Der 1. Brief an die Korinther
Kapitel 2
Als Paulus den Auftrag empfing, das Evangelium zu predigen, wurde ihm auch gesagt, dass die Art seiner Verkündigung dem Inhalt der Botschaft entsprechen und diesen unterstreichen sollte. Dies wird in Vers 17 von Kapitel 1 erwähnt. Hatte er nun tatsächlich so gearbeitet, wie ihm befohlen war? Ja, das hatte er. In den einleitenden Versen von Kapitel 2 erinnert er die Korinther daran, in welchem Geist er zu ihnen gekommen war, und an den Charakter seiner Predigt. Vers 1 spricht von dem Stil seiner Predigt, Vers 2 vom Gegenstand seiner Botschaft, Vers 3 von dem Geist, der ihn kennzeichnete, Vers 4 noch einmal von dem Stil seiner Predigt, doch es wird hinzugefügt, wo seine tatsächliche Kraft lag. Vers 5 verdeutlicht den Zweck, den er verfolgte.
Was den Stil betrifft, so war er kein Redner, der sich auf die Kunst verstand, Menschen durch eine ausgezeichnete oder verlockende Vortragsweise mitzureißen. Er vermied dergleichen und verließ sich nur auf den Geist Gottes und dessen Kraft.
Als Thema hatte er nur Christus und Sein Kreuz. Heben wir in Gedanken die beiden Wörter „unter euch“ hervor. Er kannte die Neigung der Korinther zu großartigen Ideen auf dem Gebiet der Philosophie und des menschlichen Verstandes. Er wollte ihnen nicht auf dieser Ebene begegnen und nicht in philosophische Diskussionen ihrer Wahl verstrickt werden. Er entschloss sich, unter ihnen nichts wissen zu wollen als Christus, und Ihn als gekreuzigt. Er begann seine Laufbahn mit dem verherrlichten Christus, doch er wusste wohl, dass ein wirklich göttliches Werk nur geschehen konnte, wenn sie an Christus als den Gekreuzigten glauben und Ihn so annehmen würden. Die Wahrheit von einem gekreuzigten Christus würde all ihren Stolz und ihren Ruhm in den Staub legen. Und bis ein Mensch sich nicht in den Staub gebeugt hat, kann er keinen Anfang mit Gott machen.
Die eigene Geisteshaltung des Apostels stimmte damit völlig überein. Er kam nicht unter Fanfarenstößen zu ihnen, die ihn als „Palästinas gewaltigsten Prediger“ oder irgendetwas dergleichen angekündigt hätten, wie es im zwanzigsten Jahrhundert üblich ist. Ganz im Gegenteil. Er erwähnt Schwachheit, Furcht und Zittern. Er war sich schmerzlich bewusst, dass das Fleisch noch in ihm war und dass er leicht von der aufrichtigen Treue zu seinem Meister hätte abgebracht werden und in etwas hineingeraten können, was nicht von Gott war. Er kannte die gewaltige Macht des Teufels, wie sie sich in korinthischen Herzen verschanzt hatte. Deshalb zitterte er und fürchtete sich. So gab es Raum für den Geist Gottes, Seine Macht zu erweisen und die teuflischen Festungen in den Herzen der Menschen zu zerstören. Möge Gott es geben, dass dem Wirken dieser Macht heute mehr Raum gewährt würde!
Dann würden wir mehr Bekehrte sehen, die ihren Glauben wirklich auf die Macht Gottes gründen und nicht auf menschliche Weisheit.
Bis zum Ende des fünften Verses hat der Apostel die menschliche Weisheit achtmal erwähnt, und jedes Mal in dem Sinn, dass ihr völlig zu misstrauen ist. Einige könnten daraus den Schluss ziehen, dass Weisheit jeder Art abzulehnen sei. Andere wieder könnten annehmen, dass der christliche Glaube sich nur an Gefühle und Gemütsbewegungen wende und von daher der Aufmerksamkeit eines denkenden Menschen nicht würdig sei.
Darum erinnert Paulus die Korinther in Vers 6 daran, dass der Glaube überreich ist an Weisheit, nur ist es die Weisheit Gottes und nicht die der Großen der Erde. Außerdem ist die Weisheit von einer Art, die sich nur an die „Vollkommenen“ wendet, an solche, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben oder voll erwachsen sind. Wir mögen Gläubige sein, aber solange wir darüber unsicher sind, in welcher Stellung wir vor Gott stehen, und solange wir in der Frage der Befreiung von der Macht der Sünde nur in uns selbst hineinschauen und verzweifelt kämpfen, fehlen uns Herzensbereitschaft und Ruhe, um die Weisheit Gottes in Seinen Ratschlüssen und Vorsätzen kennen lernen zu können, die einst ein Geheimnis war, uns jetzt aber kundgetan worden ist.
Die Weltweisheit wird in Vers 6 die Weisheit dieses Zeitlaufs genannt. Eine andere Schriftstelle spricht von Satan als dem „Gott dieser Welt“. Der Gott dieser Welt oder dieses Zeitlaufs benutzt die Fürsten dieses Zeitlaufs, die Weisheit dieses Zeitlaufs vorzutragen, während er ihren Sinn verblendet, so dass sie die Weisheit Gottes nicht erkennen, die vor den Zeitaltern zuvorbestimmt worden war. Als der Herr der Herrlichkeit hier war, verblendete der Fürst dieser Welt ihre Sinne so, dass sie Ihn kreuzigten.
Das ist wirklich eine furchtbare Anklage! Der Höchste, der Herr der Herrlichkeit, wurde zu einem unsagbar niedrigen und schändlichen Tod verurteilt, und das nicht so sehr von einem unwissenden Pöbelhaufen, sondern von den Fürsten dieses Zeitlaufs. Die Überschrift an Seinem Kreuz war ja in griechischen, lateinischen und hebräischen Buchstaben geschrieben. Die Griechen waren unbestreitbar die intellektuellen Fürsten des Zeitlaufs. Die Römer waren Fürsten in Sachen militärischer Tüchtigkeit und in der Regierungskunst. Die Hebräer waren, ohne Konkurrenz, Fürsten in Sachen Religion. Doch alle waren beteiligt an der Kreuzigung des Herrn der Herrlichkeit. Alle offenbarten dadurch ihre vollkommene Unwissenheit über Gott, und alle brachten sich selbst unter Sein Gericht.
Die Fürsten dieses Zeitlaufs „werden zunichte“. Das ist sehr demütigend! Nicht nur wird „der Verstand der Verständigen“ hinweggetan (Kap. 1,19), sondern die Fürsten dieses Zeitalters werden selber zunichte. Das Endergebnis, der Gesamtertrag all der klugen Machenschaften ist NICHTS. Die weisen Menschen selbst werden ZUNICHTE. Im Gegensatz dazu belehrt uns der Apostel Johannes, dass derjenige, der „den Willen Gottes tut“, in Ewigkeit bleibt. Und dazu haben wir die Worte des Herrn an die Jünger: „Auf dass ... eure Frucht bleibe“. Der Gläubige, und nur der Gläubige, hat die Fähigkeit, sich mit Dingen zu beschäftigen, die in Ewigkeit bleiben. Lasst uns das sehr gründlich bedenken, und möge unser Leben dadurch geprägt werden!
Es ist ein wunderbarer Gedanke, dass die früher verborgene, jetzt aber enthüllte Weisheit Gottes vor den Zeitaltern zu unserer Herrlichkeit „zuvorbestimmt“ war. Nicht nur waren wir selbst in Christus vor Grundlegung der Welt auserwählt, sondern die Weisheit Gottes dachte bereits an unsere Herrlichkeit, ehe die Zeitalter begannen, und damals schon wurde alles zuvorbestimmt. Und was Gott zuvorbestimmt, verfehlt nicht seine Vollendung, wenn Gottes Stunde da ist. Somit ist unsere Herrlichkeit gewiss, außerdem ist sie mit der Herrlichkeit Christi verbunden und ihr untergeordnet. Die Herrlichkeit Christi ist das Höchste, doch unsere Herrlichkeit ist ebenso gewiss wie die Seine und gleicherweise von Gott zuvorbestimmt.
Was nach Vers 7 zuvorbestimmt worden ist, ist nach Vers 9 auch „bereitet“ worden, und was Gott bereitet hat, übersteigt das menschliche Fassungsvermögen, sowohl das der Augen wie auch das der Ohren und des Herzens. Vieles verstehen wir, wenn wir unsere Augen gebrauchen - also durch Beobachten. Anderes verstehen wir durch Hören mit den Ohren, indem wir auf das lauschen, was uns überliefert wird - also durch Überlieferung. Und anderes wieder erfassen wir instinktiv mit dem Herzen - also durch Intuition, durch spontanes Erkennen. Die göttlichen Dinge begreifen wir auf keinem dieser Wege, sondern nur durch Offenbarung, wie Vers 10 deutlich sagt.
Was Gott bereitet hat, ist durch den Geist offenbart worden. Mit „uns“ in diesem Vers sind ursprünglich die Apostel und Propheten gemeint, denen die Wahrheit zuerst kundgetan wurde. Sie haben die Wahrheit den Gläubigen, die insgesamt die Kirche bilden, weitergegeben, wie wir gleich sehen werden. Vers 11 zeigt uns, dass allein der Geist fähig und zuständig ist, etwas zu offenbaren, denn Er ist der Geist Gottes. Menschliche Dinge kann allein der Geist des Menschen wirklich wissen. Genauso weiß nur der Geist Gottes um die göttlichen Dinge, und Er allein ist fähig, sie kundzutun.
Gläubige haben aber den Geist Gottes empfangen, wie Vers 12 sagt. Dadurch sind auch wir befähigt, die Dinge Gottes zu erfassen. Keine Forschung, kein Experiment, keine Gelehrsamkeit, keine Geisteskräfte können uns diese Fähigkeit vermitteln, sondern nur der Geist Gottes.
Lasst uns das ernstlich zu Herzen nehmen, denn wir leben in einem Zeitalter, das von Forschung, Experiment und intellektueller Aktivität gekennzeichnet ist, und man nimmt allgemein an, dass der menschliche Geist mit den Dingen Gottes einfach so umgehen kann, wie er mit menschlichen Dingen umgeht. ABER DAS IST DURCHAUS NICHT DER FALL. Daher kommen die schrecklichen geistlichen Missgriffe solcher Leute, die sonst ganz gelehrt sind. In menschlichen Angelegenheiten sind sie hochbegabt, in göttlichen erbärmlich blind und unwissend.
Sind wir alle begierig, die Dinge Gottes zu kennen? Das sollten wir doch sicherlich sein. Ihnen gehört unser persönliches Interesse. Die „zuvorbestimmten“, „bereiteten“ und „offenbarten“ Dinge sind „uns von Gott geschenkt“ worden. Besitzen wir unsere Besitztümer mit geistlichem Verständnis und Genuss?
Wir können das, weil die Dinge, die den heiligen Aposteln und Propheten Gottes offenbart wurden, uns in göttlich verordneten Worten mitgeteilt worden sind. Das sagt uns Vers 13: „mitteilend geistliche [Dinge] durch geistliche [Mittel]“. Hier beansprucht der Apostel für seine gesprochenen Äußerungen entschieden die Inspiration, und zwar wörtliche Inspiration, und das gilt umso mehr für seine geschriebenen Äußerungen. Die beanspruchte Inspiration bezieht sich ausdrücklich auf „Worte“. Wenn wir in der Schrift (wie sie ursprünglich niedergelegt worden ist) nicht Gottes Gedanken haben, eingekleidet in von Gott gewählte Worte, dann haben wir überhaupt keine Inspiration, die irgendeinen wirklichen Wert hätte.
Das letzte Glied in dieser wunderbaren Kette ist „beurteilt' (oder: unterschieden). Wenn wir heute die göttlichen Dinge nicht durch Gottes Wort beurteilen, wird es uns wenig nützen, dass sie zuvorbestimmt, bereitet, offenbart, geschenkt und mitgeteilt sind. Sie können die unseren sein, ja, sie sind die unseren, wenn wir tatsächlich Christen sind, doch wir müssen sie beurteilen oder unterscheiden, wenn sie uns praktischen Segen vermitteln sollen. Und dieses Beurteilen unsererseits geschieht durch denselben Geist, der sie offenbart und mitgeteilt hat.
Zur Beurteilung benötigen wir die rechte geistliche Verfassung. Der „natürliche Mensch“, das ist der Mensch in seinem natürlichen, unbekehrten Zustand, vermag sie nicht zu beurteilen. Nur der „geistliche“, das heißt, der bekehrte Mensch, der nicht nur den Geist Gottes in sich wohnend hat, sondern auch von diesem Geist geleitet und in seinem Wesen gekennzeichnet ist, vermag sie in sich aufzunehmen. Wenn wir den Geist besitzen, haben wir den Sinn Christi. Durch den Geist geleitet, sind die Augen unserer Herzen geöffnet, um zu verstehen. - Nur der geistliche Gläubige hat die geistliche Sehkraft, alle Dinge klar wahrzunehmen.
Vor langer Zeit beklagte sich jemand: „Ich kann das nicht sehen. Ich brauche mehr Licht.“ Es wurde ihm geantwortet: „Dir fehlt nicht das Licht, es sind die Fenster, die dir fehlen.“ So war es zweifellos. Wenn wir dem Geist Gottes erlaubten, die Fenster unserer Seele zu säubern, würden wir bald klar sehen.