine und Mose eine und Elia eine; und er wusste nicht, was er sagte“ (Lk 9,33). Er hatte nicht lange überlegt. Aber er tat sein Herz kund: Nachdem er völlig aufgewacht war, hätte er so gerne diese Szene der Herrlichkeit festgehalten!
„Als er aber dies sagte, kam eine Wolke und überschattete sie. Sie fürchteten sich aber, als sie in die Wolke eintraten“ (Lk 9,34). - Die Wolke der Herrlichkeit Gottes erscheint, um diese Szene, die das kommende Reich darstellt, zu vervollständigen. Das himmlische Jerusalem, „die Braut, die Frau des Lammes“, durch deren Licht die Nationen auf der Erde wandeln werden, hat nicht nur das Lamm als „Lampe“, sie wird auch durch die „Herrlichkeit Gottes“ erleuchtet (Off 21,9.10.23.24).
Es war eine lichte Wolke, die die Jünger hier überdeckte (Mt 17,5). Sie verdunkelte nicht. Es handelte sich um dieselbe Wolke der Gegenwart Gottes, in der sich einst Mose 40 Tage und 40 Nächte aufhielt, aber dort war sie „wie ein verzehrendes Feuer“ (2. Mo 24,16-18). Sie ruhte einst auch auf der Stiftshütte (2. Mo 40,34.35) und erfüllte später den Tempel, so dass die Priester nicht dastehen konnten (1. Kön 8,10.11).
Wir begreifen, dass die drei Jünger aus dem Volk Israel, die wohl wussten, was diese Wolke bedeutete, sich fürchteten, als diese „prachtvolle Herrlichkeit“ sie umgab. Wenn sie jetzt auch nicht „ein verzehrendes Feuer“ war, weil sie mit Jesus darin waren, so hatten sie doch noch nicht die Freimütigkeit zum Eintritt ins Heiligtum, wie sie für den Glaubenden seit der Erhöhung des Herrn besteht (Heb 10,19). Aber auch wir Christen können nicht wirklich in die Gegenwart Gottes treten, ohne dass uns eine tiefe Ehrfurcht erfüllt.
Und nun „erging eine Stimme aus der Wolke, die sagte: Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört“ (Lk 9,35). - Gott, der Vater, hatte Petrus' Worte vernommen. So wie Er bei der Taufe am Jordan, als sich Jesus mit dem bußfertigen Teil des Volkes einsmachte, sogleich von dessen persönlicher Herrlichkeit Zeugnis gab, so konnte Er auch hier nicht dulden, dass sein Sohn auf die Stufe dieser beiden Männer gestellt wurde, auch wenn diese unter dem Volk und im Herzen von Petrus eine hervorragende Stellung einnahmen. „Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört“, rief nun seine Stimme den Jüngern zu. Das Gesetz „hatte nichts zur Vollendung gebracht“ (Heb 7,19); der Fleisch gewordene Sohn Gottes aber wird jetzt nach dem Willen Gottes durch das Werk am Kreuz die Grundlage dazu legen, dass alle Verheißungen Gottes an sein Volk erfüllt werden und alle seine Ratschlüsse zur Ausführung kommen können. Ihn sollten sie hören. Wer waren Mose und Elia im Vergleich zu Ihm?
„Und als die Stimme erging, wurde Jesus allein gefunden“ (Lk 9,36). - Er ist nicht wie Mose und Elia in den Himmel zurückgekehrt, sondern ging jetzt mit den Jüngern den Berg hinunter, um den Weg nach Jerusalem zu beschreiten und dort „seinen Ausgang“ zu erfüllen. Er hat die Schande, die Leiden und den Tod des Kreuzes auf sich genommen, damit Menschen durch den Glauben an Ihn an seiner Herrlichkeit teilhätten.
Wir fragen uns nun: Haben die drei Jünger die große Ermunterung, die ihnen der Herr durch das Miterleben dieses einzigartigen Geschehens hatte geben wollen, in ihrem ganzen Ausmaß erfasst? Die schon erwähnten Worte des Apostels Petrus, die er, erleuchtet durch den Heiligen Geist, nach vielen Jahren niederschrieb, bestätigen es (2. Pet 1,16-19). Was er dabei gesehen und gelernt und davon behalten hat, können wir in folgende Punkte zusammenfassen:
- Sie waren Augenzeugen der herrlichen Größe unseres Herrn Jesus Christus, in der Er sich einst bei seiner Ankunft in Macht zeigen wird.
- Sie konnten die Stimme des Vaters, die vom Himmel herab seinem Sohn „Ehre und Herrlichkeit“ gab, nicht vergessen.
- Dieses Erlebnis befestigte und belebte in ihren Herzen das prophetische Wort bezüglich des kommenden Reiches.
- Der Ausblick auf das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus war für sie ein mächtiger Ansporn, mit allem Fleiß darzureichen: „im Glauben die Tugend, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren, in dem Ausharren aber die Gottseligkeit, in der Gottseligkeit aber die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe.“ Wer diese Dinge tut, so folgert er, wird niemals straucheln und einen reichen Eingang in dieses Reich haben (2. Pet 1,3-11).
Liebe gläubige Freunde, wir stehen auf demselben Pfad der Nachfolge Christi. Haben auch wir, wie jene Jünger, unser „Hoffnungsseil“ außerhalb der Erde, an dem festen Punkt der künftigen Herrlichkeit festgemacht, um so leichten Schrittes alles zu überwinden, was uns entgegensteht? - Der Herr schenke es uns!