Joseph, der Patriarch
Joseph offenbart sich seinen Brüdern
1. Mose 45
„Da konnte Joseph sich nicht mehr bezwingen vor allen, die um ihn standen, und er rief: Lasst jedermann von mir hinausgehen! Und es stand niemand bei ihm, als Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen gab. Und er erhob seine Stimme mit Weinen; und die Ägypter hörten es, und das Haus des Pharaos hörte es. Und Joseph sprach zu seinen Brüdern: Ich bin Joseph. Lebt mein Vater noch? Und seine Brüder konnten ihm nicht antworten, denn sie waren bestürzt vor ihm. Da sprach Joseph zu seinen Brüdern: Tretet doch zu mir her! Und sie traten herzu. Und er sprach: Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Und nun betrübt euch nicht, und zürnt nicht über euch selbst, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt. Denn schon zwei Jahre ist die Hungersnot im Land, und noch sind fünf Jahre, in denen es weder Pflügen noch Ernten geben wird. Und Gott hat mich vor euch hergesandt, um euch einen Überrest zu setzen auf der Erde und euch am Leben zu erhalten für eine große Errettung. Und nun, nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott; und er hat mich zum Vater des Pharaos gemacht und zum Herrn seines ganzen Hauses und zum Herrscher über das ganze Land Ägypten. Eilt und zieht hinauf zu meinem Vater und sprecht zu ihm: So spricht dein Sohn Joseph: Gott hat mich zum Herrn von ganz Ägypten gemacht; komm zu mir herab, zögere nicht! Und du sollst im Land Gosen wohnen und nahe bei mir sein, du und deine Söhne und die Söhne deiner Söhne und dein Kleinvieh und deine Rinder und alles, was du hast. Und ich will dich dort versorgen – denn noch fünf Jahre ist Hungersnot –, damit du nicht verarmst, du und dein Haus und alles, was du hast. Und siehe, eure Augen sehen es und die Augen meines Bruders Benjamin, dass es mein Mund ist, der zu euch redet. Und berichtet meinem Vater alle meine Herrlichkeit in Ägypten und alles, was ihr gesehen habt; und eilt und bringt meinen Vater hierher herab. Und er fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte; und Benjamin weinte an seinem Hals. Und er küsste alle seine Brüder und weinte an ihnen; und danach redeten seine Brüder mit ihm.
Und die Kunde wurde im Haus des Pharaos gehört, indem man sprach: Josephs Brüder sind gekommen! Und es war gut in den Augen des Pharaos und in den Augen seiner Knechte. Und der Pharao sprach zu Joseph: Sage deinen Brüdern: Tut dies: Beladet eure Tiere und zieht hin, geht in das Land Kanaan, und nehmt euren Vater und eure Familien und kommt zu mir; und ich will euch das Beste des Landes Ägypten geben, und ihr sollt das Fett des Landes essen. Und du bist beauftragt zu sagen: Tut dies: Nehmt euch aus dem Land Ägypten Wagen für eure kleinen Kinder und für eure Frauen, und holt euren Vater und kommt. Euer Auge sehe nicht mit Bedauern auf euren Hausrat, denn das Beste des ganzen Landes Ägypten soll euer sein.
Und die Söhne Israels taten so, und Joseph gab ihnen Wagen nach dem Befehl des Pharaos, und gab ihnen Wegzehrung. Er gab ihnen allen, einem jeden, Wechselkleider, und Benjamin gab er dreihundert Silberstücke und fünf Wechselkleider. Und seinem Vater sandte er dies: Zehn Esel, beladen mit dem Besten Ägyptens, und zehn Eselinnen, beladen mit Getreide und Brot und Nahrung für seinen Vater auf den Weg. Und er entließ seine Brüder, und sie zogen hin; und er sprach zu ihnen: Erzürnt euch nicht auf dem Weg!
Und sie zogen aus Ägypten hinauf und kamen in das Land Kanaan zu ihrem Vater Jakob. Und sie berichteten ihm und sprachen: Joseph lebt noch, und er ist Herrscher über das ganze Land Ägypten. Da erstarrte sein Herz, denn er glaubte ihnen nicht. Und sie redeten zu ihm alle Worte Josephs, die er zu ihnen geredet hatte; und er sah die Wagen, die Joseph gesandt hatte, um ihn zu holen. Und der Geist ihres Vaters Jakob lebte auf; und Israel sprach: Genug! Joseph, mein Sohn, lebt noch! Ich will hinziehen und ihn sehen, ehe ich sterbe“ (45).
„Da konnte Joseph sich nicht mehr bezwingen vor allen, die um ihn standen, und er rief: Lasst jedermann von mir hinausgehen! Und es stand niemand bei ihm, als Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen gab. Und er erhob seine Stimme mit Weinen; und die Ägypter hörten es, und das Haus des Pharao hörte es. Und Joseph sprach zu seinen Brüdern: Ich bin Joseph. Lebt mein Vater noch?“
Wunderbarer, lang ersehnter Augenblick für Joseph, sich seinen Brüdern nicht nur in Herrlichkeit, sondern in Gnade und Liebe offenbaren zu können. Nun konnte er mit ihnen von Mund zu Mund, ohne Dolmetscher, in ihrer Muttersprache reden. Seine Brüder brachten vor lauter Bestürzung kein Wort über ihre Lippen; doch die Tränen Josephs zeugten von seinem Mitgefühl und seiner unwandelbaren Liebe zu seinen Brüdern.
Dies zeigt uns prophetisch die Zuneigungen des Herrn und Messias Jesus Christus zu seinem Volk (Jer 31,3–5; 5. Mo 33,27; Hld 8,7). „ Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8). Wie kostbar und tröstlich ist dies für uns alle!
„Da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte Er sie bis ans Ende“ (Joh 13,1). Auch werden wir durch diese Begebenheit an die Fußwaschung erinnert, die der Herr an seinen Jüngern ausführte.
Die Herzen und Gewissen der Brüder Josephs waren erreicht und überströmende Gnade und Liebe brachten die überführten Gewissen zur Ruhe: „Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt.“ Bei dieser Szene war kein Ägypter anwesend. „Ich bin Joseph“ – dieses Wort allein hätte die Brüder erschreckt und erschüttert, und so folgte sofort die Frage: „Lebt mein Vater noch?“
Joseph wusste ja bereits, dass der Vater noch lebte, aber er wollte seine Brüder an das alte familiäre Verhältnis zu ihnen und zum Vater erinnern. Welche zarte Liebe!
Im Blick auf Israel lesen wir ebenfalls: „Und sie werden zittern und beben über all das Gute und über all den Frieden, den ich ihr angedeihen lasse“ (Jer 33,9). Die Brüder konnten Joseph nicht antworten, denn „sie waren bestürzt vor ihm“ (1. Mo 45,3). Ähnlich erging es den Jüngern, als der auferstandene Herr ihnen erschien (Lk 24,25–35).
So werden auch die Not und Drangsale des gläubigen, jüdischen Überrestes so groß sein, dass sie zunächst nicht glauben können, dass es wirklich ihr Retter und Messias ist, wenn der Herr Jesus plötzlich in ihre Mitte treten wird, nach dem sie ja längst ausgeschaut und um dessen Ankunft sie gefleht und gebetet haben werden.
„Ich bin Joseph“, sagte er zu seinen Brüdern. Diese freilich hatten das nicht erwartet, denn sie hielten ihn ja für tot, aber in ihrem Gewissen lebte er weiter, und wie gerne hätten sie dies alles geordnet gewusst. Sie hatten Joseph ihre Ungerechtigkeit bekannt, wie wir gesehen haben, und dieser sagte zu ihnen: „Tretet doch zu mir her! Und sie traten herzu“ (V. 4). So sagte auch der Auferstandene zu den Jüngern, als Er bei verschlossener Tür in ihre Mitte trat: „Betastet mich und seht, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Gebein, wie ihr seht, dass ich habe.“ Und zu Thomas sprach Er: „Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite ... Thomas antwortete und sprach zu Ihm: Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,27.28). Ein schönes Abbild von dem Überrest in den letzten Tagen, wenn er seinen Herrn und Messias erkennen und Ihm zujubeln wird (Ps 87,5.6).
„Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt“ (V. 4). Welche tiefen Gefühle der Reue erweckte dies in den Herzen und Gewissen der Brüder! Aber sofort fügte Joseph hinzu: „Und nun betrübt euch nicht, und zürnt nicht über euch selbst, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt“. Dreimal erwähnte Joseph diese Tatsache. Wie offenbarte sich darin die Liebe und das Zartgefühl für seine Brüder! (vgl. Ps 105,17). So hat Gott auch seinen Sohn, Jesus Christus, vor uns her gesandt, um uns zu erretten und uns das ewige Leben zu schenken (Joh 3,16).
„Und nun, nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott; und er hat mich zum Vater des Pharao gemacht und zum Herrn seines ganzen Hauses und zum Herrscher über das ganze Land Ägypten“ (V. 8). So lesen wir auch in der Apostelgeschichte 2,36: „Das ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, dass Gott ihn (Jesus) sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt“.
Endlich fiel die Decke von ihren Augen: „Und siehe, eure Augen sehen es und die Augen meines Bruders Benjamin, dass es mein Mund ist, der zu euch redet“ (V. 12). Dann sandte Joseph seine Brüder unverzüglich zu seinem Vater mit der glücklich machenden Botschaft: „So spricht dein Sohn Joseph...“ (V. 9), „...berichtet meinem Vater alle meine Herrlichkeit in Ägypten, und alles, was ihr gesehen habt; und eilt und bringt meinen Vater hierher herab“ (V. 13). Hier finden wir Joseph, den Sohn, seinen Vater und seine Brüder, sowie Josephs Herrlichkeit. Im Evangelium Johannes finden wir ebenfalls den Herrn Jesus in der Mitte seiner Jünger, die Er seine Brüder nennt. „Geh aber hin zu meinen Brüdern“, sagt der Auferstandene zu Maria Magdalene, „und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott“. Maria Magdalene verkündigte darauf den Jüngern die frohe Botschaft, „dass sie den Herrn gesehen und er dies zu ihr gesagt habe“ (Joh 20,17.18). So haben auch wir, die Gläubigen, den Auftrag, das Heil in Christus allen Menschen zu verkündigen. Welches große Vorrecht! Wie erfreut es das Herz des Vaters, wie auch unseres Herrn und Heilandes, wenn wir durch den Heiligen Geist die Verherrlichung des Namens Jesu suchen und in Hingabe und Treue dieser erhabenen Aufgabe nachkommen. Wie gesegnet wird doch solches Zeugnis sein; lasst uns darum im öffentlichen Dienst nicht müde werden und das Wort des Herrn verkündigen!
Für die Brüder Josephs war es ein überwältigender Augenblick. Ihre Herzen wurden weit und brennend.
Psalm 45 zeigt uns diese Gefühle: „Es wallt mein Herz von gutem Wort. Ich sage: Meine Gedichte dem König! Meine Zunge sei der Griffel eines fertigen Schreibers!“
„Und er fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte...“ (V. 14). Welche schmerzlichen Stunden hatte Joseph durchgestanden. Alles war seinerzeit so merkwürdig und unerklärlich gewesen, aber keine Widerrede und kein Murren waren über seine Lippen gekommen. Still wartete er auf die Rettung des Herrn; er wusste: „ ...du wirst es aber nachher verstehen“ (Joh 13,7). Auch Benjamin weinte an seinem Hals. Welche innige Verbindung und Gemeinschaft! Wir finden sie auch bei den Gläubigen, wenn die Liebe des Christus die Herzen verbindet (vgl. 1. Sam 20,17.41; Apg 20,36.37; 2. Tim 1,4.5).
„Und er küsste alle seine Brüder und weinte an ihnen; und danach redeten seine Brüder mit ihm“ (1. Mo 45,15). Im Blick auf Josephs Brüder finden wir nicht die gleichen Gefühle und Beweggründe wie bei Benjamin, wenn auch Joseph keinen Unterschied machte. Der Heilige Geist teilt uns nicht mit, was die Brüder mit Joseph redeten; aber es wird wohl der Ausdruck tiefer Dankbarkeit ihm gegenüber gewesen sein. Ihre Zungen waren nun umgewandelt in den „Griffel eines fertigen Schreibers“ (Ps 45,1). Alles war neu geworden!
Nun kam alles an die Öffentlichkeit und wurde auch dem Pharao berichtet. „Er (Christus) wird kommen, um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen“ (2. Thes 1,10). Pharao gab Anweisung, dass das ganze Haus Jakobs nach Ägypten kommen sollte, und Micha, der Prophet, sagt uns: „Wie in den Tagen, als du aus dem Land Ägypten zogst, werde ich es Wunder sehen lassen. Die Nationen werden es sehen und beschämt werden über all ihre Macht: Sie werden die Hand auf den Mund legen, ihre Ohren werden taub werden...“ (Mich 7,15.16). „Und ich werde sie reinigen von all ihrer Ungerechtigkeit, womit sie gegen mich gesündigt haben, und ich werde alle ihre Ungerechtigkeiten vergeben, womit sie gegen mich gesündigt haben und womit sie von mir abgefallen sind. Und sie soll mir zum Freudennamen, zum Ruhm und zum Schmuck sein bei allen Nationen der Erde, die all das Gute hören werden, das ich ihnen tue. Und sie werden zittern und beben über all das Gute und über all den Frieden, den ich ihr (Jerusalem) angedeihen lasse“ (Jer 33,8.9). So redet Gott im Blick auf den Überrest am Ende der Tage. „Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat“ lesen wir im Alten und Neuen Testament (Jes 8,18; Heb 2,13). Es ist der „Anbruch eines Morgens ohne Wolken“ (2. Sam 23,4).
Joseph schämte sich nicht, die verachteten Hebräer seine Brüder zu nennen, und in Apostelgeschichte 3,17 sagt Petrus: „Und jetzt, Brüder, ich weiß, dass ihr in Unwissenheit gehandelt habt ... Gott aber hat so erfüllt, was Er durch den Mund aller Propheten zuvor verkündigt hat, dass sein Christus leiden sollte“. Im Propheten Jeremia lesen wir: „ ...zu jener Zeit, spricht der Herr, wird Israels Ungerechtigkeit gesucht werden, und sie wird nicht da sein, und die Sünden Judas, und sie werden nicht gefunden werden; denn ich will denen vergeben, die ich übrig lasse“ (Jer 50,20). Wir können uns des Eindrucks beim Lesen dieser wunderbaren Szene nicht verschließen, dass Joseph der Glücklichste war; sein Wunsch und sein Verlangen waren nun gestillt. Gott ließ ihn in der Mitte seiner Brüder die Mühsal seiner Seele vergessen und ihre Gemeinschaft genießen. Es ist im Vorbild etwas von dem, was schon die Propheten Micha und Zephanja ausdrücken: „Wer ist ein Gott wie du, der die Ungerechtigkeit vergibt und die Übertretungen des Überrestes seines Erbteils übersieht? Er behält seinen Zorn nicht auf ewig, denn er hat Gefallen an Güte. Er wird sich unser wieder erbarmen, wird unsere Ungerechtigkeiten niedertreten; und du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Du wirst an Jakob Treue, an Abraham Güte erweisen, die du von den Tagen der Vorzeit her unseren Vätern geschworen hast“ (Mich 7,18–20). „ Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein rettender Held. Er freut sich über dich mit Wonne, er schweigt in seiner Liebe, frohlockt über dich mit Jubel“ (Zeph 3,17).
Die Brüder Josephs bekamen alle Wechselkleider, so gehörte es sich, denn so war es nach dem Herzen Josephs. Jesaja sagt: „Hoch erfreue ich mich in dem Herrn; meine Seele soll frohlocken in meinem Gott! Denn Er hat mich bekleidet mit Kleidern des Heils, den Mantel der Gerechtigkeit mir umgetan...“ (Jes 61,10) Auch Sacharja schreibt: „Zieht ihm die schmutzigen Kleider aus... Siehe ich habe deine Ungerechtigkeit von dir weggenommen, und ich kleide dich in Feierkleider.“ (Sach 3,4) In Offenbarung 1,5.6 schreibt Johannes: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut... Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!“, und in Kapitel 4,4 sehen wir die Gläubigen im Himmel auf Thronen sitzen, bekleidet mit weißen Kleidern und auf ihren Häuptern goldene Kronen.
Benjamin wurde wieder besonders bedacht. Seinem Vater sandte Joseph dieses: Zehn Esel beladen mit dem Besten Ägyptens, und zehn Eselinnen, beladen mit Getreide und Brot und Nahrung für seinen Vater auf den Weg. Welches schöne Vorbild von der Fürsorge Gottes hinsichtlich unseres Weges dem Herrn entgegen! Der Tod des Christus am Kreuz bewirkte für uns eine ewige Erlösung, und durch seinen Dienst beim Vater im Himmel werden wir bis ans Ziel erhalten und bewahrt werden.
Das ganze Haus Jakob sollte nach Ägypten kommen, und darum sandte Joseph ihnen Wagen, um sie zu holen. Jakob wurde von Joseph eine wunderbare Nachricht gesandt. Seine verirrten Söhne waren geheilt und zurechtgebracht. Auch waren sie mit Fest- oder Wechselkleidern bekleidet. Benjamin wurde besonders beschenkt. Die Augen der Ägypter und selbst des Pharaos waren auf sie gerichtet.
Joseph entließ seine Brüder, und sie zogen heimwärts. Welche Gefühle mögen ihre Herzen erfüllt haben; Gefühle der Freude und des Glücks besonders darüber, dass der Herrscher und Gebieter über ganz Ägypten ihr Bruder war. Er hatte ihnen alles vergeben und sie so reich beschenkt, und vor allem Benjamin zog mit ihnen.
Joseph gab seinen Brüdern ein wichtiges Wort mit auf den Weg: „Erzürnt euch nicht auf dem Weg!“ (V. 24). Wie leicht hätten sie sich gegenseitig beschuldigen, oder sich Vorhaltungen wegen ihres begangenen Unrechts und des Verkaufs von Joseph machen können. Satan war der Friede unter den Brüdern verhasst. Wie leicht hätte das alte Übel, der Neid im Blick auf den besser gestellten Benjamin wiederkehren können, oder Juda hätte sich rühmen, seine eigene Ehre suchen und sein Eintreten für Benjamin hervorheben können usw. Doch die ihnen widerfahrene Gnade, die Liebe Josephs, seine Herrlichkeit, seine Fürsorge für sie alle und dass sie zu ihm ziehen sollten, das war Grund genug, sich zu freuen. „ ...wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit“ (1. Kor 12,26). Es gilt, sich nicht über andere zu erheben, sondern in Demut einer den anderen höher zu achten als sich selbst. Wie viel Streit haben Neid und Eifersucht schon in Familien und Versammlungen gebracht. Selbst die von Gott gegebenen Gaben benutzt der Feind, um sich über andere zu erheben. Paulus schreibt an die Philipper: „Ein jeder nicht auf das seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen.“ In dieser Hinsicht gibt es im Neuen Testament viele Ermahnungen: „Seid in Frieden untereinander“ (Mk 9,50). „Redet nicht gegeneinander“ (Jak 4,11). „Seufzt nicht gegeneinander“ (Jak 5,9). „Bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden“ (Ps 34,14). In Korinth waren Ohrenbläserei sowie Verleumdungen zusätzlich zu den fleischlichen Sünden an der Tagesordnung. Wie nötig ist Josephs Ermahnung auch für uns alle, die wir auch zu solchen Dingen fähig sind. Oft dauert es lange Zeit, um zerstörte oder gelockerte Beziehungen wieder in Ordnung zu bringen. Ohne Liebe und Frieden untereinander gibt es keine Auferbauung, kein Wachstum und auch keine Anbetung.
Sollten Josephs Brüder nicht mit dem ihnen gegebenen Auftrag an den Vater daheim beschäftigt sein? Sollte dessen Freude und Glück nicht auch ihre Freude und ihr Glück sein? Es war ein ganz neues Verhältnis entstanden. Dieses sollte bewahrt und nicht getrübt werden. Josephs Liebe verband die Herzen, und die Liebe ist das Band der Vollkommenheit. Sie erbaut und denkt nicht an sich selbst, sondern an andere. Die Liebe ist aus Gott. Der Wandel im Licht bewahrt, reinigt, macht demütig und bringt Segen für sich und andere.
Wo die Liebe wirksam ist, denkt man an die Verherrlichung des Herrn. „Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Mt 12,34). So war es bei den Brüdern Josephs.
Sie kamen zu ihrem Vater mit der Botschaft: „Joseph lebt noch!“ Wie schnell mag diese Botschaft von Zelt zu Zelt, von Mund zu Mund gegangen sein. „Unmöglich!“ werden viele Herzen gedacht haben. Jakobs Herz erstarrte, denn er glaubte der Botschaft nicht. Es war unfassbar, und noch dazu kannte er seine Söhne nur nach ihrem früheren Wesen, wie sollte er ihnen jetzt vertrauen? Doch seine von Schuld befreiten Söhne berichteten ihm alles, was Joseph gesagt hatte, auch von dem Auftrag, Jakob nach Ägypten zu holen. „Und der Geist ihres Vaters Jakob lebte auf; und Israel sprach: Genug! Joseph, mein Sohn, lebt noch! Ich will hinziehen und ihn sehen, ehe ich sterbe.“
Welch liebliche Szene! Der Becher Jakobs floss über, und sein Haupt wurde mit Öl gesalbt. Es war ein Erwachen nach langer, dunkler Nacht. Ein neuer Morgen war angebrochen. Das bittere „Mara“ wurde zum süßen „Elim“. Welche Freude und welche Erquickung für den alten Pilger! Der Name Israel wurde ihm in Erinnerung gebracht, der Name, den Gott ihm gegeben hatte; sein Herz wurde weit und bebte (vgl. Jes 60,1–10). Joseph lebte, und zu ihm wollte Jakob ziehen; das war jetzt sein größtes Anliegen.
So wird später der Geist des ganzen Überrestes Israels aufleben. Die Botschaft vom Messias wird durch alle Lande dringen. Er wird Gegenstand und Mittelpunkt sein. Seine Liebe und Gnade und Herrlichkeit werden alle mächtig anziehen. Jeder wird Ihm huldigen.
„Denn es wird einen Tag geben, an dem die Wächter auf dem Gebirge Ephraim rufen werden: Macht euch auf und lasst uns nach Zion hinaufziehen zu dem Herrn, unserem Gott! Denn so spricht der Herr: Jubelt über Jakob mit Freuden und jauchzt an der Spitze der Nationen! Lobsingt laut und sprecht: Rette dein Volk, Herr, den Überrest Israels! Siehe, ich bringe sie aus dem Land des Nordens und sammle sie vom äußersten Ende der Erde... und ich will ihre Trauer in Freude verwandeln und sie trösten, und will sie erfreuen, indem ich sie von ihrem Kummer befreie ... und mein Volk wird sich an meinen Gütern sättigen, spricht der Herr“ (Jer 31,6–14). Welcher Wechsel! „Ich, der Herr, werde es zu seiner Zeit rasch ausführen“ (Jes 60,22).
Welche Freude löste am Auferstehungstag des Herrn Jesus das Wort aus: „Jesus lebt!“ Wie verschwand auch da, wie bei Jakob, aller Zweifel, obwohl man es zunächst noch nicht glauben wollte. Aber am Abend desselben Tages hieß es: „Der Herr ist wirklich auferweckt worden!“ Bald danach trat Er selbst in die Mitte der Jünger. Da wurde es Licht in den bekümmerten Herzen; ihr bedrückter Geist lebte wieder auf, und in Jerusalem war eine große Freude unter der gläubigen Schar. Auch dort hieß es: „Geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er von den Toten auferstanden ist ... Und sie gingen eilends von der Gruft hinweg mit Furcht und großer Freude“ (Mt 28,7.8).
„Joseph lebt!“, welches kostbare Wort für Jakob! Jesus lebt! Welches Wort der Kraft, der Freude und des Trostes für die Erlösten des Herrn zu allen Zeiten!
Jesus lebt! Er hat gesiegt;
Wer kann seinen Ruhm verkünden?
Meine Sünd' im Grabe liegt,
Keine Schuld ist mehr zu finden.
Ja, Er lebt, ich sterbe nicht,
Denn sein Tod war mein Gericht.
Auch wir sind wie Jakob auf dem Weg, um Ihn, unseren Herrn, zu sehen. An Zusicherungen, sowie sichtbaren Beweisen seiner Liebe und Treue fehlt es auch uns nicht. Möchte deshalb der Zuruf: „Jesus lebt!“ uns zu eifrigerem Dienst und größerer Hingabe ermuntern!
„Euer Auge sehe nicht mit Bedauern auf euren Hausrat“, hatte ihnen Joseph sagen lassen. Ja, wie oft ist der Hausrat ein Hindernis gewesen, um einen Segen zu empfangen, sei es für uns selbst oder für andere! Der Prophet Haggai sagt: „Ist es für euch selbst Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus (das Haus des Herrn) wüst liegt?“ (Hag 1,4).
„Das Beste des ganzen Landes Ägypten soll euer sein“, ließ Joseph, im Auftrag Pharaos, Jakob und seinem Haus sagen. Wir kennen den Ruf: „Siehe, der Bräutigam!“ Was hat er bis heute bei uns bewirkt? Sind unsere Herzen gelöst von allem, was in der Gegenwart des bald kommenden Herrn nicht bestehen kann?