Der Heilige Geist
Der Tempel Gottes
„In welchem auch ihr mit aufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,22).
„Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr“ (1. Kor 3,16–17).
Auf den vorigen Seiten haben wir gesehen, dass der Heilige Geist die Gläubigen am Tag der Pfingsten (Apg 2) zu einem Leib getauft hat, dem Leib des Christus, dessen Haupt der verherrlichte Herr im Himmel ist (Eph 1,20–23). In den obengenannten Versen sehen wir eine andere Wahrheit: die Christen bilden zusammen den Tempel Gottes, eine Behausung Gottes im Geist.
Diese Wahrheiten dürfen wir nicht voneinander trennen. Es sind zwei Seiten einer und derselben Sache. Beide beschäftigen sich mit der Versammlung, aber betrachten sie von verschiedenen Seiten. (Siehe z. B. Eph 1,22: „die Versammlung, welche sein Leib ist“, und 1. Tim 3,15. „das Haus Gottes ... welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist“.) Wie schon gesagt, ist das Kennzeichen des Christentums, dass es einen verherrlichten Herrn im Himmel hat und dass der Heilige Geist auf Erden wohnt. Der Ausdruck „Leib des Christus“ stellt uns besonders unsere Gemeinschaft vor mit Christus selbst als dem Haupt der Versammlung im Himmel. Aber der Heilige Geist sieht die Versammlung nicht nur so, sondern auch als eine Behausung Gottes im Geist. Und das ist sie als die Behausung des Heiligen Geistes auf Erden. Dies lässt uns also die gegenwärtige Stellung der Versammlung auf Erden sehen. Beide Seiten der Wahrheit bestätigen, dass die Versammlung vor Pfingsten nicht bestand.
Es gab nie einen Leib des Christus oder eine Behausung im Geist, ehe nicht die Sünde auf dem Kreuz gerichtet und der Heilige Geist auf die Erde herniedergekommen war, um die Versammlung zu bilden. Das ist von unermeßlichem praktischen Wert für das Herz, das diese Wahrheit erfasst hat. Leider meinen viele Gläubige, die Versammlung habe schon vor Pfingsten, ja, seit Adam bestanden. Wenn sie jedoch das Wort Gottes untersuchen, werden sie sehen, dass dieser Gedanke nicht richtig ist.
In dem Brief an die Epheser wird nur zu Christen gesprochen. Er ist gerichtet an die „Treuen in Christus Jesus“. Und der Heilige Geist will gerade beweisen, dass das jüdische System beiseite gesetzt und etwas Neues an seine Stelle getreten ist. Beim Kreuz Christi zeigte sich, dass der Mensch tot war in Sünden und Vergehungen; es gab in dieser Hinsicht keinen Unterschied zwischen Juden und Nationen. Wenn alles nur Gnade ist, kann es keine Vorrechte geben. Dann kann eine Trennung auf Grund irdischer Vorrechte nicht bestehen bleiben. Deshalb wird darauf hingewiesen, dass Christus in seinem Tod die Zwischenwand abgebrochen und durch sein Blut alle diejenigen aus den Nationen, die glauben, herzugebracht hat. Sie sind durch sein Blut gereinigt, durch sein Kreuz mit Gott versöhnt – es gibt keinen Unterschied mehr – und sie werden in Ihm zu einem neuen Menschen geschaffen, zu der Versammlung – ob sie nun gesehen wird als der Leib des Christus oder als eine Behausung Gottes im Geist. In dem Fundament, auf dem die Versammlung gebaut ist, kann der Unterschied zwischen Juden und Heiden nicht mehr da sein, obwohl Gott diesen Unterschied in früheren Tagen selbst eingesetzt und bestätigt hatte.
Wohl finden wir die Versammlung in verschiedenen alttestamentlichen Bildern dargestellt, z.B. als Braut in Eva (siehe Eph 5,31–32) und als Tempel Gottes. Aber die Wahrheit über die Versammlung selbst, die ekklesia, war nicht offenbart. Dies war ein Geheimnis, das erst durch die Apostel und Propheten des Neuen Testaments offenbart wurde (Eph 3,5). Auf die Versammlung als den Leib des Christus, vereinigt mit ihrem himmlischen Haupt, finden wir im Alten Testament keinen einzigen Hinweis.
Die Apostel und Propheten haben den Grund gelegt. Aus Epheser 3,5 ersehen wir, dass dies die neutestamentlichen Propheten sind und nicht die Propheten des Alten Testamentes. Übrigens schließt auch der Ausdruck an sich diesen Gedanken aus. Die Apostel werden zuerst genannt, und sie werden mit den Propheten als eine Gruppe gesehen: es steht nur ein einziger Artikel davor, auch im Griechischen.
Wann ist dieses Fundament gelegt worden? Als der Mensch gesündigt hatte? Nein, viertausend Jahre später, als Christus gekommen, für die Sünde gestorben, aus den Toten auferweckt und gen Himmel gefahren war. In Epheser 2,21 lesen wir, dass „der ganze Bau, wohl zusammengefügt, wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn“. Einst wird der Bau vollendet sein in Herrlichkeit, wenn auf der neuen Erde die Hütte Gottes bei den Menschen sein wird (Off 21,2–3). Aber es ist nicht nur ein zukünftiges Gebäude. Es ist auch Gottes Haus: „In welchem auch ihr mit aufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist“; „wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?“
Epheser 2 stellt uns in den ersten Versen den völlig verdorbenen Zustand des Menschen vor Augen. Danach finden wir die Erlösung und auf Grund dieser die kostbare Wahrheit, dass Gott bei uns wohnen will. Nirgendwo finden wir in der Heiligen Schrift angedeutet, dass Gott bei den Menschen wohnt, außer, nachdem die Erlösung offenbart war. Das ist sogar in den Bildern des Alten Testamentes so. Gott wohnte weder vor noch nach dem Sündenfall bei Adam, Henoch, Noah oder Abraham. Waren dies keine Gläubigen, die Leben aus Gott besaßen? Ohne Zweifel! Und doch wird erst in 2. Mose 15 von einem Wohnen Gottes bei den Menschen gesprochen. Von 2. Mose 25 ab finden wir die Aufrichtung der Stiftshütte. Erst, nachdem die Erlösung (hier aus Ägypten) völlig offenbart war, konnte auf Grund derselben von einer „Behausung Gottes“ auf Erden die Rede sein. Und in der Tat finden wir nirgends im Alten Testament solch ein vollständiges Bild der Erlösung wie in 2. Mose 12–15.
In den ersten Kapiteln des zweiten Buches Mose sehen wir, gerade wie in Epheser 2, den traurigen Zustand des Volkes. Danach finden wir das gerechte Gericht Gottes und das Blut auf den Türpfosten, das vor dem Gericht bewahrt. Dann in Kapitel 14 sehen wir den Zug durch das Rote Meer, in dem der Pharao und sein Heer vernichtet wurde, während Israel gerettet das andere Ufer erreichte, befreit von seinen Feinden. Dies alles ist ein Bild vom Tod und der Auferstehung. Erst jetzt ist das Volk erlöst, und deshalb wird auch erst hier von Erlösung gesprochen. Die Heilige Schrift sagt nicht, dass jemand erlöst sei oder das Heil besitze, wenn er bekehrt sei und also Leben aus Gott habe. Erst wenn er die Befreiung in Christus kennt, wie sie in Römer 5,12 bis einschließlich Kapitel 8 vorgestellt wird, also sagen kann, dass er mit Christus gestorben und auferstanden sei, ist er erlöst. Und nur bei Erlösten kann Gott wohnen. An der anderen Seite des Roten Meeres, als Israel sowohl vor dem Gericht Gottes sichergestellt als auch aus Ägypten befreit war, sang es das Lied der Erlösung. Zum erstenmal wird hier in der Bibel gesungen, zum erstenmal wird über Erlösung gesprochen, zum erstenmal über eine Wohnung für Gott geredet, und zum erstenmal wird Gottes Heiligkeit vorgestellt. Das sind sehr bedeutungsvolle und wichtige Dinge. „Die Behausung Gottes im Geist“ ist gegründet auf die Erlösung, und die Heiligkeit Gottes wird in innigste Verbindung gebracht mit seinem Tempel hienieden, „einem heiligen Tempel im Herrn“ (Eph 2,21), „denn der Tempel Gottes ist heilig“ (1. Kor. 3, 17). Und wodurch wird die Versammlung zum Tempel Gottes? Allein durch die Gegenwart des Heiligen Geistes.
Dies sind nicht nur Offenbarungen an sich, sondern sie mahnen uns gleichzeitig ernstlich zur Heiligkeit. Das Christentum besteht nicht nur aus Lehrsätzen (Dogmen), sondern eben aus Tatsachen. Und diese Tatsachen sind die Grundlage der Lehre. Es handelt sich um eine Person, um einen wirklich lebenden Menschen, geboren, offenbart in dieser Welt, gestorben, auferstanden und gen Himmel gefahren. Und Er hat nicht nur die Wahrheit kundgemacht, sondern ist selbst die Wahrheit. Und nun, da Er im Himmel ist, ist eine andere wirkliche göttliche Person, der Heilige Geist, herniedergekommen und ist nun die Kraft, durch die man den verherrlichten Herrn kennenlernt. Ist dies eine lebendige Wirklichkeit für uns oder ein bloßes Wissen? Auf wen z. B. ist in den Zusammenkünften unser Auge gerichtet, auf Brüder oder auf den Heiligen Geist, diese göttliche Person, die in unserer Mitte ist? Sind wir uns der unermeßlichen Bedeutung dieser Tatsache bewusst?
Nicht unser Glaube oder der Besitz des Lebens aus Gott macht uns zu Gottes Versammlung. Das besaßen auch die alttestamentlichen Gläubigen. Nein, allein die Gegenwart des Heiligen Geistes hat uns zu Gottes Tempel gemacht (1. Kor 3,16). Und das ist so wahr, dass die Tatsache, dass Menschen „nebeneingekommen“ (Jud 4) sind, die kein Leben aus Gott besaßen, das nicht ändert. Es ist traurig, dass wir so wenig Unterscheidungsvermögen hatten, dass Menschen, die nicht wiedergeboren sind, zur Versammlung zugelassen wurden. Aber die Tatsache bleibt, dass Gott in seinem Haus wohnt. Das ist ein herrlicher Trost für uns, die wir in den Zeiten des Verfalls leben. Wir dürfen darauf bauen, dass der Heilige Geist auch heute in unserer Mitte wohnt.
Andererseits folgt daraus eine große Verantwortung. In 1. Korinther 3 wird uns diese vor Augen gestellt. Die Grundlage des Hauses ist gelegt, aber wir müssen darauf bauen. Und wie bauen wir darauf? Man kann mit Gold, Silber und köstlichen Steinen bauen, mit Material, das im Gericht Gottes bestehen kann. Aber es kann auch mit Holz, Heu und Stroh gebaut werden, was sämtlich durch das Gericht verzehrt wird. Ja, sogar der Tempel Gottes, der heilig ist, kann verdorben werden.
Und müssen wir nicht in Demut bekennen, dass dies geschehen ist? Ist das Fundament, Jesus Christus selbst (V. 11), nicht angegriffen, zersetzt und verdorben worden? Lehren, die seine Person und sein Werk antasten, treten in der Versammlung auf. Das Ergebnis finden wir in der prophetischen Skizze, die der Apostel Paulus in seinem letzten Brief zeichnet (2. Tim 2). Er spricht von Personen, die von der Wahrheit abgewichen sind. „Doch der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die sein sind; und: jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit! In einem großen Haus aber sind nicht allein goldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne und irdene, und die einen zur Ehre, die andern aber zur Unehre. Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet.“
Das ist der Zustand, der die heutige Zeit kennzeichnet. Die Christenheit ist ein großes Haus, in dem Gefäße zur Ehre und Gefäße zur Unehre gefunden werden. Und was muss der tun, der den Namen des Herrn anruft? Er muss abstehen von der Ungerechtigkeit und sich absondern von den Gefäßen zur Unehre, um ein Gefäß zur Ehre zu sein, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet. Er kann das Bekenntnis zu seinem Namen nicht preisgeben. Das ist die einzige Stellung auf Erden, die gut ist. Aber wir haben uns zu trennen von allem, was mit seinem Willen in Widerspruch steht. In Gemeinschaft bleiben mit bekanntem Bösen ist genau dasselbe wie zu sagen, Christus habe Gemeinschaft mit Belial (2. Kor 6). Und dabei ist es ganz gleich, ob es sich um praktisches oder lehrmäßig Böses handelt. Manchmal ist es auch Gleichgültigkeit, die die Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung negiert oder seine Wirksamkeit verhindert. Wenn jemand den Namen des Herrn anruft und ihn verbindet mit Sünde, ist er ein Gefäß zur Unehre, und der Gläubige ist gehalten, sich von ihm abzusondern. Es ist ein fester, fundamentaler christlicher Grundsatz, dass es keinen annehmbaren Umstand gibt, in dem es einem Christen erlaubt wäre, mit etwas, das gegen Gottes Willen ist, Gemeinschaft zu haben. Wir sind gewiss berufen, Geduld zu üben, aber niemals hinsichtlich des Bösen. Und nicht die Größe des Bösen, sondern die absichtliche Billigung des offenbar Bösen beeinträchtigt und zerstört den Charakter des Tempels Gottes.