Der 1. Brief an die Korinther
Kapitel 4
Die Menschen dieser Welt, und ‑ es ist traurig zu sagen ‑ besonders die modernistischen Prediger, gleichen merkwürdigerweise häufig dem Mann mit der Mistgabel in Bunyans großer Allegorie. Sie haben kein Auge für die himmlischen Dinge. Sie rühmen sich einer rein irdischen Religion, die darauf abzielt, ein wenig mehr Ordnung in die Bestandteile des Hauses und den Kehricht auf dem Boden zu bringen. Aber Paulus und Apollos? Wer und was sind sie? Können wir uns ihrer nicht rühmen? Sie sind nur Diener und Verwalter. Kapitel 4 beginnt mit diesem Hinweis und stellt dazu ferner fest, dass Treue die wesentliche Tugend eines Verwalters ist. Das lässt uns wieder an DEN TAG denken, der alle Dinge klar machen wird, wie uns Vers 13 des vorhergehenden Kapitels sagte.
Der „menschliche Tag“ in Vers 3 macht die Verbindung und auch den Gegensatz klar. Im Licht“ des Tages“ war Paulus nicht allzu sehr beunruhigt im Blick auf das Urteil eines „menschlichen Tages „ oder das Urteil der Korinther. Wären sie in einer geistlichen Verfassung gewesen, würde er zweifellos irgendwelcher Kritik an ihm selbst geduldig zugehört haben. Aber sie waren fleischlich, und folglich hatte ihr Urteil nur geringen Wert. Paulus ließ sie das wissen.
Außerdem hatte Paulus ein gutes Gewissen. In Vers 4 heißt es: „Denn ich bin mir selbst nichts bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt.“ Wie gut wäre es, wenn jeder von uns so sprechen könnte, wenn jeder von uns für so treu befunden würde im Blick auf den von uns erkannten Willen Gottes, dass uns nichts Verkehrtes bewusst wäre. Doch selbst Paulus musste einräumen, dass er damit noch nicht gerechtfertigt war; denn er wird nicht gerichtet werden nach dem, was er wusste, sondern vom Herrn und nach dem, was Er weiß. Und so ergeht es uns allen. Es ist ein großer Unterschied zwischen dem Maßstab, den unser Bewusstsein setzt, und dem, den die Allwissenheit des Herrn setzt.
Was weiß der Herr? Vers 5 möge es uns sagen ‑ einer der Verse in der Bibel, die uns zutiefst durchdringen. Er wird den Tag einführen, und die Strahlen Seines Lichts werden wie Röntgenstrahlen sein. Dieser Vers ist geschrieben, nicht wegen all des ungeheuerlich Bösen in der Welt, sondern wegen der Dinge, die unter Christen geschehen.
O welche schmerzlichen Episoden ‑ tausendfach und unzählbar ‑ haben sich unter den Heiligen Gottes ereignet. Viele davon waren mehr oder weniger privater Natur, manche waren öffentlich und betrafen kirchliche Dinge. Wir mögen uns unsere Urteile bilden und sogar leidenschaftliche Parteigänger werden, und doch mag es dabei dunkle Winkel geben, die unseren Augen verborgen sind, wo geheime Dinge verborgen werden. Es mag heimliche Beweggründe in den Herzen geben, die uns völlig verschleiert sind. Im Licht des Tages wird alles zum Vorschein kommen. Die letzte Berufungsinstanz liegt in der Gegenwart des Herrn. Sein Urteilsspruch kann unwiderruflich alle Urteile der irdischen Gerichtshöfe umstoßen. Deshalb lasst uns Geduld aufbringen, wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen. Große Sorgfalt ist nötig, sollten wir eine drastische Maßnahme erwägen. Erforsche die dunklen Bezirke gut, ob da nicht einige verborgene Dinge sind, die ans Licht kommen sollten. Prüfe dein eigenes Herz, ob dort nicht ein unrechtes Motiv lauert. Überlege es zwei‑ und dreimal, bevor du ein Gewitter loslässt, und das ganz besonders, wenn es die Versammlung berührt und viele davon betroffen sind.
Der letzte Satz von Vers 5 lautet: „Dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott.“ Damit ist nicht gesagt, dass jeder Mensch einmal gelobt wird, sondern dass jeder, der gelobt wird, sein Lob von GOTT haben wird und nicht etwa von einigen wenigen seiner Mitmenschen. Die Korinther hatten ihre Parteiführer. Den einen lobten sie übermäßig, und diese verurteilten sie, und umgekehrt. All das hatte keinen Wert. Gott möge uns Gnade geben, dergleichen zu vermeiden. Das einzige Lob, das zu haben sich lohnt, ist von Gott.
Vers 6 lässt erkennen, dass die eigentlichen Parteiführer in Korinth andere als Paulus und Apollos waren, und zwar wahrscheinlich begabte örtliche Führer, oder sogar Reisebrüder mit judaistischen Neigungen, auf die er in seinem zweiten Brief noch deutlicher anspielt. Paulus vermied es, ihre Namen zu nennen, doch wünschte er, dass alle die Lektion lernen mögen, sich nicht für den einen und gegen den anderen aufzublähen. Niemand hat Grund, sich zu rühmen, wie auch immer seine Gabe glänzen mag, denn alles, was jemand hat, hat er von Gott empfangen.
Sich des Menschen zu rühmen, entspringt somit dem Geist der Welt. Und wenn die Welt in dem einen Punkt eindringt, dann wird sie es auch bald in einem anderen tun. So war es in Korinth geschehen. Sie waren gesättigt und reich, regierten wie Könige, hatten eine wirklich „gute Zeit“, während ihr Herr noch verworfen war und die Apostel des Herrn an Seiner Verwerfung teilhatten. Es liegt ein Anflug von heiligem Spott in diesem Wort: „Ich wollte wohl, dass ihr herrschtet, auf dass auch wir [Paulus und seine Mitarbeiter] mit euch herrschen möchten.“ Die Gläubigen werden herrschen, wenn Christus herrscht, und die Apostel werden dann auf ihren Thronen nicht fehlen.
Welch ein Bild der Apostel, wie es damals um sie stand, bieten die Verse 9‑13! Es bedarf keiner Erläuterung. Doch sollte sich dieses Bild unserem Geist tief einprägen. Paulus entwarf es nicht, um uns zu beschämen, sondern um uns zu warnen. Ohne Zweifel aber bewirkt es für uns beides: Scham und Warnung. Er war den Korinthern ein geistlicher Vater und nicht nur ein Lehrer, denn er war das Werkzeug zu ihrer Bekehrung gewesen. Auch wir, ehemalige Heiden, sind durch ihn, obwohl nicht unmittelbar, zur Bekehrung gekommen, und er ist auch unser Lehrer durch seine inspirierten Schriften. So lasst uns ihn zum Vorbild nehmen und seinen Glauben und seine Hingabe nachahmen.
Die letzten Verse dieses Kapitels zeigen, dass einige unter den Korinthern nicht nur hinter Parteiführern herliefen und ein weltliches Leben führten, sondern dass sie auch eingebildet und aufgebläht waren. An solche richtet der Apostel sehr deutliche Worte. Für den Augenblick war Timotheus gekommen, um sie daran zu erinnern, was recht und geziemend war. Aber er deutete bereits an, dass er in Kürze selbst kommen würde. Wenn er in der Kraft des Reiches Gottes und der Autorität Gottes kam, dann könnten diese eingebildeten Brüder sich selbst mit dieser Kraft messen, wenn sie danach verlangte.
Wünschten sie das wirklich? Es würde ihre aufgeblasenen Ansprüche gründlich platzen lassen. Würde es nicht besser sein, sich vor Gott zu demütigen und es Paulus zu erlauben, sie in einem weitaus glücklicheren Geist zu besuchen?
Und wird es für uns alle nicht gut sein, uns selbst zu erforschen und zu demütigen, wenn wir die Betrachtung dieses Kapitels jetzt abschließen?