Die Welt der Engel
Satan und die Engel
Luzifer der Sohn der Morgenröte. - Seine Herrlichkeit und sein Fall. - Er besaß einen Thron. - Seine ursprüngliche Wohnstätte: unsere Erde. - Die Lehre der Bibel. - Engel haben ihre eigenen Behausungen. - Das Vaterhaus. - Was sind die vielen Wohnungen. - Die Sternenblume. - Christus in der Mitte. - In der Kirche. - In der Herrlichkeit. - Im Weltall. - Die große Anbetung.
Im vierzehnten Kapitel des Propheten Jesaja wird der Fall dieses großen Engelfürsten, den manche auch für einen Erzengel halten, geschildert. Er wird mit dem Namen „Luzifer, Sohn der Morgenröte“ angeredet. Luther übersetzt diesen Namen: „schöner Morgenstern“. Das Wort Luzifer ist der Vulgata 1 entnommen, die das hebräische Wort Helel mit dem lateinischen Luzifer „Lichtträger“ wiedergibt. Das hebräische Wort wird am besten von der Wurzel „Halal“ abgeleitet, was so viel wie glänzend, prächtig oder herrlich bedeutet. Jenes „Sohn der Morgenröte“ angeredete Wesen (vielleicht das erste erschaffene Geschöpf) war, wie sein Name bezeichnet, ein prächtiger, leuchtender Engel. Dies kann auch der Prophezeiung Hesekiels entnommen werden. In einer Botschaft an den König von Tyrus wendet sich der Geist Gottes plötzlich an eine andere Person und spricht Worte, die niemals einem menschlichen Wesen gelten konnten. Hinter dem König von Tyrus stand eine unsichtbare Macht - der Fürst der Finsternis. Auf diesen einstmals großen Luzifer beziehen sich die folgenden Worte: „Der du das Bild der Vollendung warst, voll von Weisheit und vollkommen an Schönheit, du warst in Eden, dem Garten Gottes; allerlei Edelgestein war deine Decke: Sardis, Topas und Diamant, Chrysolith, Onyx und Jaspis, Saphir, Karfunkel und Smaragd und Gold... An dem Tage, da du geschaffen wurdest, wurden sie bereitet. Du warst ein schirmender gesalbter Cherub, und ich hatte dich dazu gemacht; du warst auf Gottes heiligem Berge, du wandeltest inmitten feuriger Steine. Vollkommen warst du in deinen Wegen von dem Tage an, da du geschaffen worden, bis Unrecht an dir gefunden wurde“ (Hes 28,12-15). Wir bemerken, dass er „ein schirmender gesalbter Cherub“, genannt wird, was eine weitere große Auszeichnung bedeutet. Diese machtvolle und herrliche Persönlichkeit, dieser „Glanzstern“, dieser „Sohn der Morgenröte“, empörte sich. Jesaja berichtet uns die Geschichte seines Falles: „Und du, du sprachst in deinem Herzen: Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben, und mich niedersetzen auf den Versammlungsberg im äußersten Norden. Ich will hinauffahren auf Wolkenhöhen, mich gleichmachen dem Höchsten“ (Jes 14,13.14). Er fiel durch Hochmut, denn er erhöhte sich selbst.
Da wir nicht beabsichtigen, uns weiter über Satan, den Ursprung des Böses, die gefallenen Engel und das Reich der Finsternis zu verbreiten, so wollen wir auf dieses Thema nicht näher eingehen, doch möchten wir einige hervorstechende Tatsachen der angeführten Schriftstelle herausgreifen. Es war Luzifers Ehrgeiz, zum Himmel emporzusteigen, womit der dritte Himmel gemeint sein muss, wo der Thron Gottes in ewiger Majestät steht. Weiterhin sagt er: „Hoch über die Sterne Gottes will ich meinen Thron erheben“; er besaß also einen, ihm von seinem Schöpfer verliehenen Thron, den er über die Sterne erhöhen wollte. Hierin wieder finden wir den Beweis, dass es sein Ehrgeiz war, im dritten Himmel zu sein; denn das ist der Himmel, der über den Sternen ist. Ein Thron aber hat das Vorhandensein einer Örtlichkeit zur Voraussetzung. Hat ein König kein Reich, über welches er regiert: wie kann er einen Thron besitzen? Luzifer besaß einen Thron und hatte demzufolge ursprünglich einen Wohnsitz, einen bestimmten Platz in diesem ihm zugewiesenen Reich. Dies wird auch durch das nächste „ich will“ bestätigt: „Ich will hinauffahren auf Wolkenhöhen“. Er wohnte also an einem Ort, der unterhalb der Wolken lag.
Ohne Zweifel war der Ort, den Luzifer bewohnt hatte, bevor er gefallen war, der jetzt von uns Menschen bewohnte Erdkreis. Die Wissenschaft hat nachgewiesen, dass die Erde sich einmal in einer, von der jetzigen abweichenden Form befunden hat. Sie trug eine riesenhafte Tierwelt und, dieser entsprechend, eine ebenso riesenhafte Pflanzenwelt. In jener weit, vielleicht um Jahrmillionen zurückliegende Vergangenheit war der Mensch noch nicht. Noch nie hat die Wissenschaft einen unanfechtbaren und entscheidenden Beweis dafür erbracht, dass der Mensch vor zehntausend Jahren existiert hat, noch hat sie die Lehre der Bibel widerlegen können, dass der Mensch eine unmittelbare Schöpfung Gottes, eine besondere, vom Tierreich durch eine unüberbrückbare Kluft geschiedene Gattung ist. Das fehlende Bindeglied zwischen beiden hat nie bestanden und wird deshalb auch nie gefunden werden können. Durch ein großes, plötzlich einsetzendes Gottesgericht wurde dann die ursprüngliche Schöpfung ausgelöscht und in das Chaos (Wirrwarr) und Dunkel gestürzt. Diesen Zustand der ursprünglichen Erde zeigt der zweite Vers der Bibel: „Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe“. Statt „war“ hat man auch „wurde“ übersetzt, was richtiger ist. Gott hat die ursprüngliche Erde nicht „wüst und leer“ geschaffen (Jes 45,18), denn Er ist ein Gott der Ordnung. Der in 1. Mose 1,2 beschriebene Zustand muss daher die Folge von Luzifers Fall gewesen sein, als dieser versuchte, seinen Thron über die Sterne Gottes zu erhöhen und sein Reich verlor. Darauf schuf Gott den Menschen, ein wenig niedriger als die Engel, für die Er die ursprüngliche Erde eingerichtet hatte; nun erschien Luzifer von neuem auf dem Schauplatz, um seinen Wohnsitz zurück zu gewinnen. Gott hatte ihn abgesetzt; er wurde der Fürst der Gewalt der Luft, ein irrender Stern. Das dritte Kapitel im ersten Buch Mose erzählt die Geschichte vom Falle des Menschen. Luzifer träufelt den Eltern des Menschengeschlechtes das Gift des Eigenwillens und der Selbstüberhebung ein. Er selbst hatte gesagt: „Ich will mich gleich machen dem Höchsten“, und dem Weibe versprach er: „Ihr werdet sein wie Gott“. Durch den Fall des Menschen wurde ihm der Wiederbesitz dieser Erde möglich, und die Heilige Schrift nennt ihn jetzt „Fürst dieser Welt“ und „Gott dieses Zeitlaufs“ (2. Kor 4,4).
Hier findet sich ein Anhaltspunkt dafür, dass die Engel Gottes bestimmte, ihnen von ihrem Schöpfer und Herrn zugewiesene Behausungen haben. Besaß Luzifer eine solche, wie wir gesehen haben, so ist es nur folgerichtig, dass auch andere Engel ähnliche Wohnstätten besitzen.
Einen weiteren, noch deutlicheren Beweis für das, was wir über Luzifer und seinen Thron ausgeführt haben, findet man in einer anderen Schriftstelle. Im Judasbrief lesen wir die folgende bedeutsame Angabe: „Und Engel, die ihren ersten Zustand nicht bewahrt, sondern ihre eigene Behausung verlassen haben, hat Er zum Gericht des großen Tages mit ewigen Ketten unter der Finsternis verwahrt“ (Jud 6). Es ist nicht unsere Absicht, das Ereignis, von welchem Judas hier spricht, näher zu erörtern; wir vermuten aber, dass es sich hier um einen anderen Fall von Engeln handelt, der mit dem vorgeschichtlichen Fall Luzifers in keinem Zusammenhang steht. Nach unserer Meinung geben uns die Anfangsverse im sechsten Kapitel des ersten Buches Mose Licht darüber. Nur auf die eine feststehende Tatsache möchten wir hinweisen, dass diese Engel „ihre eigene Behausung“, ein ihnen zugewiesenes Besitztum innehatten. Daraus glauben wir schließen zu können, dass die Engel Wohnstätten in den Himmeln besitzen, die sie als unsichtbare Diener Gottes verlassen können. Erinnern wir uns auch des schönen, von all den Seinen so geschätzten Wortes unseres gnadenvollen Herrn: „Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubet an Gott, glaubet auch an mich. In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen, wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten“ (Joh 14,1-2). Wohl galt dieser liebliche Ausspruch unseres Herrn in erster Linie Seinen Jüngern, die Er bald verlassen würde. Er sagt ihnen, dass es ein Vaterhaus gibt; dass Er dort hingehen werde, ihnen eine Stätte zu bereiten; dass Er alsdann wiederkommen und sie zu sich nehmen werde, an jenen Ort der Herrlichkeit. Wie oft haben diese Worte, seitdem sie gesprochen worden sind, die traurigen Herzen der Seinen getröstet und ihre Tränen getrocknet. Aber wer wollte bestreiten, dass diese Schriftstelle außer ihrer eigentlichen Bedeutung noch eine andere in sich birgt? „Das Haus des Vaters“ ist ein Ausdruck, der das ganze Weltall einschließt. In diesem weiten Weltall sind viele Wohnungen, oder, wie es eigentlich übersetzt werden sollte: Aufenthaltsorte, Wohnstätten. Als gefallenes Wesen hat der Mensch keinen Anspruch auf irgendeine Stätte in den himmlischen Örtern. Das Erlösungswerk des Sohnes Gottes bereitet die Stätte für die erlöste, bluterkaufte Schar. Diese Stätte in dem Hause des Vaters ist die höchste, die herrlichste, wie wir noch sehen werden. Der auferstandene, verherrlichte Sohn Gottes bringt die von Ihm erkauften „vielen Söhne zur Herrlichkeit“ (Heb 2,10) - zu Seiner eigenen Herrlichkeit. Wie aber sind die vielen Wohnstätten oder Aufenthaltsorte in diesem Weltall beschaffen? Die Erde ist nur Seiner Füße Schemel (Jes 66,1), und Gewölk ist der Staub Seiner Füße (Nahum 1,3). Ist die Vermutung unvernünftig, dass wunderbare Himmelskörper, die wir Sterne nennen, auch Wohnstätten seien? Wäre es vernünftiger zu denken, dass alle diese Millionen Welten nichts anderes als Schmuckstücke darstellen, die nur dem menschlichen Auge sichtbar sind? Und dass außer dem Menschengeschlecht unsrer Erde keine denkenden Wesen jene Welten bewohnen, um den mächtigen Schöpfer derselben anzubeten und zu preisen? Wir können keine Lehrsätze darüber aufstellen; wir können uns nur in Vermutungen über all diese Dinge äußern. Engel sind Persönlichkeiten, sie sind Geister und haben einen, ihrer geistigen Natur entsprechenden Leib. Außerdem haben sie ihre eigene Behausung, ihre eigenen Besitztümer welche sie bewohnen. Diese Wohnstätten sind in den himmlischen Örtern; die Sterne sind in den Himmeln. Wo anders als in der Welt der Sterne könnten wir uns die Wohnstätten dieser unzählbaren Engelscharen vorstellen? Viele Theologen früherer Zeiten haben der gleichen Ansicht Ausdruck gegeben. Aber um herauszufinden, ob dies alles sich wirklich so verhält, müssen wir jenes glücklichen, herrlichen Tages warten, da alle Heiligen Gottes in Wolken entrückt werden, dem Herrn entgegen in die Luft - wenn Er selbst uns in die Geheimnisse der Himmel einführen wird, die uns dann keine solchen mehr sein werden. 2
Letzten Sommer pflückten wir auf einer Wiese eine große Blume 3, die einem schönen, weißen Stern glich, der aus etwa 30 oder 40 kleineren, sternförmigen Blüten zusammengesetzt war; jede dieser Blüten bestand ebenfalls aus mehr als einem Dutzend Sternlein. Eigentlich müsste diese Blume „Sternblume“ heißen. Sodann bemerkten wir in ihrer Mitte ein seltsames Gebilde; es war kein Stern, glich aber einer winzigen, purpurfarbenen Blume um die sich alle Sternblüten gruppierten. Je länger wir die Blume betrachteten, desto schöner erschien sie uns. Und es kam uns zum Bewusstsein, dass sich sogar in der Natur Abbilder dessen finden lassen, durch und für den alle Dinge geschaffen sind. Wir können Ihn überall in der Schöpfung erkennen - in den Wiesenblumen und in den Sternen des Himmels. Gleich diesem purpurfarbenen Mittelpunkt, um den all die anderen Sternblüten vereinigt sind, ist Er der Mittelpunkt der Seinen. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte.“ Es ist Seine Freude, bei den Seinen zu weilen. In der Anbetung Seines bluterkauften Volkes wird Seine Stimme vernommen, denn es steht geschrieben: „Inmitten der Versammlung (Gemeinde) will ich Dir lobsingen“ (Heb 2,12).
Er ist der Mittelpunkt der Herrlichkeit des Himmels, der Erbe und der Träger aller Dinge, um den alles sich bewegt. Eines Tages wird der eindrucksvolle Vorgang im fünften Kapitel der Offenbarung zur Tatsache werden. Sein Volk ist vor Seinem Thron versammelt, und nur Er ist würdig, die sieben Siegel zu öffnen, Er, der Löwe aus Juda, die Wurzel Davids. Johannes sah ein großes Gesicht: „Und ich sah inmitten des Thrones und der vier lebendigen Wesen und inmitten der Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet, das sieben Hörner hatte und sieben Augen, welche die sieben Geister Gottes sind, die gesandt sind über die ganze Erde“ (Off 5,6).
Hier wird Er als der Mittelpunkt in Herrlichkeit erblickt; der Lobgesang beginnt vor dem Throne, im Himmel der Himmel. Zuletzt bringt alle Kreatur, die in dem Himmel und auf der Erde und unter der Erde und auf dem Meere ist, und alles was in ihnen ist, dem Lamm, das geschlachtet worden ist, Lob und Anbetung dar.
Welch ein gewaltiges Bild der Anbetung! Auch hier finden wir die Engel erwähnt: „Und ich sah: und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron her und um die lebendigen Wesen und die Ältesten; und ihre Zahl war Zehntausende mal Zehntausende und Tausende mal Tausende, die mit lauter Stimme sprachen: Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung“ (Off 5,11.12).
Vielleicht werden an jenem Tage der Vollendung die lobpreisenden, anbetenden Stimmen aus diesen Wohnstätten der ungefallenen Geister vernommen - dieser mächtigen Geschöpfe und Diener Gottes, die den Thron der Majestät und Herrlichkeit umgeben. Auf dem Thron aber sitzt nun der, der einst auf Erden im Purpurmantel verhöhnt wurde, dann aber als König aller Könige, der Gegenstand des Lobes und Preises des Himmels und der Erde ist. Er allein ist dessen würdig, und die Engelscharen kennen Ihn in ihren himmlischen Wohnstätten als Herrn über alles.
Fußnoten
- 1 Vulgata: lateinische Bibelübersetzung. 385-405 ausgeführt, von der römisch-katholischen Kirche als autenthisch anerkannt.
- 2 Die Gedanke, die Gaebelins hier über die Bewohnbarkeit der Himmelskörper entwickelt, sind vom Wort Gottes her nicht zu belegen.
- 3 In der Vereinigten Staaten von Amerika als „Wilde Carotte“ bekannt.