Die Welt der Engel
Altes wie Neues Testament sprechen von Engeln
Sadducäer und Modernisten. - Das Zeugnis Christi über die Engel. - Die Götterlehren der Nationen. - Die Engel, höhere Wesen als der Mensch. - Die Söhne Gottes jauchzen. - Die unzähligen Scharen der Engel. - Der Erzengel, die Seraphim und die Cherubim.
Vom ersten Buch Mose an bis zur Offenbarung werden die Engel Gottes außergewöhnlich oft erwähnt: über 100-mal im Alten und mehr als 150-mal im Neuen Testament. Wir begegnen ihnen in der ganzen heiligen Geschichte. In beiden Testamenten wird uns geschildert, was sie in der Vergangenheit im Himmel und auf Erden gewirkt haben, und auch ihr zukünftiges Eingreifen ist uns prophetisch geoffenbart. An dem Dasein dieser übernatürlichen Wesen kann daher kein Zweifel bestehen, denn als solche spricht das unfehlbare Wort Gottes von ihnen. Die Sekte der Sadducäer unter den Juden glaubte nicht an Engel (Apg 23,8). Der heutige Modernismus, das Sadducäertum des zwanzigsten Jahrhunderts, leugnet ebenfalls das Dasein dieser Wesen. Die zersetzende Kritik, die den Modernismus hervorgebracht hat, erklärt, der Glaube an Engel bei den Juden sei darauf zurückzuführen, dass die letzteren während ihrer babylonischen Gefangenschaft mit babylonischen und persischen Sagen in Berührung gekommen sind. So wird, wie von vielen anderen kostbaren Dingen im Worte Gottes, auch vom Glauben an Engel behauptet, er sei babylonischen Ursprungs. Wir schließen uns diesen Erfindungen angeblicher Bibelkundiger nicht an, die nur darauf abzielen, die Autorität der Bibel, unserer einzigen Quelle, zu untergraben. Allen diesen Ableugnungen stellen wir einen Zeugen gegenüber: den Sohn Gottes, unseren Herrn Jesus Christus. Was hatte Er über die Engel zu sagen? Er bestätigte die Engellehre in den hebräischen Schriften. Er sprach von ihnen als von wirklichen Wesen.
In Seinen Gleichnissen vom Reich nennt Er sie die Schnitter am Ende des Zeitalters. Er spricht von ihnen als von solchen, die bei Seinem zweiten Kommen mit Ihm sein werden. Als Petrus Ihn im Garten verteidigte, tadelte Er ihn durch einen Hinweis auf die Engel: „Oder meinst du, dass ich nicht jetzt meinen Vater bitten könne und er mir mehr als zwölf Legionen Engel stellen werde?“ (Mt 26,53)
Er beschreibt ihre wirkliche Natur, wie auch ihre Anteilnahme an den Geschehnissen auf Erden (Lk 15,10) und verkündet, dass in den Tagen Seines Reiches die Engel Gottes gesehen werden, wie sie auf- und niedersteigen werden auf des Menschen Sohn (Joh 1,51).
Was der Modernismus auf diese Zeugnisse unseres Herrn zu sagen weiß, verunehrt den Herrn in einer Weise, dass wir nicht im Zweifel sein können, aus welcher Quelle diese ungläubigen Lehren fließen. Die Modernisten sagen, dass unser unfehlbarer Herr, Er, der die Wahrheit ist, Seine Belehrungen mit den irrigen Anschauungen Seiner Hörer verquickt habe. Vielleicht war es Ihm bekannt, vielleicht auch nicht - so meinen sie -, dass es niemals Engel gegeben hat; jedenfalls habe Er sich den damals unter den Juden geläufigen Ansichten angepasst.
Wir möchten einen weiteren Beweis hinzufügen. Wie wir später zeigen werden, wurde unser erhabener Herr nach Seiner Auferstehung als der verherrlichte Mensch über die Engel erhoben, indem Er einen vorzüglicheren Namen vor Ihnen ererbt hat (Heb 1,4). Wären nun die Engel nur erdachte Wesen, und existierten sie tatsächlich nicht, dann könnten wir folgern, dass auch Seine Erhöhung und Sein Erbe unwirklich und erdichtet sind. Gleich allem anderen, was der Modernismus vorgebracht hat, rüttelt auch die Leugnung der Engel an der Gottheit und Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus.
Die Mythologien (Götterlehren) fast aller alten Völker reden von solchen Wesen. Die babylonische Mythologie stellte sie als Götter dar, die den Menschen Botschaften der Götter überbrachten. Die römische und griechische Mythologie hatte ihre Genien, Halbgötter, Faune, Nymphen und Najaden, welche besuchsweise auf die Erde kamen. Hesiod, nach Homer der älteste griechische Dichter, sagte: „Millionen geistiger Geschöpfe wandeln über die Erde.“ Ägypten und die Völker des Ostens glaubten an solche übernatürliche, unsichtbare Geschöpfe; dieser Glaube ist beinahe allgemein. Die Mythologien sind nur der schwache und entstellte Widerhall einer Erkenntnis, die dem Menschen einst zu Eigen war. Würden derartige übermenschliche Wesen nicht existieren, so fänden wir sie nicht in den überlieferten Lehren der alten Völker.
Die Bibel lehrt, dass die Engel eine über den Menschen stehende Klasse erschaffener Wesen sind. Gott hat des Menschen Sohn eine kleine Zeit unter die Engel erniedrigt (Ps 8,5; Heb 2,7). Dies stellt eine weitere falsche Auffassung richtig. Es wird öfters gelehrt, dass Gläubige, die abscheiden, ebenso wie auch die Kinder, Engel werden. Der Mensch kann nie ein Engel werden, denn die Engel sind für immer von den menschlichen Wesen verschieden. Der erlöste Mensch wird durch die Erlösung nicht zu der Würde eines Engels erhoben, aber in Christus wird er auf eine höhere Stufe gestellt, als die Engel je einnehmen können. Hierüber später mehr.
Wann wurden die Engel erschaffen?
Die Bibel erteilt auf diese Frage keine bestimmte Antwort, aber es ist zum mindesten eine Schriftstelle vorhanden, der wir entnehmen können, dass sie im Anfang geschaffen wurden, als Gott Himmel und Erde schuf. Wann dieser Anfang war, wird keines Wissenschaftlers Forschen jemals aufdecken können. Vielleicht existierte die Erde in einer von ihrer jetzigen verschiedenen Gestalt Millionen von Jahren, ehe der Mensch auf dieselbe gestellt wurde. Zurzeit, als diese ursprüngliche Schöpfung bestand, muss Gott jene Art Wesen geschaffen haben, die wir Engel nennen. Alles, was geschaffen ist, wurde von Gott geschaffen, und zwar in der Person Seines Sohnes und für Ihn, und dazu gehören auch die unsichtbaren Dinge, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten (Kol 1,16).
In den schönen Worten, mit welchen Jehova dem Hiob aus dem Sturme antwortete, finden wir den folgenden Hinweis auf die Zeit, da die Engel ins Dasein gerufen wurden.
„Wo warest du, als ich die Erde gründete?
Tue es kund, wenn du Einsicht besitzest!
Wer hat ihre Maße bestimmt, wenn du es weißt?
Oder wer hat über sie die Mess-Schnur gezogen?
In was wurden ihre Grundfesten eingesenkt?
Oder wer hat ihren Eckstein gelegt,
Als die Morgensterne miteinander jubelten
und alle Söhne Gottes jauchzten?“
(Hiob 38,4‑7)
Dass sich Jehova hier auf die Schöpfung bezieht, ist vollkommen klar. Die Engel existierten also schon, als Gott der Erde Grund legte, als Er zum ersten Male schuf. Und als sie Seine Schöpfungswunder erblickten, jauchzten sie vor Freude. Wir müssen dem ihnen hier gegebenen Namen „Söhne Gottes“ unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Verschiedene Male lesen wir im Alten Testament von den „Söhnen Gottes“ und jedes Mal sind damit diese übernatürlichen Wesen gemeint (1. Mose 6,2; Hiob 1,6; 2,1; 38,7; vergleiche auch Ps 29,1; 78,25; 89,6). Aber es muss darauf hingewiesen werden, dass, wenn die Engel auch „Söhne Gottes“ genannt werden, so doch niemals „Söhne des Herrn“. Es heißt im Hebräischen immer Bne 1 Elohim (Elohim ist der Name Gottes als der Schöpfer), und niemals Bne Jehova. Die Bne Jehova sind erlöste Sünder, die durch die Erlösung in die Sohnschaft versetzt sind. Die Bne Elohim sind ungefallene, als Söhne Gottes erschaffene Wesen. Die Engel sind die Söhne Gottes der ersten Schöpfung; die durch Gnade geretteten Sünder sind Söhne Gottes der neuen Schöpfung.
Da sie nach dem Zeugnis unseres Herrn geschlechtslos sind („in der Auferstehung heiraten sie nicht, noch werden sie verheiratet“, Mt 22,30) und sich daher nicht nach der Art der Menschen vermehren, so müssen sie alle zur gleichen Zeit, im Anfang, erschaffen worden sein. Die Heilige Schrift berichtet uns, dass ihre Zahl sehr groß ist. Daniel sah sie in seinen Gesichten der Nacht vor dem Throne: „Tausend mal Tausende dienten Ihm, und zehntausend mal Zehntausende standen vor Ihm“ (Dan 7,10). Johannes erzählt uns von einem demjenigen Daniels ähnlichen Gesicht: „Und ich sah: und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron her und um die lebendigen Wesen und die Ältesten; und ihre Zahl war Zehntausende mal Zehntausende und Tausende mal Tausende“ (Off 5,11). Auch in Hebräer 12,22 wird von „Myriaden von Engeln“ gesprochen. Eine Menge himmlischer Heerscharen erschien bei der Geburt Christi und jauchzte wiederum vor Freude über den Beginn der neuen Schöpfung (Lk 2,13). Wie groß ihre Zahl ist, weiß einzig Er, dessen Name „Jehova‑Zebaoth“, der Herr der Heerscharen ist.
Die Heilige Schrift verkündet, dass es in der Engelwelt, diesem weiten Reich voll Licht und Herrlichkeit, verschiedene Stufen und Ordnungen gibt. Im Epheser‑ und Kolosserbrief lesen wir von Fürstentümern, Gewalten, Herrschaften und Thronen, die in jener unsichtbaren Welt, den himmlischen Örtern, vorhanden sind (Eph 1,21; Kol 1,16).
Wir wissen auch, dass es einen Erzengel gibt. Die Christenheit spricht von Erzengeln und folgt darin gewissen Überlieferungen von Erscheinungen verschiedener Erzengel; aber in der Heiligen Schrift kommt nur ein Erzengel vor. Sein Name ist Michael, auf Deutsch: „Wer ist wie Gott?“ Er wird dreimal genannt: in Dan 12,1, wo sein Eingreifen zugunsten des Überrestes Israels erwähnt wird - hier wird er „der große Fürst“ genannt. Weiter in Judas 9 wo wir hören, dass er mit dem Teufel um den Leib Moses' stritt, und in Off 12, wo er als der siegreiche Führer der himmlischen Heerscharen erscheint, der gegen Satan und seine Engel Krieg führt.
Ferner finden wir den Namen Gabriel in der Heiligen Schrift. Gabriel, das heißt: „ein Mächtiger Gottes“, ist von Juden und Christen ein Erzengel genannt worden, doch ohne schriftgemäße Begründung, denn er wird in der Schrift niemals als solcher bezeichnet. Er ist eine sehr erhabene Persönlichkeit. Er selbst zeugt von seinem Platz in der Herrlichkeit, denn er sagt zu Zacharias, dem amtierenden Priester: „ Ich bin Gabriel, der vor Gott steht“ (Lk 1,19). Er war es, der die Geburt Johannes des Täufers anzukündigen hatte. Darüber hinaus aber wurde er vom Thron Gottes abgesandt, um der Welt die zwei größten Botschaften zu überbringen, die jemals von den Stätten des Himmels ausgegangen sind.
Als Daniel in ernster Demütigung betete, wurde Gabriel beauftragt, dem betenden Propheten die Antwort Gottes auszurichten. So schnell durcheilte er die unermesslichen Räume, dass er nur wenige Augenblicke brauchte, um Daniel zu erreichen und ihn in seinem Gebet zu unterbrechen (Dan 9,21‑23). Aber die größte aller Botschaften, die ein Engel je zur Erde trug, war die durch Gabriel der Maria, der Jungfrau von Nazareth, gesandte Verkündigung der bevorstehenden Menschwerdung des Sohnes Gottes (Lk 1,26‑38).
Die Cherubim und Seraphim sind Engelwesen von sehr hohem Range und werden immer in Verbindung mit dem Throne Gottes gesehen. Die Seraphim erscheinen nur in Jesajas Tempelgesicht (Jes 6). Hesekiel und Johannes in der Offenbarung erblicken die Cherubim als „lebendige Wesen“. 2
Und nun, bevor wir die Heilige Schrift über die Natur der Engel befragen, über ihre körperliche Beschaffenheit, ihre Wohnstätten, ihre Ämter und Aufgaben in Vergangenheit und Gegenwart, ihre wunderbaren Beziehungen zu kommenden Ereignissen und ihre herrliche Entfaltung im zukünftigen Zeitalter, müssen wir unsere Aufmerksamkeit richten auf jene im Alten Testament so oft erwähnte Persönlichkeit, die genannt wird: „Der Engel Jehovas“.
Fußnoten