Betrachtung über den Propheten Hesekiel
Kapitel 13
Dieses Kapitel ist für Bekehrte wie Unbekehrte von großer Bedeutung. Wollen wir es in moralischer Hinsicht auf unser Herz und Gewissen anwenden, dann haben wir an die Worte über die Weissagung von 1. Korinther 14,3 zu denken: „Wer aber weissagt, redet den Menschen zur Erbauung und Ermahnung und Tröstung.“ Der Menschensohn, Hesekiel, macht uns hier mit Männern und Frauen bekannt, die „aus ihrem eigenen Herzen“ weissagen (Verse 2.17).
Ernster Gedanke. Viele Menschen neigen zu der Annahme, dass Worte, die aus der Tiefe des Herzens kommen, für jedermann verbindlich sind. „Es kam ihm so richtig aus dem Herzen“, wird dann oft gesagt. Sicherlich ist es nicht in Ordnung, wenn etwas nur Sache des Verstandes ist, ohne dass das Herz dabei berührt ist. Das Wehe wird hier den törichten Propheten zugerufen, „die ihrem eigenen Geiste nachgehen und dem, was sie nicht gesehen haben.“ Dies ist der Kernpunkt, den wir betrachten. Deutlich erkennen wir, dass „seinem Geist zu folgen“ in direktem Gegensatz zu „etwas gesehen zu haben“ steht. Etwas zu sehen ist keine Frage der Wirksamkeit des eigenen Geistes, sondern der des Geistes Gottes.
Auf die Worte in Offenbarung 1,2: „Johannes, der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi, alles was er sah“, folgt der Vers: „Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist.“ Es könnte jemand sagen: „das ist eine schön angeführte Stelle, doch es geht hierbei um inspirierte Worte Gottes, und ein prophetisches Wort, wie es hier gemeint ist, ist nicht inspiriert.“ Doch der Ursprung beider Worte ist in der Tat der gleiche, nämlich der Heilige Geist. In 1. Korinther 2,13 schreibt Paulus über die ihm von Gott geschenkten Dinge: „Welche wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel.“ Das ist also Inspiration, und will man das inspirierte Wort in sich aufnehmen, so ist dieser Geist Gottes notwendig: „der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird“ (Vers 14).
So war es vor alters, so ist es heute. Will jemand wirklich ein Wort der Prophetie austeilen können, so ist Voraussetzung, dass der Geist Gottes es ihm zunächst offenbart hat. Als früher das Wort Gottes, die Bibel, noch nicht vollendet war, empfingen die Gläubigen die prophetischen Worte entweder aus den schon vorhandenen Offenbarungen oder aber sie wurden unmittelbar von Gott mit seinen Gedanken vertraut gemacht; heute finden wir alle Ratschlüsse und Gedanken Gottes allein in seinem Wort. Will nun der Geist Gottes uns in die Tiefen des Wortes Gottes einführen, müssen wir im Licht die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn haben. Stehen wir aber nicht in dem Licht (nicht allein moralisch, sondern auch der Lehre gemäß), dann hat der Geist, der bei uns ist, uns zunächst zu dem Licht zu führen, indem er uns dann die Gedanken Gottes deutlich machen kann, um sie anderen mitzuteilen.
Dies findet sowohl bei der Übersetzung der Gedanken Gottes aus dem Grundtext des Alten und Neuen Testaments in eine bestimmte Sprache seine Anwendung, als auch bei Auslegungen über das Wort, sei es schriftlich oder mündlich.
„Israel, deine Propheten“, sagt Gott im 4. Vers. Der Seher auf Patmos, der „Knecht Johannes“, erkennt, dass diese Propheten aus Israel wie Füchse in den Trümmern geworden sind. Dr. Noordtzij erörtert hierzu: „In Häusern halten sich keine Füchse auf. Sie ziehen Plätze vor, wo sie ohne Schwierigkeiten an das gelangen können, was sie befriedigt. Sie leben in der Nähe von Schutthaufen und wühlen in ihnen herum.“ Diese Worte sind sehr zutreffend und können durch andere in der Schrift bestätigt werden, wo von dem vernichtenden Werk der Füchse die Rede ist.
In Klagelieder 5,18 bringt der Geist Christi, der in dem Überrest wirkt, den Zustand des Berges Zion, dem Berg der unumschränkten Gnade Gottes, ans Tageslicht; „der Berg ist verwüstet und Füchse streifen auf ihm umher.“ Dieser Zustand bietet sich hier in geistlicher Hinsicht: Menschen ohne Gemeinschaft mit Gott versuchen in wohllautenden Kanzelreden die Heilswahrheiten zu entfalten; sie wandeln über den Berg Zion. Wo aber durch das Wirken des Heiligen Geistes das Herz die Dinge so ansieht, wie sie wirklich sind, lässt der Geist Gottes uns nicht im Stich - er bringt uns weiter, hilft uns in schwierigen Lagen und führt endlich den Überrest aus den Übungen der Psalmen hin zu den Segnungen des Hohenliedes. Hier fordert der Bräutigam (Christus) in Gemeinschaft mit seiner Braut (dem durch seinen Geist geprüften Überrest in Jerusalem) die für den Weinberg verantwortlichen Personen auf: „Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, welche die Weinberge verderben;“ hiermit spricht er die oben erwähnte Untergrundbewegung, das verwüstende Element - diesmal an den Wurzeln der Weinstöcke - an.
Vers 5 führt uns zu einem neuen Merkmal der Prophetie, über das das Wehe ausgesprochen werden muss. „In die Risse seid ihr nicht getreten, und die Mauer habt ihr nicht vermauert um das Haus Israel her, um stand zu halten im Streit am Tag des HERRN.“ Wir wollen unsere Aufmerksamkeit nun auf den Tag richten, der Aufschluss über die innere Haltung der Propheten geben soll: „der Tag des HERRN“. Dieser beachtenswerte Tag wird, falls Gott sein Volk auf der Erde heimsucht, sei es nun das irdische oder das himmlische Volk, den Propheten Gelegenheit bieten, öffentlich zu beweisen, was sie für den Herrn wie auch für die Seinen auf der Erde wert sind. Wir lesen in dem Buch Maleachi, Kapitel 3,2.18.: „wer aber kann den Tag seines Kommens ertragen, und wer wird bestehen bei seinem Erscheinen? Denn er wird wie das Feuer des Schmelzers sein und wie die Lauge der Wäscher… Und ihr werdet wiederum den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem Gesetzlosen, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient.“ All diese Verheißungen werden vollkommen in Erfüllung gehen, wenn der Herr erscheinen wird, sein Reich aufzurichten; zwischenzeitlich werden von Gott bereits jetzt Tage der Prüfung angesetzt. Der Apostel schreibt in 1. Korinther 11,19: „Denn es müssen auch Parteiungen unter euch sein, auf dass die Bewährten unter euch offenbar werden.“
Ein kurzes Wort über die dreierlei Drohungen von Seiten Gottes in Vers 9:
1. „Im Rate meines Volkes sollen sie nicht stehen.“ Anfangs (Vers 4) sprach Gott über „deine Propheten“, deren Wirkungsbereich in Israel wüsten Plätzen verglichen wurde. Hier spricht Gott von dem Rat „meines Volkes“. Der verderbliche Einfluss des Feindes wird Gottes Ratschlüsse in Gnade in Bezug auf sein Volk nie zunichte machen können. Der Rat seines Hauses spricht von dem, was Gott endlich für sich auf der Erde bereiten wird, und erhält für uns seine Bedeutung in den Worten von 2. Thessalonicher 2,1 - „unser Versammeltwerden zu ihm hin“ - und Hebräer 10,25 - „unser Zusammenkommen“ -; der griechische Ausdruck ist dem hebräischen in 4. Mose 10,1-4 gleichbedeutend, wo von dem Gebrauch der silbernen Trompeten gesprochen wird.
Wenn der Herr Jesus mit der Posaune Gottes vom Himmel herniederkommt (1. Thes 4), so wird seine Gemeinde mit ihm versammelt werden. Welch ernster Gedanke, dass diese törichten Propheten dann nicht dabei sein werden. An ihnen wird die Aufnahme der Gemeinde vorübergehen; obgleich sie so oft in Verantwortlichkeit die Posaune an ihren Mund gesetzt haben, werden sie den Klang der himmlischen Posaune nicht vernehmen können, und werden zurückbleiben, um in dem Urteil über die Christenheit umzukommen.
2. „Und in das Buch des Hauses Israel werden sie nicht eingeschrieben.“ Dieses Buch des Hauses Israel hat nichts mit „dem Buch des Lebens des Lammes“ aus Offenbarung 21,27 gemein, auch hat es nichts mit dem Buch zu tun, von dem der Herr Jesus zu seinen Jüngern spricht: „Freuet euch aber, dass eure Namen in den Himmeln angeschrieben sind“ (Lk 10,20). Das Buch des Lebens, wie es auch in Offenbarung 3,5 angeführt ist, nimmt die Namen derjenigen auf, die in einem bestimmten Zeitabschnitt vor Gott leben. So standen in der Periode von Sardes alle, die zu dieser Zeit lebten, ob bekehrt oder unbekehrt, für Gott im Buch des Lebens. Alle aber, die nicht zu den Überwindern zählen oder zählten, werden bald bei der Verurteilung Sardes aus dem Buch ausgelöscht werden. Ebenso wird der HERR alle Völker, die ins tausendjährige Reich eingehen, einschreiben (Ps 87,6). Doch diese Lügenpropheten werden nicht registriert werden, denn sie werden vor dieser Zeit dem Gericht, das den ungläubigen Teil des Volkes treffen soll, hinweggerafft sein.
3. „Und in das Land Israel sollen sie nicht kommen.“ Dieses „Land“ oder diese „Erde“ Israels ist das zukünftige Erdreich, das für den Israeliten das gelobte Land bedeutet, in welchem der volle Genuss und die Segnungen, die Abraham und den Patriarchen zugesprochen wurden, zu finden sind. Es ist das Land, von dem Psalm 37,11 spricht: „Aber die Sanftmütigen werden das Land besitzen, und werden sich ergötzen an Fülle von Wohlfahrt“; dieses Versprechen übernimmt der Herr Jesus in der „Bergpredigt“ von Matthäus 5. Nun, diese Segnungen auszuteilen, werden die als Lügengeister gestempelten Propheten nie genießen.
In den Versen 10 ff. zeigt der Geist Gottes uns ein anderes Bild der verderblichen Einflüsse. Hier wird von der Erde als Bauwerk dieser Lügenpropheten gesprochen. Während einer von ihnen die Mauer hochzieht, tünchen die anderen dieselbe schnell. Von außen mit bestem Bindemittel versehen, erscheint sie dennoch dem untrüglichen Blick des Herrn als übertünchte Wand. Darby übersetzt sie mit „untempered mortal“, was bedeutet, dass die Tünche schlecht zubereitet oder gelöscht war. In der gleichen Übersetzung lesen wir von der Versammlung, dem einen Leib (1. Kor 12,24), dass Gott sie „has tempered together“. Dies stellt, wie mir scheint, klar den Unterschied heraus, wie die törichten Propheten das Bindemittel anwenden und wie Gott es gebraucht. Gott „löscht“ den Kalk, den er für den Bau seiner Gemeinde verwendet, indem er sich des Heiligen Geistes bedient, der Herz und Gewissen trifft, so dass sein Bindemittel allen Gefahren standhalten kann. Jedes andere Binde- und Tünchmittel, es mag die schönsten Glaubensbekenntnisse für sich beanspruchen, würden bei dem überschwemmenden Regen und den Hagelsteinen versagen (Vers 11). Es wird ein Tag des Gerichts anbrechen - das vorgesehene Urteil wird durch die Hand des Königs des Nordens ausgeführt - von welchem, wie wir es im Buch Jesaja finden, die genannten Naturerscheinungen vorbildlich sprechen; öffentlich wird man fragen: „Wo ist denn deine Tünche jetzt?“ Ebenso wird für die Gemeinde in ihrer Verantwortlichkeit auf der Erde eine Zeit kommen, wo sich alle Bindemittel, die von den verschiedenen Systemen in der Christenheit gebraucht wurden, um einander zu vereinigen, als wertlos und nichtig erweisen werden.
Ist vielleicht unter unseren Lesern noch jemand, der diese Bindemittel benutzt, der die Gläubigen in einer andern Form der Einheit verbinden will, als in der allein gültigen, nämlich dass jemand von Gott selbst durch das Wirken des Heiligen Geistes zur Wiedergeburt und Erneuerung zu dem einen Leib gefügt wird? Beachten wir, dass das Wort Gottes in Vers 15 von dieser Zeit sagt: „Die Mauer ist nicht mehr, und die sie tünchten sind nicht mehr.“
Vers 14 belehrt uns noch in ernster Weise: „und ich will die Mauer abbrechen, die ihr mit Tünche bestrichen habt, und sie zur Erde niederwerfen, dass ihr Grund entblößt werde.“ Das bedeutet, dass die Grundlage, auf welche diese Lügengeister bauten, vor aller Augen offenbar wird. So wird es Israel ergehen und ebenso allen falschen Arbeitern in der Gemeinde Christi.
Die Propheten sprechen von Frieden, obwohl kein Frieden da ist (Vers 10); sie weissagen über Jerusalem und schauen Gesichte des Friedens für dasselbe (Vers 16): Ein zutreffendes Bild der heutigen Christenheit. Allerorten hört man von der Zukunft sprechen, der die Kirche Christi auf der Erde entgegengeht, von innerer Erneuerung und derartigen Lehren, aber von den Wahrheiten des Buches der Offenbarung, das uns die Gerichte über die gefallene Christenheit aufzeigt, vernehmen wir nichts. „Die Mauer (oder die Stadt) soll fallen, und ihr werdet in ihrer Mitte (inmitten der Trümmer) umkommen.“
Der Herr gebe allen, die sich im Dienst an den Seelen verwenden, gerade in unseren Tagen die Schlussworte des Apostels Paulus von 1. Korinther 9 zu bedenken: „Auf dass ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt, selbst verwerflich werde.“ Dieses von einem solch überzeugten Gläubigen gesprochene Wort sollte uns mit Furcht und Zittern erfüllen. Ein geliebter Lehrer unter unseren Brüdern, der bekannte William Kelly, äußerte sich zu diesem Vers: „Das Predigen und Lehren der Wahrheit an die Menschen ist, ohne von der Wirklichkeit ergriffen zu sein, ohne Selbstgericht und Selbstverleugnung, vor Gott Zersetzung. Es ist Selbstbetrug, nicht Betrug gegenüber dem, der sich nicht betrügen lässt. Auch haben jene Christen mehr zu wachen und zu beten, die viel das Wort Gottes auslegen und anderen den Weg zum Herrn Jesus weisen.
Wie leicht können solche vergessen, dass das Ausführen der Wahrheit in Verantwortung wie auch das Predigen, und sei es noch so aufrichtig gemeint, den eigenen Gehorsam zu Gottes Wort nicht ersetzt. Ein geistlicher Wandel ist etwas anderes als Aufrichtigkeit; doch eine hochgesteckte Rede ohne ein aufrichtiges Gewissen führt über kurz oder lang zum Schiffbruch.“
Der Abschnitt von Vers 17 bis Ende hätte ein geschlossenes Kapitel darstellen können. Hesekiel richtet sich hierin als Menschensohn gegen die Töchter seines Volkes, die gleich den Propheten am Anfang des Kapitels aus ihren eigenen Herzen weissagten. Die Aussagen über diese Prophetinnen sind aber im Grunde nicht denen der Propheten gleich, eher sehen wir aus diesen Versen, dass die Prophetie dieser Frauen vieles mit Magie und Wahrsagerei gemeinsam hat.
In Zeiten des Niedergangs und Verfalls, die dem Eingreifen Gottes im Gericht meist kurz vorausgehen, bedient sich Gott wie auch Satan der Frauen, um auf die Menschen Einfluss zu nehmen. Gott benutzt die Frauen, um deutlich zu machen, dass das Zeugnis schwach ist und kein Heilmittel wirken kann. Als Vorbild nehme ich Debora in den Tagen der Richter, Hulda zur Zeit Josias, Anna, die Tochter Phanuels, in den Tagen der Geburt des Herrn. Ich denke ferner an die wichtige Rolle, die die gläubigen Frauen im vorigen Jahrhundert, als der Herr Jesus das letzte Zeugnis vor seinem Kommen festigte, gespielt haben.
Man muss bemerken, dass sich auch Satan in Endzeiten der Eigenarten und des Wesens der Frauen bedient, damit er die Seelen verleite. Wir denken an die Zauberinnen zu Endor zu Zeiten Sauls, an Isebel, die sich zufolge Offenbarung 2,20 eine Prophetin nannte und von der Jehu in 2. Könige 9,22 sagt, dass ihrer Zaubereien viele waren.
Erinnern wir uns auch an die Kunstgriffe derer, die in 2. Timotheus 3 „Weiblein“ gefangen nehmen; ihre Handlungen glichen denen der Zauberinnen des Pharao. Unser Kapitel berichtet von diesen Prophetinnen, dass sie Binden zusammennähen über alle Gelenke der Hände. Ich glaube, indem ich mich dabei auf Gedanken von Dr. Noordtzij berufe, dass wir uns hierbei gepolsterte Stoffstücke vorstellen müssen, die uns die Arme und vornehmlich um die Gelenke gewickelt wurden, und denen daraufhin eine magische Kraft zugeschrieben wurde. Es ist für uns nützlicher, den diesbezüglichen Warnungen Gottes Gehör zu schenken, als uns lange bei diesem Gebiet aufzuhalten, denn diese abergläubigen Rituale sprechen nur von Banden, die vermittelst der Hilfe des Spiritismus und Dämonismus um die Seelen der Menschen gelegt werden und sie lähmen.
Nichts ist gefahrvoller, als sich mit dämonischen Kräften einzulassen. Die Seele wird dadurch nicht nur verunreinigt, sondern sie wird mit Banden gefesselt, aus denen allein unser Herr uns befreien kann. Man tut gut daran, auch das kleinste Böse nicht zu verharmlosen; die Zeugnisse von Menschen, die sowohl dem sittlich Bösen verfallen waren als auch unter der Leitung des Spiritismus gestanden hatten, aber durch die Gnade erlöst wurden, besagen, dass man von diesen Ketten Satans nur noch durch die überaus große Kraft Gottes erlöst werden kann, will man nicht rettungslos verloren sein.
Diese Frauen tun in ihrer teuflischen Art noch etwas: sie machten Kopfhüllen nach dem Haupt jedes Wuchses, um Seelen zu fangen. Der Ausdruck „nach dem Haupt jedes Wuchses“ besagt, dass sie für jede Kopfgröße eine passende Hülle hatten. Das ist von viel sagender moralischer Bedeutung. Nicht bei allen Menschen hat Satan mit seinen abergläubigen Machenschaften Erfolg. So rüstet er seine Dienerinnen mit Kopfhüllen aus, Kappen für groß und klein. Er beginnt bei der Jugend, die er zwei Groschen oder eine Mark in den Wahrsagerautomaten werfen lässt. „Das ist doch eine unbedeutende Geldspielerei“ wird vielleicht jemand unter uns sagen. Betrüge dich nicht: auch der Menschenräuber von Anfang (Joh 8,44) hat solche Jungen- und Mädchenkappen vorrätig. Satan nutzt die Prüfungen des Lebens, Krankheiten oder seelische Leiden, auch bei Gläubigen geschickt aus, um seine Hilfe als Arzt anzubieten, indem er nicht offensichtlich mit Spiritismus offeriert, doch eine schlummernde Absicht mit den Seelen hat - die letztlich doch Gott allein in seiner Hand hat - und noch die Suggestion des Geistes in seinen Dienst stellt. Wehe dem, dem eine solche Kappe aufgesetzt wird. Es ist besser, aus Gottes Hand eine Narkosehülle entgegennehmen zu müssen, als aus der Hand Satans Dienste, die bloß einen Augenblick wirkungsvoll erscheinen, zu empfangen.
Wir stoßen dann auf eine höchst merkwürdige Frage von Gott: „Die Seelen meines Volkes fanget ihr, und eure Seelen erhaltet ihr am Leben?“ Wir können aus dieser Frage eine wichtige Lehre ziehen, dass sich nämlich das Einlassen mit der Geisterwelt um uns her in jeder Weise viel gefährlicher für Gläubige als für Ungläubige auswirkt. Die „eure eigenen Seelen“ von Satan, die also noch unter der Macht der Finsternis stehen, laufen bei all diesen Anfechtungen nicht die Gefahr, die den Gläubigen droht. Wir haben es hier mit Vorbildern zu tun; doch war vielleicht dem einen oder anderen unter uns eine unbekehrte Person - sonst ganz anständig, wie man sagt - bekannt, die gewohnheitsgemäß mit den verschiedensten Fragen einen Wahrsager aufsuchte und dann schließlich doch der Stimme des Evangeliums Folge leistete. Andererseits kann es Gläubige geben, die auf Grund einer gewissen Neigung einmal versucht waren, die Hilfe eines Wahrsagers zu beanspruchen, dann aber nie mehr zu wahrem Frieden und Genuss gefunden haben und dem Wahnsinn verfallen sind.
Wir kommen nun im 19. Vers zu einem wichtigen Punkt. Gott wird in seinen Regierungswegen mit seinem Volk dadurch entheiligt, dass sie um eines armseligen Entgelts wegen Seelen töteten, die nicht hätten sterben sollen und Seelen am Leben erhielten, die hätten getötet werden sollen. Ihre ganze Handlungsweise widersprach den Regierungswegen Gottes mit den Menschen. Ich denke insbesondere an die Hilfe zur Genesung, die nicht mit Gebet gepaart geht (siehe Vers 22). Gott stellt nicht in Abrede, dass sie durch ihre Handlungen Seelen am Leben behielten, denn Satan ist im Stande, Seelen am Leben zu erhalten, die auf Grund der Wege Gottes in seiner undurchdringlichen Weisheit gegenüber den Seinen nicht hätten weiter leben sollen. Natürlich haben wir bei diesem Ausdruck „Seelen am Leben erhalten“ nicht an den ewigen Zustand zu denken. Dämonische Mächte können also das Leben auf der Erde ausdehnen, obgleich Gottes Zeit für sie auf der Erde da war. Demgegenüber konnten auch durch sie Seelen getötet werden, die nicht hätten sterben sollen. Lässt man die Macht des Teufels in seinem Leben sich entfalten, so ist ein ruinierender Einfluss an Leib und Seele die Folge, so dass ohne Gottes Willen der Tod auf der Erde eintreffen kann; dieser Folge hätte man sich aber entziehen können, wenn man alles seinen Händen anvertraut hätte.
Ihre Sünden und bösen Taten nennt Gott Lügen gegen sein Volk, „das auf Lügen hört“. Lasst uns alles im Licht Gottes betrachten und auch das „am Leben erhalten“ als Lüge Satans ansehen. Der Teufel kann nicht anders als zu lügen, und somit ist auch eine scheinbare Wiederherstellung eines Kranken nur Trug. „er steht nicht in der Wahrheit, weil keine Wahrheit in ihm ist“, sagt der Herr Jesus in Johannes 8,44 und fügt hinzu: „wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben.“
Es ist darum so gefährlich, oben erwähnte Dinge der Wahrsagerei und Teufelskunst außerhalb der Vorsehung Gottes einzustufen. Sie als minderwertig und nicht von Satan ausgehend hinzustellen ist ebenso fehl am Platz. Dies gesamte Teufelspiel in dem sog. Anrufen der Geister ist Betrug: wir sehen, dass die Zauberer zu Endor vor ihrem eigenen Betrug zurückschrecken als Gott ihnen die Wahrheit anzeigt.
Welch ein Glück, dass Gott Rettung auch für diejenigen anbietet, die sich in den Banden des Todes verfangen haben. Er, der den Besessenen aus dem Land der Gadarener von der Macht der fünftausend Dämonen erlöste, ist auch heute noch imstande, durch seine Macht zu erretten. „Ich will sie von euren Armen wegreißen“, sagt Gott zu den Frauen, die die Seelen mit weiblicher Raffinesse in ihre Arme eingeschlossen und somit auch in die Arme Satans getrieben hatten. „Ich will die Seelen freilassen, … dass sie wegfliegen.“ Der hebräische Text gibt uns hier beachtenswerte Feinheiten: wegreißen, freilassen - und im gleichen Gedankengang dann: dass sie wegfliegen! Dasselbe haben wir in Psalm 73,17: „Bis ich hineinging in die Heiligtümer Gottes und jener Ende gewahrte.“ Ein See von Gedanken, von Erfahrungen der Seele und von dem Rufen zu Gott in tiefer Beschämung! Das erhabene Ergebnis ist dennoch hier in Hesekiel 13,20, dass sie wegfliegen.
Zufällig war ich Sonntag Augenzeuge eines solchen Kampfes von reißen, freilassen und wegfliegen. Eine Taube war mit ihren Flügeln in den durch starke Sonneneinwirkung weich gewordenen Teer eines Telegraphenmastes hängen geblieben. Das arme Tier zappelte dort oben eine Weile und niemand konnte ihm Hilfe gewähren. Wir hatten schon alle Hoffnung für sie aufgegeben als sie sich nach einer Viertelstunde vergeblichem Ringen losriss und schnell dem Platz ihres Unheils entflog.
An dem darauf folgenden Morgen fand ich in meinem Zaun das Opfer dieser Freiheit: ein Bündel sechs großer Federn, die sie buchstäblich an dem schwarzen Teer, der sie gekettet hatte, gelassen hatte. Ein treffendes Bild für uns aus der Natur. Jede Befreiung aus der Macht der Sünde, jedes Loslösen aus der Macht Satans, wie es uns unser Kapitel vorstellt, kostet uns diese Anstrengung. Es kostet uns auch das Bündel Federn, einen Verlust, den wir Gott sei Dank nicht mit in die Ewigkeit nehmen, der uns jedoch hier bei den Menschen kennzeichnet und der in Wahrheit im Volksmund „Federn lassen“ genannt wird.
Gott wird die Kopfhüllen zerreißen, so steht es in Vers 21. In Gnade fügt er dann hinzu: „und mein Volk aus eurer Hand erretten.“ So will Gott auch heute noch Hüllen zerreißen. Er kann und wird es auch tun. Dann aber wird es eine furchtbare Ernüchterung geben. Für Saul und die Zauberer wurden auch einmal die Hüllen zerrissen, doch nur um ein fürchterliches Urteil entgegenzunehmen: „Gott ist euer Feind geworden…. Morgen sollst du und deine Söhne bei mir sein.“
Im 22. Vers werden zwei Dinge berührt, die analog zu sein scheinen, es aber nicht sind. Es wird dort von dem Kränken des Gerechten und von dem Betrüben gesprochen. Nun, das sind zwei verschiedene Begriffe. Gott sagt, dass er den Gerechten nicht betrübt hat. Das will sagen: ihm aus trauriger Lage oder aus besonderen Umständen den rechten Weg gewiesen hat; ihn von dem verkehrten Weg zurückgebracht hat. Gott sagt dann etwa: ihr Prophetinnen mit euren finsteren Handlungen habt das Herz des Gerechten, den ich nicht nach meinem Willen zurückkehren ließ, sondern durch dessen Leiden ich mich verherrlichen werde, mit Lüge gekränkt; durch eure falschen Vorstellungen schrieb er sich den Grund seiner Leiden selber zu und nahm sie als Strafe für sich an.
Hören wir diese Lügen nicht heutzutage bei den Menschen, die sich als Gesundbeter ausgeben und vielen gläubigen Seelen Schaden zufügen, indem sie ihre Herzen kränken? Wenn Krankheit keine Folgeerscheinung von Sünde ist, so doch von Unglauben (der letztlich auch Sünde ist), oder aber sie ist die Folge des Unglaubens derer, die diese Menschen umgeben. „Darum sollt ihr nicht mehr Eitles schauen.“ Er will jeden Lügner durch sein Wort und seine Gedanken entlarven. „Und ich werde mein Volk aus eurer Hand erretten.“
Gott sagt auch: „Und weil ihr die Hände des Gesetzlosen stärkt, damit er von seinem bösen Weg nicht umkehre.“ Es besteht die Möglichkeit, dass Gott auch durch Krankheit und Leiden zu den Gewissen von Unbekehrten redet. Für diese sind solche betrügerischen Vorstellungen sehr zum Verderben. Ein Evangelium, dass mit der Gesundung des Körpers und dem Aufheben der Strafe, die hier auf der Erde gerecht war, verbunden ist, ist ein falsches Evangelium. Gott kann und will von dem ewigen Verderben durch die Erkenntnis der Sünde und Schuld und dem Glauben an das vollbrachte Werk des Herrn Jesus retten - dann steht mein Weg und Ziel unwandelbar in seinen Händen, dann kann er es so führen, dass Genesung eintrifft oder der irdische Richter Gnade gewährt; doch es ist auch möglich, dass er sich in meinen Leiden verherrlichen will, indem ich dann mit ihm meine Last zu seiner Ehre zu tragen habe. So gibt er oft Gnade, dass das Ende eines sündigen Weges auf der Erde zum Zeugnis gegenüber vielen zur Erkenntnis ihrer Sünden umschlägt.
Eine falsche Vorstellung über die Wege Gottes kann die Hände des Gesetzlosen stärken, so dass er nicht von seinem bösen Weg ablässt, um sein Leben zu retten. Es kann bei den oben erwähnten Propheten und Prophetinnen durchaus zu äußerlichen Heilprozessen kommen, doch wenn das Gewissen nicht berührt und das Herz nicht getroffen ist, sind nur die Hände der Gesetzlosen in ihrer Unbelehrbarkeit gestärkt worden, und die Rufe von Seiten Gottes, von dem bösen Pfade umzukehren, zum Schweigen gebracht. Welch eine Verantwortung für die Anstifter solch übler Wahrsagerei!
„Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin.“