Gedanken über den Brief an die Epheser
Kapitel 1
Verse 1+2
Beachte, wie Paulus seine Apostelschaft vorstellt: „Paulus, Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen“. Dies stellt einen erheblichen Unterschied zu der Einleitung des Galater-Briefes dar: „Paulus, Apostel, nicht von Menschen, noch durch einen Menschen, sondern durch Jesum Christum und Gott, den Vater, der ihn auferweckt hat aus den Toten“. Beide Ausdrucksweisen stehen in Übereinstimmung mit dem Charakter des jeweiligen Briefes, in dem sie gefunden werden. Paulus achtete bei den Galatern sorgfältig darauf, ihnen zu beweisen, dass sein Dienst nicht von Jerusalem als Zentrum ausging, und dass er seine Autorität auch nicht aus menschlicher Vermittlung ableitete, sondern dass alles von Gott ausgegangen war; Er hatte Christus als Mittelpunkt auferweckt. Hier im Epheser-Brief ist es seine Absicht, zu zeigen, dass alle Segnungen der Heiligen in den himmlischen Örtern dem Willen Gottes entspringen (siehe Kap 1,5+9+11); daher stellt er es uns so vor, dass auch seine Apostelschaft den gleichen Ursprung hat.
Verse 3-14
Paulus beginnt nun, wie auch Petrus (1. Pet 1,3), mit einem Lobpreis. Wie hätte er auch diese göttlich großen Tatsachen beschreiben können, ohne in ein solches Lob auszubrechen? Die inspirierten Schreiber waren Kanäle - der Heilige Geist ist für jedes von ihnen geschriebene Wort verantwortlich (1. Kor 2,13) -, doch sie waren nicht bloß empfindungslose Schreibstifte. Ihre Empfindungen und Zuneigungen wurden erregt, ohne Zweifel hervorgerufen durch den Heiligen Geist, und daher schrieb Paulus diese Wahrheiten mit einem anbetenden Herzen nieder.
Er spricht von Gott als dem 'Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus'. Etwas später, in Vers 17 dieses Kapitels, spricht er von dem 'Gott unseres Herrn Jesus Christus', und in Kap 3,14 von dem 'Vater unseres Herrn Jesus Christus'. Dies sind die beiden Namen, unter denen sich Gott uns zu erkennen gegeben hat. Erinnern wir uns an die Worte des Herrn an dem Tage Seiner Auferstehung: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,17).
Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus hat uns gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo. Das steht in direktem Gegensatz zu dem Teil der Juden im Alten Bund. Der HERR hatte sie berufen, sich an zeitlichen Segnungen in irdischen Örtern zu erfreuen, mit Kanaan als ihrem Wohnsitz, mit Körben und Vorräten, mit guten Ernten und Weinlesen usw. Dies waren die ihnen verheißenen Genüsse, wenn sie gehorsam sein würden. Wir jedoch sind nicht zu solchen Dingen berufen. Der Heilige Geist erläutert hier einen tieferen Vorsatz, der vor Grundlegung der Welt in dem Herzen Gottes gefasst worden war: wir sollten mit Seinem Sohn in der himmlischen Herrlichkeit vor Ihm sein. Wenn das so ist, dann müssen wir auch eine dazu passende Natur haben. Könnte der natürliche Mensch bei Gott wohnen und sich dort, wo alles heilig ist, wohl fühlen? Unmöglich, es ist seinem ganzen Wesen entgegengesetzt! Außerdem, angenommen, es wäre möglich, mit einem nicht zur Ruhe gekommenen Gewissen in Seiner Gegenwart sein zu können, wo bliebe dann die Freude und der Genuss daran? Wie gesegnet ist es daher, dass wir 'heilig und tadellos seien vor ihm in Liebe'. 'Heilig', weil wir Seine Natur besitzen; eine Natur, die ihr Teil allein in Gott findet. 'Tadellos' aufgrund des Werkes Christi; denn wer will uns nun irgendetwas zur Last legen? 'In Liebe'; denn Seine Liebe fließt allezeit in unsere Herzen und zu Ihm, der Quelle, wieder zurück.
Und wenn nun der Gott unseres Herrn Jesus Christus in dem Charakter als Vater unseres Herrn Jesus Christus dies getan hat, dann hat Er uns auch 'zuvorbestimmt zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sch selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens'. Das geht noch einen Schritt weiter; nicht nur Natur, sondern Verwandtschaft, Beziehung. Welch eine Gnade! Was können wir dazu beitragen? Den Menschen finden wir hier nicht; alles geschieht nach dem Wohlgefallen Seines Willens. Er will, und das genügt. Er hatte Seine eigene Herrlichkeit im Auge, als Er dies alles für uns getan hatte; deshalb lesen wir: „…zum Preise der Herrlichkeit Seiner Gnade“. Bei Gott ist nicht unsere Segnung der wesentliche Hauptgedanke, sondern Seine eigene Herrlichkeit und die Herrlichkeit Christi.
Wie kostbar ist der Wechsel des Ausdrucks in Vers 6: nicht 'in Christus', sondern 'in dem Geliebten'! Begnadigung ist wohl nicht so sehr der Gedanke hier, sondern eher 'in Gunst gestellt' oder 'angenehm gemacht' - und das in dem Geliebten. Erinnern wir uns an die Worte des Herrn in Johannes 17,23: „…auf dass die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast“. Wie wunderbar! Gegenstände der gleichen göttlichen Zuneigung stehen in der gleichen Beziehung zum Vater.
Dies führt uns zu einer beinahe beiläufigen Erwähnung unseres früheren Zustandes in Vers 7. Es wird hier jedoch nicht entwickelt, denn der Geist will uns mit Gott, mit Seinen Ratschlüssen und Seinem Willen, beschäftigen. In Kapitel 2 wird dann voll und ganz darauf eingegangen, wenn wir eindringlich und ernst daran erinnert werden, wo wir herkommen und was wir gewesen sind. Hier wird nur kurz gesagt, dass wir die Erlösung haben, die Vergebung der Vergehungen, durch Sein Blut. Wir waren vorher Sklaven Satans gewesen und bedurften der Erlösung; wir waren Sünder gewesen und hatten Vergebung nötig.
Darüber hinaus hat Gott uns das Geheimnis Seines Willens kundgetan. Er hat uns Seine große Absicht, alle irdischen und himmlischen Dinge unter Christus als Haupt zusammenzubringen, offenbart. Und Er hat uns unseren Platz der Vereinigung mit Ihm in diesem gewaltigen Ratschluss gezeigt. Welch eine Stellung der Vertraulichkeit (vgl. Joh 15,15)!
Wir dürfen 'die Fülle der Zeiten' in dieser Stelle nicht mit 'der Fülle der Zeit' in Galater 4,4 verwechseln. Der zweite Ausdruck steht in Verbindung mit dem Kommen Christi auf diese Erde. Gott hatte den Menschen während der verschiedenen Haushaltungen auf die unterschiedlichsten Weisen erprobt; und als sich das Geschöpf als hoffnungslos verderbt erwiesen hatte, hatte Er Seinen Sohn gesandt. Das war 'die Fülle der Zeit'. Aber der Ausdruck hier in Epheser 1,10 weist auf den Zeitpunkt hin, an welchem alle Fäden der Ratschlüsse Gottes ausgesponnen sein werden und Christus Seinen Platz als Haupt über alles Himmlische und alles Irdische eingenommen haben und die Versammlung alles mit Ihm teilen wird.
Doch wir sehen hier nicht nur das Teil des Christus als Haupt über alle Dinge im Himmel und auf Erden, sondern auch unser Teil wird vorgestellt: „…in welchem wir auch ein Erbteil erlangt haben“. Herrlicher, wunderbarer Gedanke! Wir sollen mit Ihm alles das teilen, was der Vater Ihm gegeben hat. Dazu sind wir zuvorbestimmt worden „nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rate seines Willens“. Dies führt den Apostel dazu, zu sagen, dass wir zum Preise Seines Willens sein sollen, „die wir zuvor auf den Christus gehofft haben“. Er spricht hier von sich selbst und von seinen jüdischen Mit-Heiligen, die an Christus, Der vor Seinem öffentlichen Auftreten an Seinem Platz zur Rechten Gottes vor der Welt verborgen gewesen war, geglaubt hatten. Die Nation als solche wird nicht an Ihn glauben bis zu dem Tag Seines Erscheinens; sie wird bis zu diesem Zeitpunkt nicht gesegnet sein, und auch dann nur in einer abgeschwächten, geringeren Weise. Dies deutete der Herr dem Thomas gegenüber an, welcher ein bemerkenswertes Bild seines Volkes darstellt: „Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig sind, die nicht gesehen und (doch) geglaubt haben“ (Joh 20,29). Es ist die besondere Stellung der Versammlung, dass sie berufen ist, an einen unsichtbaren Herrn zu glauben und vor Ihm und mit Ihm um so erhabenere Segnungen zu genießen. Aber im Christentum werden die Juden nicht getrennt von denen aus den Nationen gesegnet. Deshalb lesen wir: „…auf welchen auch ihr gehofft, nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils“. Jude und Grieche sind vereinigt worden; beide sind „in einem Leibe mit Gott versöhnt durch das Kreuz“ (Eph 2,16), und beide sind gemeinsam gesegnet.
Das Evangelium wird hier das Evangelium eures Heils genannt. Im Neuen Testament wird auf verschiedene Weise von dem Evangelium gesprochen. Es wird das Evangelium Gottes genannt (Rö 1,1), weil es von Gott kommt und seinen Ursprung in Seinem Herzen hat. Es ist das Evangelium Seines Sohnes (Rö 1,9), weil Christus der Hauptgegenstand ist - es ist das Zeugnis Gottes an die Menschen, das Seinen Sohn betrifft. Es ist auch das Evangelium der Herrlichkeit des Christus (2. Kor 4,4), denn es trägt Zeugnis von der gegenwärtigen Erhöhung Christi als Mensch zur Rechten Gottes in der Herrlichkeit. Es wird auch das Evangelium des Friedens (Eph 6,15) und das Evangelium der Gnade Gottes (Apg 20,24) genannt. Doch hier in Epheser 1,13 spricht Gott von dem Evangelium eures Heils; denn es ist die frohe Botschaft nicht nur davon, dass aufgrund des Blutes Christi alle Sünden vergeben sind und dass in Seinem Tod die Sünde verurteilt worden ist, sondern auch davon, dass der Glaubende in Ihm zu einer vollkommenen Errettung gebracht worden ist, in eine völlig neue Stellung der himmlischen Segnungen vor Gott.
Auf den Glauben an das Evangelium folgt das Siegel des Geistes: „…in welchem ihr auch…versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geiste der Verheißung“. Es ist wichtig, den Unterschied zu erkennen zwischen dem anfänglichen Wirken des Geistes in der Seele, um sie von der Sünde zu überführen und den Glauben an Christus zu bewirken, und dem Versiegeln mit dem Heiligen Geist. Der Geist der Verheißung ist die Gabe Gottes an alle, die das Werk Christi angenommen haben; zuerst das Blut, dann das Öl (3. Mose 8). Doch Er ist nicht nur das Siegel, Er ist auch das Unterpfand unseres Erbes. Wir besitzen das Erbe noch nicht, weil der Erbe Seine Rechte noch nicht tatsächlich erhalten hat, aber alles ist vollkommen sicher, und der Heilige Geist ist das Pfand dafür. 'Die Erlösung des erworbenen Besitzes' blickt voraus auf die Zeit, wenn Christus von allem, was Er erworben hat, Besitz ergreifen wird. Dann wird die Schöpfung freigemacht werden von der Knechtschaft des Verderbnisses (Rö 8,21), und das Umgestalten unserer Leiber in Sein Bild bei Seinem Kommen wird die erste Phase davon sein.
Verse 15-22
Die Verse 15 bis 22 beenden die Einleitung dieses Briefes, und der Apostel hält inne, um für die Heiligen zu beten. Dieses Gebet hier richtet sich an den Gott unseres Herrn Jesus Christus (den Vater der Herrlichkeit, da Er der Urheber derselben ist), und das Gebet in Kap 3,10 an den Vater unseres Herrn Jesus Christus; dies entspricht dem zweifachen Titel in Kap 1,3. Paulus hatte von ihrem Glauben und von ihrer Liebe gehört. Liebe zu allen Heiligen ist das Ergebnis des Glaubens an unseren Herrn. Engherzigkeit entspricht nicht Seinen Gedanken, in welcher Zeit wir auch leben mögen - obwohl sich die Liebe nicht jedem gegenüber in der gleichen Weise kundtun kann. In dem Begleitbrief (an die Kolosser) besteht der Heilige Geist darauf, dass sich bei den Heiligen auch diese kostbare Frucht finden lässt (Kap 3,14).
In diesem Gebet hier gibt es drei Teile. Der Apostel wünschte den Ephesern Kenntnis über
- die Hoffnung Seiner Berufung,
- den Reichtum der Herrlichkeit Seines Erbes in den Heiligen, und
- die überschwängliche Größe Seiner Kraft an uns, den Glaubenden.
Die Berufung haben wir in den Versen 3 bis 5 gesehen: wir sind auserwählt, um heilig und tadellos zu sein vor Ihm in Liebe, und wir besitzen die Sohnschaft nach dem Wohlgefallen Seines Willens. Das Erbteil haben wir in den Versen 9 bis 11 gefunden: wir sind dazu bestimmt, mit Christus, dem Haupt, alle Dinge zu teilen. Beachten wir, dass es Gottes Erbe ist (wie auch Seine Berufung), aber Er erbt es in Seinen Heiligen. Es ist überhaupt nicht gemeint, dass die Heiligen das Erbe bilden, wie manche gemeint haben; eine solche Auffassung findet im Neuen Testament keine Begründung, sondern wird sogar widerlegt. Wir finden dies häufig von Israel gesagt. Und doch hatte Gott das Land Kanaan für Sich reserviert, es war Sein Land; aber Er erbte es in Seinem Volke, während sie Sein Erbe waren.
Der Apostel wünschten den Heiligen, das gewaltige Ausmaß dieser drei Dinge - der Berufung, des Erbes und der Kraft, die Christus aus den Toten auferweckt und Ihn zur Rechten Gottes in den himmlischen Örtern gesetzt und alle Dinge Seinen Füßen unterworfen hat - zu erfassen. Die Macht Gottes ist nicht in der Schöpfung (wie wunderbar diese auch ist) erwiesen worden, sondern in der Auferweckung Seines Sohnes aus den Toten. Er ist in den Tod, wo wir uns befanden, hinab gestiegen und hat unsere Sünden getragen; und Er ist nun in Heiligkeit und Gerechtigkeit zur Rechten Gottes erhöht worden, als Mensch dort angenommen worden, der zweite Adam, das Haupt der neuen Schöpfung. Und die gleiche Macht wird uns bald in die gleiche Herrlichkeit bringen, und unterdessen führt sie uns in die kostbare Bedeutung der Vereinigung mit Ihm dort ein. Dadurch vermögen wir, unserer erhabenen Stellung entsprechend zu wandeln.
Der Ausdruck 'Er hat alles Seinen Füßen unterworfen' ist eine Anführung aus Psalm 8,6. Zu seiner Zeit wird dies gesehen werden; unterdessen ist Er das Haupt des Leibes, der Versammlung. Wunderbarer Gedanke! die Versammlung ist Seine Fülle. Seine gewaltige Gnade hat alles so geordnet, dass Er, das Haupt, ohne Seine Glieder nicht vollständig ist; und Seine Glieder sind die, die durch den Heiligen Geist mit Ihm in der Höhe verbunden sind.