Geläutert im Schmelztiegel Gottes
Kapitel 24-26
Hiob 24
Gleich im ersten Verse dieses Kapitels lesen wir zweimal das Wort Warum. Es wurde schon bemerkt, dass Hiob im Ganzen zehnmal „warum?“ oder „weshalb?“ gesagt und damit Gott Fragen gestellt hat, die sich nicht geziemen. Denn so fragt nur der ungläubige Mensch, der alles Unglück Gott zuschreibt. Wir hingegen wissen, dass es als Folge der Sünde in das Leben der Menschen oder in die Welt gekommen ist. Auch wir sind fähig, so zu fragen, wenn es einmal dunkel um uns her geworden ist und wir den Genuss der Gemeinschaft mit unserem teuren Herrn verloren haben. So schwer können die Umstände, Krankheit, Leid, Trauer, Schmerz und Enttäuschung und vieles andere auf uns lasten. Dann versucht der Feind, Zweifel an der Liebe des Herrn zu säen. Wenn es sich um unsere alte Natur handelt, sind wir nicht anders als Hiob.
„Warum sind nicht Zeiten (für Strafgerichte) aufgespart von dem Allmächtigen?“ So lautet Hiobs erste Frage. Angesichts alles Bösen in dieser Welt könnten wir ebenso zu dieser Frage kommen, wenn wir Gottes teures Wort nicht hätten. Durch dasselbe wissen wir, dass „Er einen Tag gesetzt hat, an welchem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat allen den Beweis davon gegeben, indem er ihn auferweckt hat aus den Toten“ (Apg 17,31). Gotteskinder wissen, dass Gott alles Böse richten wird. Wer aber an den Herrn glaubt, wird nicht gerichtet. Für solche gilt, was ein Liederdichter sagt: „Kein Gericht mehr droht, Du gingst in den Tod.“ -
Die zweite Frage lautet: „Warum sehen die, welche Ihn kennen, seine Tage (Gerichtstage) nicht?“
Welch eine Gnade, dass uns durch die Schriften alle Ratschlüsse Gottes mitgeteilt sind. Wir brauchen deshalb eine solche Frage gar nicht zu stellen. Wir, die Erlösten, kennen nicht nur Seine Gerichtstage, sondern wir werden in der Gerichtszeit an der Seite des Richters stehen, aber nicht als solche, die Er richtet, sondern die mit Ihm richten werden. „Oder wisset ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden?“ (1. Kor 6,2) Es ist unbegreiflich, aber Sein Wort sagt es uns.
Hiob beschreibt dann das Unrecht, die Gewalttat und die Unterdrückung der Armen durch die Gottlosen. Wenn wir diese Verse aufmerksam lesen, sehen wir, dass sich der Mensch nicht geändert hat. In unserem „aufgeklärten“ Zeitalter finden wir genau das gleiche wie damals. Wie treffend legt Hiob das unbegreifliche Tun Gottes im Leiden der Unschuldigen und im Glück der Gottlosen dar! Asaph konnte das auch nicht begreifen, und fast wäre es ihm zum Verhängnis geworden (Ps 73). Auch wir werden mit allem Unrecht, das in der Welt ist, nicht fertig, wenn wir es aus der menschlichen Sicht betrachten. Wenn wir aber die Gedanken Gottes kennen, wissen wir, dass alles seine Zeit hat. Wir müssen, wie Asaph, in die „Heiligtümer Gottes“ hineingehen. Dort erkennen wir in Seinem Lichte, wie Er mit allem Bösen einmal abrechnen wird. Für uns ist es wichtig, dass wir uns von allem Bösen fernhalten. Wir sollten in Wort und Wandel die göttlichen Grundsätze verwirklichen. Wir sind nicht von der Welt, wohl noch in der Welt. Bald kommt der herrliche Augenblick, wo wir diesen Schauplatz der Sünde und der Ungerechtigkeit für immer verlassen werden. Dann werden wir Ihm zujubeln und Ihn für Seine Liebe in alle Ewigkeit preisen. Denn wir sind nicht besser als die übrigen. Nur Seine Gnade ist es, dass wir errettet wurden und in Seiner Herrlichkeit sein werden. Ihm sei ewig Dank dafür!
So Lasst uns die kurze Wegstrecke einander Liebe erweisen und uns gegenseitig tragen! Wir wollen den Freunden Hiobs doch nicht in ihren Unterstellungen und Verdächtigungen gleichen, sondern miteinander Hand in Hand wandeln, bis der Herr kommt!
Auf steiler Straße traf ich jüngst ein Mädchen, den kleinen Bruder auf dem Rücken tragend. „Ei“, sagt ich, „Kind, da trägst du eine schwere Last!“ Drauf sieht verwundert mich das Mädchen an und spricht: „Mein Herr, ich trage keine Last, ich trage meinen Bruder!“ Ich stand betroffen. Tief hat sich das Wort des tapferen Kindes mir ins Herz gegraben. Und immer, wenn die Not der Menschen mich bedrückt und mir wie eine schwere Last den Mut will rauben, so mahnt des Mädchens Antwort mich und tröstet: „Du trägst ja keine Last, du trägst doch deinen Bruder!“
Hiob 25
Dieses Kapitel, bestehend aus sechs Versen, lässt erkennen, wie Bildad spürt, dass Hiob alles entkräften würde, was er und seine Freunde noch vorzubringen hatten.
Obwohl die Worte Bildads viele Wahrheiten enthalten, bezüglich der Größe und Herrlichkeit Gottes und auch über das, was der Mensch ist, so sind sie aber hier wohl nicht am Platze. Trotzdem wollen wir uns etwas mit denselben befassen.
Vielleicht will Bildad zum Ausdruck bringen, dass das Problem des vorigen Kapitels für den Menschen unbegreiflich und nicht lösbar ist. Verbunden mit Gottes Gerichten, denkt er auch an den Schrecken. „Er schafft Frieden in seinen Höhen.“
Wie furchtbar muss die Auflehnung des „gesalbten Cherubs“, Satans, gewesen sein! Gott musste ihn hinabstürzen, den „Glanzstern“, den „Sohn der Morgenröte“ (Jes 14,12–15; Hes 28,14–17), und mit ihm die vielen Engel, die sich mitschuldig gemacht hatten. Gott schaffte Frieden in Seinen Höhen oder „unter Seinen Höchsten“. „Sind seine Scharen zu zählen?“ Wie viel Myriaden von heiligen Engeln mögen den Himmel bevölkern! Sie sind Gewaltige an Macht und Täter Seines Wohlgefallens. Es sind Fürstentümer, Gewalten, für uns noch unvorstellbar. Und doch sind diese heiligen Wesen „ausgesandt zum Dienst um derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen“ (Heb 1,14). Dazu gehörst auch du, liebe Schwester, lieber Bruder, ist das nicht wunderbar? „... und über wem erhebt sich nicht sein Licht?“ Ja, Gott ist Licht! Auch in unsere dunklen Herzen hat Er hineingeleuchtet. In der Finsternis ist uns Licht aufgegangen, so dass wir nun Kinder des Lichts sein dürfen. Es ist unbegreiflich, da wir von Natur Unreine – Würmer und Maden sind. Über solche hat sich Gott, der Sünde nicht sehen kann, erbarmt in Seiner großen Gnade. „Siehe, sogar der Mond scheint nicht hell, und die Sterne sind nicht rein in Seinen Augen: Wie viel weniger der Mensch, der Wurm, und das Menschenkind, die Made!“
Wenn wir die sechs Verse dieses Kapitels im Lichte des Neuen Testamentes betrachten, werden wir von der Liebe Gottes überwältigt. Andererseits erkennen wir auch, was der sündige Mensch in den Augen des heiligen und gerechten Gottes ist. Dennoch liebte Er uns und gab Seinen eingeborenen Sohn zu unserer Rettung dahin. Sind wir Ihm dankbar für diese Liebe?
Mit diesen Versen sind die Reden der Freunde Hiobs zu Ende. Durch ihre Reden ist Hiob weder gedient, noch ist er überzeugt worden. Obwohl Wahrheit in ihren Worten lag, oft sogar waren es tiefe und ernste Wahrheiten, so wurden sie doch in einem richterlichen Geiste verurteilend ausgesprochen. Damit kann niemandem, der in Not ist, wirklich gedient werden. Eine ernste Belehrung für uns!
Siehst du andere weinen, gehe nicht vorbei!
Suche zu erkennen, ob's nicht möglich sei,
durch ein kleines Wörtchen, das die Liebe sagt,
jenes Herz zu trösten, das im Schmerze klagt!
Siehst du andere irren, auf der Lebensbahn,
biet' in aller Liebe dich als Führer an!
Vielleicht kann dir's gelingen, dass du eine Seel'
führst aus ihrem Irren zu dem Lebensquell.
Siehst du jemand fallen über einen Stein,
o, wie mag er leiden innerliche Pein!
Drum such' aufzurichten, den, der vor dir liegt,
er wird Dank dir wissen, wenn er später siegt.
Wie wird man dir danken einst in Ewigkeit,
dass du sahst das Weinen, dass du halfst im Leid,
dass gestärkt den Schwachen du mit deiner Hand,
Irrende du führtest heim in's Vaterland!
Hiob 26
Hiobs Freunde haben nichts mehr zu sagen. Hiob ergreift erneut das Wort. Eine lange Rede folgt, die mit Kapitel 31 endet, wo wir am Schluss des vierzigsten Verses lesen: „Die Worte Hiobs sind zu Ende!“
Sein Herz ist übervoll. Vieles von dem, was er vorbringt, hat er schon früher gesagt. Bildads Worte scheinen ihn erneut gereizt zu haben. Mit Ironie reagiert er auf das Gesagte, obwohl Bildad nur von Gott, von Seiner Heiligkeit und Reinheit geredet hatte. Obwohl das alles Wahrheiten und Tatsachen waren, die Bildad erwähnte, so war es doch nicht die richtige Medizin für den innerlich kranken Hiob, so groß waren seine körperlichen und seelischen Leiden. Hier wären Worte des Trostes und der Ermunterung am Platze, Worte der Gnade, wie sie unser geliebter Herr geredet hat. Diese wären wie Balsam in das wunde Herz des schwergeprüften Mannes geflossen. Welche Wirkung hätte das zur Ehre Gottes und zum Segen für Hiob gehabt! Doch müssen wir auch daran denken, dass Gott sie mit ihren Anschuldigungen gewähren ließ, weil Hiob im Tiegel des himmlischen Goldschmiedes geläutert werden sollte.
Wer könnte Seine Wege und Sein Tun verstehen? Wir können viel über Gott wissen, und doch in Bezug auf Seine Erziehungswege sehr unwissend sein. Hiobs Wissen über Gott und Seine wunderbare Schöpfung war erstaunlich groß. Es war ihm bekannt, dass es ein Totenreich gibt. Er spricht von den Schatten, dass sie beben, und er meint damit die Abgeschiedenen. Im Lichte des Neuen Testaments wissen wir es, dass die im Unglauben Gestorbenen jetzt schon in Qualen sind. Sie warten im Hades auf den großen Gerichtstag, um danach ewig am Ort der Qual zu sein (Lk 16,23; Off 20,11–15).
In den Versen 7–14 redet Hiob ähnlich wie in Kapitel 9,5–10 von der Schöpfermacht des großen Gottes. Wie oft mag er des Nachts den Sternenhimmel beobachtet haben! Er redet von dem Punkt im All, wo Licht und Finsternis zusammentreffen, von den Säulen des Himmels. In allem sieht er den allmächtigen Gott, den Schöpfer des ganzen Universums. Er hat mehr Erkenntnis als mancher Wissenschaftler, der das Dasein Gottes leugnet. In der Tat, je mehr sich die Menschheit von Gott entfernt hat, umso dunkler ist es geworden. „Unser Wissen und Verstand ist mit Finsternis umhüllet, wenn nicht Deines Geistes Hand uns mit neuem Licht erfüllet.“ Dieses göttlichen Lichtes bedürfen wir. Er will es jedem Glaubenden schenken. „Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind ...“ (Heb 11,3). Hiob kennt selbst schon die Wirkung des Geistes Gottes (Vers 13), denn „Hauch“ bedeutet auch Geist.
Je mehr wir die Größe Gottes in Seiner wunderbaren Schöpfung erblicken, desto kleiner werden wir in unseren Augen. Wir werden auf der Erde nur „die Säume seiner Wege“ erkennen, denn das größte Wissen ist Stückwerk (1. Kor 13,9.12). Selbst wenn es sich um Seine ewige, göttliche Liebe handelt, werden wir hier immer nur am Rande dieses Ozeans schöpfen, bis wir droben Seine Liebe ganz verstehen. Dann ist das Vollkommene gekommen. Keine Frage wird mehr gestellt werden. „Wir werden Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist!“
Du großer Gott, wenn ich die Welt betrachte,
die Du geschaffen durch Dein Allmachtswort,
wenn ich auf alle jene Wesen achte,
die Du regierst und nährest fort und fort,
dann jauchzt mein Herz Dir großer Herrscher zu:
wie groß bist Du, wie groß bist Du!
Blick ich empor zu jenen lichten Welten
und seh' der Sterne unzählbare Schar,
wie Sonn' und Mond im lichten Äther zelten,
gleich goldnen Schiffen hehr und wunderbar,
dann jauchzt mein Herz Dir großer Herrscher zu:
wie groß bist Du, wie groß bist Du!
Und seh ich Jesus auf der Erde wandeln
in Knechtsgestalt, voll Lieb' und großer Huld,
wenn ich im Geiste seh Sein göttlich Handeln,
am Kreuz bezahlen vieler Sünder Schuld,
dann jauchzt mein Herz: Du großer Heiland Du,
wie groß bist Du, wie groß bist Du!