Das Passah des HERRN
Der zehnte Tag
Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass, während der Passah-Monat von nun an für das Volk Israel der erste Monat des Jahres sein sollte, das Lamm nicht an dem ersten Tag dieses Monats geschlachtet werden sollte. Man hätte sich gut vorstellen können, dass der HERR diese neue Zeitrechnung mit der großen Tatsache der Erlösung beginnen lassen würde. Aber wir lesen in Vers 3: „Redet zu der ganzen Gemeinde der Kinder Israel und sprechet: Am zehnten dieses Monats, da nehme sich ein jeder ein Lamm“. Zehn Tage mussten also vergehen, bevor das Opfertier von der Herde weggenommen werden sollte, um getötet zu werden.
Wenn in der Heiligen Schrift Zahlen gebraucht werden, dann haben sie auch eine göttliche Bedeutung. Schon das häufige Vorkommen der Zahlen sieben und zwölf in dem Buch Gottes sind ausreichend, dies jedem aufmerksamen Leser anzudeuten. Hier ist nun schwerlich der Raum, sich damit zu beschäftigen, welche Bedeutung Gott mit all den Zahlen verbunden hat; für unsere jetzige Absicht ist es hinreichend, zu sagen, dass die Zahl zehn das Vollmaß der menschlichen Verantwortlichkeit darstellt. Daher haben wir in 2. Mose 20 zehn Gebote, in Mt 25,1-13 zehn Jungfrauen, und in Lk 19,13 zehn Pfunde. Die zehn Tage hier in Vers 3 sprechen also von den Zeiten der Verantwortung (oder Erprobung), die Gott vergehen ließ, bevor Er Seinen geliebten Sohn sandte - das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt.
Die vergangenen Zeitalter der Verantwortung waren von Gott dazu bestimmt, dem Menschen sein tiefes Bedürfnis nach einem Retter deutlich zu machen; er sollte dadurch bereit sein, Ihn bei Seinem Kommen mit aller Huldigung und Wertschätzung aufzunehmen. Nach der Chronologie von Erzbischof Usher wurde der Mensch so 40 Jahrhunderte hindurch erprobt. Während dieser langen Zeitperiode ging Gott mit Seinen gefallenen Geschöpfen die unterschiedlichsten Wege. Bis zu den Tagen Noahs hatte der Mensch das Zeugnis der Schöpfung und die Stimme des Gewissens. Das Wort Gottes existierte noch nicht, und es gab weder Regenten noch Richter, um Übeltäter zur Rechenschaft zu ziehen. Das Ende dieser Zeit war die Sintflut, als die Erde verderbt war und voll Gewalttat. Als Noah und seine Söhne auf der gereinigten Erde wieder eingesetzt worden waren, richtete Gott das System menschlicher Regierung auf (1. Mose 9,6) - eine gnädige Vorsorge, um die Bosheit im Zaum zu halten. Dieses System versagte sehr schnell; die Trunkenheit Noah', die Gewalttaten Nimrods, der Turmbau zu Babel und der Götzendienst, der schon bald die Erde bedeckte, bewiesen auf allzu traurige Weise, dass Regierung (so ausgezeichnet sie als Einrichtung auch ist) über dieses aufrührerische Wesen des Menschen unfähig ist.
Später wurde das Gesetz mit seinen ernsten 'du sollst nicht' und den begleitenden Drohungen und Flüchen für alle, die es übertreten würden, gegeben. Dieses Gesetz war nur Israel gegeben worden (2. Mose 20,2; Psalm 147,19+20), weil Gott an dieser Nation den moralischen Zustand alles Fleisches darstellen wollte. Die Gebote waren kaum durch den HERRN ausgesprochen worden, als durch das Errichten des goldenen Kalbes auch schon das erste übertreten wurde; und dies war erst der Anfang einer langen Geschichte von Übertretungen, die ihren Höhepunkt in der Ermordung des Sohnes Gottes fand, Der durch gesetzlose Menschen gezwungen wurde, den gleichen blutigen Weg einzuschlagen, wie jeder andere auch, der jemals versucht hatte, Gott vor die Gewissen der Menschen zu bringen. Das Gleichnis von dem Weingärtner in Mt 21,33-46 erklärt anschaulich diese armselige Geschichte des Menschen.
Folglich bewies der Mensch während 40 Jahrhunderten, dass auch unter den verschiedensten Umständen und Verhältnissen nur Böses in seinem Herzen ist. Als diese schreckliche Tatsache völlig bewiesen war, sandte Gott Seinen Sohn. „Denn Christus ist, als wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben“ (Röm 5,6). Gottes 'bestimmte Zeit' wird hier in Vers 3 bildlich in dem zehnten Tag dargestellt. Möchten doch alle Menschen die Belehrung hiervon verstehen - sie würden dann alle Bemühungen nach eigener Frömmigkeit und Stärke aufgeben und sich allein In Christus rühmen!