Das Kommen des Herrn
Die Verantwortung der Christen (Mt 13,24-30)
Matthäus 13, 24–30
Der uns zur Betrachtung vorliegende Abschnitt stellt uns die ernste Seite von der Wahrheit der Wiederkunft unseres geliebten Herrn dar. Andere Schriftabschnitte lassen uns die Segnungen und die freudige Erwartung der Kinder Gottes erkennen, gegründet auf die fest zugesagte Verheißung des Herrn, dass er wiederkommen werde, und wir können sagen, dass ihr Warten auf die Erfüllung dieser Verheißung ihr ganzes Denken und Handeln beeinflusste. Es ist jedoch von großer Wichtigkeit, auch die ernste Seite dieser Tatsache ins Auge zu fassen, um sich über die Folgen und Auswirkungen der damit verbundenen Verantwortlichkeit klar zu werden.
Das Kommen des Herrn ist von zweifacher Bedeutung. Mit Bezug auf die bekennende Christenheit und auf die ganze übrige Welt wird es in der Schrift seine „Erscheinung“ genannt, weil es sich darum handelt, dass dabei die Folgen ihrer Verantwortlichkeit offenbar werden. Was aber den Leib Christi betrifft, so spricht sie von diesem Ereignis als seiner „Ankunft“ und unseres Versammeltwerdens zu ihm hin.
Die Christenheit als ein verantwortliches Ganzes in der Welt zu betrachten, ist eine Sache für sich, und eine andere Sache ist es, sie als mit ihm vereinigt anzusehen. Wenn wir die hier von Gott eingerichtete Haushaltung betrachten und zugleich deren völliges Versagen, so verstehen wir, dass sie eben dieses Versagens wegen von Gott gerichtet werden muss, wie auch jede andere von Gott eingeführte Haushaltung – wobei wir berücksichtigen müssen, dass eine jede zunächst auf der Grundlage der Verantwortlichkeit des Menschen errichtet wurde. In der Geschichte des Menschen hat es nie etwas anderes als Fehlschläge gegeben. Wenn wir die Schriften, die uns die Geschichte des Menschen von seiner Erschaffung an berichten, von Anfang bis zu Ende erforschen, so finden wir nichts als immer wieder nur Fehlschläge. Adam hatte in allem, was ihm von Gott anvertraut worden war, gänzlich versagt; und als das Gesetz gegeben wurde, da hatte der Mensch schon das goldene Kalb gemacht, um es anzubeten; sogar schon bevor Moses mit den Gesetzestafeln vom Berg herabgekommen war. Als Aaron und seine Söhne zu Priestern geweiht worden waren, brachten sie am achten Tag, dem ersten Tag ihres Dienstes, schon fremdes Feuer dar. Die Folge davon war, dass Aaron der freie und ungehinderte Zugang zum Heiligtum für alle Zeiten versagt blieb. Gott hatte Salomo, als dem Sohn Davids, Herrlichkeit und Reichtümer gegeben, aber durch die fremden Frauen wandte sein Herz sich von ihm ab, er verfiel in Götzendienst und das Königreich wurde geteilt. Gott hatte Nebukadnezar mit Macht und Gewalt ausgestattet und er wurde zum Haupt von Gold unter den Heiden: aber er verfiel in Hochmut und übergab die Heiligen dem Feuer. Sieben Jahre lang (ein Bild von dem Reich der Heiden) hatte er seinen Verstand verloren und fraß Gras wie ein Rind. So war es in jeder Hinsicht immer wieder dasselbe. So ist es mit der Christenheit, und kein Mensch kann es ändern. Paulus sagte, dass nach seinem Abschied verderbliche Wölfe hereinkommen werden. Danach wird der Abfall kommen und der Antichrist völlig geoffenbart werden. Die Kirche selbst, als ein System, welches der Verantwortung des Menschen übergeben wurde, ist nichts als ein einziger Fehlschlag gewesen.
Alles war in dem ersten Adam beschlossen, aber er versagte. Alles wird in dem zweiten Adam wiederhergestellt. Er ist vollkommen und hat überwunden. Und doch ist es so schwierig, die Gläubigen dahin zu bringen, dass sie sich der neuen Stellung, die sich allein auf die Versöhnung durch Christus und seine Auferstehung gründet, in vollkommener Weise bewusst werden. Der erste Adam versagte und er wurde vertrieben. Der zweite Adam ist, in seiner Vollkommenheit, in ein besseres Paradies eingegangen. So ist es mit allem. Denn dasselbe Gesetz, das der Mensch gebrochen hatte, wird nun in sein Herz eingeschrieben. Christus wird als der wahre Sohn Davids erkannt werden, und Christus wird einmal die Herrschaft über die Heidenvölker antreten. Wenn also die Christenheit ihrer Verantwortung nicht entsprochen hat, so wird dennoch der Christus in seinen Heiligen verherrlicht und in allen Gläubigen bewundert werden. Unter welchen Verhältnissen Gott den Menschen auch immer erprobt hat, der Mensch hat, wie die Schrift uns lehrt, dieser Verantwortung nicht entsprochen. Dennoch wird Gott seine Absichten in seiner Langmut und Gnade zur Ausführung bringen, bis einmal alles in Christus erfüllt sein wird.
Wenn wir nun diese Verantwortung genauer betrachten, so finden wir, dass sie auf zwei verschiedene Weise zur Anwendung kommt; einmal in Bezug auf die bekennende Kirche, und zweitens in Bezug auf die Gewaltherrschaft auf der Erde, wie sie uns in den „Tieren“ gezeigt wird. In beiden Fällen finden wir die Verderbnis, oder offene Feindschaft gegen Gott. Das, was wir unter der Kirche verstehen, wird von Gott völlig verworfen, ausgespieen.
Die Belehrung der Schrift sagt nichts davon, dass es unsere Aufgabe sei, die Erde mit Segnungen zu erfüllen; genau das Gegenteil ist der Fall. Das Böse, von Satan unter die Saat des Christentums gemischt, wird erst zur Zeit der Ernte beseitigt werden. Ein solcher Gedanke ist zwar demütigend für uns, gibt aber noch keinen Anlass zu verzweifeln; denn der Herr ist treu! Es ist vielmehr eine Veranlassung für alle diejenigen, die durch die Gnade Gottes errettet sind, mehr in Übereinstimmung mit ihm in dieser Gnade zu wandeln. Nichtsdestoweniger ist es eine ernste Sache, wenn es sich bei dem, was wir zu erwarten haben, um die Verwerfung der bekennenden Kirche handelt.
Im räumlichen Sinn war das Christentum im sechsten Jahrhundert weiter ausgebreitet als heute: die damalige Welt war mit der Wahrheit des Evangeliums besser vertraut als zur heutigen Zeit. Was der stolze Mensch auch immer über Fortschritte und dergleichen sagen mag, ein großer Teil der damals christlichen Welt, der von Christus gehört hatte, ist jetzt mit der Lehre Mohammeds und dem Papsttum überschwemmt, und wo dies nicht der Fall ist, sind Unglaube und Ritualismus (Puseyismus) vorherrschend geworden.
Aber gerade dieser Umstand erfordert die ernste Aufmerksamkeit aller derer, die den Geist Gottes haben. Ganz sicherlich wirkt Er auch in unsern Tagen in besonderer Weise, und gerade die Überflutung durch das Böse gibt uns den größten Anlass, Fleiß und Tatkraft zu zeigen. Wir sollten zwar allezeit fleißig und tätig sein, aber der Ansturm des Bösen macht das ganz besonders erforderlich, gerade wie in den Tagen Noahs, als das Gericht über die Erde nahe bevorstand.
Die falsche Vorstellung von einer Bekehrung der ganzen Welt kann wohl eine Zeit lang als Anregung zur Kräfteentfaltung dienen, aber sie verwischt die klare Vorstellung von dem, was Gott ist, und schwächt die Autorität des Wortes Gottes, das von einer solchen Hoffnung nichts weiß. Wenn man dann allmählich herausfindet, dass das Böse trotzdem seinen Fortgang nimmt und dass die Welt immer noch nicht bekehrt ist, so wird der Glaube zerstört und der Unglaube muss an seine Stelle treten.
Das Böse, wie es jetzt wirksam ist, war schon von Anfang an vorausgesagt; es wird – wie die Schrift sagt – auch weiterhin tätig sein, solange, bis Gott ins Mittel tritt, und wird erst zur Zeit der Ernte beseitigt werden. Das ist die klare Unterweisung des uns zur Betrachtung vorliegenden Gleichnisses in Matthäus 13, 24–30. Es ist ein Gleichnis vom Reich der Himmel. Viele Leute meinen, dass das Reich der Himmel dasselbe sei wie die Kirche Gottes; das ist aber keineswegs der Fall; obgleich diejenigen Personen, welche die Kirche oder Versammlung darstellen, auch mit in dem Reich der Himmel sind. Wenn wir einen Augenblick annehmen wollten, Christus wäre nicht verworfen worden, so würde er das Reich auf der Erde errichtet haben. Das konnte natürlich nicht sein, aber dieser Gedanke zeigt doch den Unterschied zwischen dem Reich und der Kirche. Tatsächlich war das Reich Gottes da, und zwar in der Person Christi, des Königs. Jedoch zur Zeit, da er auf der Erde war, konnte es nicht das Reich der Himmel sein. Aber da Christus verworfen wurde, konnte er es in seiner äußeren Form nicht aufrichten und daraufhin nahm er seinen Platz im Himmel ein. Das Herrschaftsgebiet Christi ist also im Himmel. Die Himmel herrschen und das Reich ist daher immer ein Reich der Himmel, weil der König im Himmel ist; zur Zeit des Endes wird es allerdings sozusagen unterteilt werden, und zwar in das Reich des Vaters, den himmlischen Teil, und das Reich des Sohnes des Menschen, den irdischen Teil. Wenn wir das Reich der Himmel als die Herrschaft Christi – solange er als König droben im Himmel ist – verstehen, so ist alles sehr einfach und klar. Wenn Christus sein Reich hier auf der Erde im Volk Israel aufgerichtet hätte, so wäre das nicht das Reich der Himmel gewesen, weil er nicht im Himmel war. Daher wird gesagt: „das Reich Gottes ist mitten unter euch“, aber: „das Reich der Himmel ist nahe gekommen“. Das Evangelium ist das einzige Mittel, um Seelen in das Reich einführen zu können, und solche sind dann Söhne des Reiches. Aber auch Satan wirkt und sät Unkraut innerhalb der Grenzen des Reiches, und dennoch gehören die erretteten Seelen zum Reich. Denken wir an Papsttum, Islam und jede Art von Ketzerei – diese sind das Unkraut, welches an derselben Stelle gesät wird, wo auch der gute Same gesät wurde. Die Kirche an sich bedeutet (oder eigentlich: ist) eine Versammlung – eine Vorstellung, die mit den Gedanken des Reiches gar nichts zu tun hat.
Das am Anfang des Kapitels Matthäus 13 stehende Gleichnis ist kein Gleichnis vom Reich der Himmel. Wir finden fort, dass Christus als der Sämann den guten Samen sät. Ein Reich aber ist ein Gebiet, wo jemand als ein König herrscht. Christus wird uns einfach vorgestellt als der, welcher den guten Samen in die Herzen der Menschen sät. Das Gleichnis beschreibt nicht das Reich der Himmel, oder wie dieses Reich durch seinen König zu Anfang auf der Erde aufgerichtet worden wäre, es ist durchaus individuell in seinem Charakter. – Bei dem Gleichnis von dem Unkraut und bei den beiden darauffolgenden Gleichnissen handelt es sich jedoch um das Reich der Himmel. Diese Gleichnisse zeigen in den äußeren Erscheinungen, wie sich die Tatsache, dass Christus als König im Himmel ist, für die Welt auswirkt. Wir sehen, dass diese drei Gleichnissen zu der Menge des Volkes gesprochen werden, wogegen die Auslegung vom Unkraut und dem Weizen nur für die Jünger gegeben wird. Dadurch wird ihnen das Vorhaben und die Absichten Gottes klar gemacht: das Handeln der göttlichen Weisheit, also nicht die bloßen Folgeerscheinungen in der Welt.
Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen zeigt uns den Erfolg des Evangeliums in der Welt, äußerlich gesehen. Im nächsten Gleichnis ist es ein sehr großer Baum. Ein großer Baum ist in der Schrift ein Bild von großer Macht und Gewalt, und das ist die Christenheit in der Welt aus einem kleinen Samen heraus geworden: eine große politische Macht, ebenso wie die Reiche dieser Welt. Das nächste Gleichnis zeigt es als eine Lehre, die eine in genauen Abmessungen festgelegte Menge durchdringt, sowie ein wenig Sauerteig die ganze Masse durchsäuert.
Dann kommt der Herr ins Haus und teilt ihnen nun die Gedanken Gottes über diese Dinge mit (Mt 13, 36). „Dann entließ er die Volksmengen und kam in das Haus, und seine Jünger traten zu ihm und sprachen: Deute uns das Gleichnis vom Unkraut des Ackers.“ Die Knechte fragen, ob sie das Unkraut zusammenlesen sollen, und es wird ihnen verboten. Gericht oder Auslese in dieser Welt auszuführen, ist nicht das Teil der Gläubigen. Es ist nicht unsere Aufgabe, das Böse in der Welt durch Verfolgung auszurotten; denn wie oft ist dabei statt dessen der Weizen ausgerauft worden. Beides muss auf dem Acker, das ist die Welt, zusammen wachsen bis zur Ernte. „Er aber sprach: Nein, damit ihr nicht etwa beim Zusammenlesen des Unkrautes mit demselben den Weizen ausrauft. Lasst es beides zusammen wachsen bis zur Ernte.“ Wir lernen daraus, dass das Christentum sich nicht überall ausbreitet, und dass, wo es sich ausbreitet, es verdorben wird. Wenn wir die heutige Christenheit ansehen, finden wir dies nur bestätigt. Wir sehen, wie das Unkraut gesät wurde und aufgegangen ist, wie falsche Lehren sich eingeschlichen haben: Papisterei und jede Art von Irrlehren. – Danach, als Jesus die Volksmengen entlassen hatte, trat er in das Haus und gab seinen Jüngern die Deutung des Gleichnisses.
Wie bereits gesagt, haben wir in diesen Gleichnissen, mit Ausnahme des ersten, zwei verschiedene Punkte zum Inhalt: das äußere Ergebnis und die Enthüllung der Absichten Gottes. So haben wir mit Bezug auf das Gleichnis vom Senfkorn das äußere Ergebnis – es wird ein großer Baum daraus, in der Schrift ein Bild von großer öffentlicher Macht. Der König von Assyrien wird uns als ein großer Baum gezeigt, und ebenso auch der Pharao von Ägypten. Auch Nebukadnezar war ein großer Baum, der abgehauen wurde, dessen Stumpf und Wurzeln aber in der Erde belassen wurden. Das bedeutet also, kurz gesagt, eine große, gewaltige Macht. Und eben das ist es auch, was auch aus der Christenheit geworden ist: eine große Macht in dieser Welt. Das Bild im Gleichnis sagt nichts davon, ob es gut oder böse war, sondern stellt lediglich dar, dass es sich um eine große Macht in der Welt handelt. Der kleine Same der Wahrheit, der zu Anfang gesät wurde, schlug Wurzeln und wuchs, bis ein großer Baum daraus wurde. Ebenso ist es mit dem Sauerteig, der sich innerhalb eines bestimmten Gebietes auswirken konnte, wie dies durch die drei Maß Mehl angedeutet wird; es wirkte so lange, bis die ganze Welt durchsäuert war. Die Lehren der Christenheit haben alles ganz durchdrungen. Aber nichts wird gesagt von dem göttlichen Anspruch oder von der göttlichen Heiligkeit, sondern das Christentum wird als eine öffentliche, äußere Sache dargestellt, die sich über die ganze Welt ausbreitet.
Nachdem er aber die Volksmengen entlassen hat, greift der Herr ein gänzlich anderes Thema auf und gibt eine Erklärung, nicht von dem äußeren Ergebnis, sondern von den Absichten Gottes, die aus den Einzelheiten dieser Gleichnisse erkennbar sind. Und er beginnt damit, indem er von dem Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker eine Deutung gibt. Matthäus 13, 34: „Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zu den Volksmengen ... Dann entließ er die Volksmengen und kam in das Haus; und seine Jünger kamen zu ihm und sprachen: Deute uns das Gleichnis vom Unkraut des Ackers. Er aber antwortete und sprach: Der den guten Samen sät, ist der Sohn des Menschen, der Acker aber ist die Welt“. Beachten wir wie völlig abwegig die so weit verbreitete Ansicht ist, dass hier von der Kirche die Rede sein könnte. Der Sohn des Menschen kommt, um das Evangelium auszustreuen, das Wort Gottes, und zwar in der Welt; nicht in der Kirche. Die Kirche hat das Evangelium bereits empfangen. Die christliche Kirche besteht aus solchen, die entweder nur dem Bekenntnis oder aber auch der Wirklichkeit nach, bereits den guten Samen aufgenommen haben. Der Herr sät den guten Samen in der Welt, nicht aber in der Kirche, denn das ist bereits im Anfang geschehen. Der Acker ist die Welt und nichts wäre verkehrter, als diesen Gedanken auf die Kirche oder irgendeine Angelegenheit der Kirche anwenden zu wollen. „Der Acker ist die Welt; der gute Same aber, dies sind die Söhne des Reiches, das Unkraut aber sind die Söhne des Bösen.“ Es ist aber nicht so, als ob der Weizen nun verdorben wäre. Der Herr wird ihn einbringen und in seine Scheune sammeln. Wohl aber ist die Ernte verdorben. Die Christenheit, als eine äußerliche Sache in dieser Welt, ist verdorben worden durch das Überhandnehmen der Irrtümer und des Bösen. „Der Feind aber, der es gesät hat, ist der Teufel, die Ernte aber ist die Vollendung des Zeitalters.“ Es ist nicht, wie man wohl allgemein sagt, das Ende dieser Welt, sondern „die Vollendung des Zeitalters“. Darüber kann bei niemandem, der den Grundtext kennt, ein Zweifel sein. „Die Schnitter aber sind Engel. Gleichwie nun das Unkraut zusammengelesen und im Feuer verbrannt wird, also wird es in der Vollendung des Zeitalters sein. Der Sohn des Menschen wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Reich alle Ärgernisse zusammenlesen und die das Gesetzlose tun; und sie werden sie in den Feuerofen werfen: da wird sein das Weinen und das Zähneknirschen.“ Das heißt also, dass das Unglück, durch Satan in die Welt gebracht, sich ausbreiten wird, bis der Herr ein gerechtes Gericht über diese Welt bringen wird. Die Verderbtheit in der Christenheit, das Verderben der Ernte – nicht etwa des Weizens, denn Gott nimmt sich dessen an und sammelt ihn in seine Scheune, – als das Verderben der Ernte in seiner äußerlichen, öffentlichen Erscheinungsform, wie sie von Satan selbst verdorben worden ist, wird seinen Fortgang nehmen bis zur Zeit der Ernte. Hierüber erhalten wir nun eine noch etwas ausführlichere Erklärung. Zuerst hören wir, dass das Unkraut in Bündel zusammengelesen und in Bündel gebunden wird, um verbrannt zu werden, und dabei handelt es sich also um die Frucht der verderblichen Grundsätze, die von Satan dort gesät wurden, wo der Same des Evangeliums zuvor ausgestreut war. Danach sammelt der Herr seinen Weizen in seine Scheune, damit die Seinigen auch da seien, wo er ist. Das ist alles, was das Gleichnis uns sagt. Die Deutung des Gleichnisses geht weiter und zeigt das Ergebnis, wie es bei der Erscheinung Jesu offenbar werden wird. „Dann werden die Gerechten (die bereits zuvor gesammelt worden sind) leuchten wie die Sonne in dem Reich ihres Vaters.“ Dagegen werden die Bösen in den Feuerofen geworfen: da wird sein das Weinen und das Zähneknirschen.
Wir haben also zuerst das Unkraut, das wachsen bleibt bis zur Zeit der Ernte; dann sammelt der Herr aus seinem Reich alle Ärgernisse und die das Gesetzlose tun. Darin ist viel an Belehrung enthalten, doch können wir uns nur mit den Grundzügen befassen. Wir sehen aber jedenfalls klar und deutlich, dass, wenn auch der Herr den Weizen in seine Scheune sammelt, die Ernte, die in der Welt gesät wurde, dennoch verdorben ist. Während die Menschen schliefen, kam der Teufel und säte die bösen Grundsätze eines jüdischen oder auch gesetzlichen Geistes, von Sittenverderbnis, Verachtung göttlicher Anordnungen und von falschen Lehren über die Person Christi. Durch alle diese Dinge wird die Ernte verdorben, und dieser Schaden kann bis zur Zeit des Gerichtes in der Welt nie wieder gut gemacht werden.
Durch einen Vergleich mit anderen Schriftstellen werden wir sehen, dass die Christenheit, der für ihre Stellung auf der Erde eine gewisse Verantwortlichkeit auferlegt war, dieser Verantwortung nicht entsprochen hat und daher dem Gericht verfällt.
Wenden wir uns nun zu Römer 11, so werden wir diesen feststehenden Grundsatz dort ohne weiteres erkennen, während wir die sich daraus ergebenden Einzelheiten in anderen Schriftstellen finden. Nachdem er davon gesprochen hat, dass einige der Zweige – die Juden – ausgebrochen worden sind, sagt der Apostel: „...so rühme dich nicht wider die Zweige. Wenn du dich aber wider sie rühmst – du trägst nicht die Wurzel, sondern die Wurzel dich. Du wirst nun sagen: Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde. Recht; sie sind ausgebrochen worden durch den Unglauben; du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich, denn wenn Gott der natürlichen Zweige nicht geschont hat, dass er auch deiner etwa nicht schonen werde. Sieh nun die Güte und Strenge Gottes: gegen die, welche gefallen sind, Strenge; gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst, sonst wirst auch du ausgeschnitten werden ... Denn ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, damit ihr nicht euch selbst klug dünkt: dass Verstockung Israel zum Teil widerfahren ist, bis dass die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird.“ Nun, gerade dadurch, dass sie sich selbst klug dünkte, ist die Kirche zu Fall gekommen. Sie hat die Juden als völlig beiseitegesetzt betrachtet und vergessen, dass die „Gnadengaben und die Berufung Gottes unbereubar“ sind, dass er niemals seinen Vorsatz ändert, dass, obwohl er erschaffen und danach auch wieder vernichten kann, er dennoch seinen Zweck und sein Ziel nicht fallen lässt, und dass, da Gott die Juden als ein Volk berufen hat, er diesen Vorsatz auch gewisslich ausführen wird. Die Christenheit aber ist in ihren Augen weise gewesen und glaubte, dass die Juden beiseite gesetzt worden sind, dass dieses gleiche Schicksal die Kirche niemals treffen könne.
Wir werden aber sehen, dass auch das, was in diesem Kapitel mit Bezug auf die Kirche in ihrer äußeren Erscheinung in der Welt gesagt ist, seine Erfüllung hat, nämlich dass sie, wenn sie nicht an der Güte Gottes bleibt, ausgebrochen werden wird. Das ist die eigentliche Belehrung dieser Schriftstelle, die sich auf diejenigen bezieht, die durch den Glauben stehen, nachdem die natürlichen Zweige ausgeschnitten wurden, und dass die Christenheit nunmehr auf diesem Boden steht, nämlich: wenn sie nicht an der Güte Gottes bleiben, so werden sie ebenso ausgeschnitten werden wie einst die Juden. Die einzige Frage ist, für wie lange ihnen noch die Geduld erwiesen wird. „Du wirst nun sagen: die Zweige sind ausgebrochen worden, auf dass ich eingepfropft würde.“ Ganz richtig! antwortet der Apostel, aber, „sie sind durch den Unglauben ausgebrochen worden, du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich, denn wenn Gott der natürlichen Zweige nicht geschont hat, dass er auch deiner etwa nicht schonen werde. Siehe nun die Güte und die Strenge Gottes“ usw.
Wir fragen nun: Ist die bekennende Christenheit an der Güte Gottes geblieben? Sehen wir nicht Papsttum und Islam an derselben Stelle herrschen, wo zuerst das Christentum eingepflanzt wurde? Sind sie also an der Güte Gottes geblieben? Von einer Wiederherstellung kann keine Rede sein. Ebenso ist es, wenn ein Mann sich gegen ein Gesetz vergangen hat und sagt dann: Ich will es in Zukunft nie wieder tun. Damit wird den Forderungen des Gesetzes nicht entsprochen. „Er ist nicht geblieben in allen Dingen, die im Buch des Gesetzes geschrieben sind, um sie zu tun.“ Wir fragen wiederum: Ist die Kirche an der Güte Gottes geblieben? Entspricht der heutige Zustand in der Christenheit oder ähnelt er auch nur den Forderungen, die Gott zu Anfang des Bestehens der Kirche aufgestellt hat? Hat sich nicht vielmehr die bekennende Kirche den Zeremonien und Sakramenten und allen möglichen anderen Dingen, die mit Christus nichts zu tun haben, zugewandt, um in diesen die Errettung zu suchen? Wir sehen deutlich, dass sie nicht an der Güte Gottes geblieben sind, und unser eigenes Gewissen bezeugt es. Aber – wenn sie nun nicht an der Güte Gottes bleiben, so werden sie, die gesamte Christenheit, ausgeschnitten, und die Juden werden wieder eingepfropft werden. Darüber kann nicht der geringste Zweifel bestehen. „Und auch jene, wenn sie nicht im Unglauben bleiben, werden eingepfropft werden, denn Gott vermag sie wiederum einzupfropfen.“ – „Denn ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, damit ihr nicht euch selbst klug dünkt: dass Verstockung Israel zum Teil widerfahren ist, bis dass die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird.“ Sobald der Herr die wahre Kirche gesammelt und in den Himmel aufgenommen hat, knüpft er seine Beziehungen zu den Juden wieder an.
Wenden wir uns nun dem positiven Zeugnis zu. Was wir bisher gelesen haben war bedingungsweise und zeigte, was eintreten wird, wenn sie nicht an der Güte Gottes bleiben würden. Wir werden nun sehen, ob sie daran geblieben sind. Wir finden, dass der Judasbrief die Einzelheiten in sehr klarer Weise herausstellt, denn er bringt den Lauf der ganzen Geschichte der Christenheit von Anfang bis zum Ende. „Judas, Knecht Jesu Christi und Bruder des Jakobus, den in Gott, dem Vater geliebten und in Jesus Christus bewahrten Berufenen“ – das heißt also, den wahren Gläubigen – „Geliebte, indem ich allen Fleiß anwandte, euch über unser gemeinsames Heil zu schreiben, war ich genötigt, euch zu schreiben und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen.“ Damit will er sagen: Ich hätte euch gern geschrieben, um euch in der Wahrheit aufzuerbauen; aber da das Böse hereingekommen ist, sehe ich mich genötigt, euch statt dessen zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen. „Denn gewisse Menschen haben sich nebeneingeschlichen, die schon vorlängst zu diesem Gericht zuvor aufgezeichnet waren, Gottlose, welche die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren und unseren alleinigen Gebieter und Herrn, Jesus Christus, verleugnen.“
Hier erkennen wir die Ursache des Abfalls, dass sich schon zur Zeit des Apostels Judas gewisse Menschen nebeneingeschlichen hatten und damit das Verderben hereinbrachten. Er warnt davor, da dasselbe auch schon in Israel geschehen war, als es aus Ägypten herausgeführt worden war und dennoch in der Wüste fiel – weil es nicht am Glauben festgehalten hatte. Er verweist auch auf das Beispiel der gefallenen Engel, die ihren ersten Zustand nicht bewahrten, weil sie vom Grundsatz des Gehorsams abgefallen waren. Beachten wir auch die Art und Weise, wie er von diesen Menschen spricht, die sich nebeneingeschlichen hatten, dem Unkraut, das Satan gesät hatte. Vers 14: „Es hat aber auch Henoch, der siebente von Adam, von diesen geweissagt und gesagt: Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende, Gericht auszuführen wider alle und völlig zu überführen alle ihre Gottlosen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben, und von all den harten Worten, welche gottlose Sünder wider ihn geredet haben.“ Er sieht also unter der Leitung des Geistes Gottes die Verderbnis und das Böse, das von diesen Menschen ausgeübt wird, und er sieht, dass es wachsen und reifen muss, bis hin zur Ernte, wie uns auch an anderen Stellen bezeugt wird. Er sagt auch, dass die Ausbreitung des Bösen bereits seinen Anfang genommen hat und daher ermahnt er auch, „für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen.“ Der Herr wird das Gericht ausführen, weil, anstatt dass die Erde durch das Evangelium mit Segen erfüllt worden wäre, die Kirche ganz und gar in Verfall geraten ist. Dass in Übereinstimmung mit der Prophezeiung die Erde mit Segnungen erfüllt werden sollte durch das Volk Israel und nicht durch die Christenheit, vermögen wir ganz klar und deutlich aus anderen Schriftstellen zu erkennen. Im Vergleich mit Römer 11, wo erklärt wird, dass sie ausgeschnitten werden, wenn sie nicht an der Güte Gottes bleiben, haben wir hier eine bemerkenswerte Prophezeiung, die uns sagt, dass sie in der Zeit nicht an der Güte Gottes bleiben werden, und wir sehen darin die ganze Geschichte der Kirche in der Welt von Anfang an bis zum Ende, wo der Herr kommen wird inmitten seiner heiligen Tausende, um das Gericht auszuführen. Dieses Zeugnis ist so klar und einfach wie nur möglich, und wir finden, dass die ganze Schrift, wie es ja auch nicht anders sein kann, mit dieser Wahrheit völlig übereinstimmt.
Wenden wir uns nun den anderen Schriftstellen zu, deren Inhalt nicht bedingungsweise und nur allgemeinen prophetischen Charakters ist, sondern wo uns mit Bezug auf die kommenden Dinge ganz klare Einzelheiten gegeben werden. Im 2. Thessalonicherbrief finden wir die Einzelheiten in der Entwicklung dessen, wovon uns der Judasbrief schon den Ursprung gezeigt hatte. Die Tatsache selbst finden wir in einem mehr allgemeinen Sinn auch im Philipperbrief erwähnt, wo der Apostel sagt: „Denn ich habe niemand gleichgesinnt, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird; denn alle suchen das Ihrige, nicht das, was Jesu Christi ist.“ – Wenn hier gesagt wird, dass sich die Christen in einem solchen Zustand des Niedergangs und des Verfalls befanden, dass sie nicht das, was Jesu Christi war, sondern das Ihrige suchten, so handelt es sich dabei doch ohne Zweifel um einen schon sehr frühen Zeitabschnitt in der Geschichte der Kirche. Im 2. Thessalonicherbrief sehen wir dies dann auch deutlich bestätigt. „Wir bitten euch aber, Brüder, wegen der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und unseres Versammeltwerdens zu ihm hin, dass ihr nicht schnell erschüttert werdet in der Gesinnung, noch erschreckt, weder durch Geist noch durch Wort, noch durch Brief als durch uns, als ob der Tag des Herrn da wäre.“ – Also nicht als ob der Tag des Herrn „nahe“, sondern als ob der Tag des Herrn „da wäre“. Der Ausdruck „nahe“ würde es fast unmöglich machen, den Sinn dieser Schriftstelle herauszufinden; er bedeutet eigentlich „hier“ in demselben Sinn wie das Wort „gegenwärtig“, das im Gegensatz zu etwas Zukünftigem gebraucht wird. Der Sinn der Ausführungen des Apostels liegt allein darin, dass die Thessalonicher glaubten, dass der Tag des Herrn „da“ wäre, dass er bereits gekommen war, und dass ihre Trübsale und die furchtbaren Verfolgungen, die sie zu erdulden hatten, ein Beweis dafür seien, dass der Tag des Herrn tatsächlich schon gekommen war. Der Ausdruck „der Tag des Herrn ist nahe“ wird so oft angewandt, als ob er in dieser Schriftstelle vorkäme, während das tatsächlich durchaus nicht der Fall ist. Die Thessalonicher glaubten nicht, dass er „nahe“, sondern dass er „da“ war, und aus diesem Grund führt der Apostel weiter aus: „Lasst euch von niemand auf irgend eine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme,“ also ein Nichtbleiben an der Güte Gottes. Nachdem nun der Apostel zuvor davon gesprochen hat, dass sie ausgeschnitten werden, wenn sie nicht an der Güte Gottes blieben, haben wir hier die positive Enthüllung oder Prophezeiung davon, dass sie nicht an der Güte Gottes bleiben würden, dass also der Abfall gewiss kommen werde. Außerdem aber auch, dass der Tag des Herrn nicht kommen kann, bevor nicht der Abfall vom Glauben tatsächlich stattgefunden hat. Es liegt also klar auf der Hand, dass anstatt eines Verbleibens der Kirche an der Güte Gottes, genau das Gegenteil eingetreten ist. Der Apostel zeigt weiter, wie der Niedergang fortschreitet: „Lasst euch von niemand auf irgend eine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und geoffenbart worden sei der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, welcher widersteht und sich selbst erhöht über alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, dass er Gott sei. Erinnert ihr euch nicht, dass ich dies zu euch sagte, als ich noch bei euch war? Und jetzt wisst ihr, was zurückhält, dass er zu seiner Zeit geoffenbart werde. Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam.“ Der wichtige Punkt dabei für uns ist, dass es dem Grundsatz nach schon in den Tagen des Apostels wirksam war. Schon damals war der Feind damit beschäftigt, Unkraut zu säen. Jedoch, es war ein „Geheimnis“, es ging im Geheimen und auf verborgenen Wegen vor sich. – Da waren sowohl die Eiferer als auch die Verächter des Gesetzes, welche in Verbindung mit einem verwerflichen Wandel aus der Gnade einen angesehenen Beruf machten und viele andere böse Lehren, wie z.B. die Leugnung der Menschheit Christi. Wir finden sie alle in der Schrift erwähnt und haben nicht erst nötig, sie in der Kirchengeschichte zu suchen. Die Person Christi als Mensch wurde schon ebenso früh geleugnet wie die Gottessohnschaft des Herrn.
Wir finden also, dass das Geheimnis der Gesetzlosigkeit schon zu Zeiten des Apostels wirksam war, und dass es damals nur in seiner völligen Ausbreitung gehindert, nicht aber beiseite gesetzt wurde. Die Zeit seiner Vernichtung wird kommen, wenn Babylon zerstört wird – aber nicht durch die Macht des Wortes. – Wenn wir dies eben kurz betrachten wollen, so finden wir im 17. Kapitel der Offenbarung, dass es die zehn Hörner des Tieres sind, die die große Hure vernichten und mit Feuer verbrennen werden. Dann werden die Menschen noch viel größerer Bosheiten zugänglich sein, indem sie ihre Macht dem Tier geben, und danach kommt das Gericht. – Auf die Schriftstelle im Thessalonicherbrief zurückkommend, hören wir den Apostel: „Schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Weg ist, und dann wird der Gesetzlose geoffenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten durch die Erscheinung seiner Ankunft.“ Hierin liegt nun die überaus wichtige Wahrheit, die die Verantwortlichkeit der Christenheit berührt, dass das, was schon in der Zeit des Apostels das Böse bewirkte, sich weiter entwickelte und weiter entwickeln wird, bis das, was die völlige Entfaltung der Gesetzlosigkeit noch hinderte, aus dem Weg sein wird, und dass dann der Gesetzlose geoffenbart werden wird. Das aber ist, wie bereits gesagt, genau das Entgegengesetzte von einem Bleiben an der Güte Gottes. Wir werden damit vertraut gemacht, dass das, was bisher im Geheimen wirkte, sich immer offener entwickeln und ausreifen wird bis zu einem völligen Offenbarwerden des Menschen der Sünde, den der Herr verzehren und vernichten wird, – „ihn, dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und Zeichen und Wunder der Lüge, und in allem Betrug der Ungerechtigkeit denen, die verloren gehen, darum, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, dass sie der Lüge glauben.“ Das ist das Teil, das der bekennenden Kirche zukommen wird. Sie hat nicht festgehalten an der Wahrheit, der klaren Wahrheit Gottes, und darum wird Gott ihr eine wirksame Kraft des Irrwahns senden, damit sie der Lüge glaubt. „Damit sie alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit“. Der Herr wird dann die Gesetzlosen vernichten, da das Böse völlig geoffenbart ist; es handelt sich dann nicht länger mehr um ein „Geheimnis“ der Gesetzlosigkeit.
Es ist für uns eine sehr ernste Sache, die Wege Gottes in diesem Licht zu sehen, und es ist sicherlich nicht die helle und freundliche Seite davon. Die angenehme Seite sind die Segnungen für die Gläubigen in Verbindung mit dem Kommen des Herrn Jesus, wenn sie zu ihm hin versammelt werden. Der Apostel sagt den Gläubigen, dass sie alle entrückt werden, dem Herrn entgegen in die Luft. Es ist daher unmöglich zu glauben, dass der Tag des Herrn schon da wäre, denn dieser Tag kann die Gläubigen überhaupt nicht mehr auf der Erde antreffen. Es ist ein Tag zur Ausführung des Gerichts an den gottlosen Menschen. Es ist ungefähr so, wie wenn wir uns vorstellen, dass in einem Land ein Aufruhr ausgebrochen ist. Das Landesoberhaupt gibt den Befehl, den Aufruhr durch eine Strafexpedition gewaltsam niederzuwerfen, aber erst nachdem die treu gebliebenen Untertanen samt und sonders in die Hauptstadt geflüchtet und dort in Sicherheit gebracht worden sind. Dabei ist doch selbstverständlich, dass die Strafe an den Aufrührern noch nicht vollzogen werden kann, solange die Getreuen nicht restlos in Sicherheit gebracht wurden. – Aus eben diesem Grund wissen wir auch, dass es sich nicht auf uns beziehen kann, wenn gesagt ist: siehe hier, und siehe dort. Bei einem Juden ist das etwas anderes. Wenn aber einem Juden, der den Messias erwartet, gesagt wird: siehe hier, oder siehe dort, so würde das ein Fallstrick für ihn bedeuten. Wenn es jedoch zu uns gesagt wird, so können wir nur antworten: Unmöglich, denn wir werden dem Herrn entgegengerückt werden in die Luft, wir warten nicht darauf, ihn irgendwo hier auf der Erde zu finden; wir sind aber noch nicht zu ihm hingelangt. Deshalb ermahnt auch der Apostel die Brüder, wegen der Ankunft des Christus und ihres Versammeltwerdens zu ihm hin nicht schnell erschüttert zu werden in der Gesinnung, als ob der Tag des Herrn schon da wäre.
In dem erwähnten Abschnitt sehen wir also deutlich ausgeführt, dass das, was zur Zeit des Apostels schon begonnen hatte, weiter fortschreitet bis Christus zum Gericht erscheinen wird, und eine ebenso eindeutige Erklärung finden wir im 1.Timotheusbrief, Kapitel 4: „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten etliche von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen, die in Heuchelei Lügen reden und betreffs des eigenen Gewissens wie mit einem Brenneisen gehärtet sind.“ Im 3. Kapitel des 2. Timotheusbriefes wird uns dann eine sehr genaue und deutliche Beschreibung dieser späteren Zeiten gegeben: „Dieses aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden, denn die Menschen werden eigenliebig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, heillos, ohne natürliche Liebe, unversöhnlich, Verleumder, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter, verwegen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen.“ Das ist der Charakter der letzten Tage. Eine stark ausgeprägte Form der Gottseligkeit wird da sein und eine ausgeprägte Pflege des Aberglaubens; die Kraft der Gottseligkeit aber wird verleugnet. Das aber ist nicht ein Bleiben an der Güte Gottes, wenn die bekennende Kirche, obwohl sie die stark ausgeprägte Form der Gottseligkeit hat, deren Kraft verleugnet.
Es ist ein bemerkenswertes Zeichen für die Verführungskraft Satans, dass trotz der Klarheit solcher Schriftstellen die sich selbst weise dünkenden Menschen dennoch glauben, Beweisgründe dafür anführen zu können, dass sie auf ihrem Weg bestehen bleiben und dazu noch die ganze Welt mit dem Evangelium erfüllen werden. Sogar dann, wenn schon die Gerichte hereinbrechen, hält man noch an der Erwartung fest, dass die Erde mit ausgedehnten Segnungen erfüllt werde; wohl das stärkste Zeugnis für die Größe der vom Apostel erwähnten Kraft des Irrwahns. Nicht etwa, dass Gott nicht auch weiterhin wirksam ist, um die Menschen aus der Finsternis in das Licht zu retten. Wir haben dasselbe vor der Zerstörung der Stadt Jerusalem: dreitausend Menschen wurden an einem Tag bekehrt. Wenn nun in unserer Zeit dreitausend Seelen an einem Tag errettet werden, wäre das ein Beweis dafür, dass das Tausendjährige Reich bevorsteht? Nein, sondern vielmehr dafür, dass das Gericht hereinbricht. Wegen des an Palästina vollzogenen Gerichtes geschahen diese Dinge und weil der Herr die Seinen vor diesen Gerichten bewahrte, indem er einen jeden, der gerettet werden sollte, seiner Versammlung zuführte. Wenn er nun in der Jetztzeit in besonderer Weise wirksam ist, Seelen zu erretten, so hat das nicht einen Grund darin, dass die ganze Welt mit dem Evangelium erfüllt werden soll, sondern weil die Gerichte über die bekennende Kirche kommen. Der Apostel zeigt, dass der Verfall weitergeht und dass er nicht aufgehalten werden kann. Denn – so sagt er –: „Böse Menschen und Gaukler werden im Bösen fortschreiten, indem sie verführen und verführt werden.“ Und dann gibt er das für solche Umstände alleinige Heilmittel: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast, und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast und weil du von Kind auf die Heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu machen zur Seligkeit, durch den Glauben, der in Christus Jesus ist.“ Das will also sagen: du kannst der Kirche kein Vertrauen schenken, die nur eine Form der Gottseligkeit hat, ihre Kraft aber verleugnet; deine einzige Zuflucht muss in den Heiligen Schriften der Wahrheit sein!
Sehen wir nun in Lukas 18, 6 in Verbindung hiermit, wieweit die bekennende Kirche davon entfernt ist, an der Güte Gottes zu bleiben: „Der Herr aber sprach: Hört was der ungerechte Richter sagt ... Gott aber, sollte er das Recht seiner Auserwählten nicht ausführen, die Tag und Nacht zu ihm schreien, und ist er in Bezug auf sie langsam? Ich sage euch, dass er ihr Recht schnell ausführen wird. Doch wird wohl der Sohn des Menschen, wenn er kommt, den Glauben finden auf der Erde?“ Das sieht nicht danach aus, als ob die ganze Erde von dem Evangelium erfüllt sei. Wohl stellt er die Frage, ob dann noch einzelne da sein werden, die sein Dazwischenkommen, seine Vermittlung, erwarten oder wünschen, aber er sagt nicht, dass es der Fall sein wird. Die Kirche wird dann nicht mehr sein, und die Frage lautet: Werden dann noch solche da sein, die sein Kommen herbeisehnen, oder die darauf warten, dass der Herr auf diese Erde hernieder steigen wird?
In Verbindung mit der Frage, ob das Evangelium noch allen Nationen gepredigt werden wird, wird es gut sein, einige weitere Schriftstellen zu prüfen, an welche meistens bei der Betrachtung dieses Gegenstandes gedacht wird. Das Predigen des Evangeliums hat sicherlich von Anfang stets geschehen und ausgeführt werden sollen von allen denjenigen, denen Gott eine Gabe dazu gegeben hat. Aber darum handelt es sich hier nicht. Die Frage ist, ob nicht die ganze Christenheit in dieser Hinsicht versagt hat, ihrer Verantwortung zu entsprechen. Die Frage ist auch nicht, ob sie die Ausbreitung des Evangeliums hätte bereiten sollen; selbstverständlich hätte sie das. Im sechsten Jahrhundert war das Christentum die alleinige Staatsreligion in einem so gewaltigen Land wie China; einige Überbleibsel sind heute noch davon vorhanden. Die Grenzen des Namenschristentums sind heute im Vergleich zu vergangen Zeiten ganz gewaltig verkürzt. Früher umfassten sie ganz Nordafrika und gewissermaßen die ganze Fläche Asiens. Jetzt sind sie fast ausschließlich auf Europa beschränkt, außer dass sie, zeitgemäß betrachtet, auch die über Amerika zerstreuten Völker umfassen.
Betrachten wir nun die Schriftstellen, die von einer vermeintlichen Vorherrschaft des Evangeliums sprechen. Die Stelle in Matthäus 24 ist eine davon: „Und wegen des Überhandnehmens der Gesetzlosigkeit wird die Liebe der Vielen erkalten; wer aber ausharrt bis ans Ende, dieser wird errettet werden. Und dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreis, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das Ende kommen“, – das Gericht als Abschluss, als Ende dieses Zeitalters. Nichts wird hier davon gesagt, dass der ganze Erdkreis mit Segnungen erfüllt sein wird, und eine solche Annahme würde nur bedeuten, dass man sich selbst weise dünkt. Wohl ist gesagt: „Die Erde wird voll werden von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn“ (Hab 2, 14), aber das Evangelium wird hierbei nicht erwähnt, und trotzdem reden die Menschen im allgemeinen davon, dass dieser gesegnete Zustand durch das Evangelium erreicht werden wird, und sie bilden sich dabei noch ein, dass sie die Macht haben, um dieses mittels des Evangeliums zustande zu bringen.
Betrachten wir nun das 14. Kapitel der Offenbarung, so finden wir es dort noch klarer und deutlicher ausgedrückt, dass das Ende kommt, wenn das Evangelium allen Nationen zu einem Zeugnis gepredigt werden wird. Man hört oft, dass diese Schriftstelle angeführt wird als Beweis dafür, dass das Evangelium noch allen Nationen gepredigt werden wird: was, an sich selbst, gewisslich eine gesegnete Wahrheit ist. Um aber die eigentliche Bedeutung davon zu erkennen, müssen wir die ganze Schriftstelle aus Vers 6 in ihrer Gesamtheit nehmen: „Und ich sah einen anderen Engel inmitten des Himmels fliegen, der das ewige Evangelium hatte, um es denen zu verkündigen, die auf der Erden ansässig sind, und jeder Nation und Stamm und Sprache und Volk, indem er mit lauter Stimme sprach: Fürchtet Gott und gebet ihm Ehre; denn die Stunde seines Gerichtes ist gekommen“. Es ist beinahe ein Wunder zu nennen, wie die Leute die Schrift ohne jedes Verständnis lesen. Wer mehr oder weniger öffentliche Zusammenkünfte besucht und den Stimmen von der Kanzel oder vom Rednerpult her gelauscht hat, wird die Anführung dieser Schriftstelle schon hunderte von Malen gehört haben, und zwar immer in dem Sinne, dass das Evangelium allen Nationen gepredigt werden wird, um die gesamte Welt mit dem Licht der Erkenntnis zu erfüllen. Dagegen zeigt ein einziger Augenblick stillen Nachdenkens, dass die Predigt dieses Evangeliums nur ein Zeichen des kommenden Gerichtes sein kann.
Wenden wir uns nun zu denjenigen Schriftstellen, die davon reden, dass die Erde voll sein wird von der Erkenntnis des Herrn, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken. Zuvor wollen wir aber noch eine Stelle anführen aus Jesaja 26, die uns zeigt, dass dieser Zustand nicht durch das Evangelium, sondern durch die Gerichte erreicht wird. Vers 9: „Mit meiner Seele verlange ich nach dir in der Nacht; ja, mit meinem Geist in meinem Innern suche ich dich früh; denn wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen Gerechtigkeit die Bewohner des Erdkreises. Wird dem Gesetzlosen Gnade erzeigt (d. h. durch das Evangelium!), so lernt er nicht Gerechtigkeit.“ Das Gericht ist also unvermeidlich; die Zeit der Ernte, wie im Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker, muss kommen. „Im Lande der Geradheit handelt er unrecht und sieht nicht die Majestät des Herrn. Herr, deine Hand war hoch erhoben (d. h. unmittelbar vor dem Zuschlagen), sie wollten nicht schauen. Schauen werden sie den Eifer um das Volk und beschämt werden; ja, seine Widersacher, Feuer wird sie verzehren.“
Eine andere Schriftstelle, die meistens angewandt wird, um zu zeigen, dass das Evangelium weiter verkündigt werden soll, um sich auszubreiten, bis es die ganze Erde erfüllt, finden wir in Habakuk 2, 12–14, und wir führen diese Stelle an, um darzulegen, dass sie ganz und gar nicht in dem oben erwähnten Sinn gedeutet werden kann: „Wehe dem, der Städte mit Blut baut und Städte mit Ungerechtigkeit gründet! Siehe, ist es nicht von dem Herrn der Heerscharen, dass Völker fürs Feuer sich abmühen und Völkerschaften vergebens sich plagen? Denn die Erde wird voll werden von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken.“ Die Völker schaffen und arbeiten nur für das Feuer und mühen sich vergebens ab, und dann wird die Herrlichkeit kommen und die ganze Erde erfüllen.
Im 4. Buch Mose, Kapitel 14, finden wir, was es für den Herrn bedeutet, wenn er die ganze Erde mit seiner Herrlichkeit füllen wird. Als das Volk gesündigt und gegen Mose gemurrt hatte, sagte Gott, dass er sie alle vernichten wolle und Mose trat für sie ins Mittel: „Vergib doch die Ungerechtigkeit dieses Volkes nach der Größe deiner Güte, und so wie du diesem Volk verziehen hast von Ägypten an bis hierher! Und der Herr sprach: Ich habe vergeben nach deinem Wort. Doch aber, so wahr ich lebe, soll die ganze Erde von der Herrlichkeit des Herrn erfüllt werden; denn alle die Männer, die meine Herrlichkeit und meine Zeichen gesehen haben, welche ich in Ägypten und in der Wüste getan, und mich nun zehnmal versucht und nicht gehört haben auf meine Stimme, wenn sie das Land sehen werden, dass ich ihren Vätern zugeschworen habe! Ja, alle, die mich verachtet haben, sollen es nicht sehen.“ Es ist doch selbstverständlich, dass dieses das Gericht bedeutet und dass das Erfülltwerden der ganzen Erde mit der Herrlichkeit des Herrn mit dem Evangelium ganz gewiss nichts zu tun hat. Der Herr wird sicherlich die ganze Erde mit seiner Herrlichkeit erfüllen, aber er wird als Mittel hierzu nicht das Evangelium gebrauchen. Ganz gewiss lässt er sein Evangelium verkündigen, und bietet es den Menschen in unendlicher Langmut und Geduld immer wieder an, sie aber verwerfen es, und dann kommt das Gericht!
In einer anderen Schriftstelle, Jesaja 11, finden wir zum Ausdruck gebracht: „Und er wird die Geringen richten in Gerechtigkeit, und den Demütigen des Landes Rechtsprechen in Geradheit, und die Erde schlagen mit der Rute seines Mundes, und mit dem Hauch seiner Lippen den Gesetzlosen töten. Und Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein, und die Treue der Gurt seiner Hüften. – Und der Wolf wird bei dem Lamm weilen ... Man wird nicht übel tun, noch verderbt handeln auf meinem ganzen heiligen Gebirge, denn die Erde wird voll sein der Erkenntnis des Herrn, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.“
Das besagt also: wenn der Herr die Erde schlagen wird, wird er die Gesetzlosen töten. Und weiter heißt es dann: „Und es wird geschehen an jenem Tag, der Wurzelspross Isais, welcher dasteht als Panier der Völker, nach ihm werden die Nationen fragen; und seine Ruhestätte wird Herrlichkeit sein. – Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird der Herr seine Hand noch zum zweiten Male ausstrecken, um den Überrest seines Volkes, der übrigbleiben wird, loszukaufen aus Assyrien und aus Ägypten.“ Das heißt, der Herr sammelt die Juden, und er tötet die Gesetzlosen; und dann wird die Erde voll sein der Erkenntnis des Herrn. Und die Bedränger der Juden werden ausgerottet werden. „Ephraim wird Juda nicht beneiden, und Juda wird Ephraim nicht bedrängen. Und sie werden den Philistern auf die Schultern fliegen gegen Westen, werden miteinander plündern die Söhne des Ostens“ usw. (Jes 11, 13. 14); woraus wir wiederum sehen, dass das Gericht auf der Erde zur Ausführung kommen wird.
Wenden wir uns nun zum 66. Kapitel in Jesaja, wo ebenfalls von der Herrlichkeit des Herrn die Rede ist. Beim Lesen dieser Schriftstellen, die so oft angeführt werden, ist es stets von besonderer Wichtigkeit, sie im Zusammenhang zu lesen. Gemäß dieser Stelle nun wird die Herrlichkeit des Herrn durch Feuer und durch Schwert eingeführt. Vers 15: „Denn siehe, der Herr wird kommen im Feuer, und seine Wagen sind wie der Sturmwind, um seinen Zorn zu vergelten in Glut und sein Schelten in Feuerflammen. Denn durch Feuer und durch sein Schwert wird der Herr Gericht üben an allem Fleisch, und der Erschlagenen des Herrn werden viele sein ... Und ich – ihre Werke und ihre Gedanken sind vor mir, es kommt die Zeit, alle Nationen und Sprachen zu versammeln; und sie werden kommen und meine Herrlichkeit sehen.“ Die Herrlichkeit des Herrn kommt hier in Verbindung mit dem Gericht; vom Evangelium ist überhaupt nicht die Rede.
Wir haben also die drei folgenden Punkte festzuhalten. Zuerst die Feststellung, dass, nachdem Gott den guten Samen gesät hatte, sogleich der Feind kam und auch das Böse säte. Danach haben wir die bedingungsweise gegebene Erklärung, dass die bekennende Kirche, als andere Erscheinungsform gesehen, ausgebrochen werden würde, wenn sie nicht an der Güte Gottes bliebe. Und schließlich wird uns erklärt, dass das Böse, das schon zu Zeiten der Apostel wirksam war, in der Entwicklung weiter fortschreiten würde, bis zum Ende hin, wobei der Herr das öffentliche Offenbarwerden des Bösen noch bis zur Zeit der mit dem Kommen Christi in Verbindung stehenden Gerichte zurückhalten würde, bis die Vollzahl aus den Nationen eingegangen sei und dass dann das Böse beiseite gesetzt würde; ferner auch, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein und der Antichrist kommen würde. Ebenso haben wir gesehen dass alle die Schriftstellen, die davon sprechen, dass die ganze Erde erfüllt sein wird mit der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, stets mit den kommenden Gerichten in Verbindung stehen, und dass der Gesetzlose, wenn ihm wie durch das Evangelium, Gnade erwiesen wird, die Gerechtigkeit nicht lernen wird. Im Buch der Offenbarung finden wir weiteres an Einzelheiten über den Verfall und über den Charakter der Wirksamkeit des Bösen. Bevor wir uns jedoch der Offenbarung zuwenden, stellen wir noch fest, dass Verderben und Gewalt die beiden großen Grundzüge von Anfang an gewesen sind. Schon vor der großen Flut (Sintflut) war die Erde voller Verderben und Gewalttat in den Augen Gottes. In der Offenbarung ist „Babylon“ der Ausdruck des Verderbens, während das „Tier“ der Ausdruck der Gewalt ist. Wir können an dieser Stelle nicht auf weitere Einzelheiten dieses Gegenstandes eingehen, aber doch ist es gut, darauf hinzuweisen, dass eines in das andere hineingreift. Im 17. Kapitel bezeichnet der Ausdruck „die große Hure“ die Gewalt oder die Macht des Verderbens. Im 15. Vers heißt es: „Die Wasser, die du sahst, wo die Hure sitzt, sind Völker und Völkerscharen und Nationen und Sprachen. Damit ist der Einfluss gemeint, den die abtrünnige Christenheit schon von jeher auf die Völker ausgeübt hat. „Und die zehn Hörner, die du sahst, und das Tier, diese werden die Hure hassen und werden sie öde und nackt machen und werden ihr Fleisch fressen und sie mit Feuer verbrennen.“ Das ist ganz selbstverständlich nicht das Evangelium, sondern das Ende des Verderbens durch Gewalttätigkeit. „Denn Gott hat in ihre Herzen gegeben, seinen Sinn zu tun und in einem Sinn zu handeln, und ihr Königreich dem Tiere zu geben.“ Also, nicht dem Sohn des Menschen wird das Reich gegeben, wenn Babylon vernichtet worden ist, sondern dem Tier wird es gegeben. Die Übertragung aller weltlichen Macht auf das Tier ist die Folge der Vernichtung dieses ganzen, verderblichen Einflusses auf das äußerliche Namenschristentum, die Folge der ganzen Verdorbenheit des römisch-päpstlichen Systems, das bis dahin der Mittelpunkt von allem war als die „Mutter der Huren und der Gräuel der Erde!, und diese Vernichtung erfolgt, weil nun alle, die jemals mit ihr zu tun gehabt haben, mit Hass und Abscheu über sie erfüllt sind. Nichts finden wir hier also vom Evangelium. Es handelt sich vielmehr um die Gewalttaten der Menschen, die nun nicht länger mehr einer priesterlichen Macht unterworfen sein wollen.
Wenn jemand die Schriften liest mit dem Wunsch, Belehrung daraus zu empfangen, so wird er sicher erstaunt sein, wie es möglich sein konnte, dass die Menschen ihre Systeme daraus ableiteten, wie sie es tatsächlich getan haben. Sie greifen irgend etwas Abstraktes heraus, machen einen Grundsatz, an dem sie weiter festhalten, und zu ihrer völligen Befriedigung finden sie, dass die Schrift durchaus ihren ganzen Erwartungen entspricht. Wenn solche Leute die Schrift zur Hand nehmen, so stellen sie zunächst schon im voraus fest, was sie in ihr zu finden erwarten, anstatt dass sie sich mit den klaren Ausführungen der Schrift einfach zufrieden geben.
Im 16. Kapitel finden wir dann weitere Angaben über die Zeit der Ausführung der Gerichte über Babylon, ohne dass wir uns dabei jedoch zu sehr in Einzelheiten verlieren wollen. „Und ich sah aus dem Mund des Drachen und aus dem Mund des Tieres und aus dem Mund des falschen Propheten drei unreine Geister kommen, wie Frösche.“ Damit werden uns also die Mächte des Bösen gezeigt. „Denn es sind Geister von Dämonen, die Zeichen tun, welche zu den Königen des ganzen Erdkreises ausgehen, sie zu versammeln zu dem Krieg jenes großen Tages Gottes, des Allmächtigen. – Siehe, ich komme wie ein Dieb!“ Es ist also die Macht des Teufels, die die ganze Welt zusammenbringt zu diesem großen Krieg. Viel wird darüber hin- und hergeraten, wer oder was unter dem Drachen und dem Tier und dem falschen Propheten zu verstehen sei. Es kann aber wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen, und es kann, ohne auf die Einzelheiten einzugehen, wohl gesagt werden, dass der Drache die Macht Satans, das Tier das römische Weltreich und der falsche Prophet der falsche Messias zur Zeit des Endes darstellt. Ohne weiter darauf einzugehen, ist es doch wohl vollkommen klar, dass diese drei unreinen Geister, die alle Nationen an dem großen Tag Gottes, des Allmächtigen, zum Krieg versammeln, keineswegs die Kraft des Evangeliums darstellen können. Das ist vielmehr der Krieg, der von Seiten des Herrn, wie Jesaja sagt, mit Sturmwind und Gewitter und einer Flamme verzehrenden Feuers geführt wird (Jes 29, 6). Die Nationen werden an den Ort versammelt, der auf hebräisch Armagedon heißt, und dann kommt das Gericht. Das Tier und seine Hörner zerstören Babylon, das große verdorbene System, und danach werden das Tier und die Könige der Erde durch die unreinen Geister versammelt werden, um gegen die Macht Christi zu kämpfen; und dann wird Satan vom Himmel herabgeworfen werden. Im 19. Kapitel der Offenbarung lesen wir von dem weißen Pferd und dem der darauf saß, der auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte einen Namen geschrieben trägt: König der Könige und Herr der Herren; dass das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere versammelt werden, um Krieg zu führen mit dem, der auf dem Pferd saß, und mit seinem Heer: „und es wurde ergriffen das Tier und der falsche Prophet, der mit ihm war, der die Zeichen vor ihm tat, durch welche er die verführte, welche das Malzeichen des Tieres annahmen und sein Bild anbeteten, – lebendig wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt. Und die übrigen werden getötet mit dem Schwert dessen, der auf dem Pferd saß.“ Hier haben wir also die anschauliche Schilderung der Ausführung des Gerichts. Und dann, nachdem das Gericht vollzogen ist, wird Satan gebunden. Und dann folgt eine Schriftstelle, die als einzige uns die Berechtigung geben kann zu sagen, dass es ein Millenium, ein Tausendjähriges Reich des Friedens, geben wird.
Mit den allgemeinen Ausführungen, dass diese Erde einmal voll sein wird der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, haben wir uns bereits bekannt gemacht; und ebenso, dass dies ein Ergebnis der Gerichte sein wird. Der einzige Beweis aber dafür, dass diese Zeit des Segens tausend Jahre währen wird, das einzige Zeugnis für die besondere Art und Weise des kommenden Segens, liegt in diesem 20. Kapitel der Offenbarung.
Wir haben zwar mancherlei Zeugnisse dafür, dass eine Segenszeit kommen wird, aber die besonderen Grundzüge davon finden wir nur hier, und dass diese Zeit sein wird, nachdem der Herr gekommen ist als König der Könige und Herr der Herren, nachdem er das Gericht ausgeführt hat und Satan gebunden worden ist. Satan hat bisher alles verdorben; wenn er aber einmal gebunden ist, kann er nicht länger mehr verderben, und dann kommen die tausend Jahre, und Throne und Gerichte werden uns, den Gläubigen gegeben. Die Gläubigen werden die Welt richten, so hat es Gott in seinem Wort bestimmt. Es gibt aber viele unter den Namenschristen, die uns, wenn wir ihnen sagten: „Wisset ihr nicht, dass wir Engel richten werden“ daraufhin ohne weiteres für verrückt erklären würden. Und doch wurde dies sogar zu den Korinthern gesagt (1. Kor 6, 3), die doch gewiss weit entfernt davon waren, vollkommene Christen zu sein und einen einwandfreien Wandel zu führen. Die volle Bedeutung von der Wahrheit des Verbundenseins der Kirche mit Christus ist beinahe ganz in Vergessenheit geraten. Wohl spricht man davon, dass man hoffen will, errettet zu sein und gottselig zu leben, aber die Verbindung der Christenheit mit dem zweiten Adam ist praktisch aufgegeben worden. Die Kraft der Versöhnung und die damit in Verbindung stehenden hohen Vorrechte hat man gänzlich aus den Augen verloren.
In der Offenbarung, Kapitel 17, sehen wir nur flüchtig, in welch inniger Weise die Gläubigen an jenem Tag mit Christus verbunden werden. Wir lesen, dass das Tier und die Könige Krieg führen werden mit dem Lamm, „und das Lamm wird sie überwinden, denn er ist der Herr der Herren und der König der Könige, und die mit ihm sind Berufene und Auserwählte und Treue.“ Diese Bezeichnungen sind aber keineswegs auf die Engel anzuwenden. Zweifellos wird er auch mit seinen heiligen Engeln kommen, aber die Bezeichnung „Berufene und Auserwählte und Treue“ bezieht sich auf die Gläubigen, die gekleidet sind in „feine Leinwand, glänzend und rein“, denn die feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen. So gekleidet also kommen sie mit dem Herrn; wir werden entrückt werden, dem Herrn entgegen in die Luft, und wenn er erscheint, werden auch wir mit ihm erscheinen in Herrlichkeit.
Noch ein weiterer Punkt ist der Beachtung wert, obwohl wir nicht auf alle Einzelheiten eingehen und nur den hauptsächlichen Grundgedanken kurz herausstellen können. Wir haben wohl alle noch die Geschichte aus dem Leben des Elia, wie sie uns in 1.Könige, Kapitel 18, berichtet wird, in Erinnerung. Gott hatte sich siebentausend in Israel übriggelassen, alle die Knie, die sich nicht vor dem Baal gebeugt hatten, während Elia meinte, dass er allein übriggeblieben sei und dass sie danach trachteten, ihm das Leben zu nehmen. Unter der Führung Gottes hatte er die Frage gestellt, ob Baal Gott sei, oder ob der Herr Gott sei, und angesichts des ganzen Volkes und in aller Öffentlichkeit hatte er die Antwort darauf erbracht. Er hatte die Beweisführung in der Weise vorgeschlagen, dass der, welcher mit Feuer antworten würde, als Gott anerkannt werden sollte. Die Opfertiere wurden dementsprechend zugerichtet und die Priester des Baal riefen den Namen ihres Götzen an vom Morgen bis zum Mittag, und sprachen: „Baal, antworte uns! – Und Elia verspottete sie und sprach: Ruft mit lauter Stimme, denn er ist ja ein Gott! denn er ist in Gedanken oder er ist beiseite gegangen, oder er ist auf der Reise; vielleicht schläft er und wird aufwachen. Und sie riefen mit lauter Stimme und sie ritzten sich nach ihrer Weise mit Schwertern und mit Lanzen, bis sie Blut an sich vergossen, ... aber da war keine Stimme und keine Antwort und kein Aufmerken.“ Danach aber baute Elia einen Altar, legte das Opfertier darauf, goss Wasser darauf und füllte selbst den Graben um den Altar mit Wasser. – „Da fiel Feuer des Herrn herab und verzehrte das Brandopfer und das Holz und die Steine und die Erde; und das Wasser, das im Graben war, leckte es auf. Und als das ganze Volk es sah, da fielen sie auf ihr Angesicht und sprachen: „Der Herr – er ist Gott! Der Herr – er ist Gott!“
Nun finden wir aber in der Offenbarung, Kapitel 13, 13, dass der falsche Prophet große Zeichen tut, dass er selbst Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen lässt vor den Menschen. Sicherlich sind dies alles nur Wunder der Lüge, aber sie genügen ihm doch, die Menschen damit zu betrügen. Genau dasselbe was Elia tat, um zu beweisen, dass der Herr der wahre Gott sei, das bringt anscheinend auch der falsche Prophet, oder der falsche Messias fertig: Feuer vom Himmel herabzubringen vor den Menschen; und dass er mit seinem Betrug bei den Menschen vollen Erfolg hat, das lässt erkennen, dass sie der wirksamen Kraft des Irrwahns verfallen sind, dass sie der Lüge glauben. Dies bezieht sich auf die Entwicklung der Dinge in der Welt, soweit sie die Juden betreffen. Im 2. Thessalonicherbrief, wo es sich um die Christenheit handelt, finden wir in Bezug auf den Abfall dasselbe gesagt: „dann wird der Gesetzlose geoffenbart werden ... dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge.“ Wohl sind das alles „Lügenwunder“, aber es sind doch Zeichen und Wunder in aller Macht. Die hier angewandten Ausdrücke sind im Grundtext wörtlich gleichlautend mit denen, die Petrus gebraucht, als er predigt von „Jesus, dem Nazaräer, einem Mann von Gott an euch erwiesen durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen. „Das heißt also, dass der Antichrist – wenn auch als Lügenwerk, aber nach der Vorstellungsweise der Menschen – doch genau die gleichen Dinge tut, die einstmals zum Beweis dafür dienten, dass Jesus der Christus, und dass der Herr der wahre Gott ist. Durch diese Mittel verblendet und belügt er die Menschen und bringt sie dahin, den Drachen und das Tier anzubeten. Es gelingt ihm, weil er Feuer vom Himmel herabbringt, und so verführt er die Menschen dazu, den falschen Christus als den wahren anzuerkennen, weil er – durch Betrug allerdings – die gleichen Dinge tut, wie sie auch Christus getan hatte. Man kann sich kaum etwas Furchtbareres und Ernsteres vorstellen, als dass von Gott den Menschen eine wirksame Kraft des Irrwahns gesandt wird, dass sie der Lüge glauben, und dass sie der Gewalt dessen unterworfen sein werden, dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge. Es ist daher auch nicht verwunderlich, wenn der Apostel so ernst und nachdrücklich warnt, wenn er sagt: „Dieses aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden!“
Je mehr wir die Schrift erforschen, um so deutlicher werden wir sehen, wie klar die großen, führenden Grundgedanken herausgestellt sind. Die bekennende Kirche aber weigert sich, sie anzunehmen, und das deckt sich durchaus mit dem, worauf wir zu Beginn bereits hingewiesen haben, dass alles, was Gott in seinen Ratschlüssen jemals unter die Verantwortung des Menschen gestellt hat, sich als ein Fehlschlag erweisen musste. Sogleich als die Menschen schliefen, kam der Feind und säte das Unkraut; und dann haben wir die klare Feststellung, dass die Christenheit, weil sie nicht an der Güte Gottes geblieben ist, beiseite gesetzt wird. Mithin erweist sich die Meinung, dass die abtrünnig gewordene Kirche jemals wieder zurechtgebracht werden wird, als eine völlige Täuschung. Es handelt sich dabei um die äußerlich gesehene Kirche in ihrer Gesamtheit, dann was die einzelnen, treuen Seelen betrifft, so kann eine solche Erkenntnis nur die Vermehrung ihrer persönlichen Treue bewirken. Das ist also eine gänzlich andere Frage. Die Verantwortung dieser einzelnen Gläubigen angehend, gibt die Schrift ganz klare Anweisungen, selbst für die Zeit der letzten Tage, wenn eine Form der Gottseligkeit vorhanden ist, deren Kraft aber verleugnet wird. Von diesen, sagt der Geist den Kindern Gottes, wende dich weg! Es ist mit den Gläubigen ebenso, wie es auch Elia erging: nie wird ihnen die Macht Christi stärker bewusst sein, als gerade in der Zeit des größten Verfalls. Jedoch, darum handelt es sich eigentlich nicht, sondern vielmehr um die Frage des nach außen hin in Erscheinung tretenden Zeugnisses und dessen Auswirkungen für die Welt. – Die Menschen suchen sich mit dem Gedanken an eine unsichtbare Kirche zu trösten; sie vergessen aber dabei, dass geschrieben steht: „Ihr seid das Licht der Welt!“ Was für einen Zweck aber würde ein unsichtbares Licht haben können? Auch heißt es: Also lasset euer Licht leuchten vor den Menschen“, d.h. das Zeugnis der Christenheit soll so klar und hell sein, dass „sie eure guten Werke sehen, und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen!“
Und nun, ihr lieben Kinder Gottes, lasst uns aus unseren Betrachtungen dieses Eine lernen: dass in dieser Zeit der Langmut Gottes, bevor er kommt, um das Gericht auszuführen, eine schwere Verantwortung auf jeden einzelnen von uns gelegt ist! Möge ein jeder für sich wohl darauf achten, wie und was er glaubt. Erinnern wir uns stets daran, dass Satan durch falsche Lehren den Verfall in die Kirchen hineingebracht hat durch gesetzlichen Eifer, Verehrung von Heiligen, und alle Arten von Irrtümern. Wir können sie nicht alle aufzählen; aber gerade durch die Einführung dieser falschen und ketzerischen Lehrsätze ist es Satan gelungen, die Kirche so völlig zu verderben, dass, wenn wir das Böse in seiner gefährlichsten Auswirkung sehen wollen, wir nur unter die Christen zu gehen brauchten, um es zu finden, – womit natürlich nur solche gemeint sind, die lediglich dem Namen nach Christen sind, und die sich dennoch stolz darauf berufen, dass ihr Christentum das einzig wahre in der Welt sei.
Zusammenfassend wollen wir uns noch einmal ernstlich vor Augen halten, wie wichtig es im Augenblick auf das bald kommende Gericht für uns alle ist, dass wir die eigentliche Berufung der Christenheit genau erkennen, anstatt uns damit zufrieden zu geben, dass wohl alles seinen geordneten Gang weiter gehen werde, bis einmal die ganze Welt mit Segnungen erfüllt seine werde. Wie wichtig ist es auch, dass wir alle ein Verständnis dafür haben, wie das Geheimnis der Gesetzlosigkeit, das schon in den Tagen des Apostels wirksam war, auch weiterhin fortschreiten wird, bis Gott gewissermaßen dem Bösen die Zügel schießen lässt, damit es seine unheimlichen Kräfte voll entfalten kann; dass also das Böse wirksam bleiben wird, bis die Gläubigen entrückt werden dem Herrn entgegen in die Luft, und dass danach die Macht Satans uneingeschränkt tätig sein wird. Wie wir unserer Verantwortung entsprochen haben, ist für uns, denen die Sache Gottes am Herzen liegt, ein sehr ernster und feierlicher Gedanke, gleichwie die Frage wie sie in Jeremia 13, 20 gestellt wird: „Wo ist die Herde, die dir gegeben war, deine herrliche Herde?“ Prüfen wir die Berichte aus der Apostelgeschichte und sehen wir, was die Christenheit heute ist und wie wenig sie sich noch mit jenen Zeiten vergleichen lässt. Lasst uns nicht nur danach fragen, ob die Lehre vorhanden ist, sondern vielmehr, wie der praktische Zustand heute ist. Dennoch, – der Herr ist treu; und wenn auch die Gerichte über diese Erde hereinbrechen werden, – der Herr hat den ganzen Acker gekauft, und damit den Schatz in Sicherheit gebracht, und er wird ihn auch für ewig festhalten.
Der Herr möge uns in unseren eigenen Herzen erkennen lassen, was für ein gewaltiger Unterschied besteht zwischen dem, was die ganze bekennende Christenheit, äußerlich betrachtet, tatsächlich ist, und was sie eigentlich sein sollte; und ebenso, wie es um unseren eigenen Zustand bestellt ist und ob in uns irgend etwas zu finden ist, das als eine wirkliche Frucht der Mühsal seiner Seele angesehen werden könnte und als gesegnete Folge des Wirkens des Heiligen Geistes als unserem Tröster und Sachwalter. Wenn wir diese Wahrheiten verwirklichen wollen, so wird es gut sein, damit stets den Anfang bei uns selbst zu machen. Lasst uns prüfen, ob wir in unserer Liebe zum Herrn den Zustand der Kirche richtig zu beurteilen vermögen, oder ob wir uns dem Trugschluss hingeben, dass sie der Welt doch noch das Heil bringen wird. Ganz sicherlich ist der Geist Gottes auch in der jetzigen Zeit noch in besonderer Weise wirksam, aber die Schrift belehrt uns darüber, dass auf dieses Wirken des Geistes unweigerlich die Gerichte folgen müssen.