Geläutert im Schmelztiegel Gottes
Kapitel 27-29
Hiob 27
Wie schade, dass Hiob in diesem Kapitel sogleich damit beginnt, Gott anzuklagen. Hatte Gott ihm wirklich sein Recht entzogen und seine Seele bitter gemacht? Noomi, von der uns im Buche Ruth berichtet wird, dachte ähnlich wie Hiob.
Sie sagt: „... Jehova hat gegen mich gezeugt... der Allmächtige hat es mir sehr bitter gemacht“. So ist es grundsätzlich bei uns allen; wenn wir nicht im Lichte sind, „stoßen wir uns an Bergen der Dämmerung“ (Jer 13,16). Anstatt unsere Verirrungen einzusehen und zu verurteilen, geben wir Gott die Schuld. Vieles von dem, was wir durchmachen müssen, ist die Folge unserer eigenen Untreue. Bei Hiob war es zwar nicht so, aber die Umstände hatten seinen Blick getrübt. Vor seinen Blicken stand nicht die göttliche Gerechtigkeit, sondern seine eigene. Davon war er sehr eingenommen und überzeugt. Hiob war gewissermaßen in einen Mantel der Selbstgerechtigkeit gehüllt und in seinen Augen gerechter als Gott. An seiner vermeintlichen Gerechtigkeit hielt er fest und wollte sie nicht fahren lassen.
In diesem Kapitel fragt Hiob zum zehnten Mal: „Warum?“ Allerdings betrifft es hier seine Freunde. Wie konnten sie, da sie doch Gott kannten, so töricht reden? Erneut schildert er das Ende der gesetzlosen und gewalttätigen Menschen. Er weiß, dass er mit ihnen nicht auf eine Stufe gestellt werden kann, wie es seine Freunde mit ihm durch ihre Unterstellungen getan hatten. Ob er vielleicht seine Freunde meint, wenn er am Ende des Kapitels sagt: „Man klatscht über ihn in die Hände, und zischt ihm nach von seiner Stätte aus“? Das wäre allerdings eine böse Sache. Denn so etwas geschieht oft in der Welt unter ungläubigen Menschen. Leider ist es hin und wieder auch bei Kindern Gottes der Fall. Ich meine, dass man sich unter Umständen über das Unglück eines Bruders oder einer Schwester freut. Gibt es das nicht? Vielleicht doch! Aber das ist böse, und der Herr wird es nicht ungestraft lassen. Wenn so etwas geschieht, hat der Feind schon einen tiefen Einbruch bei dem Betreffenden erzielt. Man ist nicht im Lichte, der Herzenszustand ist ein böser. Möge der Herr uns vor solchem Übel bewahren! Möchten wir voll innigen Mitgefühls mit unseren Brüdern und Schwestern sein, wenn sie in Leid, Unglück, Not und dergleichen sind! Könnte der Herr nicht auch uns einmal in solche Umstände führen?
Sehr viel können wir von Ebedmelech, dem Äthiopier, lernen. Er verwandte sich bei dem König Zedekia für Jeremia, der in eine Grube geworfen worden war. Als Ebedmelech die Genehmigung bekommen hatte, den Gefangenen herauszuholen, nahm er „zerrissene Lappen und abgetragene Lumpen“, damit Jeremia diese unter seine Achseln legen konnte. Andernfalls hätten die Stricke ihm starke Schmerzen zugefügt. So gaben denn die Lappen und Lumpen dem Manne Gottes große Erleichterung, als man ihn aus der Grube heraufzog. Welch ein Mitgefühl!
Wie viel Leid können wir lindern, und sei es nur durch ein liebes Wort oder eine kleine Tat der Liebe. Ja, Lappen und Lumpen, an sich wertlose Dinge, können, in Liebe benutzt, Wunder bewirken.
Lernen wir doch von Ebedmelech! Lies bitte Jeremia 38,7–13 und 39,15–18. Dort lesen wir, dass Gott alles gesehen hatte und Ebedmelech die Belohnung bekam. „Wahrlich, ich sage euch: insofern ihr es einem der geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es mir getan.“
Hast du ein Wort für die Betrübten?
Ein Händedruck, ein warmer Blick,
zur Freude für die Leidgetrübten -
sieh, das ist solch ein kostbar Stück.
Dein Herr, der alle innig liebt,
gibt dir den Auftrag, sie zu lieben.
Weil nun der Heiland Kraft dir gibt,
darfst du in diesem Dienst dich üben. -
Da sind die Kranken, Witwen, Waisen,
der Herr, Er legt sie dir an's Herz.
Geh' hin! – Da kannst du es beweisen,
dass ihre Trübsal auch dein Schmerz.
In ihrem Leid ein Loblied singen,
mit ihnen, das gibt wahre Freud'.
Und so wird es dir schnell gelingen,
ihr Herz zu trösten in dem Leid. -
Hiob 28
In diesem Kapitel finden wir tiefe Gedanken über die Weisheit. Hiob zeigt hier, wie der Mensch nach Schätzen sucht, selbst im Inneren der Erde. In seiner Beharrlichkeit bricht er einen Schacht, „schwebt hinab und wühlt die Berge um, von der Wurzel aus“. Hier sehen wir, dass es im grauen Altertum schon Bergwerke gab, um die Bodenschätze zu fördern. Welche Mühe macht sich der Mensch in unserer Zeit! Genau wie damals bemüht er sich, diese lebenswichtigen Güter hervorzuholen. Ohne Eisen, öl und Kohle wäre das Leben im 20. Jahrhundert undenkbar. Aber unter Satans Regie missbraucht der Mensch manches, oft sogar zu seinem eigenen Verderben.
Wie wertvoll, dass Gott in Seiner Gnade auch uns, den Seinen, Silber, Gold, Eisen und Kupfer in geistlicher Hinsicht gegeben hat.
Das Silber der Erlösung: Fundort Golgatha.
Das Gold, ein Bild Seiner eigenen göttlichen Gerechtigkeit in Verbindung mit Herrlichkeit.
Das Eisen: die Festigkeit (Nägel und Klammern in 1. Chr 22,3 ff.).
Das Kupfer (auch Erz genannt): göttliche Gerechtigkeit in Verbindung mit Gericht (eherner Altar, eherne Schlange, Becken von Erz u. a.).
Alles das ist uns durch die Liebe und die Gnade Gottes, indem Er Seinen eingeborenen Sohn für uns sandte, umsonst geschenkt worden. Durch Seinen Opfertod hat Er uns alles erworben. Er zeigt uns sogar „den Pfad, den der Raubvogel nicht kennt, und den das Auge des Habichts nicht erblickt“ – den vor den Augen der Menschen unsichtbaren Pfad der Absonderung, des Gehorsams, der innigen Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesus Christus. Lasst uns diesen Pfad besser kennen lernen, um ihn zu Seiner Verherrlichung in Treue zu gehen! „... und allerlei Köstliches sieht sein Auge.“ Ja, „euch nun, die ihr glaubet, ist die Kostbarkeit“. Wir dürfen das Köstliche vom Gemeinen unterscheiden, weil wir es kennen (Jer 15,19). Das Köstlichste ist unser: Er selbst, der schöner ist als die Menschensöhne, ausgezeichnet unter Zehntausenden. Nur bei Ihm ist auch die wahre göttliche Weisheit zu finden. Er ist Gottes Weisheit in Person (1. Kor 1,24.30).
Die menschliche Weisheit, so gut sie auch an ihrem Platz sein mag, vergeht. Juden forderten einst Zeichen, Griechen suchten Weisheit. Der Herr Jesus selbst aber ist Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Was könnte Ihm gleich sein? Beachten wir dabei die Verse 15–19! Diese Weisheit ist nicht von unten, sondern sie kommt von Gott aus der oberen Welt. Von dort kam unser geliebter Herr, Schöpfer des ganzen Universums, die Weisheit Gottes selbst. Ihn fürchten ist Weisheit, und vom Bösen weichen ist Verstand. Das ist die Grundlage für alle Fragen und Probleme, um sie gottgemäß zu lösen. Das größte aller Probleme, die Sünde, ist gelöst worden durch Ihn, „der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“ (1. Kor 1,30). Wenn auch Hiob diese wunderbare Person, die Weisheit Gottes, den Herrn Jesus, noch nicht kannte, so wusste er doch, dass bei Gott die Weisheit war. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“ Deshalb führte er ein Leben in Gottesfurcht und mied das Böse. Er war in Gottes Augen ein „Gerechter“, weil er Gott glaubte und gerecht lebte. Die Prüfungen jedoch waren nötig, damit Hiob sich selbst im Lichte Gottes kennen lernte, aber auch Gott und Seine Liebe. – Geht Gott nicht ähnliche Wege mit uns? Dennoch ist es Seine Liebe!
O Liebe, die kein Mensch ermisst,
Dich darf ich meinen Heiland nennen,
und niemand kann von Dir mich trennen,
weil ewig Dein Erbarmen ist!
Ich Erdenwurm, ich Staubkörnlein
darf mich an solcher Liebe laben -
wie unbegreiflich: nichts zu sein
und alles doch in Dir zu haben!
Ich bin nun Dein – doch hält mich hier
oft Welt und Sünde noch umfangen;
drum heg' ich brünstiges Verlangen:
Zur Herrschaft komme ganz in mir!
Vertilge alles, was nur Schein,
da ich, o Herr, mit Dir begraben -
ich will, ich mag vor Dir nichts sein
und will in Dir nur alles haben.
Du hast nur Gutes mir erseh'n,
weißt mit der ew'gen Liebe Händen
so reiche Segensfüll' zu spenden,
gibst über Bitten und Versteh'n.
Drum lehre mich, demütig, klein,
mit Dank empfangen Deine Gaben -
denn: selig, nichts vor Dir zu sein
und alles doch in Dir zu haben.
Hiob 29
In diesem und den folgenden zwei Kapiteln rechtfertigt sich Hiob, bis er in Hiob 31,35–37 den Höhepunkt seiner Klage erreicht. Kapitel 30 hat mehr den Charakter einer Klage über die Menschen seiner Umgebung. Besonders klagt er über die Jüngeren, aber leider auch über Gott.
In diesem Kapitel finden wir die Worte ich – mir – meiner – mich insgesamt achtundvierzig Mal. So gedenkt er in den ersten fünf Versen der Vergangenheit, als er noch, mit Gott in Gemeinschaft, an Gottes Bewahrung festhielt, Seine Leuchte über seinem Haupte schien und er bei Seinem Lichte durch die Finsternis wandelte, als das Vertrauen Gottes über seinem Zelte war. Warum war es denn jetzt anders geworden? Stand Gott nicht mehr zu Seinem Wort? Hatte Er Hiob fallenlassen? Nein, Er ist der Unveränderliche, auch in Seiner Liebe und Treue. Aber wir verändern uns leider oft und sehen dann nicht mehr klar. Ging es mit Asaph nicht ähnlich (Ps 73)? Haben wir erst die Gemeinschaft mit Gott verloren, so treten wir selbst in den Vordergrund (Verse 6–11). Sind uns die göttlichen Maßstäbe einmal entglitten, treten menschliche an ihre Stelle. Wenn der Herr Jesus nicht mehr der Zentralpunkt unseres Lebens ist, werden wir selbst bald im Mittelpunkt von allem stehen. Wie viel können wir uns doch oft einbilden auf unser Wissen, unsere Bildung und unsere Position, auf unser Geld und unsere eigene Gerechtigkeit samt den guten Taten!
In Vers 14 hebt Hiob seine eigene Gerechtigkeit wieder hervor und von Vers 12 ab seine guten Taten. Erinnert uns das nicht an die ernsten Worte in Galater 6,3: „Denn wenn jemand meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst“?
Wenn wir unser Leben betrachten – haben wir uns nicht oft so verhalten, dass wir etwas sein wollten? Auch die Jünger unterhielten sich darüber, wer der Größte unter ihnen sei. Diese verderbte Wurzel ist in jedem von uns. Trägt sie einmal ihre bösen Früchte, ist der Schaden im persönlichen Leben, in der Familie wie in der Versammlung, nicht zu ermessen. Bei Diotrephes hatte es sicher auch mit diesem Etwas angefangen, später war er einem Diktator gleich in der Versammlung (3. Joh 9.10).
Mögen wir uns im Lichte Gottes doch immer wieder prüfen und alles verurteilen, was nicht nach Seinen Gedanken ist! Wir haben nichts zu rühmen, denn alles, was wir sind und haben, ist Seine Gnade, sowohl in geistlicher Hinsicht als auch auf allen Gebieten des Lebens. Deshalb heißt es für uns:,,Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!“
Ich rühm' Dich, Herr, allein!
Denn alles, was des Rühmens wert,
sowohl im Himmel als auf Erd',
kann ja von Dir nur sein.
Du bist mein Schild im Streit,
mein Ruhm, mein Schutz und meine Kraft,
Du bist's, der alles in mir schafft,
Du bist mein Trost im Leid.
Und Du bist stets mein Teil.
Von Dir trennt mich hier keine Not,
nicht Trübsal, Angst, Verfolgung, Tod.
Du bist, Du bleibst mein Heil.
Du lassest nimmer mich.
Getrost bin ich im fremden Land,
es reißt mich nichts aus Deiner Hand.
Ich traue, Herr, auf Dich.