Geläutert im Schmelztiegel Gottes
Kapitel 6-8
Hiob 6
Schmerzerfüllt ist die Antwort Hiobs. Er wünschte, dass sein Gram gewogen und sein Missgeschick auf die Waagschale gelegt würde. „Denn dann würde es schwerer sein als der Sand der Meere; darum sind unbesonnen (verwegen) meine Worte.“
Fast 1600 Jahre später stand ein Mann gleichsam vor einer Waage und wog. Nicht sein Gram, sein Missgeschick oder seine Leiden für Christus hatten das Übergewicht. Nein! Das „über die Maßen überschwängliche, ewige Gewicht von Herrlichkeit“ brachte die Waagschale zum Sinken. Warum zerbrach er nicht unter den Leiden, Verfolgungen, Schlägen und den seelischen Belastungen? Er schaute nach oben! Er sah in den geöffneten Himmel! Vor seinen Blicken stand eine Person, der Herr Jesus (2. Kor 4,16–18)!
Was steht vor unseren Blicken? Was hat in unserem Leben das Übergewicht? Ist es der Herr Jesus oder sind es die Umstände?
Hiob kannte seinen Gott nicht als Vater. Von den im Sohne ausgeführten Heilsratschlüssen Gottes wusste er nichts. Und doch sprach er von dem Erlöser: „Und ich, ich weiß, dass mein Erlöser lebt...“. Er wusste sogar um die Auferstehung und vieles andere. Dennoch ist bei ihm alles dunkel. Seine Worte sind verwegen. Er sieht Gott als einen Feind an. War dies nur bei Hiob so, oder war es nicht so ähnlich auch bei uns damals oder jetzt, als wir in besonders schweren Situationen waren? Kein Ausweg, keine Hilfe, kein Lichtblick! Von den Menschen enttäuscht, verlassen, einsam, so dass wir am Leben verzweifelten! War es wirklich so? Nein, Er war doch da! Auch in diesen Umständen war Er derselbe, nur wir sahen Ihn nicht. So ist es für jeden, der sich gegenwärtig in Übungen befindet.
Hiob wollte von Gott zermalmt werden. Das tut Gott niemals. Selbst wenn Seine Wege hart und schwer sind, so ist es dennoch Seine Liebe (Jes 28,28–29; Heb 12,4–12). Es sind Seine Erziehungswege mit uns zur Bildung unserer Herzen.
Wie gut, wenn wir uns beugen unter Seine mächtige Hand! Sicher war Hiob untadelig im Wandel gewesen, aber es fehlte ihm die demütige Gesinnung. David betete: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist und leite mich auf ewigem Wege!“ (Ps 139,23–24). Möge der Herr auch uns zeigen, ob bei uns ein Weg der Mühsal gefunden wird, der zum Schmerze führt, und uns auf rechtem Wege leiten!
„Dem Verzagten gebührt Milde von seinem Freunde ...“ Lasst uns dies wohl bedenken! Wenn wir selbst in schwierigen Umständen waren, sollten wir gelernt haben. Oft sind wir hart gegen andere und wehleidig gegen uns selbst. Lasst uns milde sein in der Beurteilung unserer Mitgeschwister, besonders derer, die in Leid und Trübsal sind! Möge herzliches Erbarmen und tiefes Mitgefühl in unseren Herzen sein, damit wir fähig werden, den göttlichen Balsam in die Herzen Schwergeprüfter auszugießen! Der Herr wolle uns dabei helfen!
Eine schwergeprüfte Schwester, die schon 42 Jahre gelähmt ist, sandte dieses Gedicht:
Gottes Gedanken – wie groß sind sie doch!
Immer voll Weisheit und Liebe!
Auch wenn wir fragen: „Wie lange noch?“
Wenn uns zu schwer wird des Lebens Joch,
wenn die Sonne versinkt, wenn es trübe.
Gottes Gedanken – sie füllen die Welt,
füllen den Abgrund der Sorgen;
leiten die Sterne am Himmelszelt -
selbst wenn wir ins tiefste Dunkel gestellt -
sie bringen uns dennoch den Morgen.
Gottes Gedanken verlassen uns nie,
müssen wir Liebstes auch lassen.
Führt unser Weg auch durch Tränen und Müh',
wie Diamanten gewinnen sie,
kann das Gold des Glaubens sie fassen.
Gottes Gedanken umgeben auch dich!
Sie wollen dir helfend begegnen.
Wenn auch dein trotziges Herz Ihm entwich -
zog Er doch nie einen Trennungsstrich,
will weiterhin führen und segnen!
Hiob 7
Wenn wir die Kapitel 6 und 7 aufmerksam lesen, finden wir, dass Hiob über achtzigmal die Worte ich, meiner, mir und mich gebraucht. Er ist nur mit sich beschäftigt. Dahin ist es gekommen! Er spricht von dem harten Dienst, dem mühseligen Leben, wie es auch übersetzt werden kann. Monde der Nichtigkeit – man könnte sie auch Täuschung nennen – glaubt er zu erleben, wie ein Tagelöhner, der seines Lohnes harrt, ihn aber nicht bekommt. Wer hat Hiob getäuscht oder falsche Versprechungen gemacht? Er beschuldigt den großen Gott! In der Meinung, Gott sei sein Feind geworden, lässt er sich verleiten, Ihn zu beschuldigen. Welch ein furchtbarer Gedanke! – Verurteilen wir Hiob, bitte, nicht. Auch wir sind Menschen wie er. Waren wir jemals in solchen Umständen wie Hiob? Seien wir vorsichtig! Nur die innigste Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus bewahrt uns vor solchen Gedanken und Worten.
Vergessen wir auch nicht, dass der Feind jede Schwäche ausnutzt. Sei es körperliche oder nervliche Schwäche, gleich ist er da, um uns unglücklich zu machen. Dazu kommen oft noch unerträgliche Schmerzen, schlaflose Nächte und manches andere. Hiob selbst litt unter schrecklichen Träumen und Angstzuständen. Er wollte lieber sterben als leben.
Der treue Apostel Paulus war auch verschiedentlich in großer Not gewesen. Später schrieb er den Korinthern, dass er und seine Mitarbeiter übermäßig beschwert wurden, „über Vermögen, so dass wir selbst am Leben verzweifelten“ (2. Kor 1,8). Wohl waren es andere Nöte als diejenigen Hiobs, indem dieser mit seinen Genossen am Leben verzweifelte. Dabei bestand ein gewaltiger Unterschied zwischen beiden: Hiob verzweifelte nicht nur am Leben, sondern auch an Gott! Das tat Paulus nicht, er vertraute auf Gott (Verse 9–10), eingedenk, dass Er mächtig sei, ihn aus den furchtbaren Umständen, ja, selbst vom Tode zu erretten. Welch ein Glaube!
Der Beobachter der Menschen nimmt von allem Kenntnis. Er sieht alles und weiß um jede Sünde. Jeder empfängt Vergebung, der in Buße und Bekenntnis zu Ihm kommt und im Glauben den von Ihm gesandten Retter ergreift.
Sollte Er in Seiner Vaterliebe nicht besonders Seine Geliebten beobachten, gerade dann, wenn Er sie in den Schmelztiegel der Leiden legt?
„Du führst hinauf, hinab, durch Frost und Glut – stets ist es gut!“
Es ist von mir: welch eine sel'ge Stunde, da ich erkannte dieses Wort des Herrn als eine gute Botschaft, frohe Kunde, zu halten Angst und Kummer von mir fern! (Ps 119,162)
Es ist von mir: wenn Trost dir ward gegeben in tiefem Schmerz, der dich bedrückte schwer, ein Wort der Liebe, um dich zu erheben aus Nacht der Trübsal und der Sorgen Meer. (Jes 51,12)
Es ist von mir: wenn dein Herz ward gekränket
von einem, der dir lieb und teuer ist, der Herr alsdann zu dir sich neigt und lenket den Blick auf Ihn, der auch dein Alles ist. (2. Sam 16,10–11)
Es ist von mir: wenn plötzlich ist geschehen ein Missgeschick, ein Unglück in der Stadt; bedenke dies: der Herr hat es ersehen, Er selbst bezeugt, dass Er's bewirket hat. (Amos 3,6)
Es ist von mir: wenn der, den Jesus liebet, ist krank und liegt in Leid und Schmerzen hier, nicht mutlos werd' dein Herze und betrübet -bedenke dieses Wort Es ist von mir! (Joh 11,3)
Es ist von mir: o welches Wort der Gnade, des Trostes, seiner Huld in Trübsal hier; es leuchte dir auf deinem Pilgerpfade das heil'ge Wort des Herrn: Es ist von mir! (Ps 119,105)
Hiob 8
Als zweiter antwortete sein Freund Bildad, der Schuchiter. Seine Worte sind hart und scharf wie ein Messer. Er verletzte Hiob tief in der Seele, indem er unterstellt, dass Hiobs Kinder gesündigt hätten und ihr tragischer Tod die gerechte Strafe Gottes sei. Auch unterstellt er Hiob persönliche Ungerechtigkeit und Unlauterkeit. Das „wenn deine Kinder ...“ und das „wenn du ...“ zeugen von Misstrauen einerseits und Überhebung und pharisäischem Hochmut andererseits. Wie muss es den tiefverwundeten, aus seinem inneren Gleichgewicht geworfenen Mann geschmerzt haben! Es waren Messerstiche durch sein Herz.
Kann man so einem Schwergeprüften dienen? Nein und nochmals nein. Hätte Bildad ähnliche Prüfungen erlebt, so würde er gewiss andere Worte für seinen Freund gefunden haben. Sind wir nicht auch manchmal gefühllos und kalt Schwergeprüften gegenüber? Möge der Herr uns bewahren!
Auch stützt sich Bildad auf die Überlieferungen der Väter, auf die Tradition. Ganz gewiss ist das, was die Väter erforscht haben, von großem Wert. Das ist auch auf geistlichem Gebiet so. Doch hüten wir uns, ihre Aussprüche und Gedanken nur der Form nach anzunehmen oder sie als Dogma hinzustellen. Leider geschieht dies vielfach in unseren Tagen. Die Grenzen der Väter möchten wir nicht verrücken, aber bedenken wir, dass sie schwache Menschen waren wie wir. So sehr wir sie schätzen und das, was der Herr ihnen gegeben hat, das Wort Gottes selbst bleibt immer noch Richtschnur und Kompass für uns, sonst können wir eingleisig werden und ein begrenztes Blickfeld und ein einseitiges Urteilsvermögen haben. „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“ Das persönliche Erforschen des Wortes Gottes und die innige Gemeinschaft mit Ihm führen uns in die Wahrheit. Sein Geist will uns „in die ganze Wahrheit leiten“, wie Er es auch bei unseren Vätern getan hat. Ein Erbe zu erhalten, ist eine wertvolle, aber auch eine gefährliche Sache. Wertvoll ist sie insofern, als man sie umsonst bekommt, ohne Anstrengung. Gefährlich ist sie deshalb, weil man es meist nicht zu schätzen weiß. Dadurch steht die Tradition dem Wirken Gottes vielfach im Wege. „Das Wort ... und mein Geist bestehen in eurer Mitte“ (Hag 2,5). Auch heute noch! Ihm sei Dank!
Im Grunde genommen ist ja die größte Erkenntnis Stückwerk. Sie wird vergehen. Wir wissen nichts! Wenn wir in dieser Demut dastehen, dann werden wir von oben Worte der Gnade bekommen, um Gebeugte in ihrer Drangsal zu trösten, anstatt ihnen mit Wahrheiten den Kopf zu waschen. Ein Bruder sagte auf einer Konferenz: Die Wahrheit kann so klar sein wie der Mond, aber auch so kalt!
Was Bildad sagte, waren einseitige Wahrheiten, dazu noch falsch angewandt. Wo war die Liebe? Trotz allem aber hat er noch in Vers 21 ein gutes Wort für seinen Freund. Wo jedoch so viel zerschlagen wurde, fällt schließlich auch ein gutes Wort nicht mehr ins Herz.
Mit welch einer Liebe begegnete der Herr Jesus den Trauernden und Niedergebeugten! Er hatte Worte der Gnade und war voll innigen Mitgefühls. Das tat den verwundeten Herzen wohl. Lasst uns von Ihm lernen! Wenn wir uns auch einmal unverstanden fühlen und jede Spur von Liebe vermissen, wenn man uns vielleicht sogar noch Dinge unterstellt, die nicht wahr sind, möchten wir dann stille sein und denken, dass der Herr Jesus uns völlig versteht und dass uns ein vollkommenes Mitgefühl erhalten bleibt und ein liebendes Herz für uns schlägt!