Es werde Licht
Der lange Leibrock (Kapitel 37)
Joseph war der von Gott Geliebte, der Abgesonderte unter seinen Brüdern, darum diente ihm alles zum Besten (1. Mo 49, 26). Durch ihn wollte Gott Seinen Heilsplan am Hause Israels erfüllen: Joseph sollte ihr Erhalter werden. Aber nicht nur ein Erhalter der Stämme Israels sollte er werden, sondern - weit über diese Grenze hinaus - auch Erhalter Ägyptens, Erhalter der Welt.
Gott wählt Seine Werkzeuge selbst aus (1. Sam 16, 6-13) und rüstet sie lange zu. Joseph wird ausgewählt aus einer großen Brüderschar. Gott lässt Seine Wahl auch nicht immer früh und nicht immer gleich jeden sichtbar werden. 17 Jahre ist Joseph alt, als seine Geschichte beginnt. Seine Liebe zu Gottes Wort das ihm der Vater gewiss schon früh nahegebracht hat, und seine Gottesfurcht bewirken, dass da Verhältnis des Vaters zu ihm weit inniger ist a das zu den Brüdern. Jakob lässt Joseph einen langen Leibrock machen, ein langes Ärmelkleid, wie es Kinder von Vornehmen zu tragen pflegen. Ahnte Jakob, dass Joseph zu etwas Besonderem berufen ist? All dies erregt den Neid der Brüder.
Durch Josephs Träume deutet Gott nun selbst an, dass Joseph zu Hohem ausersehen ist (Hiob 33, 15.16). Als Joseph die Träume in der Familie erzählt, wird der Neid der Brüder noch größer. Sie beginnen zu ihn hassen und grüßen ihn nicht mehr. Selbst sein Vater erkennt in den Träumen nicht, dass Gott sich in Seinem Vorhaben offenbaren will und schilt Joseph wegen dieser ihm anmaßend erscheinenden Überheblichkeit.
Gott selbst hat Joseph zu Hohem berufen. Aber bis sich dies erfüllt, sollen noch viele Jahre vergehen, Jahre der Zurüstung und der Erprobung. Zunächst muss sich das ausersehene Werkzeug bewähren. Zunächst gilt es, im Kleinen treu zu sein (Lk 16, 10). Joseph bekommt einen schweren Auftrag. Er soll die Brüder draußen auf dem Feld bei den Herden aufsuchen und nach ihrem Wohlergehen fragen. Joseph weiß, dass der Weg weit und gefährlich ist. Und er weiß um den Hass der Brüder. Aber er ist bereit zu gehen. Er ist gehorsam: „Hier bin ich“, antwortet er, als der Vater ihn senden will.
Von Hebron nach Sichern sind es mehrere Tage Fußmarsch. Dothan liegt weitere sieben Stunden nördlich von Sichern. Und Sichern ist für die Söhne Jakobs ein gefährlicher Ort. Aber Joseph ist bereit, gehorsam den Willen des Vaters zu erfüllen. Doch was mag in seinem Herzen vorgehen, als er dort auf dem Felde umherirrt?
Dann findet Joseph die Brüder. Diese sehen ihn schon von weitem kommen. Aber sie freuen sich nicht über sein Kommen. Sie haben schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, ihn zu beseitigen, seine Erhöhung zu vereiteln.
„Siehe, da kommt jener Träumer! So kommt nun und lasst uns ihn erschlagen ... und wir wollen sehen, was aus seinen Träumen wird.“
Sie ziehen ihm den langen Leibrock aus. Dann werfen sie den Bruder in eine Zisterne, die ausgetrocknet ist. Mag der Verhasste darin umkommen, verhungern oder verdursten (Mt 21, 37-39)!
Es ist das Werk weniger Minuten. Es trägt sich zu an der Karawanenstraße, die von Syrien nach Ägypten hinabführt. Kein Mitleid, kein Erbarmen mit dem, der vom Vater gesandt, sich freiwillig aufgemacht hat, um nach ihrem Wohlergehen zu sehen! - Sie setzen sich nieder, um zu essen.
Da taucht eine Karawane auf. Es sind ismaelitische Kaufleute aus dem Ostjordanland, die nach Ägypten hinabziehen (Apg 7, 9). An diese wird Joseph verkauft. So braucht man nicht Hand an ihn zu legen, und niemand kann nachher sagen, sie hätten den ‚Träumer' umgebracht. Und der Erlös aus dem Handel, 20 Silberlinge, ist auch nicht zu verachten (Amos 6,6). Er entspricht zwar nicht ganz dem Kaufpreis für einen Sklaven, der sonst 30 Silberlinge beträgt (Sach 11, 12.13). Aber man ist zufrieden. Juda hat einen guten Rat gegeben.
Hat denn keiner von ihnen Josephs Angst gesehen?
„Ich habe auf Mitleiden gewartet, und da war keines, und auf Tröster, und ich habe keine gefunden.“ (Psalm 69, 20)