Geläutert im Schmelztiegel Gottes
Kapitel 21-23
Hiob 21
Durch die vielen Anschuldigungen, Verdächtigungen und Unterstellungen seiner Freunde scheint Hiob zum Nachdenken gekommen zu sein. Seine Sprache ist nicht mehr so hart wie zuvor. Auch die Bitterkeit Gott gegenüber und sein Sehnen nach dem Tode sind abgeklungen. Vielleicht hat er doch über manches, obwohl es ihm zu Unrecht gesagt wurde, nachgedacht. Es ist immer wichtig, selbst ungerechte Anschuldigungen im Lichte Gottes zu prüfen, ob nicht doch etwas Wahres darin enthalten sein könnte. Meistens ist das der Fall. Sind wir dann aufrichtig und ehrlich vor Gott und uns selbst, so werden wir es anerkennen und uns darunter beugen. Dadurch verlieren wir nichts, im Gegenteil: Es ist ein Sieg über das verderbte Ich. „Wenn du mich demütigst, machst du mich groß!“
Ein kleiner Fortschritt ist in der Gesinnung Hiobs zu verzeichnen. Natürlich hört er noch nicht auf, seinen Freunden ihre törichten Gedankengänge in Bezug auf die Langmut Gottes mit den Sündern vorzustellen. Er widerlegt ihnen manches (Verse 8–15). Andererseits gibt er auch zu, dass Gott oft plötzlich eingreift, mitten in der Sorglosigkeit und dem Wohlergehen der Menschen. Das erleben wir täglich um uns her. Manche, von denen wir dachten, dass sie den Himmel auf Erden hätten, werden plötzlich weggerafft oder durch furchtbare Schicksalsschläge getroffen. Gott redet in Seiner Liebe zu den Menschen, damit sie zum Nachdenken kommen und sich bekehren.
Er hat ja kein Gefallen am Tode des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe. Wie viel Mühe gibt sich der große Gott mit Seinen gefallenen Geschöpfen!
„Siehe, ich kenne eure Gedanken und die Anschläge, womit ihr mir Gewalt antut.“ Noch einmal bricht seine Enttäuschung über seine Freunde hervor. „Wie tröstet ihr mich mit Dunst? Von euren Antworten bleibt nur Treulosigkeit übrig.“ Das ist das Resultat Hiobs über den,Trost' seiner Freunde. Treulos, das ist ein hartes Wort. Wo gibt es noch Treue in der Welt? Finden wir sie bei Gotteskindern? Ist sie bei mir vorhanden? Wie viel Untreue haben wir dem Herrn zu bekennen! Gott aber sei Dank, dass es Einen, den Treuen und Wahrhaftigen, gibt, der sich nie verändert! Möge Er in allem unser vollkommenes Vorbild sein!
Wäre Hiob mit der Treue Gottes beschäftigt gewesen, so hätte er die Treulosigkeit seiner Freunde in Liebe ertragen können. Je mehr wir mit der Liebe und Treue unseres Gottes und Vaters beschäftigt sind, desto mehr wird uns alles andere unwichtig und belanglos werden. Dann können wir, weil wir von Seiner Liebe erfüllt sind, ertragen und vergeben. Dies muss jedoch in der Schule Gottes erst erlernt werden. Auch Hiob befand sich in dieser Schule. Welch eine Gnade, dass er am Ende zu seinem Nutzen und Segen gelernt hat und Gott die Ehre gibt!
Nicht von Menschenzungen lass mich richten,
deren Pfeil am Ziel vorübertrifft,
eitel ist ihr Lob und taugt mitnichten,
und ihr Grimm ist gärend Otterngift.
Richte mich durch's Wort aus Deinem Munde,
wie ein Schwert durchschlägt es Mark und Bein,
aber in die gottgeschlag'ne Wunde
träuft es mild der Gnade Balsam ein.
Nicht auf Menschenherzen lass mich trauen,
nicht auf Herrengnad' und Volkesgunst,
eh' will ich mein Korn im Wasser bauen
und mein Haus im gold'nen Wolkendunst;
lass mich ruhen, Herr, an Deinem Herzen,
unter Deinen Flügeln wohnt sich's warm:
selig, wer in Freuden Dir und Schmerzen
fällt als Kind in Deinen Vaterarm!
(Karl Gerok)
Hiob 22
Die letzte Antwort Eliphas, des Temaniters, ist hart und gefühllos. Besonders in den Versen 5–10 greift er Hiob ganz persönlich an und wirft ihm Sünden vor, deren er sich schuldig gemacht haben soll. Wie gut, dass Gott alles weiß und von allem Kenntnis hat. Er wusste, dass dies alles auf Seinen Knecht nicht zutraf. Gott sieht das Unrecht, das den Seinen oftmals sogar durch Brüder und Schwestern angetan wird. Wie ernst ist die Tatsache, dass alles unter den heiligen Augen Gottes geschieht. Eliphas kannte das Herz Gottes nicht, in welchem die wunderbare, göttliche Liebe ihren Ausgangspunkt hat. Sicher war er ein Gläubiger, er hatte auch Erkenntnis, aber diese saß ca. 40 cm zu hoch. Sie war im Kopf, aber nicht in seinem Herzen. „Und wenn ich Prophezeiung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß, ... aber nicht Liebe habe, so bin ich nichts.“ (1. Kor 13,2.)
Denken wir ernstlich darüber nach, damit wir aus diesen Betrachtungen praktischen Nutzen ziehen!
Trotz der Angriffe auf Hiob liegen tiefe Wahrheiten in den Worten des Eliphas. Vers 21 redet von Gemeinschaft mit Gott, die wir unterhalten müssen in innigem Umgang mit dem Herrn. Vers 22 redet von der notwendigen Belehrung und Unterweisung aus Seinem Munde. Sein Wort allein ist maßgebend. Wir wollen uns in Wahrheit durch dasselbe unterweisen und belehren lassen. Wie ernst ist auch Vers 23! Wenn ungerichtete Dinge da waren und wir vom Wege abgekommen sind, dann gilt es, umzukehren, Ihm die Verfehlungen zu bekennen, damit wir wieder glücklich werden und Seinen Frieden genießen können.
„Und lege das Golderz in den Staub und das Gold von Ophir unter den Kies der Bäche; so wird der Allmächtige dein Golderz und dein glänzendes Silber sein.“ Unsere eigene Gerechtigkeit muss ganz verschwinden, „unter den Kies der Bäche“, wo sie nie mehr gesehen wird. Nur dann kann Seine Gerechtigkeit aus uns hervorstrahlen und das glänzende Silber – ein Bild von der Erlösung – unsere Herzen erfreuen. Nur dann sind wir glücklich in Seiner Gemeinschaft, wenn alles, was aus der verderbten Natur hervorkommt, gottgemäß gerichtet wird. Dann sind wir imstande, mit den Erlösten am Tische des Herrn Dank und Anbetung darzubringen. Nur so ist unser Leben zur Ehre des Vaters und zur Verherrlichung unseres teuren Herrn.
Über diese guten Gedanken in den Worten der Freunde Hiobs können wir uns freuen. Nicht umsonst hat uns Gott ihre Aussagen, auch die hässlichen und verkehrten, so ausführlich mitgeteilt. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig geschickt“ (2. Tim 3,16–17).
Herr, lass mich werden so wie Du,
so still, so sanft, so mild und rein.
Verleihe mir die Kraft dazu,
zu folgen Dir allein.
Ja, Du gibst, was ich begehr',
und Du gibst mir stets noch mehr.
Ja, Du gibst, was mir gebricht:
Gnade, Weisheit, Kraft und Licht!
Hiob 23
Hiob fühlt die Hand Gottes schwer auf sich lasten. Dennoch ist seine Klage trotzig. Die Anschuldigungen seiner Freunde haben dies bewirkt. Er möchte eine Begegnung mit Gott haben. Aber nicht, um sich vor Ihm zu demütigen, sondern um sich zu rechtfertigen. Hat Hiob denn immer noch nichts gelernt? Scheinbar nicht. Immer noch verteidigt er sich. In seinen eigenen Augen ist er ein Rechtschaffener, der Gott seine Rechtssache vortragen könnte, um freigesprochen zu werden.
Wie viel Geduld muss doch der große Gott mit uns haben, da wir oftmals diesem Manne gleichen, der durch die Umstände und die falschen Anklagen seiner Freunde so verblendet war, dass er sich an „den Bergen der Dämmerung“ stieß (Jer 13,16). Seine eigene Gerechtigkeit stand vor seinen Blicken, aber nicht der große, heilige und gerechte Gott. Er schaute Ihn nicht – obwohl Er da war und am Schmelztiegel saß, um im Leben Hiobs das „Silber zu schmelzen und zu reinigen“ (Mal 3,3).
Ebenso kann auch unser Blick getrübt und durch die Umstände verdunkelt sein. Welch ein trauriger Zustand ist das! Das Herz ist unglücklich, es genießt nicht mehr die Gemeinschaft mit Gott, und es sieht nur noch die Widersacher und das eigene Elend. In solch einer Verfassung ist es nur noch ein Schritt, Gott Ungereimtes zuzuschreiben. Gott verhüllte sich nicht vor ihm. Er bog nicht von ihm ab, wie es auch übersetzt werden kann. Nein, Sein Auge war auf Seinen Knecht gerichtet. Er hatte auch mit Hiob nur Gedanken der Liebe und des Friedens, wusste um seinen Weg und prüfte ihn auch, wie man Gold prüft. Doch welch eine Überhebung bei Hiob, wenn er sagt: „Wie Gold würde ich hervorgehen.“
Sicher hatte Hiob das getan, was er in den Versen 11 und 12 zum Ausdruck bringt, sonst hätte Gott ihm nicht dreimal das wunderbare Zeugnis ausstellen können, dass er vollkommen und rechtschaffen und gottesfürchtig war und das Böse meidend. Aber nun war sein Zustand anders, weshalb er auch das Tun Gottes mit ihm falsch beurteilt. gewiss hielt er noch fest, dass Gott sich selbst gleich bleibt, dass Er der Unveränderliche ist, der allezeit zu Seinen Grundsätzen steht. Trotzdem war Hiob bestürzt und erschrak vor Ihm.
Möchten wir von diesem Manne lernen! Gott hat uns das alles aufzeichnen lassen zu unserer Belehrung, aber auch als eine Warnung für jeden einzelnen. Halten wir es uns immer vor Augen, durch welche Tiefen der Leiden Hiob gehen musste, in welch einen Schmelztiegel körperlicher und seelischer Schmerzen Gott ihn legte. Vergessen wir nicht, dass die nicht zutreffenden Beschuldigungen und Unterstellungen seiner Freunde wie Stacheln sein wundes Herz trafen. Nicht einer von uns hat das erlebt und durchkostet, was Hiob erlitten hat. Deshalb wollen wir stille sein und uns vor einem Urteil hüten. Bedenken wir dies aber auch, wenn wir liebe Mitgeschwister in Leiden und Trübsalen besuchen. Wie leicht kann man sie durch ein unbedachtes – wenn auch gut gemeintes – Wort verwunden. Möchten wir in der Liebe und in der Gesinnung unseres Herrn zu ihnen gehen, damit wir sie zu trösten und zu ermuntern vermögen! Sehr viele, die in Prüfungen sind, sehnen sich nach Worten des Trostes und der Ermunterung. Schenke uns der Herr mehr Seine Gesinnung! Er wird es tun, wenn wir Ihn darum bitten.