Der Heilige Geist
Die Taufe mit Heiligem Geist und Feuer
Bevor wir dazu übergehen, von dem Werk des Heiligen Geistes zu sprechen, müssen wir uns noch einen Augenblick mit den Worten aus Matthäus 3,11 und Lukas 3,16 beschäftigen: „Er wird euch mit Heiligem Geist und Feuer taufen“.
Viele fassen diese Stellen so auf, als ob geschrieben stände: „Er wird euch mit dem Feuer des Heiligen Geistes taufen“, und man hört dann auch von der „Feuertaufe“ sprechen und darum bitten. Man denkt dabei an die Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingsttag und an die „zerteilten Zungen wie von Feuer“, die sich auf die Jünger setzten als ein öffentliches Zeichen, dass der Heilige Geist auf sie ausgegossen war.
Wenn man den Text genau liest, wird deutlich, dass diese Auffassung nicht richtig ist. Gewiss wird von einer Feuertaufe gesprochen, aber das ist etwas ganz anderes als die Taufe mit dem Heiligen Geist. In neueren Übersetzungen wie z. B. der Mengebibel wird das noch deutlicher. Dort steht: „Er wird euch taufen mit dem Heiligen Geist und mit Feuer“. Es wird also von zwei Taufen gesprochen, von der mit dem Heiligen Geist und von der mit Feuer.
Feuer ist in der Schrift stets ein Bild von Gericht oder Erprobung. Aus Matthäus 3,12 ist das auch zu ersehen. Die Ausgießung des Heiligen Geistes ist jedoch kein Gericht, sondern eine Tat großer Gnade, so dass der Herr Jesus dies immer wieder den Jüngern als einen Trost verheißt (Joh 14–16). Die Taufe mit dem Heiligen Geist kann also nicht dasselbe sein wie die Taufe mit dem Feuer. Der Herr Jesus lässt dies auch deutlich werden, denn Er sagt: „Denn Johannes taufte zwar mit Wasser, ihr aber werdet mit Heiligem Geist getauft werden nach nunmehr nicht vielen Tagen“ (Apg 1,5). Das sind die gleichen Worte, die Johannes gebraucht hatte, nur mit dem Zusatz, dass die Taufe mit dem Heiligen Geist jetzt „nach nunmehr nicht vielen Tagen“ stattfinden würde. Über die Taufe mit dem Feuer wird nichts gesagt. Wäre das nicht seltsam, wenn die Taufe mit Feuer tatsächlich am Pfingsttag stattgefunden hätte? Eine sorgfältige Untersuchung von Matthäus 3,11 in diesem Zusammenhang wird uns die Bedeutung erkennen lassen.
In den alttestamentlichen Weissagungen von dem Kommen des Herrn Jesus werden immer zwei Folgen dieses Kommens vor Augen gestellt: Die Segnungen und die Herrlichkeit für die Gottesfürchtigen und das Gericht für die, die hochmütig sind und gottlos handeln. (Vergl. Jes 61,1–2 und Mal 4,1–3) Aus keiner Stelle ist zu entnehmen, dass diese Folgen nicht gleichzeitig gesehen werden sollten. Der fromme Jude erwartete, dass der Messias sie, die Juden, befreien würde, indem Er ihre Feinde richtete. Darum finden wir so viele Rachepsalmen, in denen der Psalmist sich freut über das Gericht, das die Gottlosen treffen soll. (Vergl. Ps 58,6–11; Ps 83; 109 usw.) Dieses Gericht sollte stattfinden, wenn der Gott des Himmels sein Königreich auf der Erde aufrichten (Dan 2,44) und es dem Messias, dem Sohn des Menschen, übergeben würde (Dan 7,13–14). Johannes der Täufer war der in Jesaja 40 und Maleachi 3–4 angekündigte Herold des Königs, der das Evangelium des Reiches predigen musste. „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.“ Dies finden wir in Matthäus 3 und Lukas 3 dargestellt.
Leider war das Volk als Ganzes nicht gottesfürchtig. Äußerlich zwar hielt es fest am Wort Gottes und erfüllte die gesetzlichen Vorschriften. In Wirklichkeit war der Zustand jedoch genauso wie in der Zeit Maleachis, wo nur ein ganz kleiner Überrest Gott fürchtete. Dieser Überrest glaubte den Worten Johannes des Täufers, dass das Königreich nahe gekommen sei. Sie ließen sich taufen mit der Taufe der Buße (Apg 19,4) und sonderten sich dadurch ab von der Masse des Volkes, das Gott nicht fürchtete. Sie bekannten durch die Taufe, dass der Zustand, in dem sie bis dahin waren, im Widerspruch zu dem kommenden Reich und seinem König stand.
Auch die religiösen Führer des Volkes kamen zu Johannes – leider ohne Buße zu tun. An sie richtete Johannes seine Worte. Er kam im Weg der Gerechtigkeit (Mt 21,32) und sprach also von Buße, während er das Gericht über alle Ungerechtigkeit ankündigte. Er taufte mit Wasser, einem äußeren Zeichen der Absonderung vom Bösen, welches jedoch niemals eine innere Reinigung zuwege bringen konnte. Selbst die christliche Taufe spricht von Tod, von Begraben–werden, niemals von Leben. Johannes war nicht der Messias. Er war nur die „Stimme eines Rufenden“, aber nach ihm sollte der Stärkere kommen, der so hoch über ihm stand, dass er nicht würdig war, seine Sandalen zu tragen. Es war Gott selbst, der HERR, der Bundesgott Israels (Sach 12+14). Durch diesen würde die Gnade und die Wahrheit werden (Joh 1,17; Mt 11,16–19; Lk 7,32–35). Er würde mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen: mit dem „Heiligen Geist“ als der Frucht seines ersten Kommens, als der Kraft der Segnungen Gottes in dem Königreich der Himmel in seiner gegenwärtigen Gestalt, wodurch die Versammlung (Ekklesia) von den Juden abgesondert wird (Apg 2,40.47); mit „Feuer“ wird Er das ernste Gericht Gottes an der Welt ausüben, wenn Er „in flammendem Feuer ... Vergeltung gibt denen, die Gott nicht kennen“ (2. Thes 1,8).
Der Heilige Geist reinigt nicht allein äußerlich. Er erneuert den Sinn (Röm 12,2) und ist die göttliche Kraft in uns, die uns von allem scheidet, was dem Fleisch gefällt. Er bringt uns in Verbindung mit der Herrlichkeit, in die Gott uns einführt – mit allem, worin Gott sich offenbart hat – indem Er alles überwindet, was uns hindert, diese Vorrechte zu genießen. Das Feuer ist das Gericht, das alles Gottfeindliche verzehrt. Beide entfernen also das Böse, nur auf verschiedenen Wegen.
Johannes der Täufer hat dies nicht alles verstanden. 1. Petrus 1,10–12 zeigt uns, dass Propheten oftmals Dinge weissagten, die weit über ihre Einsicht hinausgingen. Erst viel später ist offenbar geworden, auf welche Weise Christus die Weissagung des Johannes erfüllte. Es war das „Geheimnis des Christus, welches in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden“ (Eph 3,2–12). Die Weissagungen des Alten Testamentes geben im allgemeinen nicht an, dass zwischen dem Kommen des Herrn in Gnade auf Erden und seinem Kommen in Herrlichkeit zum Gericht ein wesentlicher Zeitunterschied besteht. Hätten die Juden sich auf die Predigt des Johannes hin bekehrt und den Herrn Jesus angenommen, dann wäre dies auch nicht der Fall gewesen. Dann wäre das Königreich in Herrlichkeit aufgerichtet worden. Darum sagt der Herr Jesus in der Bergpredigt (Mt 5–7), welchen Charakter diejenigen haben müssten, die in dieses Reich der Himmel eingehen wollten. In Matthäus 8–12 finden wir jedoch, dass er von den Juden verworfen wird, und in Kapitel 13, 1 geht der Herr aus dem Haus (Israel) hinaus und setzt sich an den See (Nationen). Dort zeigt Er in den bekannten sieben Gleichnissen, was durch die Verwerfung des Königs aus diesem Reich geworden ist, aber auch, wie es in der Vollendung des Zeitalters durch die Verbrennung alles Unkrautes (die Taufe mit Feuer) gereinigt werden wird. Und dann zeigt Er weiter, wie dieses gereinigte Königreich in Herrlichkeit offenbart werden wird, und zwar was seinen irdischen Teil betrifft, unter dem Namen „Reich des Sohnes des Menschen“ (V. 41), und was seinen himmlischen Teil betrifft als das „Reich des Vaters“ (V. 43). Dann wird die Weissagung des Johannes ganz erfüllt sein. Dann ist das Reich der Himmel in Kraft und Herrlichkeit offenbart, und der Herr Jesus hat Israel „mit Feuer getauft“.
In der Zwischenzeit vollzieht sich jedoch etwas Neues. Der verworfene König findet im Acker einen Schatz (V. 44–46); die Versammlung (Gemeinde) wird offenbart. Er verkauft alles, was Er hat, um sie zu besitzen, und tauft sie durch den Heiligen Geist zu seinem Leib (1. Kor. 12,13). Das ist die Taufe mit dem Heiligen Geist, von der Johannes weissagte und die am Pfingsttag stattfand (Apg 2).
Manchmal werden die „zerteilten Zungen wie von Feuer“ als Beweis dafür angeführt, dass die „Feuertaufe“ mit der Taufe mit Heiligem Geist identisch sei. Es steht jedoch nicht da, dass es Feuer war, sondern „wie von Feuer“. Es waren Zungen, was auf Sprechen hinweist. Das bedeutet, dass die Macht des Heiligen Geistes sich in ihrer Predigt des Wortes offenbaren würde, so dass dieses Wort, das wie ein Feuer alles richtet (oder beurteilt, Heb 4,12), mit Kraft verkündet werden würde (Apg 1,8). Dass es „zerteilte“ Zungen waren, ist meines Erachtens ein Hinweis darauf, dass das Zeugnis sich nicht nur an die Juden, sondern auch an die Nationen richten würde.
Wie groß ist Gottes Gnade, die uns nicht alles gibt. was wir erbitten, sondern nur das, was gut für uns ist! Wo würden wir sein, wenn Er die Bitten seiner Kinder um die „Taufe mit Feuer“ erhört hätte! Auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer!