Geläutert im Schmelztiegel Gottes
Kapitel 3-5
Hiob 3
Jedoch stehen unsere Gedanken nie still, selbst wenn wir schweigen. So war es auch bei den Freunden Hiobs. Welche Gedanken stiegen in ihnen auf? Wie sich später zeigte, stellten sie Überlegungen darüber an, warum Hiob von Gott so schwer gestraft wurde. Es waren Gedanken des Misstrauens. Vom Beurteilen zum Verurteilen ist nur ein Schritt! – Hüten wir uns, liebe Geschwister, solche Gedanken aufkommen zu lassen bezüglich unserer Mitgeschwister, welche in Leiden und Trübsal sind!
Die Schwergeprüften haben ein feines Gespür. Ob Hiob etwas merkte, was seine Freunde dachten? Vielleicht sah er es ihren Gesichtern an. Wie es auch sei – ein Ausbruch der Bitterkeit, der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit folgte. Er verfluchte seinen Tag. Alles war dunkel, auch in seiner Seele.
„Wenn wir uns von Ihm abwenden, wird es finster um uns her,
unser Gang ist nicht mehr sicher, und das Herz bleibt freudeleer.“
Auch Jeremia verfluchte den Tag seiner Geburt (Jer 20,14–18). Hier wie dort waren es nicht die Dinge dieser Welt, welche sie vom Herrn abgezogen hätten, wie es leider oftmals geschieht, sondern furchtbare Leiden. Der helle Tag war durch die Trübsalswolken zur Nacht geworden. – Bis Kapitel 27,10 fragt Hiob zehnmal: „Warum? Weshalb?“ Ist es allein Hiob, der solche Fragen stellt? Nein! Wie mancher hat in den Schwierigkeiten, Leiden und Prüfungen gefragt: „Warum? Weshalb? Aber auf solche Fragen, durch die man Gott gewissermaßen zur Rechenschaft ziehen will, gibt Er keine Antwort. Möchten wir fragen:,,Wozu, Herr?“ Sicher wird Er uns früher oder später zeigen, wozu die Prüfung dienen sollte, und was wir zu lernen hatten. Dann werden wir Ihm sogar für die schweren Wege danken können.
Ebenfalls sehen wir, wie durch die Beschäftigung mit den Leiden der Blick in Bezug auf die Gedanken Gottes getrübt werden kann. Wie eigentümlich redet er über den Tod und die Ruhe danach. Man könnte sagen, dass er wie ein Ungläubiger darüber spricht. Gott sagt uns von einem Gericht, von Himmel und Hölle. Durch Gottes Wort sind wir in die ganze Wahrheit eingeführt. Hiob hatte die Bibel noch nicht. Aber er wusste um seinen Erlöser, dass Er lebe und als Letzter, als Sieger auf der Erde stehen würde. Er wusste um die Auferstehung (Hiob 19,25–26). Wie konnte er jetzt so reden? Der Tod bringt keine Ruhe, wie die Ungläubigen meinen, wohl für die Gotteskinder. Sie sind bei Christus, denn es ist weit besser. (Phil 1,23). Aber die Ungläubigen sind im Totenreich. Sie sind in Qualen und warten auf das Endgericht (Lk 16,19–31).
Bei Hiob sehen wir, wie weit ein Gläubiger kommen kann. Die ganze Schwachheit des Menschen wird offenbar. Wir schweigen – und erkennen unser Bild.
Wie herrlich und wunderbar ist dagegen unser vollkommenes Vorbild, unser hochgelobter Herr! In allen Leiden und selbst in den Stunden der Finsternis am Kreuz blieb Er ergeben in den Willen Seines Gottes und Vaters. Er harrte aus, bis Er ausrufen konnte:,,Es ist vollbracht!“
Wie wir in unserer bisherigen Betrachtung gesehen haben, waren die Blicke Hiobs auf sich und auf sein Leid gerichtet. In solchem Zustande ist keine Kraft und Glaubensenergie vorhanden.
Es ist eine List Satans, unsere Blicke entweder auf uns selbst, auf die Umstände oder auf Menschen zu richten. Wir blicken dann nicht mehr nach oben. Gerade das will der Feind bezwecken.
Hiob 4
Die Freunde Hiobs waren nicht in der Lage, ihm in der entsprechenden Weise zu dienen. Ihre Aussprüche gründeten sich sowohl auf praktische Erfahrungen als auch auf logische, menschliche Überlegungen.
Eliphas, der Temaniter, antwortete Hiob als erster. Vielleicht war er älter und angesehener als die anderen Freunde. Er erinnerte Hiob daran, dass er selbst viele Niedergebeugte und Strauchelnde aufgerichtet hatte.
Siehe, du hast viele unterwiesen, und erschlaffte Hände stärktest du; den Strauchelnden richteten deine Worte auf, und sinkende Knie hast du befestigt. Doch nun kommt es an dich, und es verdrießt dich; und es erreicht dich, und du bist bestürzt.
Ist es nicht leichter, Trauernde zu trösten, Niedergebeugte aufzurichten, als selbst in solchen Umständen zu sein?
Jemand hielt einmal eine Grabrede, als eine junge Tochter heimgegangen war. Ein anderer fragte ihn nachher: „Haben Sie schon einmal ein Kind hergeben müssen?“ „Nein“, sagte der Bruder, „glücklicherweise noch nicht.“ „Das habe ich mir gedacht“, sagte der andere und ging.
Wenn wir uns nicht auf den Knien den Trost und die Ermunterung erbitten, die wir anderen bringen möchten, sind unsere Worte hohl.
Man kann nicht in jeder Lage selbst gewesen sein, in der sich andere befinden. Darum ist es so wichtig, um Weisheit zu bitten. Wie schnell können unsere gut gemeinten Worte das Gegenteil bewirken!
Theorie und Praxis sind eben zwei verschiedene Begriffe. Auch können wir nicht immer auf unsere Erfahrungen pochen. „So wie ich es gesehen habe: die Unheil pflügen und Mühsal säen, ernten es.“ Darin liegt der Gedanke, dass Hiob jetzt das erntet, was er gesät hat. Es muss ihn sehr geschmerzt haben, von seinem Freunde solche Worte zu hören. War das noch Liebe?
Ohne Frage war es Wahrheit, was Eliphas sagte. Allerdings kann man mit der Wahrheit einen zutiefst verletzen, wenn man sie ohne Liebe anwendet. Gott verurteilt diese Worte, wie wir später lesen (Hiob 42,7).
Wie manche der lieben Kranken und Alten könnten uns berichten, ob sie Liebe verspüren bei denen, die sie besuchen. Ein wenig Liebe ist so wohltuend, so tröstend und heilend. Würde die Liebe Christi uns erfüllen, so hätten wir mehr Liebe für andere! – Wie viele alt gewordene Väter, Mütter und Kranke werden oft lieblos und ohne Mitgefühl behandelt! Man tut seine Pflicht. Aber wo bleibt die Liebe? Leider wird dieser Mangel hin und wieder sogar bei Kindern Gottes sichtbar. Doch der Herr nimmt Kenntnis von allem. Er wird einmal alles ins Licht bringen und jeden zur Rechenschaft ziehen. Wie hat unser geliebter Herr sich besonders der Kranken und Schwachen, der Witwen und Niedergebeugten angenommen! Lernen wir von Ihm! -
Hiob 5
Bei Eliphas sahen wir, dass wir nicht alles nach unseren Gedanken und Erfahrungen beurteilen können und dürfen. Wir können uns leicht täuschen. Oft spielen Sympathie und Antipathie leider noch mit. Fragen wir doch immer: „Was sagt die Schrift?“ Nur im Lichte des Wortes Gottes erkennen wir die Dinge, wie Gott sie beurteilt. Wir lernen uns selbst kennen und haben Ursache, uns immer wieder vor dem Herrn zu beugen, um schonungslos alles zu verurteilen, was nicht zur Ehre des Herrn ist. Möchten wir hart gegen uns selbst, aber milde gegen andere sein.
Das Ich steht bei Eliphas auch im Vordergrund (Vers 3). Trotz seiner Erfahrung irrt er, indem er alles nach seinem Maßstab beurteilt. Geht es allen Gottlosen – sie werden hier Narren genannt – immer so, wie er es schildert? Denken wir nur an Psalm 73. Dadurch, dass es gerade den Gottlosen so gut ging, wäre Asaph fast abgeglitten und an der Gerechtigkeit und Liebe Gottes verzweifelt.
Ist der Mensch wirklich zur Mühsal geboren? Gott hatte den Menschen in Seinem Bilde erschaffen. Die Mühsal kam durch den Sündenfall.
Deshalb ist jeder Mensch ein Mühseliger und Beladener durch die Sünde. Welch eine Gnade, dass wir Den kennen dürfen, welcher sagt: „Kommet her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben“ (Mt 11,28).
Gewiss hat Eliphas Recht, wenn er seinen Freund darauf hinweist, Gott zu suchen, den Allmächtigen, den Gott, der Wunder tut (Ps 77,14).
Wie viele Wunder hat Er in deinem und meinem Leben getan! Vergessen wir es nicht! „...und vergiß nicht alle seine Wohltaten!“ Ein großes Wunder ist die Wiedergeburt. Das größte Wunder ist, dass der Herr auf diese Erde kam und auf Golgatha Gott verherrlichte und für uns alles vollbrachte.
Kein Mensch dies Wunder fassen kann,
kein Engel kann's verstehen.
Der Glaube schaut's und betet an,
bewundert, was geschehen.
Dieser Gott, der durch den Herrn Jesus unser Vater geworden ist, heilt, wenn Er zerschlagen hat. Er verbindet, wenn Er Schmerz bereitet hat. Darin sehen wir die Erziehungswege des Vaters und nicht eine Strafe (Heb 12,2–11). „Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschenkinder“ (Klgl 3,33).
In sechs Drangsalen wird er dich erretten, und in sieben wird dich kein Übel antasten“ (Hiob 5,19). – Die Zahl sechs ist u. a. ein Symbol der Mühe und Arbeit des Menschen. Besteht nicht unser ganzes Erdenleben aus Mühe und Arbeit, Nöten und Drangsal? Wunderbar aber, dass Er uns aus allem erretten wird. In sieben Drangsalen, d. h. wenn wir daheim sind im Vaterhause, wird uns kein Übel antasten. „Dann ist jeder Wunsch erfüllt, unser Sehnen ganz gestillt.“